G.L.A.S.S., SLAVES TO FASHION und MINOR EFFECT - Berlin

03.11.2011 | 08:40

14.10.2011, Zosch

Berlin, Freitagabend, drei Metal-Bands performen in einem dunklen Kellergewölbe. Ganz in der Nähe: geschminkte Prostituierte in Lackstiefeln. Für nur vier Euro hätten die Freier eine coolere Metal-Menage-á-trois haben können...

Es ist eine Krux mit den Metalfans in Berlin. Sie pilgern meistens nur zu den größeren Events in die noch größeren Hallen, doch kleine, bezahlbare, mitunter feine Gigs werden so wenig frequentiert, daß man sich schon fremdschämen muß. Dabei lebt die Metalszene von seiner Basis, von den Leuten, die sich auch vor kleinen Bühnen die Beine in den Bauch stehen, am Tresen fachsimpeln und das eine oder andere Bier in sich schütten - und wenn die Bands anfangen, vorfreudig-juchsend in die erste Reihe stampfen.

Das erste Mal. War noch nie vorher im "Zosch", eine Kneipe mit leicht gruftigem Kellergewölbe, in dem selten
Metalbands gastieren. Doch an jenem Freitag kamen gleich drei aus unterschiedlichen Genres: G.L.A.S.S. ( aka GIVING LIFE A SECRET STORY), eine Band aus Bremen, eröffneten den musikalischen Reigen mit ihrem Prog-Metal-Gothic-Mix und schenkten aus vollen Kelchen mit Songs wie 'Dance', die herrliche Adaption von Franz Schuberts 'Erlkönig' (Text: J.W. von Goethe) oder 'Wounded Heart' sowie 'Black Comedy' können instrumental durchaus überzeugen, glänzen können sie vor allem durch Sängerin Katy aus dem Spring, die mich voll bei langsamen Parts packen konnte
und immerhin als Mezzo-Sopran anno 2009 den 1. Platz als beste "Hard'n'Heavy-Sängerin Deutschlands" beim
29. Deutschen Rock-und Pop-Preis im Bereich Nachwuchs erreichen konnte. Respekt.

Dann folgten die Norweger SLAVES TO FASHION, die mich schon mit ihrer frischen CD "Artistic Differences" mehr
als überraschen konnten. Der recht kurze Gig war gespickt mit den Höhepunkten ihrer vier Alben (inklusive
zweier EPs). Alles in allem könnte man diese Band in die Modern Rock-Ecke stellen, aber dem würde man nicht
gerecht, denn sie klingen ein wenig nach Peter Gabriel (bei den langsamen Stücken). Songs wie das mitreißende
'Love You Back', das knackige 'Superstar', das leichtflüssige 'Made To Meet My Eyes', das hitverdächtige 'Mrs
Hero' oder das abwechlungsreiche 'World Of Things' sind der Stoff, aus dem Rock-Träume geschaffen sind:
trendig-rockig und doch letztendlich musikalisch zeitlos in seiner Vollkommenheit. Diese Band hat mehr
verdient, als bloß ein Dasein als Geheimtipp aus Norwegen zu fristen. Unbedingt mal reinhören, immerhin
kommen die aus der Stadt Haugesund, schlappe 455 Kilometer westlich von Oslo, oder einfacher: an der
Nordsee gelegen zwischen Bergen und Stavanger. Haugesund... hier ist der Name durchaus Programm.

Weiter geht es nach einer echt kurzen Umbaupause mit recht zähem, opernhaftem, gutem,
aber leicht sperrigem "Ich-weiß-nicht-wie-ich-es-klassifizieren-soll-"Metal, dargeboten von einer recht jungen
Band aus Berlin, die den Namen MINOR EFFECT wählte und diesen Moll-Effekt durchaus audio-visuell umsetzen
kann. Die Band, bestehend aus je zwei Männern und Frauen, plaziert ihre Musik in der Sparte Richtung Dark-Melodic
Metal, aber es ist weit mehr als das. Ein hohes Opernpotential erklärt sich durch die Studienfächer klassischer
Gesang und Komposition des Gründers/Gitarristen/Sängers Giordano Bruno. Abgefahrene Breaks,
Intros und das Violinspiel nebst Gesang von Jule Krispin, ebenfalls Musikstudentin - jedoch im Fach Pop-Gesang,
zeigen auf, wie sehr die Band noch wandelt auf ihrer musikalischen Reise, hingerissen voller Spielfreude, doch noch
suchend in welche Richtung der Zug dampfen soll. MINOR EFFECT sind im positiven Sinne maliziös, haben auch
die Looks, und das Kreativ-Potential ist schier überschäumend, ein wahres Sprudelbad mit sich stapelnden
Blubberblasen.

Ein bißchen mehr Eingängikeit wäre hilfreich, aber ebenso fände ich es spannend, wenn MINOR EFFECT ihren
eigenen Stil beibehalten,  dabei in der Lage sind, diesen auszubauen und einen fetten Sound intonieren, der
einfach nur mächtig daherkommt. Dann könnten sie die Nische, nennen wir es Dark Romantic Opera Metal, mit Gesang wie  purpurnen Samt, Violinen aus Metall, Gitarren aus edlem Holz und Drums geballt wie eine
Faust ausstaffieren. Hat Potential. Schlussendlich war ich ergriffen, wie sehr mir als altem Hase noch die (Metal-)Möhren schmecken können....

Redakteur:
Dirk Ballerstädt

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