DIE APOKALYPTISCHEN REITER - Kaiserslautern

12.03.2005 | 02:36

24.02.2005, Cotton Club Kammgarn

Eigentlich wollte der langjährige Mitarbeiter Metal-Stefan diesen Bericht übernehmen, da er sich nicht nur sehr gut mit den REITERN auskennt, sondern auch deren Fan ist. Da er jedoch auch kein schlechter Ehemann und Vater ist, konnte er gerade an diesem Abend seine hochschwangere Frau nicht im Stich lassen. Allerdings kam – am Rande bemerkt – sein zweites Kind erst ein paar Tage später (Herzlichen Glückwunsch an dieser Stelle noch mal an Euch vier!).
Lange Rede, …: Jetzt müsst Ihr mit mir als Berichterstatter vorlieb nehmen! Leider habe ich im Vorfeld nur wenige Songs gekannt, so dass Ihr hier keine Insiderinformationen erwarten dürft.
Der Cotton Club der Kammgarn Kaiserslautern war an diesem Donnerstag gut gefüllt, auch wenn ich wenig der üblichen lautrer Konzertgänger antraf. Das bedeutet, dass die REITER und TURISAS wohl einen größeren Einzugskreis hatten als andere Bands im Cotton Club. Ich schätze mal, dass es ca. 300 bis 400 Gäste waren.

Da die Kammgarn/Cotton Club-Konzerte immer sehr pünktlich anfangen und aufhören, war die finnische Battle Metal-Vorband TURISAS in vollem Gange, die abfahrende Meute auf ihre Seite zu ziehen, als ich das verrauchte Untergeschoß betrat. TURISAS hatten in ihren Fellkostümen und ihrem Dreck-Make-Up sichtlich Spaß und rotzten ihre Songs mit ordentlich Druck und gutem Sound in die Menge. Bei ihrem Umpa-Metal ging es nur darum, abzufahren und Spaß zu haben. Musikalisch gehören sie sicherlich noch nicht ganz in die erste Liga. So saßen die Töne des Frontshouters bei den Gesangspassagen und Chorgesängen nicht immer und auch die Gitarren waren nicht immer tight. Das war’s dann aber auch schon mit Rummäkeln, zumal das bei der Performance und Leidenschaft auch nicht so wichtig ist. Die Fans waren für lauterer Verhältnisse richtig aus dem Häuschen und man hätte meinen können, die Hauptband wäre schon am spielen. Von daher Daumen hoch für die Finnen, die so ziemlich das Gegenteil von den etwas sterileren aber auch guten finnischen Bands wie z. B. STRATOVARIUS sind.

Die Reaktionen der Fans waren nur ein kleiner Vorgeschmack auf das was die REITER entfachten.
Zunächst wurde unter mystischen Klängen und dunkler Atmosphäre erstmal eine Kiste hereingerollt, aus der ein an Ketten gefesselter mit SM-Ledermaske und Stachelnieten ausgestatteter Dr. Pest ans Bühnenlicht geholt wurde. Als dieser dann mit seiner Lederpeitsche den ersten Reihen symbolisch Schläge androhte, was er während des Sets dann auch noch öfter in keyboardfreien Passagen zelebrierte, war klar, dass sich der Keyboarder von den REITERN wohl zu oft irgendwelche Psycho- oder Horrorfilme ansieht. Unterhaltsam war es trotzdem. Das Wörtchen “Bizarr“ trifft nicht nur diese Aktion ganz gut, sondern das gesamte Konzept der REITER. Somit heben sie sich erheblich von anderen Bands ab und haben ihre eigene Nische. Musikalisch und soundmäßig war im Vergleich zur Vorband alles noch mal eine Ecke professioneller; sehr solide eben.
Dreh- und Angelpunkt eines Reiter-Gigs ist der herumspringende und grimassierende Sänger Fuchs, der lediglich beim ersten Song auch noch unterstützend in die sechs Saiten griff. Ständig war Fuchs barfüßig in Action und sang und grunzte sich durch alle möglichen Facetten des Metals. Er hat eine tolle eigene tiefe Klangfarbe und einen sehr variablen Stil, könnte aber an manchen Stellen noch etwas Tonsicherheit vertragen.
Zwischendurch gab es dann hin und wieder ein paar witzige Ansagen bevor es in dem Reiter-Stilwirwarr aus Heavy-, Thrash-, Electro-, Deutsch-, Schlager-, Punk- und Wasweißichnochfür-Metal weiterging. Die Bewegung auf der Bühne übertrug sich auf das Publikum, welches in den ersten Reihen ohne Absperrung ausrasten konnte und fast jedes Wort mitsang. Gegen Ende des Sets ließ sich Fuchs dann mit einem gekonnten Sprung das Bad in der Menge nicht nehmen.
Es war eine Herausforderung für jeden Fotografen die sehr agile Band in einem Bild festzuhalten. So verirrte sich zwischendrin mal ein Fotograf mit professionellem Equipment auf die Bühne, was bei den Platzverhältnissen und den fehlenden Absperrungen auch kein Problem war. Während der folgenden Songs versuchte der nicht mehr ganz junge und unsicher wirkende Fotograf dann sämtliche Fotos aus dieser erhöhten Position zu machen. Zunächst war das für die REITER und das Publikum auch kein Problem, was die Band noch sympathischer macht. Als dieser etwas belämmert dreinschauende Fotograf aber nach ein paar weiteren Songs immer noch keine Anstalten machte, sich von der Bühne zu bewegen, sprach Fuchs ihn in unnachahmlicher Art an: “Du siehst so verzaubert aus!“ (Meines Erachtens ein genialer Euphemismus!). Dann präsentierte er sich, die Band und das Publikum für dessen Kamera, bevor er ihn dann bestimmend der Bühne verwies. Ich fand’s auf alle Fälle sehr lustig, bekam aber auch noch mein Fett weg, als mich Fuchs leicht mitwippend am Bühnenrand stehend, bemerkte, während um mich herum Moshen, Stage Diven und Extrem-Abfahren angesagt war. Plötzlich blieb er ruhig stehen und swingte dann lässig im selben Takt wie ich zu den schnellen Grindchorepassagen, bevor er kurze Zeit später wieder weiterrannte und -grunzte. Alles in allem war es sehr unterhaltsam, auch wenn man kaum einen Song kannte. Die teilweise in deutsch und englisch vorgetragenen Titel zeugen teilweise auch von einem sehr eigenen Humor, der vom anwesenden Publikum aber vollends geteilt wurde. So scheint nicht nur den REITERN die Sonne aus dem Arsch zu scheinen. Weitere Songs, an die ich mich erinnere (ich konnte leider keine Setlist ergattern), sind ‘Paradies’,
‘We Will Never Die’,‘Reitermania’, ‘Unter der Asche’,
‘Iron Fist’ und ‘Dschingis Khan’, wobei letzteres natürlich um einiges brachialer als das Original und sogar die TANKARD-Version rüberkommt. Bei dem Text ist eigentlich klar, dass die REITER diesen Song im Programm haben müssen. Als Abspann nach dem Konzert gab’s dann noch den ‘Geisterreiter’ vom Band. Um kurz nach 11 Uhr war dann alles pünktlich vorbei und das Publikum konnte nach knapp zwei Stunden REITERN ausgepowert und zufrieden den Rest vom Abend genießen.

Die REITER können diesen Gig auf alle Fälle als vollen Erfolg zählen und dürfen in Zukunft, wenn alles mit rechten Dingen zugeht, mit einer wachsenden Fanschar rechnen.

Redakteur:
Tilmann Ruby

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