In EXTREMO - Halle

14.12.2009 | 23:07

11.12.2009, Steintor Variete

"Tranquilo" heißt Ruhe – oder doch Wein, Weib & Gesang? Der Gong ertönt, die Show beginnt.

Seit wenigen Wochen ziehen die Mittelalter-Rocker von IN EXTREMO mit ihrer Akustikshow durch die Landen, spielen in Kirchen oder wie hier und heute in Halle im ältesten Variete-Theater Deutschlands: Dem Steintor Variete zu Halle. Blitzeblank glänzen die leeren Sitzreihen vor der Show. Doch das sollte sich bald ändern. Nach einem gemütlichen Plausch mit Frontmann Micha auf der Showbühne, geht es erstmals kurz zum - laut eigenen Angaben - besten Scheibenfleischdönerhändler der Stadt, bevor mit vollem Magen das Variete unsicher gemacht wird. Wie es sich gehört ertönen in bestimmten Abständen Gongschläge um den Besuchern den nahenden Beginn anzukündigen. Also – Plätze gesucht und Bühne frei.

Das Licht im weiten Rund erlischt, die Bühne erhellt sich und gibt den Blick frei auf die Akteure, die in ungewohnten Outfits die Bühne entern. Es erinnert an den kleinen Taugenichts aus der guten alten Zeit. Micha hat sogar seine Kaffeetasse in der Hand, als er die Fans begrüßt und sich anschließend gemütlich auf die Couch lümmelt. Das Mikro in die Hand und los geht der wilde Spaß mit den 'Merseburger Zaubersprüchen'. Das Ambiente ist einfach perfekt für diese Show: Straßenlaternen, Stehlampen und sogar eine kleine Tischlampe lassen eine unglaubliche Gemütlichkeit aufkommen. Die Musiker haben sichtlich Spaß an diesem akustischen Ausflug – und der Sound, ja leck mich fett. Was für eine Akustik? "Schönen, guten Abend Halle – wir haben uns heute ein wenig schick gemacht". Micha spaßt mit den Fans und verspricht ihnen auch eine kleine Raucherpause in der Mitte der Show. Na bitte! Mit 'Spielmann' geht es weiter, bei dem Michas unglaublich rauchige Stimme so richtig schön zur Geltung kommt. Allgemein muss man sagen, dass gerade ihm diese Akustikshow zu Gute kommt, denn er muss nicht gegen eine Wand aus elektronisch verstärkten Instrumenten ankämpfen, sondern kann ganz entspannt (und teilweise im Liegen) seine Lieder trällern. Dem eingefleischten Fan wird es jedoch sofort ins Auge gefallen sein, dass heute ein andere Musiker hinter dem Schlagzeug sitzt. Da der Morgenstern gleich beim ersten Gig erkrankte sprang kurzerhand der Metzgermeister Ollie ein, der sich binnen einer Nacht alle Songs anlernte. Respekt dafür! Nach 'Frei zu sein' gibt Micha den Gönner und verteilt in den ersten Sitzreihen Smarties, bevor er die halbvolle Dose in die Menge wirft. Peng und Platz. Wer soll denn das wieder wegmachen? Genau wie die Holzreste – denn Micha möchte sich für die Reise nach 'Singapur' den Hallenser Park zu nutze machen und aus den Bäumen ein Segelschiff bauen. Offenbar hängen die Hallenser nicht sehr an ihrer Natur und steigen brav ein. Die Zeit vergeht wie im Fluge – Micha kuschelt sich auf seine Couch, schimpft auf einen Ventilator, der ihm den Rücken kalt bläst und hört sich genüsslich die eingebauten Flötensoli von Flex dem Biegsamen an. So lässt es sich leben. "Noch ein Song und dann gehen wir erstmal eine Rauchen". Gute Idee. Mit 'Nymphenzeit' schließt die erste Halbzeit.

Rauchen

Anpfiff zur zweiten Halbzeit. Die Akteure haben sich umgezogen, Micha die Socken und Schuhe ausgezogen und der Höhepunkt steht bevor: 'Vollmond'. Schon als die ersten Töne Dr. Pymontes Harfe entschwinden, geht eine Jubelarie sondergleichen durch das Variete. Gemeinsam mit Micha wird diese wunderschöne Ballade zelebriert. Doch mit 'Die Gier' geht es genauso atmosphärisch weiter. Hach – herrlich, wenn Musiker ihr Handwerk verstehen und mit den leisen Tönen umgehen können. Doch jetzt wird es dreckig. Micha philosophiert über seine geliebten Ärmelkneipen ("Ich liebe diese dreckigen Löcher") und kündigt 'En Esta Noche' an. Nach dreckig kommt gemein und so zieht Micha augenzwinkernd all diejenigen durch den Kakao, die während einer Show nix besseres zu tun haben, als jede Sekunde mit ihrem Handy oder ihrer Digicam zu filmen. Recht hat er! Mit 'Nur ihr allein' wird den Fans anschließend eine waschechte Mittelalter-Country-Nummer präsentiert. Immer wieder geht Micha auf die vereinzelten Rufe der Fans ein, macht seine Scherze und lädt ein Mädel auf seine Couch ein. Doch sie traut sich nicht: "Das wäre deine Chance gewesen – sieben auf einen Streich". Nach einem leckeren Mahl der 'Sieben Köche' wird erstmal kräftig 'Auf’s Leben' angestoßen, bevor die Jungs unter lautem Jubel die Bühne verlassen. Die Meute springt auf, klatscht, schreit und verlangt ihre Helden zurück. Diese lassen sich das nicht zweimal sagen.

Zumindest Micha und Van Lange kehren zunächst zurück und liefern mit 'Mein Rasend Herz' eine gechillte Lounge-Nummer, bevor der Rest der tollkühnen Bande erscheint und den AC/DC-Klassiker 'It’s A Long Way To The Top (If You Wanna Rock'n'Roll)' zusammen mit dem tanzwütigen Publikum rockt. Mittlerweile sitzt niemand mehr – wie auch? Bei 'Herr Mannelig' muss man einfach tanzen. Mit 'Küss Mich' schließen IN EXTREMO diesen denkwürdigen Abend, welcher mit minutenlangem Applaus gebührend geehrt wird. Ganz großes Kino und eine Empfehlung an alle, die sich für zweieinhalb Stunden einfach mal fallen und unterhalten lassen wollen. Ich ziehe meinen Hut!

Vielen Dank für die Bilder an Christin Kersten  :-)

01.    Merseburger Zaubersprüche I
02.    Spielmann
03.    Frei zu sein
04.    Mein Sehnen
05.    Lebensbeichte
06.    Singapur
07.    Ave Maria
08.    In diesem Licht
09.    Merseburger Zaubersprüche II
10.    Nymphenzeit

Pause

11.    Vollmond
12.    Die Gier
13.    En Esta Noche
14.    Nur ihr allein
15.    Poc Vecem
16.    Unter dem Meer
17.    Flaschenpost
18.    Sieben Köche
19.    Auf’s Leben
- - - - -
20.    Mein Rasend Herz
21.    It’s A Long Way To The Top (If You Wanna Rock n’ Roll)
22.    Herr Mannelig
23.    Küss Mich

Redakteur:
Enrico Ahlig

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