Colour Haze - London

17.03.2011 | 08:54

04.02.2011, The Underworld

Inselaffen und Elektrohasch.

Da muss man erst auf die Insel reisen, um gewisse deutsche Bands zu sehen. Zugegeben, merkwürdig ist es schon, dass das Powermetal.de-Team heute Nacht von seinen Landsleuten beneidet wird. Der Grund: Colour Haze - eine Truppe, die in London, was live Auftritte betritt, fast jungfräulich ist. Aber aus Erfahrung wissen wir ja, dass der, der sich rar macht, so für einige positive Aufregung sorgen kann. So bildet sich auch heute Abend wieder eine stolze Schlange energiegeladener, englischer Jungspunde vor dem Camdener Underworld.

Das erste Bier wird zu ROTOR getrunken, deutscher Stoner-Rock aus der Hauptstadt. Massen strömen zur Bar, die heute wohl den Umsatz ihres Lebens macht. Ein allgemeines Wohlwollen liegt in der Luft - oh ja das wird ein guter Abend. Aber was erwartet man auch sonst von Bands, die vom Münchener Label Elektrohasch unter Vertrag genommen wurden? Wo sonst immer gemeckert wird, dass keine Interaktion zwischen Band und Publikum herrscht, fliegen heute in der Londoner Unterwelt Hippie-Hormone durch die Luft. Ohne ein Wort geben sich die Jungs ihrer instrumentalen Kunst hin, während im Publikum einzig und allein und auf sich ständig wiederholende Weise die Worte "fucking awesome" durch die Lüfte schweben. Vertrackte Rhythmen, eingängiges Gitarrengezupfe - und düster-dynamisches Bassgehacke. Eric Cartman würde Amok laufen...

Nach einigen Bieren und weiteren Hilfsmittelchen (mittlerweile ist der ganze Laden stoned) ist es Zeit für COLOUR HAZE, die uns mit dem Opener 'Transformation' auf eine grüne Wiese beamen, gefüllt mit tausend bunten Blümchen, Hoppelhäschen und Glückseligkeit. Zum ersten Mal Augen schließen, um wirklich gar nichts zu verpassen. Denn auf der Bühne passiert nun mal einfach rein gar nichts außer Vollblutmusikern, die sich bewegungslos in ihrer ganz eigenen Welt befinden. Es ist einfach nur göttlich und sagenhaft. Auf einmal wird die Welt völlig bedeutungslos, Realität und Grenzen verwischen, das Hier und Dort verliert an Form. Grenzt es an Magie, dass man Menschen allein mit Musik in ein Delirium versetzen kann? Endlich verstehe auch ich, was gemeint ist, wenn man von Dissoziation durch Musik und orgienhaften Bewegungen bei Naturvölkern spricht. Für alle Hypnotiseure unter euch – der ultimative Soundtrack für jede Sitzung!

Bewusstseinserweiterung völlig frei von Drogen - nein Moment, Nase in die Luft gesteckt - eigentlich kifft hier fast jeder Besucher und das Underworld hat noch nie so sehr nach Gras gerochen. Wie dem auch sei, Fakt ist, dass bei solch psychedelischer Musik die Nackenmuskeln noch viel schneller reißen können als bei mancher Death-Metal-Band. Von Vocals fast völlig isoliert, variiert die Musik von sanften Synthieklängen und seichten Melodien zu dröhnenden Riffs, hin- und herzappelnden Melodien und davonrutschenden Rhythmen, sodass der Körper sich auf ganzer Linie hingeben muss.

Solch einen lieblich-duseligen Abend hat es in London lange nicht mehr gegeben. Also Augen zu, Bier in die Hand und Cartman den Finger zeigen!

Redakteur:
Nadine Ahlig

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