LOST SOCIETY - Bochum

29.06.2023 | 13:27

02.06.2023, Rockpalast

Jung und wild im Modern-Metal-Outfit

Je öfter ich "If The Sky Came Down" höre, desto mehr Gefallen finde ich an der mittlerweile fünften Langrille aus dem Hause LOST SOCIETY. Wo die Finnen auf ihren ersten beiden Werken "Fast Loud Death" und "Terror Hungry" den Fokus eher auf den Thrash Metal der jungen, wilden Riege setzten, erlauben sie sich nun fette Modern-Metal-Grooves, ein paar starke Nu-Metal-Überraschungen und Metalcore-Tiefgang in Hülle und Fülle, was sich spätestens auf "No Absolution" allerdings auch schon andeutete. Darum lasse ich mich auch nicht zweimal bitten, wenn Frontmann Samy und seine Mitstreiter der Bochumer City einen Besuch abstatten, um die altehrwürdigen Bretter des Rockpalasts zum Beben zu bringen.

Wenn sich der Feierabend- und Wochenendverkehr mit einer Fahrt auf einer ohnehin vollkommen überfüllten Autobahn gegenseitig die Klinke in die Hand drücken, kann es auch trotz guten Zeitmanagements sein, dass man schlichtweg zu spät kommt und somit nur die beiden letzten Songs des heutigen Support-Acts HIMALAYAS mitbekommt. Nun, zumindest scheint der proppevolle Rockpalast bei dem Alternative Rock aus Wales nicht komplett eingeschlafen zu sein, obwohl Euphorie auch anders aussehen kann. Ein paar Füße wippen bei den guten, aber nicht allzu zwingenden Tönen mit, das Ende füllt sich mit Applaus, man darf also gespannt sein, wie sich die UK-Rocker auf ihrem Debüt anstellen. Doch richtig in Fahrt kommt Bochum erst, wenn der heutige Haupt-Act die Bühne entert.

Und der legt nach kurzer Umbaupause – ein kaltes Bier tut unheimlich gut, sag' ich euch – los wie die Feuerwehr. Das Publikum ist aus dem Häuschen und LOST SOCIETY so motiviert wie noch nie. Wie schon gesagt hat "If The Sky Came Down" zwar schon einige Monate auf dem Buckel, doch eine starke Langlebigkeit und auch ich bin gespannt, wie sich die einstigen Thrasher und heutigen Modern-Metaller über all die Jahre vor allem live etabliert haben. Und Samy und Co. fühlen sich im Groove'n'Nu-Metal-Gewand pudelwohl, was bereits das starke '112' und mit 'Underneath' gleich zu Beginn ein weiterer "If The Sky Came Down"-Brecher unter Beweis stellen.

Der Klang ist sauber und druckvoll, das Publikum deutlich vitaler als der verhältnismäßig alte Sack, der diese Zeilen schreibt, und Frontmann Samy hat auch als Brandon-Lee-Lookalike eine faszinierende und charismatische Ausstrahlung. Mit 'Riot' kehrt das wieselflinke und eingespielte Quartett aus Jyväskylä zurück ins Jahr 2016, ehe sich mit dem aktuellen Titelsong das erste, folgenschwere Highlight über dem Publikum ausbreitet. Hand aufs Herz, 'If The Sky Came Down' geht mir seit Tagen nicht mehr aus der Birne und zumindest der Großteil des Rockpalasts gibt dem Refrain lautstark das gewisse Extra. Auch in Sachen Interaktionen kann man LOST SOCIETY nichts ankreiden, da sich die Mannen äußerst fanfreundlich und schlichtweg sympathisch geben.

Nach diesem Hit und dem ebenfalls aktuellen '(We Are The) Braindead' zaubern uns die Finnen im weiteren Verlauf mit 'Kill (Those Who Oppose Me)' und 'N.W.L.' vom thrashigen Debüt ein breites Lächeln auf die Lippen, ehe sich der Fokus wieder auf "No Absolution" und das aktuelle Feuerwerk legt. Natürlich schreit mein Thrash-Metal-Herz nach weiteren "Fast Loud Death" oder generellen "Terror Hungry"-Kostproben, doch in Anbetracht der Wucht und Catchiness machen auch das dynamische 'Artificial', 'Outbreak (No Rest For The Sickest) ' sowie der Doppelpack 'What Have I Done'/'Suffocating' eine sehr gute Figur. Mit 'Into Eternity' wird langsam das Ende des heutigen Abends eingeläutet, was einerseits schade, andererseits aber ob der steigenden Temperaturen und dem Schweiß, der buchstäblich von der Decke tropft, bitter nötig ist. Doch trotz der Hitze geben die LOST SOCIETY-Jungs Vollgas, man merkt ihnen in jeder Faser die Freude an dieser Headliner-Show an.

Zwei Songs gehen aber noch, die mit dem Titelstück der vorletzten Scheibe und dem sich peu a peu mausernden 'Stitches' als Finale nach der 90-minütigen Spielzeit auch gut auf der Haut anfühlen. Und nach einem lautstarken Applaus und glücklichen Gesichtern bei LOST SOCIETY und dem Publikum tut die halbwegs frische Luft mindestens genauso gut wie das zuvor Gebotene.

Setliste: 112; Underneath; Riot; If The Sky Came Down; (We Are The) Braindead; Awake; Artificial; What Have I Done; Suffocating; Hurt Me; Kill (Those Who Oppose Me); N. W. L.; Creature; Outbreak (No Rest For The Sickest); Into Eternity; No Absolution; Stitches

Den Temperaturen zum Trotz hat LOST SOCIETY abgeliefert und den Posten des Headliners gerechtfertigt. Vor allem derzeit, wenn auch kleinere Bands oftmals aus finanziellen und logistischen Gründen eine Tour abbrechen oder gar nicht erst antreten können, tut es gut, dass es sie doch noch gibt: diese Shows, die Feuer entfachen. Mir jedenfalls hat es großen Spaß gemacht, dieser gestandenen Band beim Wachsen und (Stil-)Wechseln zuzuschauen, der Abend hat sich gelohnt und für die vorherigen Wutausbrüche auf den Straßen dieser Republik entschädigt.

Redakteur:
Marcel Rapp

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