Hells Pleasure Metal Fest - Pößneck

26.07.2008 | 13:46

18.07.2008, Motocross-Strecke

Der Morgen von Tag Number Zero beginnt mit optimaler Musik zum leichten Kater. Denn THE LAMP OF THOTH fabrizieren genau die Art Doom Metal, die für gute Laune sorgen kann. Schon gegen 14 Uhr schaffen es die Briten deswegen, die Müdigkeit aus den anwesenden Metal-Heads zu treiben, auch und weil die Truppe völlig abgefahrene Melodien verwendet, die herrlich nach alten 70er-Jahre-Zeiten klingen. FARSOT als nächste Band sind da schon eine andere Kategorie: Die vier Jungs haben sich ordentlich viel Make-up angelegt, um ihren Black Metal möglichst würdig zu zocken. Das klappt famos. Zwar wirkt das Publikum noch ein wenig verschlafen, doch reicht das nicht aus, um FARSOT irgendwelche Motivationsprobleme zu bescheren. Ohne Keyboard, aber mit viel Dynamik und Energie zocken die Thüringer ihre progressiv-schwarze Musik, rasend schnell und voller Melodien. "Die Zukunft des deutschen Black Metals", meint ein Kumpel kurz nach dem Gig. Er könnte Recht behalten.

Weniger innovativ präsentieren sich HELLISH CROSSFIRE: Ihre Musik ist aber auch nicht dafür ausgelegt, künstlerisches Neuland zu betreten. Hier wird lupenreiner Thrash aus deutschen Landen geboten, der mit Songs wie 'Shadowcurse' oder 'Eternal Tyranny' einfach nur in den Nacken schießen soll - und so auch bei den vielen Fans vor der Bühne funktioniert. Außerdem haben die höllischen Feuerwerker noch ein paar Pyros und eine schicke Sense mitgebracht, ein paar Accessoires, um den Kultfaktor ihrer Show zu erhöhen. Dürfte geklappt haben, zumindest der Jubel nach der Show ist laut und langwährend. Entspannung ist danach gefragt, weswegen die Show der finsteren deutschen Doom-Deather von DROWNED leider dem Hunger zum Opfer fällt. Das ist schade, denn die Setlist, die sich hernach auf der Bühne findet, klingt toll: 'Embrace The Beast', 'Viscera Terræ', 'In The Shrines Of The Kingly Dead' - quer durch die gesamte Bandgeschichte sind die Titel gewählt. Doch bietet die kurze Pause die Möglichkeit, sich auf dem Areal um die Bühne herum zu bewegen. Dieses Drumherum des Festivals kann in diesem Jahr überzeugen, nachdem im vergangenen Jahr nur ein Essensstand für die Versorgung sorgen sollte. Daran hat sich zwar nix grundlegend geändert, allerdings ist wird wesentlich schneller bedient und auch die Auswahl ist wesentlich größer geworden, besonders die Soljanka für 1,60 Euro kann überzeugen. Überhaupt sind die Preise moderat, das Bier für zwei Euro äußerst gut trinkbar.

So mit allerlei Leckereien gestärkt soll nun eine der wichtigsten Bands des Festivals spielen. Viele freuen sich schon darauf, schon vor dem Gig sind die Shirts der britischen Kult-Doomer von WARNING aufgekauft. Und das Trio ist in der Tat ein Phänomen: Fast ohne Bühnenshow wirkt es einfach aus sich selbst heraus. Besonders Sänger und Gitarrist Patrick Walter in seinem weißen Hemd sieht aus, als gehöre er eigentlich nicht auf ein Metal-Festival - doch hängen die Blicke der Fans an seinen Lippen, weil er eine unvergleichliche Stimme hat, die besser zu Doom nicht passen könnte. So lässt sich bei WARNING eine gute Stunde lang die Unbill der Welt vergessen, wenn Songs wie 'Faces' die Seele streicheln. Ein Genuss, der Kontrast zu den folgenden ZARATHUSTRA könnte so kaum größer sein. Schon optisch trennen beide Bands Welten, weil ZARATHUSTRA in traditionellem Corpsepaint die Bühne entern. Auch dieses Quintett gehört zum kreativen Teil der deutschen Black-Metal-Szene, böse-melodisch und fies schneiden sich die Klänge von Songs wie 'Towards Perdition' oder 'Slave Mortality' durch den frühen Abend in Pößneck. "We are ZARATHUSTRA, fuck you", schreit Frontmann Hurricane mitten Gig, damit auch jeder im Publikum noch einmal Bescheid weiß. Die Botschaft dürfte angekommen sein ...

... und falls nicht, könnte dies an CORPUS CHRISTII liegen. Denn die Jungs aus Portugal prügeln in einer Intensität los, dass einem die Gedanken unkontrolliert im Kopf herumpurzeln, möglicherweise sogar flüchten. Was heißen soll, dass CORPUS CHRISTII eine der großen Überraschungen des Festes sind, weil ihr räudig-roher Black Metal genau jenen eisigen Grad überschreitet, den Klassiker in diesem Genre brauchen. Dazu haben die fünf Musiker ein paar szenetypische Hilfsmittel mitgebracht, Schweineblut wäscht die Gesichter der Fans in den ersten Reihen. "Fucking Rock 'n' Roll!", brüllt der Frontmann, der sich hinter dem Pseudonym N.H. verbirgt. Das Publikum ist begeistert, feiert Songs wie 'Stabbed' oder 'Penetrator', kurz vor Ende wollen einzelne Fans sogar eine Polonaise starten, doch bleibt es beim Versuch, während CORPUS CHRISTII mit einem fanatisch-fantastischen 'The Wanderer' zum Ende kommen. Musikalische Extremtäter, das "Intolerance"-Shirt des Sängers sagt eigentlich alles - doch vielleicht müssen sich manche Black-Metal-Puristen ein wenig neben der Spur gerieren, um zu solcher Musik fähig zu sein. Wer weiß das schon?

Abseits üblicher Muster bewegen sich auch DENIAL OF GOD, die wie IMPALER tags zuvor als Horror-Metal-Kombo durchgehen. Das Bühnenoutfit und der Aufzug der Musiker fallen dementsprechend knallbunt aus, in der Ecke steht sogar ein Grabstein, offenbar aus Pappe. Die Musik dieses Schauspiels klingt noch klirrender als MAYHEM in ihren Proberaumtagen. Was nun heißt: Entweder liebt man DENIAL OF GOD oder rennt erschrocken weg, so gar keinen Kommerz strahlt diese Band aus. Und so wenig Trend. Schon allein die Titel verraten das: 'Robbing The Grave Of The Priest' oder 'The Curse Of The Witch' heißen die Songs der Dänen, die auch damit klar machen, dass eigentlich nur die 80er Jahre gute Metal-Jahre waren. Die vielen Thrash-Fans im Publikum sind begeistert ob dieser Kompromisslosigkeit.

Nach so viel mehr oder weniger hochwertigem Geballer ist die Zeit wieder reif für ein wenig fröhliche Besinnlichkeit und eine Band, die erneut optisch so gar nicht zu den vielen Schwarzheimern im Publikum passen will. Vorhang auf für PAGAN ALTAR: Wie die meisten Doom-Bands des Wochenendes kommen sie aus England und haben schon sichtlich einige Jahre auf dem Buckel. Ihrem Sound irgendwo zwischen BLACK SABBATH und DEEP PURPLE macht das Alter der Band nichts aus, ihr Doom-Rock klingt zeitlos. Dementsprechend kann auch das gesamte Publikum vor der Bühne etwas mit der Band um ihren Sänger Terry Jones anfangen. Und wahrscheinlich haben PAGAN ALTAR lange nicht mehr vor so vielen Leuten gestanden - zumindest freuen sich die altgestandenen Musiker riesig ob der allgemeinen Sympathiebekundungen und überziehen gnadenlos ihre Spielzeit mit Songs wie 'In The Wake Of Armadeous' oder 'Judgement Of The Dead'. Doch ist das in diesem Fall absolut verzeihlich.

Nach so viel Erholung dürfen LORD BELIAL auf die Bühne und machen von Anfang an klar, dass sie mit Recht zu den Top-Bands der schwedischen Black-Metal-Szene zählen. Besonders auffallend ist der beseelte Blick von beispielsweise Sänger und Gitarrist Thomas bei Songs wie 'Monarchy Of Death' oder 'Lamia' - der Typ liebt seine Musik abgöttisch, das lässt sich sehen. Und hören, denn mit großer Intensität spielen LORD BELIAL die Songs ihrer langen Black-Metal-Karriere, deren eisige Melodien sofort ins Blut gehen. Grandios. Ähnlich finster gehen die Belgier von ENTHRONED zu Werke, die als letzte Band des Abends noch einmal zum Schminkkoffer gegriffen haben und ruppig all ihre Werke aus sich heraus rotzen, inklusive solcher Klassiker wie 'Evil Church'. Zu dem Zeitpunkt ist dann spätestens auch dem letzten Mensch im Publikum klar, dass das Hells Pleasure 2008 noch einmal einen erheblichen Schritt nach vorn getan hat: Ein Festival in völlig stressfreier Atmosphäre, weitgehend ohne Black-Metal-Nazi-Spacken, mit herausragenden Bands und günstigen Preisen - da lässt sich fast vergessen, dass auch solche Veranstaltungen wie das Wacken Open Air ihre Reize besitzen.

Redakteur:
Henri Kramer

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