Hell Inside-Festival: Day Two - Würzburg

09.10.2013 | 23:10

05.10.2013, Posthalle

Der zweite Tag des Hell Inside-Festivals machte aus der Würzburger Posthalle das Mekka des Death Metals...

Die letzten goldenen Tage neigen sich dem Ende entgegen und die schöne fränkische Landschaft, durch deren märchenhafte Weinberge sich idyllisch der Main schlängelt, taucht ein in die Tristesse eines verregneten "Grau in Graus". Richtig, es ist Herbst! Schlechtes Wetter bedeutet aber nicht notgedrungen das Aus für gelebten und auf Festival zelebrierten Heavy Metal, denn Mutter Natur eröffnet durch ihre Laune die Saison für die Hallenfestivals! Und sind wir doch einmal ehrlich, welches Wetter eignet sich denn besser für einen Tag voller Old School Krawall als trist-trüber Oktobernebel? (trist-trüber Oktobernebel? Heißt das nicht taubtrüber Ginst am Musenhain? FJ)

Ich befinde mich also in Würzburg. Es ist Samstag, der 05. Oktober, um die Mittagsstunde. Die an den Bahnhof angrenzende Posthalle sollte an diesem Wochenende zum Mekka für die süd- und mitteldeutsche Death Metal-Szene werden, denn das Hell Inside-Festival steht vor der Tür. Schon am Vortag durften die eingefleischten Metalheads ihre Köpfe zu den Klängen von MALIGNANT TUMOUR, HATESPHERE, NAUSEA, HYPOCRISY und vielen mehr kreisen und den Propeller steigen lassen. Der allgemeinen Stimmung der Fans zufolge war HYPOCRISY eindeutig das Highlight des Freitags. Peter Tägtgrän heizte Würzburg mit einer brachialen Bühnenshow und einem ohrenbetäubend lauten Sound ordentlich ein.

Ich musste mir dieses Vergnügen leider entgehen lassen und konnte nur den zweiten Tag des Hallenevents besuchen. Macht nichts, so war doch day two insgeheim das Highlight für viele Anhänger der Alten Schule. Schließlich ist das Billing mit zwölf Combos der härteren Gangart und einer Kapelle für die Aftershow-Party ziemlich hochkarätig aufgestellt. Schon bei der Akkreditierung fällt die gute Organisation der Party auf. Alles läuft reibungslos und jeder der freiwilligen Helfer scheint zu wissen, was er zu tun hat. Auch das Personal der Security ist immens freundlich. Die Ordner haben trotz ihres feucht-fröhlichen Jobs vor dem Eingang sogar ein paar lockere Sprüche über den Nieselregen und die klamme Kälte auf den Lippen. Hut ab vor den Veranstalter, die nicht nur ein großes Risiko tragen mussten (2013 war ja bekanntlich das Todesjahr für viele kleine Festivals), sondern auch in organisatorischer Hinsicht ganze Arbeit geleistet haben!

Es ist 13:00 Uhr und ISLAY aus dem Emsland spendieren den paar Fans, die sich um die frühe Mittagszeit schon vor der Bühne eingefunden haben, eine Portion "Frühstücks-Death-Metal". Frühstücks-Death-Metal, das sind ein Glas Blast Beats, ein Teller Growls 'n' Shrieks und ein paar hart gekochte, melodische Riffs der Marke GOD DETHRONED! Meinen Geschmack haben sie damit zwar nicht wirklich getroffen, aber das Frühstück bleibt trotzdem im Magen. Die fünf Jungs agieren sehr lebhaft und füllen 30 Minuten mit einer energiegeladenen Show, in der sie nicht nur ihre Köpfe ordentlich kreisen, sondern auch ein Best Of-Set ihres selbstbetitelten Debüts präsentieren. 'Laphroaig', der Opener des Silberlings, hat selbst meinen Kopf etwas in Bewegung versetzt. Alles in allem ist den jungen, unsigned-Metalheads ein ordentlicher Auftakt gelungen, zu dem auch der zwar etwas leise, aber doch sehr klare Sound beigetragen hat.

Mit druckvollem Sound soll es gleich weiter gehen. Nach einer reibungslosen Umbaupause betreten die fränkischen Grinder von GOREGONZOLA die Bühne. Die vier selbstbezeichneten Schwergewichte, die heute ohne zweiten Gitarrist auflaufen, reißen mit ihrem "Uffta Uffta"-Goregrind schon ein paar Fans mehr aus dem Halbschlaf und zerren sie an den Reportergraben. Songs wie 'I Want To Jerk Off' und 'Ultrafett' veranlassen sogar einige vereinzelte Mosher zu losgelösten "Frank Mullen-Gesten". Die muntere Plauderei von Gitarrist Flesh Goredon und die massive Erscheinungsform des Sängers Gorebatschow sind darüber hinaus auch noch total unterhaltsam. (Die Pseudonyme aber auch. Hi hi... FJ) Die Riffs sind simpel, der Gesang ist ultratief und damit sind auch die Fans überglücklich und zufrieden. Gut gemacht, Jungs!

Was ist der Untergrund ohne PURGATORY? Ich weiß nicht, wie oft ich den sächsischen Vierer schon auf der Bühne gesehen habe. Jedenfalls bringt die Old School-Truppe die Posthalle gründlich zum Beben. GOREGONZOLA und ISLAY waren zwar fett, aber PURGATORY setzt den Vorgängern noch einen drauf. Genügend Liveerfahrung haben die Sachsen ja vorzuweisen, denn schließlich sind sie bereits seit 1993 auf den Bühnen des Undergrounds unterwegs. Dementsprechend routiniert gestaltet sich ihre Umbaupause. Fix sind ein großes Drumset montiert, die Instrumente gestimmt und die Amps auf maximum distortion eingestellt. Der Mischer gewährt ihnen sogar noch ein bisschen mehr Lautstärke, so dass der Sound von PURGATORY, der mich immer ein bisschen an ein Hybrid aus MORBID ANGEL und VADER erinnert, endlich nach waschechtem Death Metal klingt. PURGATORY offenbart sich schon nach dem ersten Song, 'Onward to the Burning Shores', als ein kleines Highlight des Nachmittags, denn die Musiker fühlen sich auf der Bühne spürbar wohl. Vor allem der Sänger weiß die Bühne zu nutzen und bangt sich bei 'Pandemonium Rising', das übrigens auf der empfehlenswerten neuen Scheibe "DEATHKVLT - Grand Ancient Arts" darauf ist, die Seele aus dem Leib. Besonders erwähnenswert ist das letzte Stück des Sets, 'Consumed By Ashes'. Hier schießt das Doublebass mit voller Wucht aus den Boxen, wohingegen die Snare gezügelt wird. Dadurch entsteht natürlich ein Groove mit Sogwirkung, der mit morbiden Riffs unterlegt ist. PURGATORY punktet - unangezweifelt!

ULTIMO MONDO CANNIBALE, die italienische Pitch Shifter-Fraktion, stellt die Technik vor eine schier unlösbare Herausforderung. Das Mikro, auf das der Gesangseffekt, also das A und O ihrer Stilrichtung, gelegt worden ist, funktioniert nicht. Was auch immer die Stagecrew versucht, die Stimme von Sänger Vito will einfach nicht in den Keller absacken. Erst nach einer 15-minütigen Verzögerung und einem neuen Satz Mics dröhnen ultratiefe Vocals durch die PA und die drei Südländer dürfen loslegen. Das obligatorische, aus dem Popbereich adaptierte, Goregrind-Intro, in diesem Fall die Titelmelodie von "Rocky", erklingt und die Kurzhaarmetaller betreten in mexikanischen Wrestlingmasken die Bühne. Trotz der Panne dürfen sie die volle Spielzeit für ihren schlichten, leicht verdaulichen ROMPEPROP//C.B.T.-Stil (was für'n Ding? FJ) nutzten. Zugegebenermaßen ist die halbe Stunde sogar ziemlich unterhaltsam, auch wenn die Songtitel, die für das eine oder andere Schmunzeln sorgen, wenig "geistreich" sind. 'In Porn We Grind' oder 'Black Metal Muffin' kann man einfach nicht ernst nehmen, dafür muss man aber zu ihrem Groove ordentlich mitbangen.

Mit einem deutlich verwascheneren Sound, aber trotzdem ordentlich Druck startet POSTMORTEM den Gig. Vor allem die Snare macht so einige Zicken. Der Mischer konnte sie einfach nicht bändigen und in ihre Schranken verweisen. Erst beim dritten Song, 'Lobotomy' von der 2008er Scheibe "Constant Hate" (Kauftipp am Rande!), gelingt es dem Mann hinter den Reglern, den kleinen, runden Kessel dort hinzusetzen, wo er hingehört. Trotz dieser kleineren Soundprobleme rocken die Berliner recht deftig. Auf Platte ist POSTMORTEM ganz ordentlich, live jedoch kommen sie doppelt gut. Die Jungs machen Musik, so wie sie mir gefällt. Knallharter Death Metal mit einer Prise Rock 'n' Roll-Groove. Direkt, widerspenstig und "in your face". 'Give Us Hate' und 'Chopped Shredded and Grind to Meatballs' von der "Seeds of Devastation" oder 'Black Flame' von der aktuellen Scheibe "Bloodground Messiah" sind kompromisslose Tracks, die schlichtweg für den Liveeinsatz gemacht sind. Eine mehr als gelungene Show!

Weiter geht's mit den BLOCKHEADS. Die Franzosen sind mir noch bestens vom "Obscene 2006" bekannt. Dort haben sie den ultimativen Grind-Einheitsbrei-Test bestanden, durch den sich die Spreu vom Weizen trennt. Mal ehrlich, wenn unter gefühlt 100 gleichklingenden Bands eine im Gedächtnis bleibt, dann will das etwas heißen. Die BLOCKHEADS ist jedenfalls eine solche Truppe, die das gewisse Etwas hat und das auch Live zeigen kann. Sicherlich ist dafür die geballte Ladung an Aggression und Energie, die Sänger Xav ausstrahlt und ungebrochen auf das Publikum überträgt, verantwortlich. Auch in der Posthalle hechtet er von einem Ende der Stage zum anderen, performt meterhohe Luftsprünge und erleidet anschließend klinische Zusammenbrüche. Er unterstützt die ausdrucksstarke Power seiner brutalen Brüllstimme effektiv mit vollem Körpereinsatz. Das Feuer in seinen Augen kann man direkt sehen. Die Securities müssen ihn sogar davon abhalten, von der Bühne in den Mosh zu springen (das noch lichte Publikum vor der Bühne hätte ihn wohl nicht tragen können). Beim letzten Song gelingt es Xav dennoch, den Ordnungskräften zu entkommen und ein Bad in der Menge zu nehmen, die extra nach vorne an den Reportergraben eilt, um den hyperaktiven Franzosen davor zu bewahren, sich alle Knochen zu brechen. Letztendlich bringt er es sogar noch fertig, den auf der Bühne begonnenen 'Born Among Bastards' (von der "This World Is Dead") mitten im Pit zu beenden. Ein krönender Abschluss eines Grindkonzerts, das richtig Laune macht. Aber nicht nur der Sänger ist ein kleines Energiebündel. Auch Nico an den Drums ist an der Liveexplosion nicht unbeteiligt. Die Highspeed-Blast hinterlassen nämlich an ihm deutliche körperliche Spuren. Der gute Kerl haut so fest und schnell auf die Becken, dass man ihm die Verausgabung förmlich ansehen kann. Völlig überanstrengt und kurz vorm Infarkt stehend drischt er aber trotzdem immer weiter, schneller und härter auf das überstrapazierte Drumset ein. Grind bis es weh tut, mehr Sport als Musik.

Was haben brandneue Retrosneaker eines größeren Sportbekleidungshersteller und LOST SOCIETY gemeinsam? Bei Beiden ist das Prinzip das Gleiche. Das Modell stammt aus den 80ern, doch zusammengesetzt wurden sie erst gestern. Nee, im Ernst! Ich hege Zweifel daran, dass einer der blutjungen Musiker schon das Licht der Welt erblickt hat, als der Sound, den sie machen, zusammengebraut wurde. Old School Thrash aus den späten 80ern, präsentiert von vier spätpubertären 17-jährigen. 2013 starteten die Jungs aus Finnland so richtig durch. Ihr Debüt "Fast Loud Death" kam dieses Jahr über Nuclear Blast heraus und das Release wurde von vielen Auftritten auf größeren Festivals (u.a. auf dem Beastival) begleitet. Zeit hatten die Kiddies zwar nicht gerade viel, um sich an größere Bühnen und an das Lampenfieber zu gewöhnen, aber trotzdem liefern sie einen Gig ab, von dem sich so manche Szenegröße eine Scheibe abschneiden kann. Da wird gebangt und gethrasht, was das Zeug hält. Auf einem erstaunlich hohen spielerischen Niveau knallt der Vierer der Würzburger Posthalle einen total lebendigen Thrash Metal vor den Latz, der die Energie alter KREATOR, die Virtuosität eines frühen Dave Mustaine und den Unterhaltungswert von METALLICA vor 1990 besitzt (Davon hast du doch gar nix selbst gesehen Mindestens letzteres sprachen den Jungs so Einge damals ab. FJ). Arttu Lesonen an der Leadgitarre und Basser Mirko Lehtinen nutzen die gesamte Breite der Bühne, die sie im Dauerlauf bereisen. Dabei liefern sie sich ständig Crossfights, die vor dem Hintergrund eines überdimensionalen Backdrops ausgetragen werden. Auch dem Sänger und Gitarristen Samy Elbanna, der in seinen Ansagen keinem der Thrash-Klischees aus dem Weg gehen möchte, sieht und merkt man die Spielfreude sichtlich an. Zwar sind seine Aussagen über nächtelange Alkoholexzesse angesichts seines noch sehr kindlichen Erscheinungsbildes eher unglaubwürdig, aber trotzdem gibt er sein Bestes, um die Fans bei Laune zu halten. Seien wir aber einmal ehrlich (die Leser bitten darum, daher: Mach ruhig. FJ), LOST SOCIETY ist schon verdammt gut. 'Braindead Metalhead', 'Toxic Avenger' oder aber auch der Titeltrack ihres Debüts sind halt einfach wahre Neckbreaker! Dazu hat der Mischer ihnen einen druckvollen Sound geschenkt. Mehr braucht man nicht für eine nahezu perfekte Thrash-Show! 

Umbaupause! Was ist das? Da schiebt doch tatsächlich jemand ein waschechtes Klavier auf die Bühne! Im Off der Stage kann man dazu schon ein paar geschminkte, düstere Gestalten in Anzügen und eine korpulente Dame im Opern-Outfit erkennen. Das alles sind Vorboten für den wohl schlechtesten Auftritt des Festivals. FLESHGOD APOCALYPSE haben einen verwaschenen Sound, der bei dieser Art von von Keyboardflächen getragenen Death/Black-Metal einfach die Atmosphäre kaputt macht. Auch ihr Bühnenoutfit, das mehr für einen Opernball als für eine Metalveranstaltung ausgelegt ist, ist reichlich unpassend. Das Gesamtbild ist ziemlich unstimmig und ihre Show wirkt nicht. Kein Wunder, dass doch nicht wenige Fans lieber den Bierstand und den ziemlich großen Merchbereich aufsuchen als sich von den (versucht) sinisteren Klängen der Italiener berieseln zu lassen. Ich kann der einen oder anderen Diskussion lauschen, in der es darum geht, ob FLESHGOD APOCALYPSE ins Old School-Konzept des Samstagsbillings passen oder nicht besser am Freitag hätte spielen sollen. Eine Antwort darauf hab ich zwar auch nicht parat, aber trotzdem stimmt beim Gig der Combo etwas nicht.

Kommen wir also zu den Highlights des Abends, PROTECTOR, GRAVE, HAIL OF BULLET und UNLEASHED stehen noch an. Ein Programm wie aus dem Bilderbuch, gemacht für Fans von authentischer Musik, für die man keine Partituren braucht, um ihr folgen zu können. PROTECTOR könnte rein optisch direkt aus den 80ern in die Gegenwart teletransportiert worden sein. Zerschlissene Kutten, lange Haare und ein Schnauzbart. Rein äußerlich macht so ein Outfit auf der Bühne ziemlich was her, zumindest mehr als die Maskerade von FLESHGOD APOCALYPSE. Dazu hat PROTECTOR auch noch den passende Sound für ihre Thrash-Show. Ein schiebender, verzerrter Bass, eine nicht zu fette Gitarre und eine krachende Snare. Dominante Teutonic Thrash-Vocals verstehen sich natürlich von selbst. In der Tat, mit PROTECTOR geht es zwar etwas langsam, aber dennoch stetig zurück ins Jahr 1988. Dort ist ihre erste LP, "Golem", erschienen, von der natürlich kein Klassiker ausgelassen wurde. Neben dem Titeltrack schmetterten die Wolfsburger 'Apocalyptic Revelations', 'Protector of Death' und 'Space Cake', womit das Set beschlossen wird. Aber auch 1987, dem Erscheinungsjahr der "Misanthropy"-EP, wird mit 'Kain And Abel' und 'Misanthropy' ordentlich Tribut gezollt. Von der "A Shredding Of Skin" und der "Urm The Mad" kommen hingegen jeweils nur der Titeltrack. Dafür folgen ein paar neuere Nummern, die sich nicht vor den alten Sachen verstecken brauchen. 'Calle Brutal' und 'Reanimated Homunculus' machen live wesentlich mehr Spaß als auf Platte. PROTECTOR sind zwar keine Technikgötter und der Basser wurde sichtlich vom Lampenfieber erdrückt, allerdings haben die Jungs Ausstrahlung! Und das ist das Einzige, das für mich zählt!

Hm, kann ich meinen Augen wirklich trauen? Der Bass von Tobias Cristiansson, der seit 2010 bei GRAVE für die tiefen Töne verantwortlich ist, ist tatsächlich nur mit drei Saiten bespannt. Mehr ist für GRAVE auch gar nicht nötig, denn im Gegensatz zu DISMEMBER, bei denen er in der Endphase die Bassklampfe zupfte, ist die Band um Fronter Ola Lindgren einfach nur dumpf und tief. GRAVE ist übrigens eine Band, die live seit Jahren konstante Leistung bringt. Enttäuscht hat mich der schwedische Vierer jedenfalls noch nicht. Die letzten beiden Scheiben, "Endless Procession Of Souls" (2012) und "Burial Ground" (2010), sind zudem wahre Aushängeschilder simpler, aber effektiver Musik. Deswegen fiebere ich dem Gig ziemlich entgegen. Ehrlich gesagt sind inzwischen schon fast fünf Jahre vergangen, seit ich eine Liveshow der Mannschaft zum letzten Mal genießen durfte. Die Zeit des Wartens hat sich gelohnt, denn die Jungs liefern eine brachiale Performance ab. Das neue Line Up existiert inzwischen auch schon drei Jahre und ist spürbar eingespielt. Vorbei sind die Rumpelsound-Tage, denn der stumpfe Death Metal wird in höchster Präzision dargeboten. Mika Lagrén, der dem Aussehen nach einem Massenmörder gleicht, zaubert ein paar feine Töne aus den 4x12ern, auf denen bei beiden Gitarristen ein JCM 800 thront – ein Klassiker. Ob nun die Highspeed-Version von 'Into The Grave' besser ist als die mit Timingfehlern gespickte Variante auf dem Album, soll einmal dahingestellt bleiben. Jedenfalls haben die vier Schweden einen klaren, druckvollen Sound und spielen Highlights quer durch ihre 25-jährige Bandgeschichte. Nach dem Opener 'Amongst Marble and the Dead' von der aktuellen Scheibe grölt Ola "We're Grave from Sweden! We're going to rock your fucking socks off" ins Micro. Darauf dröhnte ohne weiteren Kommentar 'Reborn', der Knaller von der "Fiendish Regression", aus den Boxen. Für meinen Geschmack kam die "Into The Grave" etwas zu kurz, denn außer dem Titelstück folgt keine Nummer von der Kultscheibe. Kein 'Deformed', kein 'For Your God' und leider auch kein 'Extremely Rotten Flesh'! Dafür gab's 'Turning Black' von der "Soulless" und die beiden Titeltracks der "You'll Never See..." und der "...And Here I Die... Satisfied"-EPs. Von der Letzteren kam darüber hinaus noch 'Day Of Mourning'. Leider hatten sie auch keinen Song des 2006er Silberlings "As Rapture Comes" mit im Gepäck. Die Nummern flogen zugunsten des neuen Materials raus. 'Sexual Mutilation' ("Burial Ground"), 'Passion Of The Weak' und 'Winds Of Chain', beide von der "Endless Procession Of Souls", sind aber auch zu gute Tracks! GRAVE haben's drauf. Soviel steht nach 45 Minuten jedenfalls fest.

"Habt ihr Bock auf ein bisschen Krieg?" Martin van Drunnens mörderisches Organ jagt durch die Halle und sofort richten sich alle Augen auf die holländische Kultfigur. Schon in der Umbaupause hat er demonstriert, dass er den Heavy Metal lebt. Wo andere von Nervosität geplagt hektisch auf und ab rennen, kommt van Drunnen locker lässig mit einer Kiste Bier unterm Arm und einer Zigarette im Mundwinkel auf die Bühne und unterhält die Fans mit seinem Markenzeichen, dem typischen "Iauuuhhhh"-Growl. Das Intro dröhnt durch die Anlage, Ed Warby zählt den ersten Song ein und 'Operation Z' zeigt der Posthalle sofort, wo es lang geht. Den Mikroständer schräg angewinkelt brüllt van Drunen was das Zeug hält in die Anlage und führt den Fans vor Augen, warum sich die Strapazen einer langen Anreise gelohnt haben. Der Sound hat richtig Power und man kann den Bass direkt in der Magengegend spüren. Mit 'Red Wolves Of Stalin', 'General Winter' und 'The Lake Ladoga Massacre' legen die Holländer gleich drei Songs von der ersten Scheibe nach. Paul Baayens, der Gitarrist, benimmt sich dazu wie ein wilder. Haarbüschel fliegen ungebremst durch die Luft. Martin fügt noch hinzu, dass heute Songs zum Zuge kommen, die HAIL OF BULLETS eigentlich nicht oft im Liveprogramm hat. So gibt 'Pour le Mérite', den die Band nicht mehr proben konnte, einen vielversprechenden Vorgeschmack auf das neue Album, dass Ende Oktober erscheinen wird. Natürlich sind aber auch Kultsongs wie 'Ordered Eastward' und 'Tokyo Napalm Holocaust' mit im Programm. Die beiden Songs dürfen einfach nicht fehlen. Das groovende Ende von 'Kamikaze' lässt die einstündige Show dann noch gebührend ausklingen. Die triolische Doublebass und das schneidende Leadriff reißen die Fans total in ihren Bann und die ersten Reihen lassen zu den langsamen Takten besonnen die Köpfe schaukeln. HAIL OF BULLETS sind einfach der Inbegriff des europäischen Death Metals. Mit "On Divine Winds" und "Of Frost And War" zwei Hammer-Releases vorzuweisen und "III The Rommel Chronicles" wird nahtlos an die beiden Vorgänger anknüpfen. Live sind sie jedenfalls ein Brett!

Der Gig von HAIL OF BULLETS war so gut, dass UNLEASHED wirklich ein riesen großes Stück Arbeit vor sich hat, um das noch zu toppen. Wer aber UNLEASHED kennt, weiß, sie stehen für Livekonstanz. Ein Gig gleicht in Intensität aber auch in der Machart dem anderen. Seit fast nun zehn Jahren habe ich das Vergnügen, die vier Schweden auf der Bühne stehen zu sehen. Mehr als 15 Gigs haben sich hierbei sicherlich locker summiert. Irgendwie werde ich aber das Gefühl nicht los, dass die Jungs auf der Stelle treten. Die Bühnenshow, die Ansagen und sogar die Setlist scheinen sich nicht zu verändern, sondern nur um wenige neue Nummern ergänzt zu werden. So sollten auch diesmal alle Songs mit im Programm sein, die schon seit 2004 zum festen Inventar gehören. Das Spiel mit den Fans bei 'Death Metal Victory' kennt jeder UNLEASHED-Fan natürlich wie seine eigene Westentasche. Auch 'Destruction (Of The Race Of Men)' ist genau wie 'The Longships Are Coming' seit der "Sworn Allegiance"-Tour nicht mehr aus der Setlist verschwunden. Zu solchen Dauerbrennern, die man auch mal auswechseln könnte, zählen natürlich auch 'Legal Rapes' von der "Victory" und 'Execute Them All' von der "Across The Open Sea". Zumindest hätte man einen davon für eine Nummer von der "Shadows In The Deep", von der nichts im Programm ist, streichen können. Über 'The Immortals' oder 'Land Of Ice' hätte ich mich richtig gefreut. Wie dem auch sei, der Gig ist ansonsten ziemlich solide. Johnny ist ein echter Entertainer und versteht es, die Fans zu unterhalten. Er agiert trotz fortgeschrittenen Alters immer noch sehr agil und man merkt ihm an, dass er noch mit Leidenschaft bei der Sache ist. Der Sound ist äußerst gut und der Gig macht nach einer Weile auch richtig Laune, denn schließlich ist die positive Seite von Konstanz absolute Zuverlässigkeit. Nummern wie 'To Asgard We Fly', die obligatorische Zugabe 'Before The Creation Of Time', aber auch das etwas jüngere 'Midvinterblodt' sind echte Mitreißer. So füllt UNLEASHED letztendlich 90 Minuten Spielzeit mit unterhaltsamen Death Metal und entlässt die inzwischen doch recht gut besuchte Posthalle glücklich und zufrieden in die Aftershow-Patry, auf der bereits INSISION in den Startlöchern steht.

An dieser Stelle möchte ich mich nochmals bei den Veranstaltern für ein wirklich geniales Festival bedanken. Die heimische Atmosphäre ist ziemlich gemütlich gewesen und die Organisation war nahezu perfekt! Ich hoffe auf ein Wiedersehen...

Redakteur:
Michael Sommer

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