Euroblast Festival 2015 - Köln

28.10.2015 | 20:03

01.10.2015, Essigfabrik

Es ist nicht nur irgendein weiteres Festival. Das Euroblast-Festival hat sich mittlerweile zur festen Instanz im Progressive-Sektor entwickelt und hat uns einmal mehr ein überwältigendes Wochenende geboten.

Das Euroblast-Festival ruft einmal mehr alle Proggies nach Köln zum kollektiven Musikgenuss. POWERMETAL.de ist natürlich wieder mit am Start und kann euch Dank eines großen Aufgebots an Redakteuren einen vollständigen Bericht liefern. Viel Spaß wünschen: Oliver Paßgang, Raphael Päbst, Timon Krause, Alexander Fähnrich, Yvonne Päbst, Gastautor Christian Stricker, Jakob Ehmke und die Credits für die Fotos gehen an Felicitas Päbst.

Da sind wir nun wieder. Ziemlich genau ein Jahr ist das letzte Euroblast für mich nun her und die Erinnerungen noch recht frisch. Dementsprechend groß sind meine Erwartungen heute, als ich wieder den kleinen Kellerraum betrete, der sogar noch ein bisschen dunkler wirkt als beim letzten Mal. Deshalb setze ich nun meine Hoffnungen auf den diesjährigen Opener LIGHTS OF UTOPIA. Dann betreten die fünf Jungs aus Hannover die Bühne. Der Sound ist super. Der Gesang eine Mischung aus Cleangesang gemixt mit Shouts. Langsam füllt sich der Raum und die Stimmung steigt. Der Schlagzeuger ist extrem motiviert und auch die anderen Mitglieder der Band machen einen soliden und bodenständigen Eindruck. Hier wird nicht versucht, das Publikum durch Kleidung, Accessoires oder unnötiges Gehampel zu beeindrucken, sondern hier wird noch handfeste, hausgemachte Musik abgeliefert. Das Metalcore-Genre hat viele gleichklingende Bands zu bieten, aber LIGHTS OF UTOPIA setzt sich von diesem Einheitsbrei ab und überzeugt alleine durch Können. Die Menge bangt fröhlich vor sich hin und der Sänger interagiert vorsichtig mit den anwesenden Musikliebhabern. Bei der vorhandenen Sympathie und seinem Talent könnte er ruhig noch mehr aus sich herausgehen. Es gibt keinen Grund, zurückhaltend zu sein. Die Jungs sind sehr gut eingespielt und man merkt ihnen die Spielfreude an. Da macht so ein Konzert doch doppelt Spaß. Fazit: Super Opener. Bitte nächstes Jahr wieder zum Euroblast holen.

[Yvonne Päbst]

Ich mag PROGHMA-C aus der Konserve sehr gerne, aber live haben die Polen ihre Reifeprüfung aus meiner Sicht  leider noch nicht ablegt. Okay, als ich sie 2010 beim "Prog Power Europe"-Festival sehen durfte, war ihr Debütalbum "Bar-do Travel" gerade erst erschienen (Warum kam eigentlich seither nix mehr?!). Nun denn, vielleicht hat man ja in den letzten fünf Jahren die Darbietung verbessert, mache ich mir selbst Mut und werde abermals enttäuscht. Natürlich erwarte ich bei dem teilweise fast schon entrückten Stil von PROGHMA-C keine High Energy Performance, aber reiner Standfußball und der spartanische Einsatz von Mimik und Gestik reichen einfach nicht aus, um den berühmten Funken überspringen zu lassen. Also schließe ich die Augen und stelle fest, dass Sänger Pete Gibner phasenweise wie Eddie Vedder klingt und seine "Transformers"-artigen Stiefel muss ich so auch nicht ständig betrachten. Die sich langsam füllenden Halle goutiert das Treiben auf der Bühne jedoch weit weniger kritisch und spendet wohlwollenden Applaus. Die wirklich schönen Bandshirts haben nach der nur gut zwanzigminütigen Show sicherlich reißenden Absatz gefunden. Das verkürzte Set dürfte dem verzögerten Beginn geschuldet sein, der so teilweise wieder aufgeholt werden konnte.

[Alexander Fähnrich]

Vor der Hauptbühne hat sich mittlerweile eine größere Menge versammelt. Jetzt wird es melodisch und englisch-charmant. EMPIRE ist bereits seit einigen Jahren unterwegs und dementsprechend routiniert. Joe Green als Sänger überzeugt sowohl durch seine zahlreichen Interaktionen mit den teilweise noch sehr zurückhaltenden Fans, als auch durch seine grandiose Stimme. Bei der Performance wird die Stimmung dann so richtig sonnig und ich fühle, wie meine gute Laune durchscheint. Hierbei kann man nicht still stehen. Also, normalerweise nicht. Ein paar Gestalten schaffen es trotzdem. Aber die nette Mischung aus Rock, Pop und dieser Stimme ist einfach mitreißend. Allerdings liebt der Sänger wohl hohe Gesangslinien, während ich persönlich das Ganze zwei Oktaven tiefer bevorzugen würde. Diese Höhen passen nicht immer ganz zu der Musik und ein wenig zu oft entgleist das Lied in die oberen Laute. Aber nichtsdestotrotz beherrscht er seine Stimme perfekt und harmoniert grandios mit den anderen Instrumenten der Band. Diese sehr gefühlvolle und rhytmische Musik erinnert mich allerdings stellenweise ein wenig an EVANESCENCE. Das muss jetzt auch nicht unbedingt schlecht sein. Mir kam nur manchmal der Gedanke.

[Yvonne Päbst]

Draußen scheint die Sonne und auf Stage 1 brillieren gerade die Jungs von EMPIRE, die später als geplant loslegten und von denen ich mich nur schwer loseisen kann. Kommt man von draußen in die Elektroküche, wie die Katakombe der Essigfabrik heißt, wird einem zunächst schwarz vor Augen und das nicht, weil eine Ohnmacht droht oder die Sonnenbrille noch auf der Nase sitzt. Nein, wenn die Lichter aus sind, ist es da unten ganz einfach verdammt dunkel. Die Bühnenbeleuchtung auf Stage 2 ist nämlich so spartanisch, dass sie nur wenig des ohnehin kleinen Raumes ausleuchtet. Die niedrige Deckenhöhe und die Pfeiler machen es auch den Soundmenschen nicht einfach, so dass es an ein Wunder grenzt, wie gut sie ihren Job machen. Bei den ersten Bands sind sie allerdings noch dabei, sich einzugrooven und der Sound ist ziemlich übersteuert. Die Rahmenbedingungen für PIGEON TOE sind also alles andere als optimal. Das Quintett zockt davon unbeeindruckt Songs ihres ersten und bislang einzigen Albums "The First Perception". Im Mittelpunkt steht ganz klar Sänger/Gitarrist  Martin Fischer, aber auch sein Bruder Hans und Drittgitarrist Patrick geben Vollgas. Martin singt ja seit ein paar Jahren auch bei LONG DISTANCE CALLING, deren Gitarrist David Jordan sich den Gig seines Bandkollegen ganz entspannt anschaut. Gegen Ende füllt sich die Elektroküche dann endlich ein wenig, so dass die Taubenzehen am Schluss einen verdienten Achtungserfolg verzeichnen können.

[Alexander Fähnrich]

[STÖMB] aus Frankreich ist meine erste Band im Keller – und ich denke mir bloß: "Scheisse, ist der Puff dunkel hier unten!" Hat man sich aber erstmal zu einem freien Plätzchen vorgetastet, bekommt man bei überraschend gutem Sound (zumindest hatte ich ihn von den letzten Jahren teilweise schlechter in Erinnerung) wirklich sehr feine Musik geboten: viel Atmosphäre, etwas Wumms, dabei jedoch immer schön nachvollziehbar und nur wenig stressig. Die Pariser können mit instrumentalem Djent überzeugen, ohne die Sängerlücke krampfhaft mit Fickeleien zuzuballern. Hier statt einem technischen Overkill tatsächliche Songs zu hören, ist wirklich angenehm, unterscheidet [STÖMB] zudem von der ein oder anderen Keller-Band und hinterlässt bei den nicht wenigen Anwesenden einen sehr positiven Eindruck. Da auch show- und spieltechnisch alles sitzt, gibt es an dieser Stelle wirklich nichts auszusetzen. Starker Auftritt! (Hinweis: Die Band hat erst in diesem Jahr ihr erstes Album "The Grey" veröffentlicht – da kann man durchaus mal hinhorchen!)

[Oliver Paßgang]


HEIGHTS spielt nach 2013 nun das zweite Mal auf dem Euroblast-Festival, diesmal allerdings zu meiner Freunde mit TESSERACT-Drummer Jay Postones. Ein Umstand, von dem wohl nicht viele wissen, der Andrang wäre vermutlich sonst noch großer gewesen. Die erste Snare ist auch gleich nach einem Song durch. Aber zur Show: Es werden wunderbare Songs des wunderbaren Albums "Phantasia On The High Procession Of Sun, Moon And Countless Stars Above" gespielt. Wer das Album nicht kennen sollte, sei hiermit eingeladen, dies schnell nachzuholen. Der instrumentale (Post-)Prog des Trios lebt von lockeren, ja, unbekümmerten, befreienden, sphärischen Melodien, tollen Schlagzeug-Arrangements (eine Wucht, was Postones aus den Kesseln holt!) und einem fetten Bass-Fundament. Den Saitenspielern ist zwar eine gewisse Anspannung anzumerken, die Ansagen sind auch kaum zu verstehen, das macht aber gar nix, denn die Musik spricht Bände. Immer mehr Proggies verharren vor der Bühne, träumen, raten Rhythmen oder genießen mit geschlossenen Augen den famosen Prog-Sound HEIGHTS'. Umwerfend!

[Jakob Ehmke]

Die verrückten Italiener DESTRAGE spielen nicht lange um den heißen Brei, sondern reißen gepflegt von Anfang bis Ende die Bühne ab! Im Vergleich zu 2012 wollen viele das Spektakel sehen, kein Wunder, denn das letzte Album mit dem genialen Titel "Are You Kidding Me? No." (2014) ist auch einfach wahnsinnig gut! Nach konventionellen Kategorien kann man DESTRAGEs Musik nicht analysieren, das muss man fühlen bzw. am besten sich einfach gehen lassen. 'Destroy Create Transform Sublimate' wird abgefeiert wie eine Hymne, doch leider stellen sich Mikrofon-Probleme ein, die durch den ganzen Auftritt bestehen bleiben sollen. Der Gesang ist kaum bis gar nicht zu verstehen. Wie ich hinterher hörte, bestand die Band auf eigenes Equipment und ließ sich nicht eines Besseren belehren. Nunja, die Songs kann man sich auch gut mal instrumental geben, denn würde ich es nicht mit eigenen Sinnen erfahren, würde ich kaum glauben, dass man diese kranke Musik tatsächlich spielen kann.

[Jakob Ehmke]

Während mich der proggige Schwerpunkt auf der Mainstage zunächst eher kalt lässt, überzeugen mich die ersten drei Bands auf der Nebenbühne durchweg – gerade bei LIGHTS OF UTOPIA und [STÖMB ] teile ich die Begeisterung meiner Kollegen respektive Kolleginnen. Auch fällt der Sound in diesem muffigen Erdloch zu meiner Überraschung verhältnismäßig differenziert aus (dabei allerdings auch ohrenbetäubend laut - wie überlebt man diesen Geräuschpegel bloß drei Tage lang ohne Gehörschutz??), und die sprichwörtliche Untergrundatmosphäre sorgt für ein sehr intimes Band-Fan-Verhältnis. An vierter Stelle wird mit THE LEGION: GHOST nun knackiger Modern Death Metal mit hoher Schlagzahl geboten: Es gibt straight was auf die Schnauze, erwartungsgemäß versehen mit diversen melodischen Einsprengseln. Das geht soweit schon in Ordnung, und trotzdem ist THE LEGION: GHOST die erste Truppe, die mich heute nicht ganz vom Hocker reißt. Mit den kompakten Songs und der corigen Schlagseite bedienen unsere Landsleute zwar durchaus meinen Geschmack, aber genau diese Mixtur habe ich doch schon etwas zu oft gehört, als dass ich vor Begeisterung im Viereck hüpfen würde. Eine ordentliche Performance liefert das Quintett auf der engen Stage 2 aber durchaus ab.

[Timon Krause]

HYPNO5E. Eine Band, die mich wie kaum eine andere in den letzten Jahren begeistert hat. Ich freue mich also sehr, dass die Band ein regelmäßiger Gast beim Euroblast ist. Dass das neue Album noch nicht fertig ist, kümmert auch niemanden wirklich, denn das bisherige Songmaterial ist so stark, dass man selbst nach eingehender Studie immer wieder neue Facetten entdeckt. Die Franzosen präsentieren eine andere Setlist, als erwartet, sogar neues Material wird, wenn ich es richtig vernommen habe, zum Besten gegeben. Die Band ist sehr gut eingespielt, die Songs gut wie eh und je und doch muss ich gestehen, dass mich der Auftritt nicht so sehr wie die Jahre zuvor mitgerissen hat. Das mag an meiner subjektiven Stimmung gelegen haben, aber eine Band wie HYPNO5E muss eigentlich erstens später am Tag und zweitens länger spielen dürfen. So war der Spaß relativ schnell zu Ende und das, ohne den Kracher 'Acid Mist Tomorrow' gespielt zu haben. Toll war es, aber nicht gigantisch wie zuvor.

[Jakob Ehmke]

Aufgrund eines ziemlich starken Verkehrschaos rund um Köln schaffe ich es erst am frühen Abend zu BEYOND THE DUST vor die Bühne. Hätte ich vorher geahnt, welch minimales Staubwölkchen die Franzosen hier vom Stapel lassen, dann würde ich eher noch eine Extrarunde durch das Autobahnkreuz Leverkusen drehen als mir dieses mittelprächtige Djent-Spektakel zu geben. Dabei ist das Soundgrundgerüst mit einer ordentlichen PERIPHERY-Note generell gar nicht verkehrt, aber gerade dort, wo die Amerikaner bspw. mit erfrischenden und teils wahnwitzigen Ideen auftrumpfen können, gibt es bei BEYOND THE DUST nur Standard-Riffing aus dem Song-Baukasten. Der Sänger, der auf Konserve noch ziemlich gut im Bereich zwischen Screams und cleanen Vocals zu überzeugen weiß, kann dies in der Live-Situation überhaupt nicht. In dem Zeugnis, dass ich ihnen hiermit ausstelle, steht als Fazit: "Sie waren stets sehr bemüht."

[Christian Stricker]

Was ist das denn?! Spielt heute AVATARIUM? Doom beim Euroblast?! Natürlich nicht! Gitarrist Marcus Jidell hilft wie schon auf Tour bei SOEN aus und ist wie üblich ein absoluter Augen- und Ohrenschmaus. Schon bei EVERGREY fand ich den Typen phänomenal und mit seiner Matte und der Lederjacke bringt er ein wenig Metalflair in die heutige Djent-Veranstaltung. Gleichwohl sind die Protagonisten bei SOEN andere. Augenscheinlich steht Sänger Joel Ekelöf im Zentrum des Interesses. Dessen wohl bewusst, hat er sich so richtig rausgeputzt und wird künftig wohl als neues Gesicht für "Olymp"-Oberhemden und "Strellson"- Sakkos werben. Aber der sympathische Glatzkopf kann so etwas wirklich tragen und sieht in dem edlen Zwirn verdammt schick aus. (Das war wohl der Konzertbericht für die Gala - NM. Dann kannst du ja nun dein Gala-Abo abbestellen, lieber Nils - Alex.) Dazu passt, dass er sich im Gegensatz zu seinem stimmlichen Zwilling Maynard Keenan (u.a. TOOL) stets wie ein Gentleman gebärdet. Das Rückrat von SOEN ist allerdings Drummer Martin Lopez, der sich von seiner ehemaligen Liebe OPETH völlig freigeschwommen hat. Sein gefühlvolles und gleichzeitig technisch perfektes Schlagzeugspiel macht ihn für mich zum besten Drummer des Tages, vielleicht sogar des gesamten Festivals. Bei SOEN stehen allerdings weniger einzelne Musiker denn großartige Songs im Mittelpunkt und davon gibt es reichlich. Egal ob die TOOL-Verbeugungen des Debüts wie 'Fraccions' oder "Tellurian"-Granaten wie 'Pluton', man wird in eine andere Galaxie gebeamt, aus der man am liebsten nie mehr auf die Erde zurückkehren möchte. Nach nur vierzig Minuten muss man dies aber leider schon wieder. Im nächsten Jahr bitte als Tagesheadliner wiederkommen, am besten mit Steve DiGiorgio am Bass!

[Alexander Fähnrich]

Die Engländer mit dem etwas merkwürdigen Namen haben sich spätestens mit ihrem letzten Album "The Mountain" vom Prog-Geheimtipp zu einer echten Größe im zeitgemäßen Progressive Metal gemausert. Heute steht HAKEN als Co-Headliner vor BETWEEN THE BURIED AND ME auf der Bühne, was bereits in den letzten Tagen der Fall war, als man in dieser Kombination unter anderem Hamburg schwindelig spielte. Nach viel modernem und sehr tiefgestimmtem Sound erstaunt dann bereits der erste Ton der Briten, denn im warmen Licht der Bühne erklingt tatsächlich ein melodisches Gitarrensolo, flankiert von warmen Keyboards und einem sehr vollen Sound, der sich als einer der besten des gesamten Festivals herausstellen sollte. Ab da geht es mit der sympathisch auftretenden Band auf zu einer Achterbahnfahrt durch die Proggeschichte, eingeteilt in eine knappe Handvoll langer Songs. Hier treffen 70er-Anleihen auf modernen, rhythmusbetonten Sound, mehrstimmige Gesänge auf ausladende Instrumentalpassagen und das alles in perfektem Sound und vorgetragen von einer top eingespielten Band. Selbst minimale Wackler beim Gesang fallen heute nicht weiter auf und die Menge lässt sich verzaubern von einer Band, die ihrem hohen Platz auf dem Billing mehr als gerecht wird. Vom Opener 'Premonition' bis zum abschließenden 'Crystallised' bin ich begeistert und fasziniert und der HAKEN fährt für mich am Donnerstag klar den Tagessieg ein.

[Raphael Päbst]

Angeblich bedeutet PRYAPISME so etwas wie „Dauererektion“, und angesichts der völlig abgedrehten musikalischen Darbietung dieser fünf Franzosen (dass das Euroblast fest in französischer Hand ist, war mir als Neuling bislang nicht klar) würde mich das auch nicht weiter verwundern. Während Herr Kollege Päbst neben mir zu dem experimentell-elektronischen Mix aber zumindest vergnügt das Tanzbein schwingen kann, würde ich am liebsten nach kurzer Zeit das Weite suchen: Hier treffen Gameboy-Sounds auf heftigstes Gedresche, 80s-Synthesizer auf wirr-vertrackte Rhythmen, dazu gibt's immer wieder stampfende Discobeats, Trance-, Industrial-, Space Metal in wilder Mixtur, irgendwann werden dem Potpourri noch folkloristische Sounds, Hammond-Orgeln und was weiß ich noch alles beigemischt. Der totale Overkill. Glücklicherweise verzichten die Herrschaften auf gesangliche Extravaganzen (die soll es am letzten Tag ja bei IGORRR zu hören geben) – das hätte meine Synapsen wohl endgültig zum Durchglühen gebracht. Dabei ist der Platz vor der Bühne voll, und die Dauer-Erigierten werden von einer ansehnlichen Anzahl an Besuchern schmunzelnd abgefeiert. Entweder hat PRYAPISME eine beachtliche Menge an eigenen Fans mitgebracht, oder es gibt wirklich genug Metalheads auf diesem Festival, die mit einer solch skurrilen Mischung etwas anzufangen wissen. Ich selbst gehöre nicht dazu und bin froh, zu HAKEN flüchten zu können.

[Timon Krause]

Im Keller gibt's nun mit TREPALIUM auf die Lichter - in bester Boogie-Metal-Manier! Die Hütte ist gerammelt voll, voller tanzwütiger Freaks, geil! Die - stilechten - Franzosen (was auch sonst) sind angeblich das erste Mal in Deutschland und lassen es ordentlich krachen! Der glasklare Sound trägt dazu bei, dass es ein lustiger, aber auch brutaler Tanzabend wird. Dieser Groove ist einzigartig und ansteckend!

[Jakob Ehmke]

Mit BETWEEN THE BURIED AND ME entert der erste Headliner des diesjährigen Festivals die Bühne. Ein Auftritt der Amerikaner beim Euroblast war längst mehr als überfällig, denn ihre recht wilde und bunte Darbietung des progressiven Metals sucht seit über einer Dekade Seinesgleichen. So werfen sie auch gleich mit ihrem Überhit 'Selkies: The Endless Obsession' den musikalischen Schleudergang an. Wenn sich brachiale Death-Metal-Parts mit elektronischen Spielereien sowie ausgiebige ruhige Instrumentalparts mit Gitarrensoli die Klinke in die Hand geben und Sänger Tommy Rogers zwischen tiefen Growls und Cleangesang hin und her pendelt, sieht man auf manch einem Festival schnell ratlose Gesichter, deren überforderte Besitzer die Flucht ergreifen wollen. Zum Glück werden beim Euroblast direkt an der Abendkasse alle Scheuklappen und Genreschubladen liegengelassen - die Band wird von der ersten bis zur letzten Sekunde total abgefeiert. Showtechnisch sind BTBAM minimalistisch unterwegs, sie lassen lieber die Musik sprechen. Aber anders als noch vor einigen Jahren findet hier wesentlich mehr Interaktion mit dem Publikum statt. Der grandiose Sound während des BTBAM-Auftritts tut sein übriges, wenngleich die PA ein wenig leiser ertönt als bei der Vorband. Manchmal ist weniger eben mehr. Allerdings nicht bei der Songauswahl, denn mit 'Ants To The Sky' gibt es direkt einen 13-mintügen Trip durch so ziemlich jedes existente Musikgenre. Country oder Polka auf einer Metal-Show? Bei BTBAM gehört das zum guten Ton. Gekrönt wird diese fulminante Darbietung nur noch durch das QUEEN-Cover von 'Bohemian Rhapsody'. Da der Song im Original schon verrückt genug ist, bleiben BTBAM musikalisch sehr dicht am Original. Nach 80 Minuten brillanter Livedarbietung wird es Zeit, das Wort Ohrgasmus, mit einem Verweis auf BTBAM, in den Duden aufzunehmen.

[Christian Stricker]

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Redakteur:
Jakob Ehmke

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