Doom Shall Rise III - Göppingen

27.04.2005 | 14:45

15.04.2005, The Chapel

Wie viele wissen dürften, halte ich mich ja für einen ziemlich großen Doom-Liebhaber, der allerdings noch gewaltige Bildungslücken im Bereich des Undergrounds hat. Ich habe mich einfach zu lange nur mit den Legenden und großen Namen des Genres befasst, und dabei manche Entwicklungen und hervorragende Bands der zweiten und dritten Reihe einfach genauso verschlafen, wie ich es verpasst habe, mir rechtzeitig ein Ticket für die ersten beiden Auflagen des Doom Shall Rise zu besorgen. Am Schluss war es dann immer ausverkauft, und ich frustriert. Also hab ich mich dieses Mal dahintergeklemmt, und mir rechtzeitig mein Ticket bestellt, um mir endlich etwas tiefere Einblicke in die aktuelle Doomszene zu verschaffen. Das alles bringt natürlich mit sich, dass ich die meisten der Bands, welche beim DSR III spielen werden vorher nur - wenn überhaupt - vom Namen her kenne. Nur mit WELL OF SOULS, MIRROR OF DECEPTION und natürlich den beiden Headlinern THUNDERSTORM und PLACE OF SKULLS war ich bereits vorher vertraut. Ihr werdet es mir also nachsehen müssen, wenn ich nicht mit vollständigen Setlisten dienen, und meine Eindrücke von manchen Bands nur recht kurz schildern kann, zumal ich ja Berichterstatter und Fotograf in Personalunion bin. Aber das dürfte immerhin besser sein als gar nichts, oder?

Das Doom Shall Rise findet heuer Mitte April bereits zum dritten Mal überhaupt und zum zweiten Mal in einer ehemaligen Kapelle der US Army im Göppinger Stauferpark statt, die heute schlicht 'The Chapel' heißt, als Konzerthalle dient und so gerade einem Doom-Konzert einen ganz speziellen Rahmen verleiht. Die Stimmung ist hierbei sehr entspannt, familiär und friedlich, was dieses Festival für mich schon jetzt zu einem Highlight der Saison werden lässt. Der Stundenplan mit den Bands verteilt sich auf den Freitag (sechs Bands, Beginn: 19 Uhr) und den Samstag (neun Bands, Beginn: 15 Uhr), was ich ziemlich ideal finde, insbesondere auch für Berufstätige und "Heimschläfer". Doch nun wollen wir uns endlich den Hauptdarstellern des Festivals zuwenden, nämlich den fünfzehn Doom-Bands, welche in den kommenden zwei Tagen die Kapelle rocken würden:


Freitag, 15. April 2005

LAHAR:

Den Anfang des Billings macht eine niederländische Band, die wegen der Absage von VERSUS THE STILLBORN-MINDED eingesprungen ist, um das Billing zu komplettieren. Dabei geben die fünf Jungs aus Friesland eine wirklich gute Figur ab. Ihr zäher, intensiver Sound befindet sich irgendwo in der Nähe des klassischen Doom-Sounds der Siebziger, der allerdings durch die tiefen, halb gegrowlten Vocals von Sänger Bert-René auch ein gewisse Schlagseite zu Bands der Marke CROWBAR hat, weshalb die oft genannte Kategorisierung als Sludgecore eigentlich ganz gut zu den Friesen passt. Die Band, allen voran ihr Sänger scheint jedenfalls eine ganze Menge Spaß mit ihrer Opener Rolle zu haben. Dass entgegen seiner Vermutung kaum jemand ihre Hitsingle bereits im Radio gehört hatte, tut der für den Anfang sehr guten Stimmung im Publikum jedoch keinen Abbruch, und der Gig von LAHAR erhält mehr als nur Höflichkeitsapplaus. Auch danach wird man die Jungs, allen voran Bert-René während des gesamten Festivals als Stimmungskanone mit freiem Oberkörper und obligatorischer Bierflasche in der ersten Reihe sehen.


WELL OF SOULS:

Die einst in meiner Geburtsstadt Ulm gegründete Band ist als nächstes dran, und hat gewissermaßen Heimvorteil, nicht zuletzt auch deswegen, weil Gitarrist Frank Hellweg einer der beiden Veranstalter des DSR ist. Waren LAHAR gerade eben noch eher dem etwas extremeren Doom-Bereich zugeneigt, gehen es WOS. sehr klassisch an. Der Sound der dreiköpfigen Band mit nur einer Gitarre ist stark in den Siebzigern verwurzelt und steht somit für Doom in seiner mehr oder weniger traditionellsten Ausprägung. Allerdings hat die Truppe doch ein etwas metallischeres Grundgerüst und nicht ganz so starke psychedelische Vibes wie manch andere Band aus dem 70s-Doom-Bereich. Eine Neuerung gibt es auch im Hause WELL OF SOULS, denn nach Jahren der Schlagzeugersuche (bei meinem letzten WOS.-Gig half James Krause von BLACK HEAD aus), hat man in Marco Schreiner nun endlich einen Trommler gefunden, der perfekt zur Band passt. Sänger und Basser Petro Kapakos scheint auch gut drauf zu sein, jedenfalls ist er nicht nur stimmlich sehr stark, sondern auch zum einen oder anderen Scherz aufgelegt und kündigt nach sieben Songs in sieben Jahren auch mal ein neues Stück an. Die Setlist enthält neben bereits bekannten Stücken wie 'Tears Of The Proud', 'Blackened Skies', 'I Lost My Way' und 'Evil Sign' auch zwei neue Songs und zum Schluss den erwartungsgemäß abgefeierten Bandklassiker 'Legion Of Doom', der natürlich das anwesende Publikum treffend kategorisiert. Wir sind uns am Schluss jedenfalls einig, dass WELL OF SOULS immer besser werden.


THE RIVER:

Sodann geht die erste englische Band des Abends auf die Bretter, welche auch die einzige Band des ganzen Festivals bleiben wird, die eine Frau in ihren Reihen hat. Sängerin Vicky ist mit ihrer klaren, melancholischen, aber durchwegs recht tiefen Stimme dann auch das Aushängeschild der Band, das seine Stimmbänder abwechselnd mit Bier und Mineralwasser ölt. Musikalisch ergehen sich die Engländer teils in sehr ruhigen, beschaulichen Passagen, können dann aber auch wieder richtig heavy losgehen und mit gewaltiger Durchschlagskraft zähflüssige Riffs aus den Boxen quetschen. Was mir an THE RIVER außerdem sehr gut gefällt sind etliche wirklich coole Fills von Schlagzeuger Jon. Durch den Wechsel von sehr intensiven, schweren Abschnitten und ruhigen melancholischen Parts fühle ich mich manchmal fast an diverse Funeral-Doom-Bands erinnert, wobei die Band aber durch Vickys Stimme an Stelle von Growls doch einen sehr eigenen Charakter erhält und nicht so richtig in eine Schublade passen will.


MIRROR OF DECEPTION:

Das nächste Heimspiel haben dann MIRROR OF DECEPTION, die Band um den zweiten Festivalveranstalter Jochen Fopp (Gitarre), welche an diesem Abend durchaus auch als Headliner durchgehen würden, obwohl auch sie bereits zum zweiten Mal beim DSR auftreten. Die Resonanz des Publikums ist nämlich wirklich gigantisch und Frontmann Michael Schiffermann erweist sich als perfekter Entertainer, der die Zuschauer blendend unterhält. Musikalisch spielen die Schwaben eine relativ eigene Ausprägung des Doom, den die Band selbst als "unorthodox" bezeichnet. Was darunter genau zu verstehen ist, ist schwer in Worte zu fassen. Es fällt aber auf, dass MOD. durch Elemente, wie eine Art Kehlkopfobertongesang beim einem Stück, durch einige deutsche Lyrics und eine mehr oder weniger dezente Folk-Schlagseite etlicher Songs auch innerhalb der gar nicht mal so grauen, sondern enorm vielseitigen Doom-Szene den Kopf noch ein ganzes Stückchen weiter aus der Masse strecken, als manch anderer Act. Sie haben einfach eine enorme Vielseitigkeit, welche den Gig zu einem sehr abwechslungsreichen Event macht. Ein absolut überzeugender Auftritt einer sympathischen Band, der man die Arbeitsbelastung durch die Organisation des Festivals während des Gigs überhaupt nicht anmerkt, und die zu Recht entsprechend abgefeiert wird. Schön war auch die Geste, das Stück "Ode" dem Gedenken an BATHORY zu widmen.


WARNING:

Zum zweiten Mal an diesem Freitag begibt sich nun eine Band von der größten britischen Insel auf die Bretter, und zwar die mir vorher leider unbekannten WARNING, die zur leichteren Identifikation ihrer Herkunft auch die englische Flagge mit auf die Bühne bringen. Die Band würde eines der unbestrittenen Highlights des Festivals werden, was wohl wenige erwartet haben, am allerwenigsten die Band selbst, doch dazu später mehr. Am Anfang reagiert das Publikum noch etwas reserviert, doch schon bald gelingt es der Band mit ihrem sehr klassischen Doom, den vor allem der einzigartige Gesang von Frontmann Pat Walker und Stu Springthorpes akzentuiertes Drumming auszeichnet, das Eis zu brechen. Noch mehr trägt dazu aber ihr lockeres und sympathisches Auftreten bei. So verkündet Pat, dass sich bei ihrem letzten Deutschland-Auftritt ein Fan beschwert hätte, dass sie nicht depressiv genug seien und quittiert das mit einem Schmunzeln. Je länger der Gig dauert, umso begeisterter geht das Publikum mit, was nicht zu letzt an der euphorischen Stimmungsmache einiger Musikerkollegen in der ersten Reihe (allen voran LAHAR-Fronter Bert) liegt. So gibt's am Ende derart stürmische Zugabeforderungen, dass die Band gar nicht anders kann, als noch einen draufzusetzen. Da die Herrschaften aber in Verkennung ihres eigenen Potentials gar nicht mit soviel Zuspruch gerechnet, und deshalb neben den bereits gespielten alten und neuen Songs gar nicht mehr Stücke eingeprobt haben, müssen sie halt noch mal das bereits gespielte 'The Return' zocken, was jedoch keinen stört.


THUNDERSTORM:

Der Headliner des ersten Tages des DSR III kommt aus Italien, hört auf den Namen THUNDERSTORM, und ist die Band des Abends, welche die stärksten Einflüsse aus dem Epic Doom hat. Allerdings beschränkt sich die Band um Frontmann Fabio Bellan nicht darauf, CANDLEMASS nachzueifern, sondern hat auch durchaus prägnante Einflüsse aus den Siebzigern und vor allem auch aus dem klassischen Power Metal, wobei letztere auch das Drumming von Attilio Coldani zu prägen scheinen. Streckenweise gehen THUNDERSTORM für eine Doom-Band nämlich ganz schön schnell zur Sache. Was mir gegenüber meinem letzten THUNDERSTORM-Gig beim letztjährigen Rock Hard Festival auffällt, ist dass die Band, allen voran Fabio, aber auch der in eine Kutte gehüllte Basser Omar Roncalli und Schlagzeuger Attilio etwas extrovertierter wirken, mehr Kontakt mit dem Publikum aufnehmen, und auch in punkto Stageacting richtig abgehen. Zwar wirken die Ansagen von Fabio immer noch ein wenig schüchtern, was aber wohl an seinem Verhältnis zur englischen Sprache liegen dürfte. Was ihm da vielleicht ein wenig gehemmt erscheinen lässt, macht er aber mit seinem großartigen Gesang und dem enormen Bewegungsdrang locker wieder wett, so dass der tolle Auftritt der Band, ebenso wie die alle Alben berücksichtigende Setlist das Publikum mehr als nur zufrieden stellt. Was es besonders unterhaltsam macht, Fabio zuzusehen, sind sein Umgang mit der geschundenen Gitarre und seine großen Gesten. Ich finde es klasse, wie er neben dem Gitarrespielen die Zeit findet, seine Lyrics zu Stücken wie 'Sad Symphony' oder 'Witchhunter Tales' auch mit beiden Händen zu illustrieren. Neben den beiden "Veranstalterbands" sind die Italiener ja die dritte Band, die heuer bereits zum zweiten Mal bei diesem Festival spielt, was aber niemand stören sollte. Denn solche Bands kann man sich mehr als nur einmal mit ehrlicher Begeisterung anschauen. Mein Kompliment jedenfalls auch an Fabio, Attilio und Omar, die - wie viele andere Musiker - auch das ganze Wochenende über im Publikum und speziell in den ersten Reihen vor der Bühne anzutreffen sind, um den Kollegen bei der Arbeit zuzuschauen.

Redakteur:
Rüdiger Stehle

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