Long Distance Calling - München

10.06.2009 | 10:33

15.05.2009, 59:1

Postrock für Metaller: LONG DISTANCE CALLING rocken auch ohne Sänger.

Es ist Freitagabend. Die Woche war stressig. Otto Normalbürger will eigentlich nur noch nach Hause und seine Ruhe haben. Jetzt noch ein Konzert? Nee. Aber halt! Immerhin spielen LONG DISTANCE CALLING. Und sie spielen im schönen 59:1, einem Ort, am dem letztens eines meiner Konzerthighlights des Jahres (PURE REASON REVOLUTION) stattfand. Also doch Aktivierungsenergie überwinden und hin!

LONG DISTANCE CALLING spielen harten, instrumentalen Rock und werden folglich dem Genre des Postrock zugeordnet. Aber irgendwie sind sie ein kleines Phänomen, denn mit ihrer Musik schaffen sie es, viele Leute, die Musik nicht überleben, wenn Gesang fehlt, trotzdem in ihren Bann zu ziehen. Was ist also anders?

Nun, um eines gleich vorwegzunehmen: LONG DISTANCE CALLING spielen nicht in einer Liga mit MOGWAI, ISIS, RED SPAROWES, MONO und Konsorten, denn der musikalische Ansatz ist ein ganz anderer. Sie spielen ihren instrumentalen Rock eben nicht auf die POST-Art, sondern auf eine eher traditionelle. Es geht eigentlich sofort in die Vollen mit harten Beats, rundem Bass und klassischen Gitarren-Riffs ohne großen Schnickschnack wie Echo-Effekte und meterhohe Übereinanderlagerungen von Gitarrenwänden. Sehr Metal also. Und so braucht niemand lang, um mit dem Fuß zu wippen, den Kopf zu nicken oder gar zu headbangen.

Die Musik funktioniert auch ohne Gesang, da immer wieder schöne Spannungsbögen aufgebaut werden und die eine oder andere Melodie im Hirn kleben bleibt. LONG DISTANCE CALLING sind also durchaus kurzweilig, und so kommt es, dass es mich trotz Müdigkeit doch vor die Bühne verschlägt, um mal gepflegt den Kopf zu schütteln. Möglicherweise ist das der Punkt, weshalb auch einige Menschen mit schwarzen T-Shirts und Krakelschrift (wohl Death-Metaller) LONG DISATNCE CALLING gut finden. Nicht nur einmal dachte ich mir, dass schöne tiefe Growls sehr gut zur Musik passen würden, die zwar immer wieder einige ISIS-Zitate aufweist, manchmal aber auch den Spirit alter KATATONIA versprüht. So weit also alles bestens. Trotzdem fehlt mir bei LONG DISTANCE CALLING ein wenig das Besondere, das Unvorhersehbare, das Freakige, der letzte Kick, der an sich gute Musik in die Champions League führt. Vielleicht mal ein überraschender Taktwechsel, eine schräge Melodie, ein Gitarrensolo oder vielleicht ja doch ein Sänger? Als weiterer Kritikpunkt ist die ziemlich kurze Spielzeit zu vermerken, denn nach circa einer Stunde ist schon wieder Schluss. Für viele hätte es ja doch etwas mehr sein können. Für mich war’s aber gerade genug, und ich konnte zufrieden nach Hause gehen.

Redakteur:
Thomas Becker

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