In Extremo - Merseburg

04.09.2008 | 15:44

29.08.2008, Schloss

Die Schlösser sind zurück – nein, nicht die rostigen Dinger, die am Fahrrad hängen und für ruhige Nerven sowie dreckige Finger sorgen, sondern jene mit verwunschenen Prinzessinen, finsteren Drachen und spukenden Gespenstern. Mit einer Nummer-1-CD im Gepäck braucht man vor gar nix mehr Angst haben, und so setzten IN EXTREMO für Ende August einige Konzerte in einigen der schönsten Schlösser Deutschlands an. Am Freitag, dem 29. August begab es sich, dass ausgerechnet der Geburtsort der berühmten 'Merseburger Zaubersprüche' auf dem Spielplan steht. Da muss nicht lange überlegt werden - auf zum Schloss Merseburg! Das seit Wochen ausverkaufte Konzert steht zunächst unter keinem guten Stern, denn fiese Wolken bedecken den Merseburger Himmel. Doch der Wettergott ist gnädig und lässt bis auf zwei, drei Tropfen die Tore geschlossen. Findet ihr es eigentlich auch so toll, dass man sich heutzutage auf die angekündigten Zeiten nicht mehr verlassen kann? Da wird groß angekündigt, dass um 19 Uhr Einlass und um 20 Uhr Beginn sei - und was passiert? Zunächst eine kleine Entdeckungsreise durch das schöne Merseburg, denn man hat offenbar kräftig bei der Beschilderung gespart. So erreichen wir die Location erst gegen viertel 9. An sich kein Problem, denn END OF GREEN sollten ja erst 15 Minuten spielen - sollten! Denn als wir den schönen Innenhof betreten, verabschiedet sich Michelle Darkness soeben von den klatschenden Massen. Toll!

Nun gut, bleibt uns somit nur noch der Headliner - was heißt hier "nur"? Die unangefochtenen Könige der Mittelalter-Rocker konnten mit ihrem letzten Album tatsächlich MADONNA vom Throne schubsen und somit erstmalige auf Platz 1 der Deutschen Albumcharts klettern. Wer hätte das damals gedacht, als sie sich Mitte der 90er auf kleinen Stadtfesten sprichwörtlich den Arsch abspielten? Als gegen dreiviertel 9 das Licht ausgeht, ist der Jubel grenzenlos und die Stimmung bereits fantastisch. Als Intro hat man sich für 'Requiem' entschieden, welches wunderbar auf das folgende zweistündige Konzert einstimmt. Das Letzte Einhorn, Van Lange und der Rest der Band betreten die Bühne, die Menge tobt, die Pyrotechniker gehen in Deckung und los geht der wilde Ritt.

Mit 'Omnia Sol Temperat' werden die Dudelsäcke und die Latein-Kenntnisse des Publikums auf die Probe gestellt. Gigantische Feuerfontänen erhellen den Innenhof und lassen den Schweiß auf der Stirn verdampfen. Nach dem Ausflug in die Vergangenheit geht es sofort zum aktuellen Album: Die erste Single 'Frei zu sein' führt zur ersten Hops-Action der Fans. Alles springt und singt "Frei zu sein bedarf es wenig - nur wer frei ist, ist ein König".

Danach geht es sofort zügig weiter, denn 'Wind' zieht mit einer tierischen Geschwindigkeit und jeder Menge Pyros der Schlossprinzessin das Höschen aus. Nachdem auch endlich die Fotografen den Graben betreten dürfen, begrüßt Micha die anwesende Presse und fragt sofort nach, woher die Herrschaften den kommen? "Aus Halle? Aus Merseburg?", "Ist hier jemand aus Merseburg?" Jubel brandet auf, was Micha zum Anlass nimmt, die Fans auf das nächste Lied einzustimmen und ein kräftiges "Ho Ho" zu verlangen. Der 'Sängerkrieg' steht auf dem Plan und wirklich jeder schreit sich die Seele aus dem Leib - Gänsehaut pur! Micha schickt einen netten Gruß an die Jungs von END OF GREEN, die er hammergeil fand. "Doch Dr. Pymonte ist manchmal noch viel geiler!" - sagt's und kündigt 'Küss mich' an. Hoppla: Mit "Ich habe mich vertan" zitiert er den guten Helge und verweist auf seine Altersblindheit, die ihm mal wieder einen Streich gespielt habe. Denn statt dem Knutscher gibt es erstmal 'Ave Maria', bevor 'Küss mich' nun wahrhaftig aus den Boxen springt.

Micha und seine Jungs feiern zusammen mit den Fans einfach eine geile Party und so ist es auch nicht verwunderlich, dass Micha nach einem Geburtstagskind Ausschau hält. Gesucht, gefunden! Der junge Mann darf sofort auf die Bühne, bekommt unter der Drohung, das Gebräu auf Ex trinken zu müssen, eine Flasche Sekt überreicht und darf sich 'Hiemali Tempore' von der Stage aus anschauen. Geburtstagskind müsste man sein.

Nach dem fast schon totgespielten 'Herr Mannelig' stampft 'Mein Sehnen' das Schlossgespenst in den Keller und mich zur Bar. Was erblicken meine Augen: Sad Sir von END OF GREEN packt sein Handy aus und filmt bei 'Horizont'. Junge, Junge. Dass 'Mein rasend Herz' so was noch erleben darf. Mit dem ersten spanischsprachigen Song der Bandgeschichte, 'En Esta Noche', geht es frivol weiter, bevor mit 'Wessebronner Gebet' die Stimmung endgültig auf dem Höhepunkt angekommen ist. Doch was sage ich? Es folgt 'Vollmond' und ein Geräuschpegel, den man selbst noch vor den Toren der Stadt gehört haben wird. Jung und Alt trällern gemeinsam, liegen sich in den Armen und vollführen alkoholbedingte Ausdruckstänze. Ein Glitterregen soll die Gemüter abkühlen, doch leider fliegt ein großer Teil direkt auf die Bühne, die in der Folge wie Schwein aussieht. Aus 'Singapur' kommt auch keiner zum Aufräumen, und so bleibt es nur noch, einen kräftigen 'Spielmannsfluch' auszusprechen.

Diese wollte die Band angeblich heute gar nicht spielen, was zuvor für kräftige Buh-Rufe gesorgt hatte. So kann man die Meute auch in Wallung bringen. Noch ein paar Zutaten der '7 Köche' dazu und fertig ist ein wahres Konzerthighlight. Micha und seine tollkühne Crew verabschieden sich von den jubelnden Fans und kündigen an, einfach auf das alte Zugaben-Getue zu verzichten und lieber sofort noch zwei Tracks abzufackeln. Warum auch nicht - und so ward es geschehen, dass nach dem 'Palästinalied' und zwei Stunden IN EXTREMO ganz plötzlich wieder die Gegenwart zurück auf der Bildfläche erscheint. Tolle Show, tolle Location, tolle Fans und vor allem, eine supertoll aufgelegte Band - ganz großes Kino!

Setlist:
Requiem (Intro)
Omnia Sol Temperat
Frei zu sein
Wind
Sängerkrieg
Ave Maria
Küss mich
Hiemali Tempore
Herr Mannelig
Mein Sehnen
Horizont
Mein rasend Herz
En Esta Noche
Wessebronner Gebet
Vollmond
Singapur
In diesem Licht
Villeman Og Magnhild
Spielmannsfluch
7 Köche
Krummavisur
Palästinalied

Redakteur:
Enrico Ahlig

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