Helion Festival - München

14.10.2008 | 20:33

04.10.2008, Feierwerk

Kann man sich einen besseren Start in den Herbst vorstellen? Fünfzehn Bands, fünfzehn Euro und eine große Meute Feierwütiger - besser geht es eigentlich nicht. Heute ist es so weit, das Helion Festival startet durch ...

Kann man sich einen besseren Start in den Herbst vorstellen? Fünfzehn Bands, fünfzehn Euro und eine große Meute Feierwütiger - besser geht es eigentlich nicht. Heute ist es so weit, das Helion Festival startet durch, und wir sind mittendrin: ein Stand, zwei Fotografen, zwei Redakteure und engagierte Helfer. Die Meute vor den noch geschlossenen Türen lässt Großes vermuten. Die breite Fächerung der Stile heute Abend hat doch so einige Leute angesprochen; wobei der Schwerpunkt natürlich bei Pagan-Melodien und -Inhalten liegt. So ist das Feierwerk-Gelände bald von schwarzen Gestalten bevölkert und die zwei Hallen, in denen das Event stattfinden wird, mit Leben erfüllt.

Nachdem die Power-Metaller von CRYSTALLION leider krankheitsbedingt absagen mussten, nehmen GODS OF EMPTINESS deren Platz am späteren Abend ein. Die ganze Veranstaltung beginnt dadurch erst um halb vier. Genug Zeit also, sich einzurichten, in der Halle umzugucken und eine Vielzahl bekannter Gesichter zu begrüßen.
[Julian Rohrer]

Durch den Ausfall von CRYSTALLION wird das Helion Festival von DAMIEN eröffnet. Es geht also in der etwas kleineren Kranhalle los. Die Band hat bereits angefangen zu spielen, und von hinten wirkt es auch gut gefüllt. Hat man sich allerdings erst mal durch die paar Reihen durchgedrängt, sieht es schon etwas anders aus, nämlich deutlich leerer. Auf der Bühne ist es dafür umso voller: Insgesamt sechs Leute tummeln sich dort. Auffällig ist hierbei die Dame am Bass und die Tatsache, dass zwei Sänger dabei sind. Die Musik ist eine Mischung aus Metalcore und Nu Metal, was ziemlich gut zu der Bezeichnung in der Vorankündigung des Festivals passt: Modern Metal. So richtig Stimmung will im Publikum leider nicht aufkommen, auch wenn sich ein paar vereinzelte Headbanger vor der Bühne einfinden. Die Musiker selber sind (zum Teil) richtig dabei und scheinen ihren Spaß zu haben. Irritierend ist allerdings, dass der Sänger plötzlich mal von der Bühne verschwindet, wieder auftaucht und munter hin und her läuft, was insgesamt den Eindruck eines ver(w)irrten Technikers hinterlässt.

Die Songs haben in meinen Augen wenig Abwechslung, und leider ist auch der Sound nicht perfekt, so dass die Sängerin beispielsweise kaum zu hören ist, sobald beide Mikros gleichzeitig aktiv sind. Der vorletzte Song bringt noch mal etwas Schwung rein: 'King Of Pop', eine Hommage an selbigen, jedenfalls wird hier 'Beat It' von MICHAEL JACKSON verarbeitet - nette Idee, klingt mal etwas anders. Am Ende wird das Publikum wortkarg verabschiedet, und es geht weiter in die Halle Hansa 39.
[Juliane Schönleber]

Auf der Hauptbühne verkünden Nebelschwaden die erste schwarzmetallische Band des Abends: ARS IRAE. Die Jungs aus Rosenheim fahren einen spannenden Mix aus astreinem Hochgeschwindigkeits-Black-Metal und Pagan-Melodien, welcher mehr als nur zu gefallen weiß. So ist es kaum überraschend, dass der Platz vor der Bühne recht schnell rar wird und die ein oder andere Matte geschwungen wird. Es wird tight auf den Punkt gespielt, die grimmigen Mienen auf der Bühne korrespondieren mit den stimmigen Texten und erschaffen eine wunderbar schwarze Atmosphäre im Hansa 39. Ein besonderes Highlight ist der unterstützende Auftritt von Gaby Koss, die den Sound von ARS IRAE mit ihrer wirklich großartigen Stimme zu veredeln weiß. Leider ist nach knapp einer halben Stunde auch schon wieder Schluss, das Kettenhemd wird von Sänger Michi an den Nagel gehängt, und man schließt sich der Prozession in die etwas kleinere Kranhalle an.

Dort entern die jungen Aschaffenburger CULT OF GAIA die Bühne. Sie haben ebenso wie alle anderen Bands des heutigen Abends in den Helion Studios mit dem Produzenten Seref-Alexander Badir aufgenommen. Auf dem Grat zwischen Metal und Hardcore schaffen es die Jungs, in einem Song sowohl Black-Metal-Gitarren als auch Hardcore-Screams zu vereinen – nur um dann ordentlich auszuholen und den Zuhörer mit einer fetten Portion Doom niederzustrecken. Das hebt die Band definitiv aus der Masse des modernen Metal heraus, zumal die verschiedenen Stile nicht für sich allein stehen, sondern gekonnt kombiniert werden. Gerade die Lead- bzw. Sologitarre macht ihre Aufgabe sehr gut. So entfaltet sich in der Halle eine engagierte Metal-Packung, der, zumindest quantitativ, viel zu wenig gehuldigt wird. Allein der Mix fällt mir heute Abend zum ersten Mal negativ auf. Während die Growls von Moritz M. deftig aus den Boxen rollen, sind die Screams viel zu leise. Schade, aber während man sich darüber aufregt, kann man sich durchaus von den riesigen Ohrläppchen des engagierten Sängers ablenken lassen. Aber gut, mit diesen Erfahrungen ausgestattet, mit Songs wie 'Ares' oder 'Leviathan' im Ohr und mit der Erkenntnis versehen, eine Band gesehen zu haben, von der man mit Sicherheit noch was hören wird, geht es wieder in Richtung Hauptbühne, auf der es gerade "spanisch" wird.

Denn pünktlich um fünf Uhr beginnt die erste von zwei EQUILIBRIUM-Shows – möchte man meinen. Die ersten Töne der direkt aus Barcelona eingeflogenen KARLAHAN stellen einen direkten Bezug zu den Klängen der Münchner dar. Auch menschlich gibt es so einige Überschneidungen, da KARLAHAN den EQUILIBRIUM-Schrei-Contest gewonnen haben und nicht nur Sänger Toni Helge bei dem Song 'Blut im Auge' unterstützen durfte, sondern auch die ganze Band Chöre zu "Sagas" beisteuerte. Doch mit der Zeit wissen sich die Spanier durchaus von den EQUItanern zu emanzipieren und werden deutlich düsterer. Dazu trägt mit Sicherheit auch das angestimmte MANEGARM-Cover bei, welches durchaus als Statement zu verstehen ist.

Den Leuten vor der Bühne gefallen sowohl die melodischeren Humppa-Parts, die sich glücklicherweise nicht allzu sehr in den Vordergrund drängen, als auch die schnelleren und damit härteren Einlagen. Spätestens nach den ersten drei Songs ist die Fläche vor der Bühne ein Meer von Haaren. Dieses Feedback hatten auch die Spanier nicht erwartet, wie sie im Anschluss bei der Autogrammstunde verrieten. Allerdings habe man lange für diesen Auftritt in München geprobt und das, bei Gott, merkt man auch. Der Funke springt in jedem Fall über und die Spanier können mit Sicherheit den einen oder anderen Fan mehr auf ihrem Konto verbuchen. Hervorzuheben ist an dieser Stelle lediglich noch der Gesang von Guillem an der Gitarre, der mit klar gesungenen Gesangslinien einen wunderbaren Kontrast zu Tonis verzerrten Growls und Screams darstellt.
[Julian Rohrer]

Mein erster Gedanke, als NERVINE zu spielen beginnen: klingt nach Lemmy. Und wie sich herausstellt: Das ist nicht das Einzige, was an MOTÖRHEAD erinnert. Auf der Bühne findet sich die Band-Minimalbesetzung, bestehend aus drei Leuten, die offensichtlich Spaß daran haben, hier auf der Bühne zu stehen. Aus den Boxen schallt einem grooviger Rock entgegen oder, wie sie es selbst nennen, Shock 'n' Roll. Es macht auf jeden Fall sowohl der Band als auch dem Publikum Spaß, und so finden sich schnell einige Headbanger in der leider wie immer eher leeren Kranhalle ein. Zwischen den Songs wird ein bisschen geplauscht, ein Schluck Bier genossen, kurz diskutiert, was als nächstes kommt, und schon geht's weiter. Gitarrensoli fehlen natürlich auch nicht und unterstreichen den rockigen Charakter des großen Ganzen. Der nüchterne Kommentar des Schlagzeugers, "Schlagzeug kaputt", bringt einen kurzen Schrecken mit sich, was die sympathischen Göppinger aber gekonnt überbrücken können. Allerdings ist alles halb so schlimm. Becken abnehmen und wieder draufsetzen genügt, und es kann weitergefeiert werden. Nach einer halben Stunde endet das Spektakel leider auch schon wieder, und es bleibt nur noch zu sagen: Rock on und bei nächster Gelegenheit (wieder) anhören!
[Juliane Schönleber]

Eingeleitet vom Opener des aktuellen Albums "Wiedergang" startet ein wahrhaft großartiger Gig der lokalen Pagan-Helden HELFAHRT. Obwohl schon das eine oder andere Bierchen miteinander geleert und einen Berg zusammen bestiegen, habe ich die Herren noch nie live gesehen. Umso größer die Vorfreude auf einen denkwürdigen Gig. Und jene Vorfreude teile ich wohl mit einem Großteil der Anwesenden, denn der Platz vor der Bühne ist richtig gut gefüllt, und schon mit den ersten Tönen ist die Bude am Rocken. Was für eine Macht sich bei Songs wie 'Irrlicht' mit seinem schnellen Riffing entwickelt, ist schwer zu beschreiben. Ebenso wie die Präsenz von HELFAHRT, die nicht nur aus dem technisch astreinen Auftritt der Formation resultiert, sondern auch in großen Teilen mit Max am Gesang zusammenhängt. Dieser ist als Frontmann einfach eine Bank: unheimlich charismatisch und stimmlich großartig. Nach einem kurzen Ausflug ins Jahr 2006 zum "Sturmgewalt"-Album mit 'Lewwer duad üs slaav' treffen wir uns im 'Herbst' 2008 aufs Neue. Dieser Song ist live genauso atmosphärisch wie auf Platte, angereichert mit einem guten Schuss Power und in seiner Variation der perfekte Inbegriff der herrschenden Jahreszeit. 'Auf Nagelfars Deck' reißt mit seinem klassischen Black-Metal-Riffing mit und kitzelt auch noch das letzte bisschen Ekstase aus der Hörerschaft. Nach viel zu kurzen 40 Minuten Bühnenzeit blickt man in frohe und glückliche Gesichter, einig im Wissen darum, gerade einen hammerartigen Gig erlebt zu haben. Egal, was da noch kommen wird, das war definitiv ein Highlight des Abends.

Die straffe Organisation, die dem geneigten Metalhead ein Schmuckstück nach dem anderen vor den Latz knallt, lässt einem wirklich keine Zeit zum Verschnaufen – und das ist auch gut so. Für die richtige Portion Todesblei sorgen die Münchner Urgesteine von FESTERING SALIVA. Der Name ist auch bei allen anderen nicht unbekannt, was dazu führt, dass die Kranhalle proppenvoll ist. Das entgeht natürlich auch den Herren auf der Bühne nicht und spornt umso mehr zu einem spannenden und kurzweiligen Gig an – quer durch den musikalischen Gemüsegarten der Band. Vor der Bühne wird jedem Death-Metal-Griff mit größter Freude entgegengefiebert und das Haupt- und Nebenhaar bis auf weiteres in Rotation versetzt. Die Wurzeln der Band liegen offensichtlich in den Neunzigern, zumindest was den Death-Anteil angeht, der Rest ist ein Schuss Melodie und eine Menge gnadenlosen Grinds. Nach einer halben Stunde des Scheitelziehens ist das Auditorium bereit für einen Schritt über den Fluss hin zu Black Metal mit Melodie.

Dieser wird in der anderen Halle geboten. Die Band, die zu ihrem dunklen Reigen einlädt, ist unter dem Namen SYCRONOMICA bekannt und ein weiteres stolzes Exportprodukt unserer Landeshauptstadt. Mit einem stimmigen Keyboard-Intro und einem scheinbar minutenlangen Schrei von Vorzeige-Frontmann Oliver - übrigens in Lederhosen, passend zur fünften bayerischen Jahreszeit – wird ein überaus flotter Gig eingeleitet. Mit einer Faust voll Klischees und Armen voller Spielfreude wird den finsteren Jüngern hinter dem Wellenbrecher eine Highspeed-Nummer nach der anderen vor den Latz geknallt. Sei es das von Synthie-Violinen dominierte 'Für die Ewigkeit' oder das komplexe 'Beyond The Gate Of Light' - allen Anwesenden macht der Auftritt eine Menge Spaß. Nach einer Zeit relativer Ruhe, was Auftritte in München und die Aktivität von SYCRONOMICA im Allgemeinen angeht, bleibt zu hoffen, dass es bald wieder etwas Neues von den Herren zu hören gibt. Während die letzten Töne der Jungs aus den Boxen schallen, werden anscheinend schon – in bester Urlaubermentalität – die ersten Handtücher ausgelegt, damit man auch sicher einen supertollen Platz bei EQUILIBRIUM bekommt. Leute, da kommt doch noch 'ne Band dazwischen!
[Julian Rohrer]

Beim Auftritt von SHEEPHEAD scheint die Kranhalle etwas gefüllter zu sein als sonst, auch wenn das immer noch nicht heißt, dass sie voll ist. Aber es finden sich doch einige im Publikum, die Spaß an dem Auftritt haben und das auch entsprechend zeigen. Auf der Bühne zeigt die Band auch, dass sie gerne genau dort steht, und liefert eine ordentliche Show ab. Geredet wird insgesamt nur wenig, dafür erhält ein nicht gerade nüchterner Zuschauer gegen Ende die Gelegenheit, ein paar Worte ins Mikro zu sagen. Man versteht zwar kein Wort, aber allzu wichtig wird es wohl nicht sein. Der Sound ist leider mal wieder nicht ideal. Der Gesang geht immer wieder unter, vor allem an den wenigen cleanen Stellen (von denen es für meinem Geschmack ruhig mehr geben könnte), oder?
[Juliane Schönleber]

Stimmt, aber irgendwie nerven SHEEPHEAD heute. Mit der für sie üblichen Grundarroganz wird da fröhlicher Melodic Metal geboten – zwar auf höchstem technischen Niveau, aber langweilig und konventionell wie nochmal was. Aber gut, jedem das Seine ...

Nun sollte eigentlich eine Verlosung zu Gunsten der Kinderkrebshilfe auf dem Plan stehen. Leider wurden jedoch die Sponsoren dieser Aktion schon am frühen Nachmittag von besonders gewichtigen Vertretern des Feierwerks der Halle verwiesen, da angeblich Symbole auf T-Shirts oder Platten waren, die man in der Halle nicht sehen wollte. Nun gut, jetzt ist das Feierwerk nicht nur für eine schöne Hallenlandschaft, sondern auch für eine etwas einseitige Scheuklappen-Politik bekannt. Diese ist zwar nachvollziehbar, was alles rechte Gedankengut oder rechte Symbolik angeht, aber ob ein stilisierter Thorshammer wirklich zum Hallenverbot führen muss, sei jetzt einfach mal dahingestellt.

Fakt ist aber, dass nun der Programmpunkt auf dem Plan steht, für den viele überhaupt erst den weiten Weg nach München auf sich genommen haben: EQUILIBRIUM. Mei, die Band ist schon ein Phänomen: Von vielen geliebt, gerade von jüngeren Hörern vergöttert, mit einem großen Deal bei Nuclear Blast ausgestattet und ein Publikumsmagnet sondergleichen, werden sie von ebenso vielen belächelt, gehasst, gemieden. Nichtsdestotrotz stieg das aktuelle Album "Sagas" auf Platz 30 in die Album-Charts, eine "Leistung" sondergleichen. Was zwischen EQUILIBRIUM und dem richtig großen Erfolg liegt? Ich weiß es nicht. Heute Abend steht allerdings alles im Zeichen von EFFIBRILIUM. Die Anzahl der Shirts der Band im Publikum: unüberschaubar. Die Menge vor der Bühne, noch bevor überhaupt der erste Ton gespielt wurde: unglaublich. Die Lautstärke der Meute, als dann endlich der erste Ton des Intros anklingt: ohrenbetäubend.

Nach einer kurzen Rede von Helion-Chef Seref-Alexander Badir geht es direkt los mit dem Opener des aktuellen Albums, 'Prolog auf Erden'. Schon jetzt kennt die Menge vor der Bühne kein Halten mehr. Wie soll das noch gesteigert werden? Ach, habe ich schon erwähnt, dass EQUILIBRIUM eine Special-Release-Show angekündigt haben? Nein? Nun, die erste Auswirkung dieser Ankündigung lässt sich an dem freundlichen Lateinamerikaner ablesen – ich hoffe, das war jetzt politisch korrekt, nicht dass ich auf ewig Hausverbot im Feierwerk bekomme –, der das Intro munter mit der Panflöte begleitet. Eins muss man der Band einfach lassen: Sie sind sympathisch bis auf die Knochen. Und so scheint es kaum überraschend, dass die ersten Reihen Frontsau Helge förmlich aus der Hand fressen und praktisch jeder die Hände oben hat. Wahnsinn. Mit 'Wurzelbert' wird ein weiterer Gassenhauer von "Sagas" ausgepackt, das die nimmermüde Gesellschaft in der Halle zu einem kollektiven Moshpit anstiftet. Ein großes Lob muss an dieser Stelle an Mario am Mischpult gehen, der der großartigen Show auch noch den richtigen Mix verpasst.

Die Stimmung kann definitiv mit der Ekstase vom Paganfest von vor drei Monaten mithalten, und das will was heißen. Zu 'Unter der Eiche' wird euer friedvoller Redakteur dazu gezwungen, einen Vollspaten von einem Störenfried aus der Halle zu entfernen – Danke an dieser Stelle an die Security und vor allem an Jay, der die Situation sofort richtig eingeschätzt hat. Doch nach diesem vollkommen idiotischen Zwischenfall wird die Show für mich immer besser. Zu 'Snüffel' werden lustigerweise zwei hübsche Madl'n auf die Bühne geholt, welche sich fröhlich mit einer Bayern-Fahne verlustieren, natürlich weiß-blau beleuchtet. Auch Helge lässt es sich nicht nehmen, enthusiastisch die Flagge zu schwingen. Lokalpatriotismus at its best.

Neben Gaby Koss, die auch den EQUI-Gig veredelt, findet sich zu 'Blut im Auge' der Sänger von KARLAHAN auf der Bühne ein – ebenso wie ein Quetschenspieler. Die Bühne ist dementsprechend voll. Aber wenn die Leute vor der Bühne schon keinen Platz haben, warum soll es der Band da besser gehen? Das Akkordeon begleitet uns an diesem Abend als eine Art Humppa-Allegorie und trägt zu dieser großen Metal-Party bei.

Zu dem karibisch eingeleiteten Spaßkracher 'Unbesiegt' gibt es ein genauso obligatorisches wie unnötiges Schlagzeug-Solo, nur um in den All-time-Hit 'Met' überzuleiten. Zu diesem Song wird in alter Tradition Met an die durstigen EFFI-Jünger verteilt, die das mit wortgetreuem Mitsingen danken. Unter Einsatz einer Art Schneekanone mit Seifen-Blubbern endet der reguläre Auftritt der Band erstmal. Völlig unnötig der Hinweis, dass man doch jetzt nach einer Zugabe fragen könnte – die Chöre mit der Bitte kommen von ganz alleine. Und zwar massiv. So kommt es, wie es kommen muss: Viel zu schnell geht ein wahrlich spaßiger Gig vorbei. Mit 'Ruf in den Wind', wiederum mit live gespielten Flöten, und 'Der Sturm' werden alle Anwesenden förmlich zu einem letzten Aufbäumen getrieben und lassen die Mauern des Hansa 39 aufs Neue erbeben. Überall wird gemosht, getanzt und gelebt. Und dann ist es vorbei. In einem Rausch von Freude und Ekstase schließt man sich vor und auf der Bühne in die Arme, vereint in der Freude über ein grandioses Event.

Der wahre Wahnsinn zeigt sich allerdings im Anschluss: In einer überhasteten Zeremonie entfernt sich wie auf Absprache ein Großteil der Besucher – vorwiegend die jüngeren – aus der Halle und macht sich auf den Heimweg. Ähm, hallo? Ist das hier der Kindergarten oder ein Metal-Festival? Die etwas älteren Semester sehen sich etwas ratlos an und können sich schließlich nur über den dadurch frei gewordenen Platz freuen.

GODS OF EMPTINESS haben sich zu Beginn wohl noch über den späteren Billingplatz gefreut, beim Blick in die leere Kranhalle macht sich allerdings bei mir Ernüchterung breit. Doch wie es scheint nicht bei den Musikern. Die mangelnden Zuschauer völlig ignorierend, wissen die Herren aus Zwecking in Bayern sowohl qualitativ als auch quantitativ zu überzeugen. Zum einen qualitativ: Der Brutal-Death mit Grind der Herren geht supertight und technisch perfekt mitten in die Fresse. Zum anderen quantitativ: Wie so üblich variiert die Spielzeit der Songs von einer Hand voll Sekunden bis zu einigen Minuten, was zu der höchsten Effektivität an gespielten Songs in Relation zur Spielzeit führt. Außerdem überzeugen die Jungs durch ihren eigenen Witz und landen mit den sympathischen Ansagen einen witzigen Kontrast zu den aggressiven Songs.

Gespielt wird quer durch den Metzgerladen, von 'Im Westen nichts Neues' hin zu 'Who Do You Think That You Are' ist alles dabei, was blutig und frisch ist und Rang und Namen hat. Den Freund härterer Musik freut der Kontrast zu den Paganesen des restlichen Billings, und so werden zumindest die Anwesenden deutlich von GODS OF EMPTINESS überzeugt.

Einen technisch ebenso brillanten Auftritt legt die Band hin, die sich extra für den heutigen Abend reformiert hat. Und um es schon vorwegzunehmen: Ja, DARKSEED werden auch in Zukunft unsere tiefschwarzen Herzen höher schlagen lassen und haben verkündet, weiterzumachen. Und das ist nach einem derart spannenden Auftritt auch mehr als gerechtfertigt. Mit einem minimalen Stageacting, ganz auf die Macht der Songs und die Erhabenheit der schweren Melodien vertrauend, wird uns eine dunkle Perle nach der anderen dargeboten. Man merkt den Musikern ihre Erfahrung mit jedem wohldosierten Bangen, jeder gespielten Note und jedem Minimal-Posing einfach an. Die Präsenz von DARKSEED auf der Bühne ist folglich phänomenal.

Von atmosphärischen Songs mit Gänsehaut-Garantie bis zu schnelleren und rockigeren Liedern zum Abgehen wird heute Abend alles geboten. 'I Deny You' brennt sich wie fast alle Songs der Münchner direkt in den Gehörgang ein. Das liegt zum einen an dem coolen Songwriting, zum anderen ist auch hier der Sound wieder großartig. Kristallklar mit der richtigen Menge "Wumms". Spannend ist auch der Keyboardeinsatz, der von den klassischen gothischen Teppichen bis hin zu ultracoolen Eighties-Synthies variiert. Alles in allem ein toller Auftritt, der mit Zuversicht in die Zukunft der Band blicken lässt.

Nach knapp acht Stunden machen sich nun die ersten Ermüdungserscheinungen breit. Doch die hohe Anzahl hochkarätiger Bands lässt kaum verschnaufen. Deshalb fix ein frisches Bier getankt, kurz abgecheckt, was am Stand so los ist, und ab in die Kranhalle, in der schon das nächste Pflichtprogramm wartet: COMMANDER. Die Herren aus München haben bei ihrer Release-Party im Neuland ja letztens einen wirklich denkwürdigen Gig hingelegt – im positiven Sinne, versteht sich. Doch heute Abend ist irgendwie der Wurm drin. Der Sound kommt viel zu flach aus den Boxen, es sind nur recht wenig Leute da, und die Jungs um Nick Kolar wirken doch ein wenig lustlos. Darauf angesprochen erzählt Nick nach dem Auftritt, dass der Sound auf der Bühne bodenlos war und man sich darauf konzentrieren musste, das Beste aus dieser Situation herauszuholen. Ich denke mir, dass nicht jeder Auftritt der beste sein kann und jeder mal nen schlechten Tag erwischen kann. Trotzdem bleibt festzuhalten, dass auch ein schlechter COMMANDER-Auftritt noch lange kein schlechter Auftritt im Allgemeinen ist. Egal, ob sie jetzt Songs des 2006er "World's Destructive Domination" spielen oder sich auf das aktuelle "The Enemies We Create" stützen – das Songmaterial ist klasse und weiß per se zu überzeugen. Nach einer halben Stunde haken wir das ab und freuen uns auf die nächste Gelegenheit, die Bleischwermetaller unter besseren Voraussetzungen zu sehen.

Nachdem um Punkt zwölf auch der letzte U-18-Jährige der Halle verwiesen wurde, ist es an dem Schlusslicht des heutigen Abends, für einen würdigen Abschluss zu sorgen. Nun, ganz gelingt es den Wölfen von VARG nicht. Das liegt weniger an ihrem recht engagierten Gig als vielmehr an ihrem belanglosen Songmaterial, der allgemeinen Müdigkeit und lediglich einer Hand voll Metalheads, die sich den Auftritt vor der Bühne geben. Dazu kommt noch, dass aufgrund der Feuerschutz-Richtlinien keine Feuershow geboten werden darf, was sowohl den Musikern auf der Bühne als auch den Fans davor einen ordentlichen Dämpfer verpasst.

Ob jetzt "Ehre, Treue, Stolz" skandiert oder ein fröhliches "Germania" ins Mikro gebrüllt wird - man kann ja dazu stehen, wie man will. Festzuhalten ist allerdings, dass VARG gerade im Spiegel der anderen Bands heute Abend einfach furchtbar langweilig sind. Deswegen zieht sich der eigentlich dem Pagan Metal zugeneigte Schreiberling lieber an den eigenen Stand zurück, um sich eine glückliche Auszeit mit dem restlichen Bier zu gönnen und mit netten Leuten über Musik zu quatschen. So soll es sein. Und als Hintergrundbeschallung taugen VARG allemal.

Tja, um halb drei gibt es dann auf der sogenannten "After-Show-Party" kein Bier mehr, weil sich die Wichtigtuer an der Bar lieber mit dem Aufräumen als mit dem ordentlichen Ausschenken beschäftigen, und so bleibt uns der Raum für ein Fazit. Von vier Uhr nachmittags bis drei Uhr nachts haben sich vierzehn tolle Bands präsentiert. Manche besser, manche schlechter, aber das ist ja ganz klar. Auch das Feedback mit über 700 Menschen ist toll. HELFAHRT, EQUILIBRIUM und DARKSEED konnten mich dabei am meisten überzeugen. Richtige Ausfälle gab's fast überhaupt nicht, bis auf den rausgeschmissenen Vollhonk und den unnötigen Rauswurf der Nordahl-Leute. Auf nicht-musikalischer Seite lässt sich verzeichnen, dass wir eine super Stand-Crew, viel Spaß und ein gutes Feedback zu den von uns abgehaltenen Autogrammstunden hatten. Wir hoffen darauf, dass es ein Helion Festival 2009 geben wird. Hoffentlich mit unserer Beteiligung.

Redakteur:
Julian Rohrer

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