Fair To Midland - New York

19.02.2008 | 09:21

17.02.2008, Knitting Factory

Die Knitting Factory ist mehr "Underground", als ich es in New York bisher erleben durfte - der Laden ist klein, sehr klein. Für die Berliner unter den Lesern: Zieht vom Knaack Club die Bar-Ecke ab, und ihr habt ein Bild. Gerade deswegen fühle ich mich gleich wohl, vor allem weil die sonst im Ami-Land stark verbreiteten plüschigen Sitzecken hier selbst beim besten Willen keinen Platz fänden.

FAIR TO MIDLAND heißt der Grund meiner Anwesenheit. Wobei ich tierisch neidisch bin auf die Westküste der Vereinigten Staaten, denn bisher spielten die Texaner im Vorprogramm von SYSTEM OF A DOWN-Sänger SERJ TANKIAN, und dieses Paket wäre schon sehr, sehr reizvoll gewesen. Letzterer hat allerdings einen Support-Slot für die FOO FIGHTERS im ausverkauften Madison Square Garden ergattern können und sein Label-Signing daher aus durchaus verständlichen Gründen quasi als Vorausdelegation in die Hudson-Metropole geschickt. Die Tickets sind - vor allem im Vergleich zum Madison-Square-Garden-Event - dafür ein Schnäppchen, zehn Dollar im Vorverkauf (umgerecht rund sieben Euro) werden heutzutage nur noch selten verlangt.

Als Support fungieren zwei einheimische Bands, deren Namen ich jedoch bereits beim letzten Ton des jeweiligen Gigs fast schon wieder vergessen habe. GHOST FRONT klingen wie ein billiger Abklatsch der BEATSTEAKS (ohne dass ich jetzt wüsste, ob man in New York jemals was von den Berlinern gehört hat). Und während das Geister-Trio arg statisch hinter seinen Instrumenten klebt, geben sich NIGHT KILLS THE DAY zwar sehr viel mehr Mühe, aber der nasale Gesang des verhinderten Gothic-Fronters nervt. Der Sound ist zudem den kuscheligen Club-Verhältnissen entsprechend eher bescheiden, was das unspektakuläre Songmaterial der beiden Opener nicht wirklich besser macht.

Genau dieses Manko erweist sich dann bei FAIR TO MIDLAND als großes Plus. Denn das rundherum tolle Album "Fables From A Mayfly: What I Tell You Three Times Is True" der Redaktions-Newcomer des Jahres krankt wenn überhaupt an der etwas zu glatten Produktion. Doch hier stehen die Herren um Sänger Darroh Sudert förmlich nackt vor dem Publikum, weil jeder noch so kleine Fehler von dem nicht unbedingt professionellen Equipment schonungslos wiedergegeben wird. Und gerade deswegen brilliert das Quartett von der ersten bis zur letzten Minute, denn wenn ihre Songs auch noch im leicht rumpeligen Sound eines einfachen Clubs zu punkten wissen, haben sie irgendwie alles richtig gemacht.

Die Setlist setzt sich aus den kompletten Stücken des Debüts zusammen, die lediglich in einer sehr willkürlichen Mischung wiedergegeben werden. 'Walls Of Jericho' macht den Anfang, da scheppern die Boxen noch etwas unangenehm. Doch dann beginnt Darroh zu improvisieren, leitet 'Kyla Cries Cologne' mit einer hohen Melodie ein, die auf der Album-Fassung nicht zu hören ist, und reizt auch in den folgenden Songs die Extreme viel mehr aus, als ich es erwartet hätte. Er jubiliert, er brüllt, er leidet, er schwebt. Nur eines tut er nicht: sprechen. Nicht ein einziges Wort, und soweit ich das von meinem Platz aus beobachten kann, noch nicht mal ein Blick. Der Typ ist entweder auf Drogen oder extrem psychopathisch. Denn entweder tobt er wie ein Berserker oder versteckt sich in der zweiten Reihe.

Sehr viel extrovertierter geben sich Bassist Jon Dicken und Gitarrist Cliff Campbell, die man vermutlich für Zwillingsbrüder halten könnte, wenn sich die beiden Lockenköpfe für die gleiche Haarlänge entscheiden würden. Cliff verliert sogar ungefähr zehn Worte, verteilt auf die letzten Takte von 'Dance Of The Manatee' und das Intro des als kleine Zugabe inszenierten 'Say When'. Von den anderen beiden Mitgliedern - Keyboarder Matt Langley und Drummer Brett Stowers - sehe ich nichts, weil sich zwei Meter hinter dem Bühnenrand eine dichte Nebelwand aufbaut, die fünfundvierzig Minuten lang kaum etwas von ihrer Dichte verliert.

Doch das alles stört eigentlich überhaupt nicht, denn bei den zwar nicht hundertprozentig sauberen, dafür aber umso emotionaleren Gesangslinien des Sängers stellen sich Glücksgefühle ein, und die Songs sind sowieso allesamt kleine Ohrwürmer. Das sehen die zwar nicht sehr zahlreichen Gäste (ich schätze, so hundert bis hundertfünfzig, sehr viel mehr hätten aber eh nicht reingepasst) offenbar genauso. Da wird mitgesungen und -gesprungen, bis der erste Crowdsurfer sich ein Herz fasst und natürlich etliche Nachahmer findet. Ab und an landet sogar einer auf der Bühne, auch wenn ich vermute, dass Darroh davon gar nichts mitbekommt.

Aus den ursprünglich für April angekündigten Deutschland-Gigs von SERJ TANKIAN mit FAIR TO MIDLAND (wir berichteten ) wird zwar leider nix, aber wenn ihr die Texaner mal irgendwo zu sehen bekommt, lasst es euch nicht entgehen! Allein schon, weil FAIR TO MIDLAND auf dem besten Weg sind, ganz groß zu werden, und es mich nicht wundern würde, wenn sie selbst in nicht allzu ferner Zukunft im Madison Square Garden auftreten würden - als Headliner.

Setlist:

Walls Of Jericho
Kyla Cries Cologne
A Wolf Decends Upon The Spanish Sahara
Upgrade Brigade
Vice/Versa
The Wife,The Kids, And The White Picket Fence
April Fools And Eggmen
A Seafearer's Knot
Tall Tales Taste Like Sour Grapes
Dance Of The Manatee
Say When

Redakteur:
Elke Huber

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