Impaled Nazarene - Berlin

10.02.2005 | 11:01

05.02.2005, K17

Eigentlich sind Tourabschluss-Gigs immer Termine, bei denen sich die Leber in ein nach Luft schnappendes Organ verwandelt, das fast im Alkohol ertrinkt. Diese Theorie gilt um so mehr, wenn eine finnische Kultband wie IMPALED NAZARENE im Spiel ist, deren Sänger Mikka Luttinen als einer der sauffreudigsten Vertreter der Black-Metal-Fraktion gilt. Doch an diesem Abend im K17 ist alles anders.

Schon bei PHAZM geht es eher bedächtig zu. Noch sind kaum Zuschauer im großen Saal des K17, was für eine Band gleich doppelt deprimierend ist - die Gegend vor der Bühne bleibt nur ein Tummelfeld für Schnappschussjäger aller Art. Schlecht spielt die erst vor drei Jahren gegründete Band deswegen nicht. Im Gegenteil. Die Franzosen verlassen sich komplett auf Songs ihres "Hate At First Seed"-Debüts, dass im vergangenen Jahr bei Osmose erschienen ist. Wie schon auf der Scheibe, bedeutet dies im K17 eine oftmals schleppende und recht abwechslungsreiche Mischung aus Black und Death Metal, wobei der schwarze Teil überwiegt. Hinzu kommen noch waschechte Rock'n'Roll-Einflüsse, die besonders bei dem coolen MOTÖRHEAD-Cover 'Dogs' hörbar sind. Ansonsten sind ein paar Schnipsel SATYRICON im Sound enthalten, die Musik klingt dunkel und modern. Der gitarrenspielende Sänger ist zudem ein ordentlicher Kehl-Keiferich und schüttelt begeistert seine langen Haare. Ein Sonderpreis geht dabei an Dirk Verbeuren von SCARVE, der wie ein Irrer seine Drums malträtiert. Auch insgesamt wirken die vier Mannen von PHAZM super aufeinander eingespielt, die Tour scheint ihnen jede Menge Auftrieb gegeben zu haben. Ergo bedanken sie sich per Mikro auch artig für die Reise mit IMPALED NAZARENE und nehmen danach die Tarnnetze mit in den Backstage-Bereich - beim Auftritt schmückten sie das Drumkit und die Verstärker. Später gesteht der Sänger: "Eigentlich sind wir total im Arsch, weil wir gestern in Glauchau alle zu viel gesoffen haben - aber da müssen wir jetzt durch." Doch von Ermüdungserscheinungen war bei diesem Gig nichts zu spüren.

Noch weniger schläfrig wirken YYRKOON, ,die zweite französische Extrem-Metal-Band des Abends. Sie schlagen ein wie eine Bombe. Die vier Burschen sind nämlich mit einer Heavyness bewaffnet, dass alles, aber auch alles zu spät ist. Der Nacken wird automatisch beansprucht bei dieser Hammermischung aus ZYKLON, einem Tick STRAPPING YOUNG LAD und viel französischer Eleganz. Jedes Riff sitzt wie eine Breitseite perfekt in der Fresse, die Gitarrensoli wirken durchdacht und nicht nur bloß dahin gespielt. Dazu sitzt wieder Dirk Verbeuren samt Kopfhörern hinter dem Schlagzeug und geriert sich ein zweites Mal als manischer Drum-Maschine mit dem Sinn für irre Geschwindigkeiten und überraschende Rhythmen. Bei der Songauswahl verlassen sich YYRKOON komplett auf ihr jüngstes Album "Occult Medicine", obwohl sie davor auch schon zwei andere Scheiben rausgebracht haben. Doch ist die okkulte Medizin eben so hochwirksam, dass es keiner anderen Mittel mehr braucht, um die Hörer in einen mittelschweren Mosh-Koller zu versetzen. Denn genau das tun YYRKOON, obwohl sie anfangs genau wie PHAZM mit der geringen Zuschauerzahl und der Lethargie des Publikums zu kämpfen haben. Doch von Song zu Song werden die Fans wacher, die Band steigert sich in einen Rausch, von 'Censored Project' zu 'Reversed World' wird die Show immer treibender, immer heftiger, massiver.. Irgendwann muss Bassist Victor seinem unbändigen Körpereinsatz Tribut zollen, sein verschwitztes T-Shirt landet in der Ecke. Dies gibt noch einmal neue Kraft, so kann am Ende eine Coverversion von NUCLEAR ASSAULTs 'New Song' im Nacken einschlagen wie ein Gefechtskopf im Suizid-Modus. Dann ist da auch noch die Stimme von Sänger und Gitarristen Stephane, eine angenehm grenzwertige Mischung aus verletztem Bellen und tiefem Geröhre. Das Licht verstärkt den Eindruck der fantastischen Show weiter - schnelles weißes Laserflackern unter den Drum fetzt. Mit vier Worten: YYRKOON ist gleich mächtig.

IMPALED NAZARENE haben es nach solch einer schweißtreibenden Show schwer, das gesamte Publikum im immer noch nicht sonderlich gut gefüllten Saal des K17 mitzureißen. Denn wer auf eine IMPALED NAZARENE-Show geht, der will im Prinzip nicht nur ein extremes Konzert erleben, der will krasse Konzert-Ware. Doch hier ist alles relativ normal: Mikka wirkt nüchtern, trinkt Wasser und raucht Zigaretten. Dabei nimmt er Mikka-Haltung Numbero Uno ein: Ausgestreckter Arm samt Glimmstengel über dem Kopf, die andere Hand am Mikro. Diese Haltung wechselt: Manchmal ist der Arm auch vorm Gesicht ausgestreckt, manchmal klebt er beidhändig am Mikrofon. Zwischendurch bangt er mit seiner Glatze. Doch wirkt dies nicht so hundertprozentig motiviert, wie etwa bei dem göttlich-energiegeladenen Auftritt IMPALED NAZARENEs beim "Arnheim Metal Meeting" im vergangenen Dezember. Trotz des eher behäbigen Tempos, das Mikka in seinen Bewegungen auf der Bühne anschlägt, sitzt die Stimme astrein, den gesamten Gig und ohne Unterlass ertönt dieses hysterische Kreischen im Düsen-Modus. Dazu kommen solche Party-Black-Metal-Klopper wie 'Karmageddon Warriors' und die Moshwelt ist in Ordnung. Eigentlich. Denn in Berlin springen und pogen vor der Bühne jede Menge Typen herum, die wie Mikka eine Glatze tragen, jedoch viel, viel suspekter und viel, viel brutaler als der Finne wirken. Da nützt Mikka auch sein klischeehaftes Satans-Shirt in schwarz-rot nichts, heute will er nicht wirklich gemein rüberkommen, auch wenn die Nebelmaschine ihn noch so sehr mit Dunst einbläst und in Verbindung mit rotem Licht versucht einen bösen Kerl aus ihm zu machen. Doch nur die Stimme klingt durchweg bedrohlich. Gleichzeitig besitzen die Stücke von IMPALED NAZARENE heute in ihrer Kürze meist nicht das Potential, eine echte Schreckenskulisse aufzubauen - fast wirkt dadurch die Darbietung wie ein 100-Meter-Hochgeschwindigkeitslauf im Black Metal. Dazu kommen passende Samples wie ein langgezogenes Maschinengewehr-Feuer bei 'I am The Killer Of Trolls'. Es folgen zwei Minuten Geknatter, der nächste Songs ist schon wieder mitten in der Mache. Mitten in dieses ohrenbetäubende Massaker schleichen sich mitunter ein paar nette kleine Melodien. Doch selten, wirklich selten passiert dies. Macht aber nichts, gut 50 Prozent der anwesenden Zuschauer haben sich schon soweit ins Nirwana getrunken, dass sie über den Mangel an musikalischer Abwechslung locker hinweghören können - wahrscheinlich haben betreffenden Fans schon vor dem Gig versucht, das Trinkverhalten von Mikka Luttinen zu kopieren. Und dabei säuft der heute nur wenig, im Vergleich zu manchen anderen Shows im Vorjahr eigentlich fast nichts. So bleibt die Erinnerung an krasse Musik, die jedoch wenig Tiefenwirkung im Kopf entfaltet. Und ein "good night" von Mikka an seine Fans. Die Zugaben folgen. "Total War" brüllen Band und Fans... Nein. Da waren manch andere Mosh-Kriege schon wesentlich durchdringender....


Setlist PHAZM
1. Vicious Seed
2. Devoured Tenderness
3. Fleshback
4. Resinous Balm
5. What A Wonderful Death
6. Loneliness
7. Inchaos
8. Dogs (MOTÖRHEAD-Cover)

Setlist YYRKOON
1. Doctor X
2. Censored Project
3. Blasphemy
4. Occult Medicine
5. Revenant Horde
6. Reversed World
7. Schyzophrenic Carnage
8. Surgical Distortion
9. New Song (NUCLEAR ASSAULT-Cover)

Setlist IMPALED NAZARENE

1. Intro/ SS
2. Motorpenis
3. Goat Perversion
4. Karmageddon Warriors
5. Armageddon Death Squad
6. When All Golden Turned To Shit
7. Kohta Ei Naura Enää Jeesuskaan
8. The Endless War
9. Ghoettoblaster
10. Coraxo/ Soul Rape
11. Sadistic 666
12. Zero Tolerance
13. I'am The Killer Of Trolls (Intro: Tapsa Huom!)
14. Maggot Crusher
15. Let's Fucking Die
16. Tribulation Hell
17. Satan's Generation
18. Cogito Ergo Sum
19. Absence Of War tai Nyrkillä Tapettava Huara
20. Goat Seeds Of Dönner Kebab
21. Condemned To Hell.... Pois, Sa
22. Intro/ The Horny And The Hornet
23. Popeda
24. Sadogoat
25. Winter War

Redakteur:
Henri Kramer

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