Headbangers Open Air 2016 - Brande-Hörnerkirchen

26.08.2016 | 15:15

28.07.2016, Garten

Alles wie immer: Gemütliche, entspannte und zünftig traditionsmetallische Gartenzeit.

Auch in diesem Jahr waren wir wieder auf dem von POWERMETAL.de präsentierten Headbangers Open Air und auch in diesem Jahr hatten wir dort wieder viel Spaß und eine schöne Zeit. Das Wetter war - bis auf den obligatorischen Schauer am Freitag - nahezu perfekt, die Bands bestens aufgelegt und die völlig entspannte, gemütliche Atmosphäre, die das HOA seit Jahren zu einem der angenehmsten Sommerfestivals überhaupt macht, ließ auch heuer wieder die drei Tage Festival wie im Fluge vergehen. Dabei freuen wir uns besonders, dass unser Kollege Marius Lühring zum ersten Mal mit in den Garten kam und es dort direkt so schön fand, dass er im nächsten Jahr wieder mitkommen wird, sich unsere Abordnung nach Brande-Hörnerkirchen also wieder vergrößert hat. In diesem Sinne bedanken wir uns einmal mehr für ein tolles Festival und freuen uns auf nächstes Jahr. Bis dahin schwelgen wir aber noch in ein paar Erinnerungen und wollen all jenen, die leider nicht dabei sein konnten, erzählen, was sie alles verpasst haben.


Das Wetter ist schön, der Garten hat die Pforten geöffnet und die Gäste sind zahlreich erschienen - Zeit, die Feierlichkeiten zu eröffnen. Diese Rolle kommt heuer KRYPTOS aus Indien zu, die sich auch direkt mit viel Spielfreude, Energie und einer coolen und eigenständigen Mischung aus Thrash und Power Metal daran machen, dem Publikum einzuheizen. Traditionell ist es bei der ersten Band auf dem HOA immer sehr voll vor der Bühne und das ist auch bei KRYPTOS nicht anders. Der spritzige Sound animiert dann auch direkt zum Haare schütteln und Fäuste recken, was man bis zum Merchandise-Stand allerseits beobachten kann. Die Band ist sichtlich begeistert von der Publikumsreaktion und präsentiert neben dem Material ihres letzten Albums "Coils Of Apollyon" auch die neue Single 'Full Throttle' und kündigt ihr neues Album "Burn Up The Night" an. So wird der Gig zu einer äußerst unterhaltsamen Angelegenheit, bei der Musik, Wetter, Bier und Publikumslaune perfekt harmonieren und das diesjährige HOA amtlich und würdig eröffnet wird.

Setlist:  Blackstar Horizon, One Shot To Kill, The Mask Of Anubis, Serpent Mage, The Summoning, Wave Rider, Coils Of  Apollyon, Full Throttle

[Raphael Päbst]


Direkt nach KRYPTOS darf mit TYTAN eine NWOBHM-Legende antreten, deren "Rough Justice"-Album es mächtig in sich hat und die es meisterhaft versteht, Ohrwürmer mit einem rohen Charme zu veredeln. Mächtig motiviert legt die Truppe mit 'Cold Bitch' und dem Knaller 'Money For Love' los und in den ersten Reihen wird ausgelassen gefeiert, mitgesungen und gerockt. Doch wer eine reine Nostalgieshow erwartet hatte, wird bald eines Besseren belehrt. Denn TYTAN hat ein neues Album in der Planung, das im Herbst aufgenommen werden soll und das mit zwei Stücken vorgestellt wird. Diese passen sich sehr gut in den Set ein und stehen hinter den Klassikern nicht zurück. Derer gibt es aber natürlich auch noch einige zu feiern, zuvorderst den Überhit 'Blind Men & Fools', der zu ersten großen Choreinlagen an diesem Wochenende einlädt. So geht der Auftritt wie im Flug vorbei und TYTAN hinterlässt rundum glückliche Fans und dürfte auch ein paar neue Freunde hinzugewonnen haben. In dieser Verfassung ist die NWOBHM immer noch eine der packendsten Spielarten des Heavy Metals und ich freue mich auf neue Musik aus dem Hause TYTAN.

Setlist: Cold Bitch; Money For Love; Fight The Fight; Women On The The Frontline; The Watcher; Reap The Whirlwind; Billy Who?; Forever Gone; Blind Men & Fools; Far Side Of Destiny; Ballad Of Edward Care

[Raphael Päbst]


Nachdem ich noch vom grandiosen TYTAN-Auftritt völlig euphorisiert bin, entert auch schon die spanische Inquisition die Bühne. Das Vier-Mann-Geschwader mit den Kissen. Oder sind es doch eher Handgranaten? Schon beim ersten Song neige ich eher zur zweiten Variante, denn das was das Quartett hier abfeuert, ist nichts anderes als ein totaler Abriss. Hornissen-Thrash mit Chilisoße. Der total heiße Scheiß also. Untermauert von einem erstklassigen Sound ballert die Band um Frontgranatenwerfer Guillermo Izquierdo eine Salve nach der anderen ins begeisterungsfähige Publikum. Präzise wie ein Uhrwerk im ICE-Tempo knallen hier Nummern wie 'You Are Next' aus den Boxen und rufen nicht nur bei mir große Begeisterung hervor. Bei manchen Nummern frage ich mich ernsthaft, wie schnell man tackern kann. David G. Álvarez, der Sidekick von Guillermo, muss Handgelenke aus Eisen haben, so gnadenlos und einer Maschine gleich haut er hier rattenscharfe Riffs in die Menge, die es der Band mit euphorischem Headbangen dankt. Da stört es auch erstmal wenig, dass das Material nicht sehr variantenreich klingt. Diese Erkenntnis überkommt mich erst kurz vor Ende der Spielzeit, was eventuell auch einfach daran liegen kann, dass ich etwas aus der Puste geraten bin, weil die Musik von ANGELUS APATRIDA eben so fordernd klingt. Von daher war ich beinahe froh, dass der kurzweilige Auftritt nach guten 40 Minuten ein Ende fand, denn viel länger hätte ich meinen stark erhöhten Adrenalinspiegel nicht ausgehalten. Auf diese kurze Distanz kann ich der Band, wie schon im Vorprogramm von VEKTOR im Winter aufgetreten ist, attestieren, eine extrem amtliche Thrash-Show abgeliefert zu haben. Als Headliner wäre aber die eine oder andere etwas gemäßigtere Nummer von Vorteil. Für den heutigen Tag zeigen alle Daumen nach oben.

Setlist: Immortal; Violent Dawn;Vomitive Of Men And Tyrants; Give 'em War; End Man; Fresh Pleasure; Serpents On Parade; You Are Next

[Holger Andrae]


Nun kommen wir zu einer Band, bei deren Ankündigung wohl nicht nur ich etwas erstaunt war: BONFIRE ist zwar sicher eine kultige Band aus hiesigen Landen, aber auch eine, die weniger durch knackigen Metal als durch seichte Balladen jenseits der BON JOVI-Kitschgrenze auf sich aufmerksam gemacht hat. Daher stellt sich die Frage, wie die Band auf ihrer aktuellen Tour, die immerhin den 30. Geburtstag von BONFIRE feiert, im Garten so ankommen wird. Zunächst aber gibt es eine Überraschung auf der Bühne, denn kurzfristig musste sich die Truppe nach einem neuen Sänger umsehen und hat zunächst aushilfsweise Alexx Stahl von ROXXCALIBUR und MASTERS OF DISGUISE angeheuert. Der kann natürlich super singen, hat aber für mein Empfinden eine etwas zu klare und schneidende Stimme für BONFIRE, zu deren Hard Rock ein angerauhteres Timbre besser passen würde. Auch durch seine Ansagen weist der gute eine (ironische) Distanz zum Werk seiner neuen Arbeitgeber auf und kündigt schon mal scherzhaft 'Seven Days Of Splendour' an, welches ja bekanntlich von den NWOBHM-Urgesteinen JAMESON RAID stammt. Das wird natürlich nicht gespielt, dafür aber eine beachtliche Reihe an Liedern, die klar vom härteren Rand des BONFIREschen Schaffens stammen. Leichtes Schmunzeln kann ich mir hingegen auch dort nicht verkneifen, denn Textzeilen wie 'I am the sword, you are the stone" entbehren nicht einer gewissen (unfreiwilligen) Komik. Dennoch schlägt sich die Band mehr als beachtlich und kann auch entsprechende Publikumsreaktionen einfahren, weshalb das Experiment BONFIRE als ähnlich gelungen zu betrachten ist, wie auch jenes mit KISSIN DYNAMITE vor ein paar Jahren. Das HOA-Publikum stellt einmal mehr unter Beweis, dass es musikalisch breiter aufgestellt ist, als man vermuten mag und bei schönem Wetter zu (fast) allem feiern kann.

Setlist: Strike Back; Never Mind; Don't Touch The Light; Hard On Me; Under Blue Skies; Remember; Sword And Stone: You All; Nothing At All; American Nights; Can't Break Away; S.D.I.: Sweet Obession; Ready For Reaction; Champion

[Raphael Päbst]


Einen echten Hit geschrieben zu haben, kann sich für eine Band sowohl als Fluch als auch als Segen herausstellen. ANGEL WITCH ist hierfür ein Paradebeispiel, denn obwohl die Truppe einen ganzen Köcher voller guter Lieder hat und vor einigen Jahren mit "As Above So Below" ein mehr als respektables Comeback feierte, wird sie wohl ewig auf diesen einen Song reduziert werden. So ist es dann auch heute wenig überraschend, dass der Garten gut gefüllt ist und gefühlt jeder Zweite auf 'Angel Witch' wartet. Doch vorher gibt es noch das übliche ANGEL WITCH-Programm, das vor allem das Debüt umfasst und mit 'Dead Sea Scrolls' auch einen Song vom Comeback enthält. Dieses wird routiniert heruntergespielt, alleine, an echter Begeisterung mangelt es und lediglich das selten live gespielte 'Sorceress' kann hier noch für eine kleine Überraschung sorgen. Denn ANGEL WITCH-Konzerte laufen in den letzten Jahren stets gleich ab, Veränderungen in der Setlist halten sich stark in Grenzen und die Shows wirken oft wie eine Pflichterfüllung, bevor dann der Bandhit gefeiert wird. So auch heute, was Songs wie 'White Witch' oder 'Atlantis' nicht wirklich gerecht wird. Doch am Schluss bei 'Angel Witch' brechen dann wie erwartet alle Dämme und alle singen glücklich mit, Band und Publikum sind wieder ganz beieinander und auch mir wird einmal mehr bewusst, dass dieser Song eben einfach verdammt gut ist. Etwas mehr Abwechslung im Set wäre dennoch mal schön bei den Engländern.

Setlist: Gorgon; Confused; Dead Sea Scrolls; White Witch; Into The Dark; Atlantis; Sorcerers; Guillotine; Dr. Phibes; Angel Of Death; Baphomet; Angel Witch

[Raphael Päbst]


Den krönenden Abschluss des ersten Festivaltages wollen uns die gepanzerten Heiligen bescheren. Schon im Vorfeld besteht für mich kein Zweifel daran, dass ihnen dies gelingen wird. Denn: ARMORED SAINT ist die beste Liveband. Daran wird auch der Umstand, dass Gitarrist Phil Sandoval, der in diesen Tagen Vater wird, von BEHOLD THE MONOLITH-Gitarrist Matt Price ersetzt wird, nichts ändern. Schon beim eröffnenden Titelsong des letzten Albums "Win Hands Down" wird diese These bestätig. Hier stimmt alles! John Bush nutzt auch diesen Auftritt als sportliches Betätigungsfeld und turnt auf der Bühne herum als hätte er zehn Tuben Kaffee inhaliert. Ansteckend und vor allem mehr als erstaunlich, da er dabei ja auch noch unfassbar gut singt. Er lebt die Songs und jede seiner Bewegungen und Gesten passt zur jeweiligen Passage. Da wirkt nichts aufgesetzt oder einstudiert. Das kommt aus dem Herzen und geht in die Herzen der Zuschauer. Schon nach diesem einen Song steht der beste Frontmann des Festivals fest. Basta, Punkt, Aus, Amen. Dazu dann der megasympathische Kollege mit dem Irokesen auf dem Kopf. Joey Vera am Bass zuzusehen, ist ebenso erquickend, wie mitreißend. Weiter im Takt geht es mit dem 32 Jahre alten Titelsong des ersten Longplayers, der aus ein paar Hundert Kehlen lautstark mitgesungen wird: 'March Of The Saint'. Auch wenn ich 'Tribal Dance' als einen der weniger tollen Songs von "Symbol Of Salvation" ansehe, ist das live natürlich völlig egal. Band und Publikum gehen gemeinsam komplett steil und auch mein Fuß wippt ekstatisch mit. Als John dann meinen Favoriten des aktuellen Albums ankündigt, bleibt nichts anderes als mal eben die ungeübte Singstimme zu ölen. 'An Excercise In Debauchery' ist auch livehaftig ein Brecher vor dem Herrn. Die Stimmung bei 'Long Before I Die' von der Göttergabe "Deliririous Nomad" wird vom nachfolgenden 'Chemical Euphoria' wunderbar beschrieben und der Bitte ans Publikum, ihn gesanglich beim anschließenden 'Last Train Home' zu unterstützen, kommen eh schon lange alle Anwesenden nach. Matt Price ist auf der Bühne voll integriert, hat etliche Solospots und passt wunderbar in die Band. Zwischendurch gibt es einen weiteren Song vom letzten Album, welchen John mit den Worten ankündigt: "We tried to go back to our roots and make it sound like today, not an easy task". Weise Worte, aber das mit 'That Was Then, Way Back When' betitelte Ergebnis zeigt, wie man so etwas bewerkstelligt. Die Band ruht sich also nicht - wie so viele ihrer Artgenossen - auf den Lorbeeren der 80er-Jahre aus, sondern steht auch hinter ihren aktuelleren Scheiben. So gibt es mit 'After Me, The Flood' sogar einen Kracher der "Revelations". Dass es auch bei diesem Song keinen Stimmungsabfall auf dem Euphoriebarometer zu verzeichnen gibt, beweist, wie mitreißend die Band agiert. Jeff Duncan powert wie gewohnt fröhlich grinsend Riffs und Melodien in die Menge und Gonzo verprügelt seine Schießbude wie ein humanoider Animal aus der Muppetshow. Haare all over the place. Aber zurück zur Musik. Es kommt, was kommen muss: Mister Bush kündigt ihr 'Stairway To Heaven' an und jeder, der ARMORED SAINT ein bisschen kennt, weiß, was nun folgen wird: Der beste Song des Jahres 1985 und einer der besten Songs dieser Dekade. 'Aftermath' ist sein Titel und ich bin wie immer, wenn diese Nummer läuft, gute fünf Minuten lang weg gebeamt. In Wort und Bildern, nicht zu schildern. Ihr alle kennt und liebt diesen Song, von daher wenden wir uns dem fulminanten Ende dieses Auftritts und somit auch des ersten Festivaltages zu. 'Reign Of Fire' und die beiden Zugaben 'Can U Deliver' und 'Madhouse' beenden ein musikalisches Feuerwerk, welches ich so zwar erhofft hatte, welches mich aber in der Realität erneut komplett aus den Latschen gehauen hat. Die Einstiegsbehauptung zur besten Liveband wird erneut bestätigt. Saints will conquer! Always and ever!

Setlist: Win Hands Down; March Of The Saint; Tribal Dance; An Exercise In Debauchery; Long Before I Die; Last Train Home; Chemical Euphoria; After Me, The Flood; That Was Then, Way Back When; Symbol Of Salvation; Aftermath; Left Hook From Right Field; Reign Of Fire; Can U Deliver; Madhouse

[Holger Andrae]

Die Photos stammen von Andreas Mrowczynski. Wenn ihr weitere tolle Konzertbilder von ihm bewundern wollt, lohnt sich ein Klick auf seine Seite.

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Redakteur:
Raphael Päbst

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