Euroblast-Festival 2019 - Köln

18.10.2019 | 17:05

27.09.2019, Essigfabrik

Das Euroblast-Festival lockt erneut - unter dem passenden Slogan "Festival For Progressive Music" - über drei Tage mit den Headlinern THE HIRSCH EFFEKT, BETWEEN THE BURIED AND ME und CAR BOMB in die Kölner Essigfabrik. Aber natürlich ist das nur die Spitze des Eisbergs...

Die Opener beim Euroblast holen selten die Sterne vom Himmel, da bilden STRAINS keine Ausnahme. Es fängt vielversprechend mit posthardcorelastigen Soundelementen an, aber bevor man Sie als die belgische Antwort auf DEFEATER loben möchte, machen Sie mit unnötigen 08/15 Breakdowns alles wieder zunichte. Die ein, zwei Quoten-Violent-Dancer lassen natürlich nicht lange auf sich warten. Eventuell sollte man beim Euroblast mal eine Strafkasse für schlechte und unnötige Breakdowns einführen, denn eigentlich ist das Niveau hier wesentlich höher angesiedelt. Aber manchmal muss man eventuell von seiner Djent-Prog-Traumwolke runtergeholt werden. In diesem Fall feiert STRAINS einen totalen Erfolg. Der Unterschied zwischen STRAINS und den frühherbstlichen Sturmböen außerhalb der Essigfabrik? Letztere hauen einen um.

[Christian Stricker]

 

Mit ODD PALACE kehren die Dänen zurück und machen vieles richtig, ihr verspielter, dynamischer Prog mit charakterstarkem Gesang und tollen Soli kann bereits viele zur Sidestage locken. Es dauert bestimmt nicht mehr lang, bis die Jungs auf der Hauptbühne spielen, das war sehr ordentlich!


Die Russen SHOKRAN stehen schon lange auf der Wunschliste Vieler für das Euroblast. Ihr thematisch und musikalisch orientalisch ausgerichteter Deathcore und Djent im Stile BORN OF OSIRIS' lässt sich die große Halle der Essigfabrik entsprechend schnell füllen. Einen Bassisten braucht die Band offenbar nicht, doch das stört nicht weiter, denn die Licks und Läufe von Gitarrenmagier Dmitry lassen ordentlich mit der Zunge schnalzen, John Petrucci sollte ihm nicht unbekannt sein. Sänger Andrew wechselt wie selbstverständlich zwischen tiefsten Growls und hoch melodiösen Bögen, beeindruckend! Es ist laut Band ihr erster Deutschlandbesuch, hoffentlich nicht ihr letzter!

[Jakob Ehmke]

Ob komplizierte Bandnamen, die man quasi immer falsch schreibt, zu einer erfolgreichen Karriere verhelfen, weiß ich nicht. Im Falle der Dänen von APHYXION scheint es aber zu funktionieren. Der ehemalige Wacken Metal Battle-Gewinner aus Dänemark legt direkt mit Vollgas los und nimmt die recht kleine Bühne im Keller direkt voll ein. Auf die Lauscher gibt es sehr soliden Melodic Death Metal, der sich nicht selten auf der Schneide zu Metalcore bewegt. Aber es gibt keinen Grund wegzurennen, die Jungs verstehen ihr Handwerk und schreddern sich energiegeladen durch ihren Gig. Der Bassist rundet mit seinen Clean Vocals das Soundbild ab. Den Originalitätspreis werden sie in diesem Leben nicht mehr mit ihrer Musik gewinnen, aber wer auf schnörkellosen Death Metal steht und etwas mit elektronischen Soundelementen anfangen kann, erlebt hier eine super Show. Teilweise erinnern Sie mich ein wenig an ihre Landsleute von MNEMIC. Gibt es die überhaupt noch? Falls nicht, steht der Thronfolger fest.

[Christian Stricker]

 

GHOST IRIS ist in den letzten Jahren im wahrsten Sinne des Wortes durch die Decke gegangen. Spätestens wenn man als Djent- und Metalcore-Band im Vorprogramm von DREAM THEATER auftreten darf, weiß man, dass man einiges richtig gemacht hat. Ganz so stark wie erhofft ist der Auftritt der Dänen heute allerdings leider nicht. Denn auch ohne die neue Platte "Apple Of Discord" ausführlich gehört zu haben, treffen heute lediglich jene Songs aus meiner Sicht voll ins Schwarze, die als alt angekündigt werden - und das sind nur zwei an der Zahl. Auch die neueren Lieder grooven gut und überhaupt ist der Gig sehr kurzweilig, die Band hat auch Bock und alles, aber wenn ein Festival derart hochklassig besetzt ist wie das Euroblast in nahezu jedem Jahr, dann bleibt ein lediglich ordentlicher Auftritt, wie jener von GHOST IRIS, vergleichsweise eher kurz in Erinnerung. Ob es am heute nicht ganz perfekten Gesang lag? Vielleicht. Spaß gemacht hat's dennoch - der große Wurf kommt dann vielleicht nächstes Mal wieder. Denn das wird es fraglos geben.

 

Das Mindeste, was man über SLEEP TOKEN sagen muss, ist, dass die Band faszinierend ist. Dazu hätte es nicht einmal die Masken und Kapuzen gebraucht, diese tun aber durchaus ihre Wirkung. Im Laufe des Sets finde ich mich immer wieder grübelnd, wundernd, erfreuend und ja, bewegt über diesen angenehm eigenwilligen stilistischen Grenzgang zwischen dick-groovigen Rhythmus-Passagen und nahezu absurd stillen Momenten. In Letzteren brilliert der Herr am Mikro mit einer so reifen Soul-Stimme (die mir aus der aktuellen Pop-Musik so bekannt vorkommt...) und Gesangsmelodien, die einen einfach hinhorchen lassen. Dann groovt's wieder (dieser Drummer!), wobei gleichzeitig die Vorfreude auf den nächsten ruhigen Part wächst. Dass das Konzert vom Sänger allein beendet wird, passt nur zu gut. Ich kann SLEEP TOKEN nicht greifen, weder musikalisch noch sonst wie, aber ich bin doch ein bisschen sehr begeistert. Das war anders. Und vor allem groß.

[Oliver Paßgang]

 

Kalt wird einem nicht, wenn man sich in den rappelvollen Keller zu COLD NIGHT FOR ALLIGATORS begibt. Schon bei ihrem Euroblast-Auftritt vor drei Jahren hat man den Keller komplett zur Eskalation gebracht und eine Show auf der Hauptbühne wäre eigentlich die logische Konsequenz gewesen. Der kleine Bruder von PERIPEHRY erwischt einen perfekten Sound, der aufgrund der minimal überdimensionierten PA im Keller räudig in der Magengrube drückt. Komplexe Uptempo-Parts verschmelzen hier kinderleicht mit ruhigen atmosphärischen Teilen. Die fantastischen Clean Vocals vom Sänger runden das ganze perfekt ab. In der Musiksparte des modernen progressiven Metal steht den dänischen Alligatoren hoffentlich noch eine große Zukunft bevor, verdient hätten sie es allemal, dafür hat Ihre Musik genug Biss.

[Christian Stricker]

 

Gestärkt durch ein paar fantastische vegane "Band-Kuchen" betrete ich die Essigfabrik, in der VOLA schon wirbelt - und es ist pickepackevoll! Innerlich bin ich eigentlich bereits in freudiger Erwartung auf den Headliner mit seinem Monster-Set, aber VOLA schafft es dann trotzdem, mich mit einer herrlich frischen Unbekümmert- und Lockerheit für sich gewinnen, die ich beinahe schon als Euroblast-untypisch bezeichnen möchte. Die Dänen, vor allem Fronter Asger Mygind, füllen die Bühne mit großer Präsenz mal ganz locker aus und setzen bis auf zwei ältere Songs komplett auf letztjähriges Werk "Applause From A Distant Crowd", das hier und heute super aufgenommen wird. Dass 'Stray The Skies' am Ende nochmal so richtig puncht, halte ich für einen schicken und gut gewählten EB-Endspurt. Zum Schluss weiß man nicht, ob VOLA oder das Publikum mehr strahlt. Schöner Auftritt, meine Herren!

[Oliver Paßgang]

 

Der zu Musik gewordene Schleudergang namens BETWEEN THE BURIED AND ME wirft große Schatten voraus. Schon lange im Vorfeld wurde eine große Show bestehend aus zwei Sets versprochen. Bereits um kurz nach neun Uhr entert der Headliner des Festivals die Bühne und legt mit einem "Parallax II"-Doppelschlag, bestehend aus 'Astral Body' und 'Lay Your Ghost To Rest', fulminant los. Wie fast alle Bands beim Euroblast haben auch die Amerikaner direkt einen grandiosen Sound, zum Glück, denn sonst kann es schon mal schwierig werden, den quasi nicht vorhandenen Soundstrukturen zu folgen. Mit 'More Of Myself To Kill' und 'Alaska' geht es direkt mit älteren Werken weiter. Diese Band hat sich über die Jahre enorm weiterentwickelt, damals noch eher brachial, heute eher etwas feingeistiger, aber immer noch mit einem musikalischen Spektrum versehen, dass von Death Metal bis hin zu Polka reicht. Mit einer fast schon arroganten Selbstverständlichkeit bügelt der Fünfer selbst die krudesten Songstrukturen locker runter. Wo auch immer sich der Musik -Olymp befindet, diese Herrschaften wohnen direkt nebenan. Nach etwas über eine Stunde endet das erste Set und man kann sich 45 Minuten lang die Ohren durchspülen lassen.

Das zweite Set setzt sich nur aus Songs der Alben "Parallax II" und "Automata II" zusammen, aber was heißt hier "nur"? Überragende Songs, soweit die Diskographie reicht. Nach einer weiteren Stunde musikalischen Irrsinns verlassen die Musiker kurz die Bühne, um mit 'Selkies: The Endless Obsession' und ihrem überlangen Monolithen namens 'White Walls' nochmal alle Register zu ziehen. Es gibt Bands, die könnte ich mir jedes Jahr beim Euroblast anschauen, BETWEEN THE BURIED AND ME gehören definitiv zu dieser Kategorie!

[Christian Stricker]

HIER geht es zum Sonntag!

Redakteur:
Jakob Ehmke

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