EXHUMED und TOXIC HOLOCAUST - München

15.04.2014 | 08:43

12.03.2014, Kranhalle

Goremetal meets Old-School-Thrash!

Passt das denn überhaupt? EXHUMED und TOXIC HOLOCAUST? Recht unterschiedlich ist ja die Ausrichtung der beiden Bands schon. Angepunkter Rock 'n' Roll-Thrash trifft auf, nun ja Goremetal. Ich muss ehrlich gesagt gestehen, dass ich mir noch vor ein paar Jahren wenig Gedanken über solche Fragen gemacht habe. Touren mit unterschiedlich ausgerichteten Co-Headlinern und Headlinern habe ich ehrlich gesagt immer genossen, weil ein gesunder Mix eben doch abwechslungsreicher, ja vielleicht auch ein bisschen unterhaltsamer ist als der fade Einheitsbrei einer musikalischen Monokultur. Die Mischung macht's eben und Hauptsache, der Grundtenor der "bunten Kiste" stimmt. Aber halt, nochmals langsam. Noch vor ein paar Jahren gab es auch noch nicht so viele "Crossover"-Hallenveranstaltungen. Zumindest nicht im Extrem-Metal-Bereich. Wenn mich meine Erinnerung nicht ganz im Stich lässt, blieb man auf Death-Metal-Events meistens unter sich. Erst 2007 kam die Wende, als mit dem Boom von Death- und Mathcore kleinere Extremmetal-Touren die Genregrenzen auflösten. Ich erinnere mich noch an DESPISED ICON und BENEATH THE MASSACRE mit MISERY INDEX oder an DYING FETUS mit WAR FROM A HARLOTS MOUTH. Ganz klar, dass ein breitgefächertes Line Up auch ein breiteres Publikum anzog und sich vor den Bühnen des Untergrunds nun auf einmal Kiddies mit schwarz gefärbten Emoschnitt und Baseballcap die Knochen verrenkten. Meines Erachtens führte das auch ein bisschen zu einer Zersplitterung der Szene in eine Old- und eine New-School-Bewegung, wozu sicherlich auch ein ehemaliger Chefredakteur eines einschlägigen Printmagazins einen Teil beigetragen hat. Heutzutage scheint es bei Veranstaltungen unabhängig zu sein, ob eine Band thrasht oder sich beim Growlen die Seele aus dem Leib kotzt, Hauptsache ihre Attitüden sind stimmig.

Man kann diese Trendwende drehen und wenden wie man will. (Ich sehe sie übrigens weder positiv noch negativ, sondern einfach als eine Form des gegenwärtigen Heavy-Metal-Zeitgeists). Fakt ist, dass sie am heutigen Abend für ein zumindest rein äußerlich auffälliges Publikum sorgt. Old School ist heute angesagt und das sieht man auch. Jungs und Mädels mit Kutten, fransigen Jeans und übergroßen weißen Turnschuhen dominieren die Halle. Manche haben sich sogar einen Schnauzer stehen lassen. Ganz klar, das Outfit und der Sound der 80er Jahre sind angesagt und die Retrowelle scheint auf ihrem Zenit zu sein. Verwunderlich? Sicher nicht, denn EXHUMED gibt es ja schon seit 1990 (obwohl die "Goremetal" eigentlich erst 1998 rausgekommen ist) und Joel Grind und seine, zunächst als Ein-Mann-Projekt gestartete, Combo gelten ja schließlich als Pioniere der Old-School-Thrash 2.0-Bewegung.

Jedenfalls lockt das Package eine große Horde ausgeflippter Metalheads in die Münchener Kranhalle. Geschätzte 400 Besucher füllen die für Metalveranstaltungen eigentlich selten genutzte Sektion des riesigen Feierwerk-Geländes ziemlich gut. Es ist ordentlich was los. Sicherlich mag auch der fanfreundliche Eintrittspreis von nur 13 Euro im Vorverkauf ausschlaggebend dafür gewesen sein. Für München ist das ein wahres Schnäppchen.

Punkt 21 Uhr betritt EXHUMED jedenfalls die Bühne und Matt Harvey und Co. rocken sich vom ersten Moment an den Allerwertesten ab. Zwar haben sie anfangs mit Soundproblem zu kämpfen, die aber ihre Spielfreude nicht trüben können. Etwas leise schießen die Gitarren aus der PA und weder Matts Rectifier noch Buds Peavy 5150 sorgen für den nötigen Druck. Der Mischer benötigt einige Zeit, um darauf zu reagieren, bekommt aber die Rauigkeit des Goremetals spätestens beim zweiten Song, 'Coins Upon The Eyes', das ist übrigens der Opener von der "Necrocracy", in den Griff.

EXHUMED ist bekanntlich eine Band, deren Geschichte von mindestens genau so vielen Brüchen gezeichnet ist wie ihre Songs. Darum muss ich an dieser Stelle vielleicht etwas ausholen. Die Jungs aus Kalifornien lärmen zwar eigentlich schon seit 1990, doch eigentlich ist aus dieser Zeit nur Matt Harvey übrig geblieben. Die Liste der ehemaligen Bandmitglieder ist fast schon so lang wie die ihrer Split- und Demoveröffentlichungen. Fast unüberschaubar. Bud, der jetzige Gitarrist, schwang vor zehn Jahren schon sogar einmal die Tieftöneraxt, bevor er ausstieg, um 2012 als Gitarrist dann doch wieder einzusteigen. Auch der Stil der Band veränderte sich fließend. Nach unzähligen kleineren Releasen und Splits kam 1998 die "Goremetal" und 2000 die "Slaughtercult" auf den Markt. Jeder kennt diese Alben und die meisten Death-Metalheads lieben sie auch. Was soll man auch schon groß über sie sagen außer: Kontrollierter Lärm. Roh und dumpf. Ab der "Anatomy Is Destiny" (2003) betrat die Band schließlich andere Wege. Die Produktionen wurden differenzierter und das Songwriting "melodischer". Sicher, EXHUMED ist immer noch brutal wie eh und je, aber einschlägige CARCASS-Melodienspitzen treten bei jüngeren Releases immer öfters hinter dem Riffgewitter hervor.

Live fällt das natürlich besonders auf, denn technisch ist EXHUMED inzwischen auf einem sehr hohen Niveau angelangt. Buds Soli und Matts Riffs sind sogar ziemlich frickelig. Von Mike Hamiltons Blasts, der inzwischen schon seit drei Jahren hinter dem Drumset sitzt, ganz zu schweigen. Lediglich der Bass schießt nach wie vor verzerrt, tief und dumpf aus der 8x10er Ampegbox und sorgt für den grindigen Matsch. Selbst Uraltnummern wie beispielsweise 'Necromaniac', dem Opener der "Goremetal", zeigen on stage ihre anspruchsvollen Insturmentalparts. Danach kommt mit 'Forged In Fire (Formed In Flame)' leider die einzige Nummer von der "Slaughtercult". Nichtsdestotrotz reißen die alten Tracks das eher müde wirkende Publikum aus ihrem Schlummer. Vereinzelnd lassen sich sogar ein paar Necromaniacs ihre Körperteile im Pit neu anordnen. Mit 'Your Funeral, My Feast' folgen schließlich noch ein paar Melodielinien, bevor es bei 'Limb From Limb', dem Kultsong von der ersten Full Length, wieder ordentlich zur Sache geht. Stilecht entert der Merchandiser der Band in einem bluttriefenden OP-Kittel die Bühne und bedroht das Publikum mit einer Kettensäge.

Meines Erachtens sind diese Showeinlagen etwas übertrieben. Ich bin einfach ein Fan von einer puristischen Bühnenpräsenz. Auch den kurzen Akt, den Bud vor 'Torso' einlegt, finde ich unnötig. Er stirbt und wird von der Gestalt im OP-Kittel letztendlich mit Hilfe einer Bierinjektion reanimiert. Statt dieser Show hätte man lieber 'Open The Abscess' spielen sollen, der mir persönlich gefehlt hat. Trotzdem braucht man sich über die Setlist nicht beschweren, denn die alten Songs kommen nicht zu kurz. Letztlich werden von den ersten beiden Scheiben genauso viele Tracks gezockt wie von der neuen, von der neben dem Opener noch 'Dysmorphic' und 'Sickened' durch die PA geschossen werden. Mit 'The Matter Of Splatter' inklusive dem obligatorischem Kunstblutbad (wer das Video zum Song kennt, weiß, was ich meine) beschließt EXHUMED ihren mehr als gelungenen Auftritt.

Auch TOXIC HOLOCAUST startet mit Soundproblemen. Auch wenn der Mischer sie nach dem ersten Drittel der Show in den Griff bekommen hat, fehlt es TOXIC HOLOCAUST verglichen mit EXHUMED etwas an Druck. Schuld daran ist einfach die Physik, denn EXHUMED schiebt mit zwei Gitarren naturgemäß mehr als Joel Grinds Dreier. In einem kleinen Club, wo der Gitarrensound noch dazu zu einem Teil von der Backline selbst kommt, merkt man das dann natürlich umso mehr. Trotzdem, am heutigen Sound von TOXIC HOLOCAUST zu meckern, ist Jammern auf höchstem Niveau. Zu guter letzt kristallisiert sich dann doch der räudige Klang heraus, den man von TOXIC HOLOCAUST erwartet und den man schließlich auch hören möchte. Die Umbaupause gestaltet sich übrigens sehr kurz, denn sowohl Joel als auch Philthy Gnaast, der neben Nikki Rage (Drums) seit 2008/09 zum festen Kern der Band gehört, spielen über die gleichen Amps wie auch schon EXHUMED zuvor. TOXIC HOLOCAUST und Mesa Boogie? Ich hätte bei dem Sound einen Briten erwartet, allerdings macht sich das High-Gain-Monster wirklich gut. Trotzdem passt der hochmoderne Amp nicht zu Joels abgefuckter Flying V, die scheinbar ihre besten Tage schon hinter sich hat. Der Korpus und der Kopf des schönen Instruments tragen einige Narben, die wohl das harte Tourleben hinterlassen hat. Optisch passt die Gitarre jedenfalls zur gesamten Band, die etwas angeschlagen wirkt. Vor allem Joel scheint nicht wirklich 100%ig fit zu sein. Wahrscheinlich hat er sich von seiner Mittelohrentzündung, die er per sozialem Netzwerk seiner Fangemeinde offenbarte, noch nicht erholt. Zumindest laut den Angaben einiger Facebookjünger.

Trotzdem versucht er, sich nichts davon anmerken zu lassen und eine Killershow hinzulegen. Er schafft es, nebenbei bemerkt, die Fans von Beginn an mitzureißen. Die Menge tobt. Die bei 'Metal Attack' noch etwas zögerlich moschende Fangemeinde entwickelt sich bei 'Wild Dogs' rasant zu einem handfesten Pit, der bei 'Endless Armageddon' außer Kontrolle gerät. 'Wild Dogs' lädt spätestens beim einsetzenden MOTÖRHEAD-Doublebass-Drum-Beat, der die Geschwindigkeit des Songs etwas ausbremst, dazu ein, sich die Seele aus dem Leib zu bangen. Mit den nächsten beiden Songs, 'I Am Disease', bei dem die Tempo-Notbremse gezogen wird, und der Kultnummer 'War Is Hell', wird es dann auch dem letzten Thrasher klar. Das Motto des Abends lautet "An Overdose of Death". Von den ersten fünf Songs stammen bereits drei (wenn man den neu aufgenommenen 'War Is Hell' mitzählt) vom Vorzeigealbum der Band. Gefühlt enthält die Setlist die Hälfte jener Scheibe aus 2008, die nach wie vor für mich der Inbegriff von TOXIC HOLOCAUST ist. Es folgen noch 'In The Name Of Science', 'Gravelord' und 'Lord Of The Wasteland', die als zusammenhängender Block gegen Ende der Setlist gespielt werden. Natürlich mündet die Show in den Überhammer 'Nuke The Cross', mit dem das reguläre Set endet. Hier geht nochmals ordentlich die Post ab und die Fans grölen eintönig aus voller Kehle den Refrain in die akkustische Lücke, die Joels abrupt verstummende Gitarre hinterlässt.

Damit präsentieren die Old-School-Amis der Münchener Fangemeinde mehr als doppelt so viele Songs von "An Overdose of Death" als vom neuen Album "Chemistry Of Consciousness", das mit nur drei Tracks ('Awaken The Serpent', 'MKUltra' und 'Accid Fuzz') vertreten ist. Selbst die "Conjure And Command" erklingt öfters. 'I Am Disease' und 'Agony Of The Damned' sind in der regulären Setlist enhalten und 'Judgment Awaits You' sowie 'Bitch' kommen zusammen mit '666' vom Debut "Evil Never Dies" als Zugabe. Fällt damit die Band nicht automatisch ein Qualitätsurteil über ihr 2013er Release, der bei PM.de zwar sehr gute Kritiken erntete, bei mir und vielen TOXIC-Fans allerdings nicht wirklich hängen geblieben ist? Ich selbst bin mir hier unschlüssig, kann aber mit gutem Gewissen feststellen, dass TOXIC HOLOCAUST live ohne Ende schiebt!

Redakteur:
Michael Sommer

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