Keep It True XII - Königshofen

02.05.2009 | 23:40

24.04.2009, Tauber-Franken-Halle

Das Eldorado dessen, was im traditionell metallischen Untergrund wirklich glänzt liegt in Franken und zieht Jahr für Jahr unzählige legendäre Künstler und treue Fans zum Keep It True. Heuer schon zum zwölften Mal.

Die zwölfte Runde ist es nun schon, in die das "Keep It True" geht, und so wie (nicht nur) wir das Ganze wahrnehmen, handelt es sich hier um eine der größten Erfolgsgeschichten im traditionellen, metallischen Underground. Oliver, Tarek und ihr Team schaffen es Jahr für Jahr, ihre Gäste einerseits mit obskuren Kultbands zu überraschen, an deren Auferstehung aber auch wirklich keiner mehr geglaubt hat, und andererseits mit Headlinern zu begeistern, die in der Szene Rang und Namen haben und durch Festivals wie dieses endlich mal die Chance bekommen vor einem Publikum spielen zu dürfen, das ihre Leistung auch auf ganzer Linie würdigen kann. Bands deren Headliner-Shows in Europa oft nur mit Mühe einen dreistelligen Zuschauerschnitt erreichen, sind hier die Könige unter Königen und werden von der ausverkauften Halle nach allen Regeln der Kunst abgefeiert. Und womit? Nun, mit Recht!

Wir sind jedenfalls stolz und glücklich, das Festival von Anfang an begleiten zu dürfen. Und auch innerhalb unserer geschmacklich sehr weit gestreuten Redaktion weiten sich die Kreise der Interessierten immer stärker. So sind es heuer doch tatsächlich sechs Kollegen, die aus der ganzen Republik anreisen, um ihren ganz alten Faves zu huldigen, die sie seit vielen Jahren nicht mehr live gesehen haben. Oder aber, um ein paar neue Underground-Perlen zu entdecken, die sie bisher nicht so deutlich auf dem Schirm hatten. Zwei durchaus stressige, aber auch umso unterhaltsamere und begeisterndere Tage stehen nun vor uns, und wir möchten euch gerne berichten, wie wir die Sache erleben:
[Rüdiger Stehle]


IN SOLITUDE

Die erste Band eines Festivals zu sein, ist häufig eine undankbare Aufgabe. Das ist beim Keep It True kaum anders, sind doch die Ankommenden vor allem damit beschäftigt, sich ein Ticket für das nächste Jahr und die besten Schnäppchen auf der Metalbörse zu sichern. Doch mit jeder Minute Spielzeit versammeln sich mehr Metaller vor der Bühne, angezogen vom episch-traditionellen Metal der Schweden, der an Legenden wie WARLORD, frühe CANDLEMASS oder MERCYFUL FATE erinnert. Das ist natürlich Material, das dem gemeinen KIT-Gänger wie Honig durch die Lauscher fließt.

Da stört es auch nicht, dass Bassist Gottfrid Åhman (Foto rechts) wie der kleine Bruder von Oscar Dronjak und mit seinen Nietenarmbändern um arg spärliche Oberarme etwas albern aussieht. Dafür sind Songs wie 'In The Darkness', 'Kathedral' oder das abschließende 'Witches Sabbath' auch viel zu gut. Das sieht das Publikum ähnlich, und so können sich die fünf Schweden über viele Headbanger, fliegende Fäuste und neue Fans freuen. Ein toller Festival-Auftakt.
[Peter Kubaschk]

Peter, das was du hier als albernes Outfit bezeichnest, sind die originalen Bühnenklamotten von Meister Cronos aus dem Jahre 1985. Die muss Gottfrids Mutter allerdings x-mal zu heiß gewaschen haben, um sie von Größe XXL auf M einzuschrumpfen. Ach ja, ich fand den IN SOLITUDE-Auftritt im Übrigen auch toll, nicht, dass ob der Albereien ein falscher Eindruck entsteht.

Setlist: In The Darkness, 7th Ghost,The Monolith, Faceless Mistress, Tempel Of The Unknown, Beyond Is Where I Learn, Kathedral, Witches Sabbath
[Rüdiger Stehle]



ATLANTEAN KODEX

Es muss dem ATLANTEAN KODEX-Gitarristen und passionietren "Keep It True"-Gänger Manuel Trummer (Foto links) inzwischen gelungen sein, seine Katze auf Lichtgeschwindigkeit zu beschleunigen, hat er mir doch in unserem letzten Interview gesagt, dass mit einem Liveauftritt seiner Band erst zu rechnen sei, wenn er dieses Ziel erreicht habe. Doch sei es, wie es wolle: Heute geben die oberpfälzer Epiker zum zweiten Mal überhaupt ein Konzert (das erste fand vor einigen Tagen in Nürnberg statt), und dafür präsentiert sich die Band sehr überzeugend, gut eingespielt und unterhaltsam. Auf die Musik konzentriert und ohne große Effekthascherei gibt das zum Quintett angewachsene und gesanglich durch Markus-Becker-Ersatz Johannes Korda (ex-SELDOM REFUSE) kompetent verstärkte Team seine epischen und ausladendenden Kompositionen zum Besten. Gut, Manuels weidmännische Strickjacke mit den Hirschhornknöpfen ist - noch dazu kombiniert mit Schlangenlederstiefeln - in Sachen Bühnenoutfit natürlich ein Highlight der Veranstaltung, aber wer eine Bärwurz-Edition seines Albums veröffentlicht, der darf auch solche Kleidung tragen. Da die Kompositionen der vor allem von BATHORY und alten MANOWAR beeinflussten Band allesamt sehr lang geraten sind, beschränkt sich das heute Dargebotene auf das Material der just veröffentlichten "The Pnakotic Demos"-Vinyl-EP und die Bandhymne 'Atlantean Kodex', wobei natürlich vor allem der tolle Opener 'From Shores Forsaken' und 'The Hidden Folk' für Begeisterung sorgen. Beim letzten Stück darf PROCESSION-Sänger Felipe Plaza als Gastsänger im Duett mit Johannes den Refrain singen, was dem Lied zusätzlichen Reiz beschert, obwohl Felipe den Text vom Blatt absingt. War wohl eine sehr spontane aber auch coole Aktion und als zum Abschluss BATHORYs 'Hammerheart' vom Band erklingt, ist den Anwesenden und wohl auch der Band klar, dass die Feuertaufe bestanden ist. Hoffentlich klappt es irgendwann mal wieder mit einem Gig der Herren KODEX.
 
Setlist: The White Ship (Intro), From Shores Forsaken, Atlantean Kodex, Marching Homeward, A Prophet In The Forest, The Hidden Folk
[Rüdiger Stehle]



ASKA

Nachdem ASKA-Sänger George Call im letzten Jahr als neuer Sänger OMENs beim "Keep It True" spielen durfte und dort nach Maß abgefeiert worden war, scheinen sowohl die KIT-Veranstalter als auch Herr Call auf den Geschmack gekommen zu sein, weshalb dieses Jahr die Stammband an der Reihe sein sollte. Die hat natürlich nicht das Arsenal an Überklassikern zu bieten, das OMEN abfeuern konnte, doch auch ASKA kommt beim Publikum mit einer amtlichen Vollbedienung melodischen Metals amerikanischer Prägung super an. Wenn man die Songs nämlich mal gehört hat, dann tut sich auch bei diesen Texanern enormes Hitpotential auf.

Die Gründungsmitglieder George Call (Gesang und Gitarre) und Keith Knight (Bass, Foto rechts), verstärkt um den zweiten Gitarristen Daryl Norton und Ex-OMEN-Drummer Danny White spielen einen schönen Querschnitt durch ihr bisheriges Schaffen, wobei der Schwerpunkt auf den letzten beiden Alben liegt, die mit jeweils drei Stücken gewürdigt werden. Dazu kommt 'Leprosy' vom dritten Album "Nine Tongues" und das großartige Titelstück des Zweitlings "Immortal", wobei die besten Publikumsreaktionen beim harten Opener 'Angels Of War', der aktuellen Hymne 'Longships' und dem epischen 'Valkyrie' zu verzeichnen sind. Die Band hat sichtlich Spaß an ihrem Auftritt und wird gebührend gefeiert, was auch redlich verdient ist. Vor allem Frontmann George kann nicht genug gelobt werden, beweist er doch eindrucksvoll, dass auch ein Gitarre spielender Sänger ein richtig guter und agiler Frontmann sein kann, der mittels Gestik, Mimik und Blicken ständigen Kontakt zum Publikum hält und sich zusammen mit seinen Sidekicks auch ausgiebig am Synchronposing beteiligt. Dass sich sämtliche Bandmitglieder lange nach dem Auftritt bereitwillig den Fans stellen, CDs signieren und ihre raren Eigenpressungungen unters Volk bringen, macht sie umso sympathischer. Auch wenn man der Band die langjährige Bühnenerfahrung in 37 verschiedenen Ländern dieser Welt anmerkt, wirkt die Truppe gerade nicht routiniert, sondern immer noch frisch und unbekümmert. Für mich bleibt der ASKA-Auftritt jedenfalls fraglos als eines der größten Highlights des KIT XII im Gedächtnis und ich hoffe sehr, die Band bald wieder mal sehen zu können. Am besten als Headliner mit zwei Stunden Spielzeit.

Setlist: Angels Of War, Leprosy, Invasion, Immortal, Valkyries, Longships, Crown Of Thorns
[Rüdiger Stehle]



CLOVEN HOOF

Bereits zum zweiten Mal spielen die Briten auf dem Keep It True. War es beim letzten Auftritt noch eine Rückkehr einer tot geglaubten Band treten sie diesmal mit stolzer Brust auf die Bühne, denn in der Zwischenzeit ist CLOVEN HOOF wieder zu einer richtigen, real existierenden Band geworden, die sogar mit "Eye Of The Sun" ein sehr gutes Album veröffentlicht hat. Doch der erste Eindruck ist erstmal kein musikalischer, denn das Erscheinungsbild der Herren ist doch ein außergewöhnliches. Die tiefschwarzen Haare von Sänger Russ North erinnern an eine Erdal-Werbung und dürften ein wenig Nachhilfe erhalten haben. Doch noch mehr für hochgezogene Augenbrauen sorgt Gründungsmitglied, Bandkopf und Bassist Lee Payne schaut schon ein wenig aus, als wolle er das KISS-Feeling der Siebziger in die Neuzeit retten. Eine freie Interpretation des Themas "Metall und Leder", die klischeetriefend über die Bretter rockt, ist zwar nicht ganz frei von Peinlichkeit, aber glücklicherweise auch ziemlich unterhaltsam. So erntet CLOVEN HOOF einiges an Grinsen, aber durchaus wohlwollend. Beim Einstieg in den Titelsong des letzten Albums, das sicher nicht jedem geläufig ist, auch wenn es bereits auf dem durch einen völlig indiskutablen Sound verhunzten 1986er Live-Album zu hören war, fliegen bereits Köpfe und Fäuste, aber richtig geht es mit dem folgenden Doppelschlag ab: 'Nova Battlestar' und 'Astral Rider', die beiden absoluten Highlights der beiden Alben "Dominator" und "A Sultan’s Ransom". Der melodische Uptempo- Metal wird vom Publikum äußerst gut aufgenommen, und das Lächeln der Protagonisten wirkt ansteckend. Da mit Russ auch der Sänger zurückgekehrt ist, der die zwei mittleren Alben eingesungen hat, steht einer tollen Show nichts im Wege, zumal Russ eher mehr schreit als früher. Nichts also mit der Angst, er könne eventuell alte Tonlagen nicht mehr treffen. Die nächsten vier Songs stammen ebenfalls von den beiden Alben zwei und drei, und obwohl sie allesamt den Nerv der Fans treffen, blicken die ersten vor der Bühne ängstlich auf die Uhr. Denn: Es gab noch keinen einzigen Song des überragenden Debütalbums. Klar, das wurde von David Potter eingesungen, aber es ist doch das Referenzwerk der Engländer, das unter anderem auch die Bandhymne enthält. Ganz am Ende gibt es dann tatsächlich einen Track eben dieses Albums, und auch wenn es "nur" 'Laying Down The Law' ist, sieht man die Mienen der Kenner der Materie aufhellen. Unglücklicherweise ist danach bereits Schluss, ohne dass einer der drei epischen Songs gespielt wurde, also kein 'Cloven Hoof', 'Gates Of Gehenna' oder das mächtige 'Return Of The Passover'. Leider entwickelte sich die Band nach dem ersten Album weg von den vertrackteren Progressive-Metal-Stücken hin zu einer lupenreinen Melodic Metal Band, aber auf dem Keep It True wäre durchaus eine Gelegenheit gewesen, mal wieder tief ins Säcklein zu greifen und etwas Besonderes hervorzuzaubern. Immerhin haben sie eine Entschuldigung, aber das sollten wir erst am nächsten Tag merken.

Setlist: Eye Of The Sun, Nova Battlestar, Astral Rider, Mistress Of The Forest, Mutilator, Highlander, Road Of Eagles, Laying Down The Law
[Frank Jaeger]



RUTHLESS

In regelmäßigen Abständen spielen beim Keep It True auch Bands, die einen sehr übersichtlichen Back-Katalog haben. Zu diesen Bands gehören dieses Mal auch RUTHLESS, die es gerade auf zwei Veröffentlichungen bringen, nämlich das Full-Length-Album "Discipline Of Steel" aus dem Jahr 1986 sowie die bereits 1984 erschienene EP "Metal Without Mercy".

Da auf diesen beiden Scheiben aber einige gute bis sehr gute Songs zu finden sind, darf man natürlich gespannt sein, wie sich RUTHLESS über zwei Jahrzehnte später präsentiert. Die Band tritt jedenfalls annähernd im Original-Line-up auf - die drei "alten Hasen" Sami De John (v.), Ken McGee (g.) und Jack Black (b.) werden von Ex-DARK ANGEL-Gitarrist Jim Durkin sowie Bob Guitrau am Schlagzeug unterstützt -, und sie legt auch gleich einen fulminanten Start hin. Es geht mit 'Gates Of Hell', dem Opener der EP los, und die Fans in den vorderen Reihen sind sofort begeistert. Und als Sami nach einer kurzen Ansage fragt, ob sie denn noch mehr "Metal Without Mercy" hören wollen und der entsprechende Song dann auch gespielt wird, gibt es kaum ein Halten mehr. RUTHLESS lassen aber auch danach nicht locker und es folgt mit 'Bury The Axe' noch ein dritter Song von der EP. Überhaupt machen die US-Amerikaner nicht den Eindruck, als ob sie jemals von der Bildfläche verschwunden gewesen wären. Sie spielen hervorragend zusammen, und sie scheinen auch richtig Spaß an diesem Auftritt zu haben. Mit 'Winds Of War' folgt dann ein Song, der weder auf der EP noch auf der LP zu finden war, der aber deswegen nicht schlechter beim Publikum ankommt. Anschließend geht es mit 'Discipline Of Steel' sowie 'Mass Killer' aber wieder in bekannteres Fahrwasser, und die Fans sind dementsprechend wieder lautstark dabei. Samis Frage, ob RUTHLESS demnächst mal wieder nach Deutschland zurückkommen sollen, ist daher auch nur rhetorischer Natur, denn in dieser Verfassung und mit dieser Spielfreude sind sie jederzeit willkommen. Aber zunächst bleibt ihnen noch Zeit für einen letzten Song, 'Sign Of The Cross', der nochmals begeistert aufgenommen wird. - Fazit: Toller Auftritt - für mich eine der Überraschungen des diesjährigen Keep It True Festivals!

Setlist: Gates Of Hell, Metal Without Mercy, Bury The Axe, Winds Of War, Discipline Of Steel, Mass Killer, Sign Of The Cross
[Martin Schaich]



EXUMER

Dass die reformierten deutsch-amerikanischen Thrasher bei der Mehrzahl der KIT-Besucher einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen würden, damit habe ich an sich schon im Vorfeld gerechnet. Nicht, weil die Band schlecht wäre, denn das ist sie beileibe nicht. Sondern einfach weil ich den Eindruck hatte, dass die Musiker die Ambition haben würden, auch über zwanzig Jahre nach "Rising From The Sea" eine zeitgemäße Thrash-Band sein zu wollen. Und genau das ist es, was die meisten Old-Schooler im Publikum auch heute stört: Von der bewusst auf aggressiv getrimmten, Metalcore-mäßigen Bühnenperformance, über die ein wenig nach unten gestimmt scheinenden Gitarren, bis hin zu der Art und Weise, wie Mem von Stein (Foto) und Paul Arakari sich den Gesang teilen, ist eines immer deutlich: Die Thrash-Hymnen aus den Achtzigern klingen heute eben nicht mehr wie damals auf den Kultplatten, sondern wie die Kompositionen einer aktuellen Death/Thrash-Kapelle. Genau das aber möchte das Publikum in Königshofen in weiten Teilen nicht hören. Der bei EXUMER nicht gerade optimale Sound tut sein Übriges, dass der Funke nicht so richtig überspringen will. Die ersten paar Reihen gehen zwar ordentlich mit und es gibt gar ein wenig Crowdsurfing, doch in den hinteren Bereichen der Halle lichtet sich das Publikum beträchtlich. Ein Verriss soll dieser Bericht übrigens nicht sein, denn an Stücken wie der abschließenden Hymne 'Possessed By Fire' oder an 'Journey To Oblivion' habe ich durchaus meinen Spaß, und auch das neue Stück 'Waking The Fire' hat seinen Reiz. Im Gegensatz zu vielen anderen, mit denen ich nach dem Gig gesprochen habe, finde ich sogar Mems Auftreten recht sympathisch. Trotz der aggressiven Performance. Fakt ist aber, dass das KIT nicht ganz den passenden Rahmen und das passende Publikum bietet, um die musikalischen Ambitionen der Rückkehrer richtig schätzen zu können. Ich würde mir die Band jedenfalls trotz des durchwachsenen Gesamtbilds des heutigen Nachmittags gerne nochmal anschauen - in einem anderen Umfeld.

Setlist: Winds Of Death, Journey To Oblivion, Fallen Saint, Decimation, Sorrows Of The Judgement, I Dare You, Waking The Fire, Xiron Dark Star, Destructive Solution, Possessed By Fire
[Rüdiger Stehle]



EXXPLORER

Die Spannung vor dem ersten Auftritt von EXXPLORER in der alten Welt war groß, zählt ihr erstes Album "Symphonies Of Steel" für viele doch zu den Sternstunden des US Metals. Bereits mit dem eröffnenden 'City Streets' beweist das Quintett aus New Jersey aber, dass es nichts verlernt hat. Vor allem Fronter Lenny Rizzo ist immer noch sehr gut bei Stimme und sorgt für breites Grinsen auf vielen Gesichtern. Obendrein hat man schnell den Eindruck, dass die Band andauernd auf Tour gewesen wäre, so agil präsentieren sich die Herrschaften. Keine Spur von hüftsteifen, älteren Rockern, die sich mal eben für so eine Festivität zusammen gerauft haben. Das sieht alles sehr nach einem integeren Bandgefüge aus.

Entsprechend viel Freude macht auch der Auftritt, bei welchem ich lediglich die etwas ungeschickte Songreihenfolge bemängeln muss. Das kopflastige, superlange 'Guilty As Charged' so früh in einer endlos erscheinenden Version zu bringen, nimmt der ansonsten erstklassigen Vorstellung etwas den Schwung. Dieser überträgt sich erst mit 'Metal Detectors' wieder auf die hungrige Menge. Warum Mister Rizzo allerdings über Bruce Springsteen herzieht, wenn er ihm zumindest Outfit technisch heute recht ähnlich sieht, zaubert nicht nur auf meine Stirn ein Fragezeichen.

Insgesamt kann ich also von einem sehr guten, wenn auch nicht überragendem Auftritt berichten. Wahrscheinlich waren die Erwartungen vorher einfach zu hoch?!   

Setlist: City Streets, X-Termination, Guilty As Charged, Phantasmagoria, Bible Black, Metal Detectors, Exxplorer, Ride The Storm, Run For Tomorrow, Beg, Borrow And Steel
[Holger Andrae]


TYRANT

Die drei Alben von TYRANT lege ich immer mal wieder gerne zu Hause auf, strahlen sie doch eine episch-düstere Stimmung aus, die man nicht allzu häufig hört. Entsprechend guter Dinge bin ich vor dem Auftritt des Quartetts. Allerdings will ich bereits während der ersten Minuten meinen Augen nicht trauen. Sänger Greg May scheint das Wort "Ästhetik" maximal aus einem Fremdwörterbuch zu kennen, wirkt der strohblonde Hüne mit seinem Bauchnabelfreien Oberteil und seinen schweren, hochhackigen Stiefeln eher wie ein Big Jim auf Stelzen denn wie ein charismatischer Heavy-Metal-Shouter. Hinzu kommt die Tatsache, dass er auch stimmlich manchmal etwas unter dem Radar agiert. Sieht man von diesen kleinen Nebensächlichkeiten ab, so bekommt man eine musikalisch nette Show geboten, der man lediglich mit dem Rücken zur Bühne beiwohnen muss, um sie gut zu finden. Ein Großteil des Publikums sieht das offensichtlich völlig anders und feiert die Band nach allen Regeln der Kunst ab. Mir fehlt allerdings die eingangs erwähnte Grundstimmung, kann allerdings an der musikalischen Umsetzung der Gebrüder May (Foto) und ihren Freunden nicht viel aussetzen. Wahrscheinlich bin ich wieder viel zu negativ.
[Holger Andrae]

Nicht viel zu negativ, Herr Kollege, aber ein bisschen zu negativ schon, würde ich sagen. Dass die musikalische Umsetzung in Ordnung ist, das hast du ja selbst eingeräumt. Für die lange Zeit der Abstinenz waren die Herren aus meiner Sicht sogar überraschend gut eingespielt und tight. Der Rest liegt dann natürlich wie immer im Auge des Betrachters. Wenn man aber ganz ehrlich ist, war der Gesang von Greg May immer schon recht schräg und gewöhnungsbedürftig, und auch das heutige Outfit ist nicht unbedingt noch abartiger als das auf dem Cover zu "Legions Of The Dead". So gesehen bieten die Kalifornier im Prinzip genau das, was wir erwarten durften: Eine relativ kultige Zeitreise in die 80er, mit einem guten Schuss antiquiertem Charme und einem für mich schlicht und ergreifend sympathischen Auftreten, das mich zwar nicht gänzlich vom Sockel haut und in Sachen KIT-XII-Auftritte auch nicht aufs Stockerl kommt, aber auch keine Enttäuschung.

Setlist: Warriors Of Metal, Beyond The Grave, Listen To The Preacher, The Battle Of Armageddon, Legions Of The Dead, The Nazarene, Beginning Of The End, King Of Kings, Too Late To Pray, War
[Rüdiger Stehle]


ABATTOIR

Das Gitarristen-Duo Juan Garcia und Tim Thomas hat den Weg nach Lauda-Königshofen nicht zum ersten Mal unternommen. Immerhin waren sie bereits beim 4. Keep It True mit von der Partie, damals jedoch unter dem Banner von AGENT STEEL. Dieses Mal sind sie aber in Begleitung von Steve Gaines, Mel Sanchez und Rob Alaniz gekommen, und folglich servieren sie an diesem Abend deftige ABATTOIR-Kost. Die fünf Musiker von der amerikanischen Westküste legen auch gleich sehr ordentlich los und steigen mit dem Opener des zweiten Albums "The Only Safe Place", 'Bring On The Damned', ein. Den Schwerpunkt bei der Songauswahl haben ABATTOIR allerdings auf das Debüt "Vicious Attack" gelegt, und so folgen im Anschluss 'Game Of Death', 'Don't Walk Alone' sowie der Titelsong. Beim Publikum kommt der dargebotene Speed Metal - trotz eines vergleichbar mäßigen Sounds - sehr gut an, und entsprechend lautstark wird die Band abgefeiert. Das entgeht natürlich auch der Band nicht, und so lässt sich Steve zu der - wohl ernst gemeinten - Frage hinreißen, wieso sie so lange gewartet haben, um beim Keep It True zu spielen. Jedenfalls lassen es ABATTOIR auch in der Folge sehr gut krachen, und zwar mit weiteren Songs vom Debüt, nämlich 'The Enemy' und 'The Living And The Dead'. Anschließend gibt es auch noch zwei weitere Songs vom Zweitling, 'Hammer Of The Gods' und 'Under My Skin', zu hören, und sogar ein EVILDEAD-Stück ('Annihilation Of Civilization') haben sie im Gepäck. Dem Publikum ist es dabei relativ egal, welche Songs gerade gespielt werden - die Fans gehen begeistert mit und lassen die Band spüren, dass sie mit ihrer Leistung mehr als zufrieden sind. Sogar ein vergleichsweise unbekannterer Song wie 'Everybody Dies' tut der Stimmung keinen Abbruch - auch wenn 'Stronger Than Evil' und 'Screams From The Grave' natürlich noch lauter mitgegrölt werden. Der Auftritt von ABATTOIR ist insgesamt äußerst kurzweilig, und so ist einstündige Spielzeit auch recht schnell vorbei. Den Amerikanern bleibt lediglich noch die Zeit, um den MOTÖRHEAD-Klassiker 'Ace Of Spades' zu covern, und damit hätten sie dann auch das gesamte Debütalbum abgearbeitet. - Ja, Steve, wieso hat es so lange gedauert, bis wir in den Genuss eines solchen Auftritts gekommen sind? ;)

Setlist: Bring On The Damned, Game Of Death, Don't Walk Alone, Vicious Attack, The Enemy, The Living And The Dead, Hammer Of The Gods, Under My Skin, Annihilation Of Civilization (EVILDEAD-Cover), Everybody Dies, Stronger Than Evil, Screams From The Grave, Ace Of Spades (MOTÖRHEAD-Cover)
[Martin Schaich]


LIZZY BORDEN

Dann ist es aber auch schon Zeit für den Headliner des ersten Abends, nämlich LIZZY BORDEN. Doch dieser lässt zunächst etwas auf sich warten - erst mit zehn Minuten Verspätung geht die Show tatsächlich los. Da die Band aber auch zwanzig Minuten später als geplant zum Ende kommt, ist dies sicherlich zu verschmerzen. - Aber der Reihe nach ...

LIZZY BORDEN beginnen ihre Show (im wahrsten Sinne des Wortes!) mit 'Abnormal' vom aktuellen Album "Appointment With Death", wobei Sänger Lizzy mit seinem Umhang wie der leibhaftige Tod daherkommt. Anschließend folgt 'Give 'em The Axe' von der gleichnamigen EP aus dem Jahr 1984, und natürlich darf die titelgebende Axt hierbei nicht fehlen. Überhaupt springen LIZZY BORDEN lustig durch ihren Back-Katalog, denn sie haben bei der Zusammenstellung der Setlist sämtliche Alben berücksichtigt. So gibt es also zwischen älteren Nummern wie 'Notorious', 'Rod Of Iron', 'Be One Of Us' und 'Outcast' immer wieder auch neuere Stücke wie 'Live Forever', 'Tomorrow Never Comes' oder 'Under Your Skin' zu hören. Aber nicht nur musikalisch wird Abwechslung bei der Band aus Kalifornien groß geschrieben - nein, auch das Drumherum ist hier äußerst wichtig. Und so variiert Lizzy fast nach jedem Song sein Erscheinungsbild, indem er eine neue Maske trägt oder ein anderes Accessoire (wie z.B. einen Totenkopf) mitbringt. Aber Lizzy versteht es auch sonst, das Publikum in seinen Bann zu ziehen - sei es durch seine theatralische Gestik und Mimik oder auch seine Ansagen ("Welcome to the kingdom of the night!"). Natürlich steht Lizzy im Mittelpunkt der Show, aber er überlässt das Feld auch immer wieder seinen Mit-Musikern, die sich dann auch bravurös in Szene setzen können. Dass die Band sich dabei nicht allzu ernst nimmt, merkt man beispielsweise schon daran, dass Bassist Marten bei seinem Solo die Pippi-Langstrumpf-Melodie zitiert. Und auch zwei ganz ansehnliche Mädels hat Lizzy wieder im Schlepptau, die bei ihren Auftritten vor allem die Augen der männlichen Fans auf sich ziehen - wie beispielsweise bei 'Tomorrow Never Comes' als Engelchen und Teufelchen. Aber auch wenn Show-Elemente eine große Rolle spielen, so geht dies doch nie auf Kosten der Musik. Im Laufe der Zeit haben sich bei LIZZY BORDEN schließlich zahlreiche Songs angesammelt, die zum einen richtig gut sind und zum anderen auch kaum mehr aus den Gehörgängen zu kriegen sind - wie etwa 'Hell Is For Heroes', 'Master Of Disguise' oder 'There Will Be Blood Tonight', das ich noch Stunden nach dem Konzert vor mich hingeträllert habe (sehr zum Leidwesen meiner Mitfahrer ;)).

Das übrige Publikum hat jedenfalls auch sehr viel Spaß an diesem äußerst unterhaltsamen Auftritt - nicht nur, dass die Fans vor der Bühne die Band kräftig abfeiern, sogar auf der Tribüne gehen die Leute begeistert mit. Der show-mäßige Höhepunkt dürfte dann mit 'Psychopath' erreicht werden, bei dem Lizzy eines seiner Mädels durch einen Biss in den Hals "tötet", wobei natürlich auch eine gehörige Portion Kunstblut zum Einsatz kommt. Allzu lange hält der "Tod" allerdings nicht an, denn zu der Hymne 'American Metal' treten beide Mädels schon wieder sehr lebendig auf - natürlich in Stars-and-Stripes-Bikinis -, und auch Lizzy hat sich einen passenden Umhang übergeworfen - mit einer amerikanischen und einer deutschen Flagge. Allmählich neigt sich die Spielzeit von LIZZY BORDEN aber auch ihrem Ende entgegen, und so beenden sie mit 'Red Rum' den offiziellen Teil der Show. Dass es nicht ohne Zugaben abgehen würde, versteht sich von selbst, und so kommen LIZZY BORDEN noch zweimal auf die Bühne zurück, um beim ersten Mal 'We Got The Power' (inklusive einer kleinen Feuer-Show) und beim zweiten Mal den RAINBOW-Klassiker 'Long Live Rock 'n' Roll' zum Besten zu geben. Damit geht der erste Festival-Tag schließlich zu Ende, aber getreu diesem Motto geht es elf Stunden später ja auch schon wieder weiter.

Insgesamt ein großartiger Auftritt von LIZZY BORDEN, die ihrer Rolle als Headliner mehr als gerecht werden!

Setlist:
Abnormal, Give 'Em The Axe, Notorious, Live Forever, Rod Of Iron, Be One Of Us, Outcast, Bass Solo, Tomorrow Never Comes, Under Your Skin, Hell Is For Heroes, Master Of Disguise, Guitar Battle, Psychopath, There Will Be Blood Tonight, Me Against The World, American Metal, Red Rum, Drum Solo, We Got The Power, Long Live Rock 'N' Roll (RAINBOW-Cover)
[Martin Schaich]


Fotos: Rüdiger Stehle

Redakteur:
Rüdiger Stehle

Login

Neu registrieren