Gamma Ray - Kaufbeuren

24.10.2005 | 21:54

22.10.2005, All-Karthalle

Nachdem die gute alte Zeppelinhalle in Kaufbeuren nach mittlerweile fast zwanzig Jahren treuen Dienstes für die Rock- und Metalszene im Allgäu und in Süddeutschland nun ihre Pforten leider bis auf Weiteres geschlossen hat, waren die rührigen Konzertveranstalter von der Firma Rockabend gezwungen, nach einer neuen Location Ausschau zu halten. Die haben sie nun in Gestalt der Kaufbeurer All-Karthalle gefunden, welche sogar ein wenig mehr Leuten Platz bieten dürfte als die Zeppelinhalle. Der heutige Auftritt und zugleich das Tourfinale von GAMMA RAY nebst Begleitung ist das Debüt für die neue Halle, und ob jenes sich als gelungener Einstand präsentieren wird, werden wir in den folgenden dreieinhalb Stunden erleben...

POWERWOLF

Die Rolle des Openers kommt der noch recht jungen Truppe POWERWOLF zu, die infolge des großen Hypes um ihr auf Metal Blade erschienenes Debütalbum doch ein wenig belächelt zu werden schien. Davon ließ scheinbar auch ich mich anstecken, so dass ich im Vorfeld eigentlich nicht allzu viel vom Auftritt der Kraftwölfe erwartet hätte. Doch - Asche auf mein Haupt - ich finde, dass sich die Herrschaften um den exzentrischen rumänischen Frontmann Attila Dorn doch sehr achtbar aus der Affäre ziehen und das Publikum ganz gut unterhalten. Der Sound ist zwar derart dumpf und basslastig, dass das Hörvergnügen darunter streckenweise nicht unerheblich leidet, aber auch er kann nicht verschleiern, dass die Band griffige und eingängige Hymnen im Gepäck hat, dass dazu die Gebrüder Greywolf an Bass und Gitarre alles andere als technisch schlecht sind, und dass der bleich getünchte transsilvanische Sänger mit seinem Dracula-Outfit, seinen nicht ganz akzentfreien Ansagen wie "Vielen Dankschön für Sie alle!" und seiner wirklich ausgezeichneten Stimme (immerhin ist der Gute studierter Opernsänger) das nötige Potential für eine Kultfigur mittleren Ranges mitbringt. Musikalisch verbinden die Musiker Einflüsse von IRON MAIDEN und MERCYFUL FATE zu einer sehr straighten Mixtur, die wirklich ordentlich Laune macht und durch Attilas Hang zur theatralischen Gestik, Mimik und Stimmakrobatik schon ein sehr eigenes Flair versprüht. So finde ich etwa das leicht doomige 'Mr. Sinister' mit seinen sehr schönen Hooklines, das finstre, keyboard-lastige 'We Came To Take Your Souls', das dynamische 'Kiss Of The Cobra King' oder den Rausschmeißer 'Lucifer In Starlight' wirklich klasse und die Liveperformance der Band überzeugend, revidiere alle etwaigen Vorurteile gegenüber POWERWOLF und mal schauen...vielleicht kauf' ich mir demnächst sogar noch das Debütalbum. Als Attila sich zum Ende der Show mit den Worten "Der Wolf hat ausgeheult." verabschiedet, erhält das Quintett doch einiges mehr als den üblichen Höflichkeitsapplaus. Ich bin jedenfalls überzeugt, dass sich die Band mit dieser Tour etliche neue Fans erspielen konnte.

Setliste:
Mr. Sinister
We Came To Take Your Souls
Demons And Diamonds
Time To Break Free
Kiss Of The Cobra King
Lucifer In Starlight

NOCTURNAL RITES

Als der Sound sich bei den Schweden auch nicht wirklich besser präsentiert, werden schon erste Zweifel wach, ob die Halle denn von der Akustik her für diese Art von Gigs überhaupt geeignet ist. Doch dazu später mehr. Fakt ist, dass sich auch die Nordmänner - laut eigenem Bekunden "fünf Vollidioten aus Schweden, die zuviel trinken und entsprechend müffeln" - keine Blöße geben und ordentlich abrocken. Sie haben gegenüber POWERWOLF den Vorteil, schon über eine gefestigte eigene Fanschar zu verfügen, die sie in Kaufbeuren auch nach Kräften unterstützt, so dass NOCTURNAL RITES eigentlich recht leichtes Spiel haben und locker für eine ordentliche Stimmung sorgen. Sänger Jonny Lindkvist ist gut aufgelegt und sorgt mit seinen Deutschkenntnissen, Jodeln, Tarzan-Schreien und tibetischem Obertongesang im Mitsingspielchen für ein wenig humoristische Unterhaltung, während der Rest der Truppe ebenfalls in bester Spiellaune ist und sich Jonny und Schlagzeuger Ove Lingvall auch mal gegenseitig Drumsticks hinterherwerfen. Die Setlist hat mit drei Stücken logischerweise einen kleinen Schwerpunkt auf dem aktuellen Album "Grand Illusion", während auch die drei Vorgängerwerke bedacht werden. Aus der Ära vor Jonnys Einstieg gibt es mit 'The Iron Force' von "The Sacred Talisman" lediglich ein Stück, doch das scheint niemanden groß zu stören, so dass NOCTURNAL RITES definitiv eine Band ist, die voll in der Gegenwart steht und nicht von der eigenen Vergangenheit zehren muss. Am besten kommen meiner Wahrnehmung nach 'Against The World' und 'Awakening' an. Guter Gig, allerdings vom dürftigen Sound doch recht stark getrübt.

Setliste:
Fools Never Die
Never Trust
Against The World
Shadowland
Deliverance
Awakening
The Iron Force
Afterlife

GAMMA RAY

Schon bald nach dem Ende des Auftritts von NOCTURNAL RITES werden die ersten "Happy, happy GAMMA RAY"-Chöre im Publikum laut und die Halle wird in blauen Nebel getaucht, rotes Blinklicht und Stroboblitze flackern und das Sci-Fi-Intro ertönt. Ließen mich die beiden vorherigen Auftritte in punkto Sound doch glatt an der Konzerttauglichkeit der All-Karthalle zweifeln, sind diese Zweifel bereits bei den ersten Takten von 'Gardens Of The Sinner' verflogen. Keine Frage, in dieser Halle kann Metal auch gut klingen. Stellt sich die Frage, was vorher tontechnisch schief gelaufen sein mag...doch egal, widmen wir uns nun einem in allen Belangen sehr erfreulichen Auftritt einer der gewichtigsten deutschen Metalbands dieser Zeit. Kai Hansen ist gut bei Stimme und offenbar auch blendend aufgelegt, Dan Zimmermann prügelt tadellos auf das Drumkit ein, und während Dirk Schlächter wie immer den Aktivposten der Band gibt, fällt Henjo Richter mit seiner lässigen Art auf. Neben dem bereits in Balingen vorgestellten 'Blood Religion', bei dem dieses Mal auch der von Kai als "Graf Zahl" anmoderierte Attila Dorn mitposen und mitsingen darf, kommt das aktuelle Album "Majestic" mit 'Fight' und der Welturaufführung von 'Majesty' dreimal zum Zuge. "Powerplant" wird sogar noch stärker bedacht, ist es neben dem bereits erwähnten Einstiegsstück des Abends doch mit drei weiteren Stücken vertreten, die auch allesamt glänzend ankommen. Besonders 'Strangers In The Night' und das vom berühmtesten aller PRIEST-Riffs angekündigte 'Heavy Metal Universe' mit den obligatorischen Mitsingspielchen ernten sehr positive Publikumsresonanz. Vervollständigt wird der reguläre Teil des Konzerts mit essentiellen Klassikern wie 'Heaven Can Wait', 'One With The World', 'The Silence' und natürlich dem abschließenden, in 'Land Of The Free' übergehenden 'Rebellion In Dreamland', nach dem sich Kai mit einem augenzwinkernden "Gute Nacht!" verabschiedet. Dass dies nicht das Ende sein kann, ist allen klar und dennoch wird sofort stürmisch Zugabe gefordert. Diese lässt auch nicht lange auf sich warten. Mit 'Valley Of The Kings' und 'Somewhere Out In Space' folgen zwei weitere Kracher aus der nach Ansicht der meisten Fans stärksten Phase der Band, bevor die Hanseaten nach der Reprise von 'Rebellion' erneut die Bühne verlassen. Die Meute vor der Bühne bekundet jedoch sehr lautstark, dass sie immer noch nicht genug hat, woraufhin sich Kai & Co. dann doch erweichen lassen, noch mal zurückzukehren. Dirk und Henjo jammen kurz ein bisschen, bevor mit dem an dieser Stelle etwas unerwarteten 'Send Me A Sign' der GAMMA RAY-Teil der Show endet. Zum krönenden Abschluss gibt es hernach noch HELLOWEENs 'I Want Out', was noch mal letzte Reserven mobilisiert und am Ende das Publikum glücklich und zufrieden in die Nacht entlässt.

Setliste:
Welcome
Gardens Of The Sinner
New World Order
Heaven Can Wait
Fight
Blood Religion
Strangers In The Night
One With The World
Drumsolo
Majesty
Heavy Metal Universe
The Silence
Rebellion In Dreamland
Land Of The Free
--- 1. Zugabe ---
Valley Of The Kings
Somewhere Out In Space
Rebellion In Dreamland (Reprise)
--- 2. Zugabe ---
Send Me A Sign
I Want Out

Redakteur:
Rüdiger Stehle

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