IN FLAMES/DEVILDRIVER - Köln

02.05.2004 | 05:18

22.04.2004, LiveMusicHall

Eigentlich war es ein guter Tag. Und er versprach noch besser zu werden.

Das Interview mit DEVILDRIVER-Frontmann Dez Fafara lief zufriedenstellend, der Fotograf kam pünktlich, und ich freute mich auf mein erstes IN FLAMES Konzert. Also raus aus der LiveMusicHall um den Fotografen abzuholen, und wieder rein. Zumindest war es so geplant. Das Chaos im IN FLAMES-Tourmanagement zog sich von Tilburg bis nach Köln. Erstens war der Kerl der die heilige Gästeliste in den Händen hielt noch ne Nummer unfreundlicher als die Dame die dem Kollegen Backes das Leben schwer machte, dann wollte er mich und meinen Fotofritzen erst überhaupt nicht reinlassen, und erst als ich nen Blick auf die Liste werfen erhaschen konnte um mich darüber zu überzeugen dass der Kerl latainische Buchstaben nicht gewohnt war, und ich doch noch auf der Liste stand durfte ich (wieder) rein. Ich, nicht aber mein Fotograf. Der sollte nach Meinung des Tourmitarbeiters ganz draussen bleiben. Glücklicherweise hatte eben genannter Bilderfreak noch ein normales Ticket bei sich, dass er (gottseidank) nicht rechtzeitig losgeworden war, und so kamen wir dann doch noch komplett in die LiveMusicHall.

Um halb sieben war Einlass. Dann stand eine geschlagene Stunde Wartezeit auf dem Plan, die man mit dem Betrachten des Publikums verbrachte, und zu den Eindruck erlangte dass das jüngere Rockvolk viel mehr von Outfit und MakeUp und visueller Herrichtung hielt als die Leute ab 20, die sich mit dunkler Bekleidung, Bandshirts und heiligen Kutten begnügte. Ist das der Einzug des LifeStyles in die Szene? Metrosexuelle Metaller? Seltsame Zeiten für Leute die eigentlich nur wegen der Musik hergekommen waren.

Als sich dann endlich die Bühne verdunkelte gab es die erste Überraschung des Abends: anstelle der erwarteten CALIBAN kamen DEVILDRIVER als Opener auf die Bühne, und schossen bald darauf eine musikalische Granate nach der anderen auf das Publikum ab. Das Material der ersten "DevilDriver"-Scheibe war quasi prädestiniert für den Moshpit, ohne einen Anflug von Nervosität zockten die Jungs um Frontmann Dez Fafara eine Bühnenshow ab die vor Energie nur so strotzte. Die Riffs der Songs "I Could Care Less", "Nothing's Wrong", "Knee Deep" und "Swinging The Dead" ließen (fast) niemanden im Publikum locker, im Moshpit war die Hölle los, und der agile Fronter schrie sich trotz des katastrophalen Sounds für seinen Gesang (katastrophal heisst: man hörte ihn beinahe nie.) die Seele aus dem Leib und genoss den Auftritt sichtlich. Die Chemie des Auftritts stimmte einfach, die Band zockte einen Song nach dem anderen ab, heizte dem Publikum sichtlich ein (kaum jemand der nicht zumindest mit dem Kopf mitwippte) und ging auf der Bühne selber gründlich ab. Fafara, dessen Ansagen oft genug begeistert, wenn auch unverstanden, aufgenommen wurden war selber wie ein Tanzteufel auf der Bühne unterwegs, zwar rot wie eine Tomate, weil er seinen miserablen Sound selber (vergeblich) durch Stimmgewalt ausgleichen wollte, aber nie um einen anheizenden Spruch verlegen. Enttäuscht wirkte er alleine als es um die Frage ging wieviele in der Masse denn das neue DEVILDRIVER Album besäßen, wo die Hände (im Vergleich zur ausverkauften LMH) recht spärlich in die Höhe schnellten. Hätte Fafara gefragt, wer seine Bands als MP3 kennt wären wahrscheinlich mehr Hände oben gewesen.
Die Band machte kräftig Druck, und die Mucke dem Publikum sichtlich Spass, die Mischung aus Trash, HardCore und NewMetal traf den großen Geschmack der Meute und wurde ausnahmslos akzeptiert (selbst vom notorisch kritischen PM.de-Fotografen). Nach nur einer halben Stunde verabschiedete sich die Band von der Bühne, und hinterließ einen bleibenden Eindruck bei den Konzertgängern. DEVILDRIVER auf dem völlig unverdienten Platz als Opener (Roadrunner Records haben die komische Angewohnheit die besten Bühnenfeger zuerst auf die Stage zu schicken, siehe RoadRage Tour 2003).

Nach einer weiteren knappen dreiviertelstunde Aufbauzeit wurde die Bühne wieder dunkel, und das donnernde Intro der deutschen Metalcore Kombo CALIBAN erleuchtete die Bühne. Als die dürren (allesamt Veganer) Jungs um Sänger Andy Dörner auf die Bühne traten war dann auch bald die Hölle los. Mit ihrer harten Mischung aus Hard- und Grindcore punkteten die Jungs direkt am Anfang, danach ging der Sound in undeutlichen Brei unter. Ob gewollt oder nicht, das einzig Interessante an diesem Auftritt war das Gebaren des Frontmanns, der mit einigen sehr deutlichen, wenn auch lustigen, Posen die Blicke auf sich zog (so eine Bühnenpräsenz würd ich einem Dave Graham zutrauen, der Frauen ja reihenweise um den Finger wickelt, aber keinem MetalCore Sänger). Die Ansagen des Frontmanns sorgten für Abwechslung in der Bühnenshow, auch wenn das eigentlich die Mucke erledigen sollte. Der Sound wurde nicht besser, und so zockten sich die fünf den Arsch ab, um dann doch nur verhaltene Reaktionen im Publikum auszulösen. Auch die "Wall Of Death" konnte da keine Abhilfe schaffen, das Publikum, bis zum Mischpult in zwei Hälften geteilt, hatte zwar eine Minute Spass daran Braveheart zu spielen, und auch die Ansage war deutlich genug ("verletzt euch nicht – allzusehr"), aber letztendlich war die Stimmung nicht so gut wie bei DEVILDRIVER, was auch am sehr schlechten Sound der Band lag, nur der Sänger Andy kam gut rüber. Insgesamt 11 oder 12 Songs wurden gespielt (wer konnte das schon so genau raushören), und etwa 4 fanden beim Publikum großen Anklang.
Dann verschwand auch diese Band nach dem mittelmäßigen Auftritt, und für eine weitere volle Stunde wurde umgebaut.

Nach dieser halben Ewigkeit des Wartens wurde es dann endlich wieder dunkel, und das erste was man von IN FLAMES mitbekan, war dass der Kerl, der die Lightshow zu verantworten hatte ein Meister seines Fachs war. Der grell durch den Nebel scheinende Schriftzug wurde von abwechselnd grünem und rotem Licht untermalt, und schon vor dem Auftauchen der Band war die Atmosphäre zum zerreissen gespannt.
Dann endlich trollten sich dunkle Schatten durch das Licht, und zu dem Gebrüll der ausverkauften LiveMusicHall zu Köln begann das Donnerwetter das man vorher irrtümlicherweise als IN FLAMES-Konzert betitelt hatte.
Die show war gigantisch. Durch den vorkorksten Gesang bei DEVILDRIVER und dem verkorksten CALIBAN Sound war die Chance 50/50 dass IN FLAMES entweder beides schlecht, oder beides gut haben könnten. Wir hatten Glück und der Sound war erstklassig, Gesang und Instrumente kamen unglaublich klar durch den Äther, und rissen eine Woge des Rocks über das Publikum hinweg. Man war wie hypnotisiert. Einmal war da der Sänger Anders, der mit klarem Gesang und mitreissendem Geschrei sofort jeden einzelnen Menschen in der Halle unter Kontrolle hatte, und dann die Band, die ein unglaublich klares Set abspielte, absolute Vollprofis.
Das Konzert war einmalig, zwischen den Songs brachte Fridén das Volk mit seinen Ansagen (in perfektem Schulbuchenglisch) zum Lachen oder in Rage, forderte die Menge zum mitsingen auf und dirigierte die Meute mit seinen Bewegungen durch die komplette Halle, wie ein Komponist der versucht die Brandung eines Weltmeeres zu beherrschen.
Nebst Klassikern wie "Episode 666", "Cloud Connected" oder "Gyroscope" wurden auch Songs vom neuen Album wie das brachiale "F(r)iend", "Dead Alone" und "Touch Of Red" auf die tobende Menge losgelassen.
Die Bühnenshow war klasse, zu der fantastischen Lightshow moschte der Sänger wie ein Berserker seine Dreads durch die Luft und feuerte die Menge immer wieder an, während seine Band recht lange brauchte um in Schwung zu kommen. Zwar war das Zusammenspiel der Band einwandfrei, jedoch standen Gitarristen und Bassist recht doof in der Gegend rum und schauten finster aus der Wäsche. Den Höhepunkt erreichte diese anfängliche Lustlosigkeit als Jester Strömblad sich auf den Sockel des Schlagzeugs setzte und dort weiter an den Saiten zupfte. Nach einer halben Stunde kippte irgendwo ein innerer Schalter um und auch der Rest der Band stimmte in das Toben ihres Frontmanns ein.
Der Kontakt zwischen Band und Publikum fand seinen Höhepunkt als Anders jemanden aus dem Publikum auf die Bühne holte ("What's your name?" - "Pätrrig" – "Okay, we'll call you BOB.") und ihn den nächsten Song für die kommende IN FLAMES-DVD mitfilmen ließ, wobei er aber nicht vergaß ihm eindeutig klarzumachen was passieren würde, wenn Bob mit der Kamera abhaute ("When you run away with this camera, I'm going to kill you. And if you show this your friends, I'm going to kill them, too.").
Der neuernannte Bob konnte sein Glück garnicht fassen, und entschloss sich vor Aufregung zu einem Mischmach aus Kamera-Stillhalten und Moshen-Und-Die-Kamera-Nach-Oben-Halten. Seine Englischkenntnisse bewies der junge Mann als Anders ihn dazu aufforderte in die Menge zu springen während er ihn dabei filmte: Bob rührte sich nicht von der Stelle und bangte fein vor sich hin, Anders musste zurück ans Mikro und Bob wurde schließlich von der Stagecrew in die Menge gejagt.
Nicht nur Bob schien mit dem Englisch des Schweden etwas überfordert, auch die Menge schien nicht jede seiner Anfeuerungen zu verstehen. ("You're better than Hamburg." - "..." - "When I say: You're better than Hamburg you normally have to react somehow. So... why don't you react when I'm saying that? Hello? AM I IN COLOGNE?????), was dann dann irgendwann in markerschütterndes Gebrüll endete, und Anders zufriedenstellte.
Die Performance war einmalig, Fridén riss das Publikum so mit sich dass wirklich JEDER zumindest mitbangte, und als es daran ging bei "Episode 666" oder "Trigger" mitzusingen konnte man Angst haben die Aufhängung würde von dem Gebrüll runterfallen.
Nach gut anderthalb Stunden verabschiedete sich die Band mit dem letzten Song "My Sweet Shadow" von der Bühne, und hinterließ ein zutiefst beeindrucktes Publikum.

Fazit: Ein klasse Konzertabend. Katastrophales Tourmanagement, schlechter Sound und klasse Show bei DEVILDRIVER, schlechter Sound und gute Show bei CALIBAN, und geiler Sound und einmalige Show bei IN FLAMES.

Redakteur:
Michael Kulueke

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