Christmas Metal Festival Geiselwind - Geiselwind

01.01.2012 | 20:48

09.12.2011, Eventhalle Strohofer

Das vorweihnachtliche Festival geht die in die 2. Runde - mit jede Menge Hartmetall und Todesblei.

Die Hallenpforten Samstags schon vor 10 Uhr zu öffnen, ist vielleicht keine so gute Idee. Der feierwütige Metaller will schließlich ausschlafen, und selbst zu AZARATH um kurz vor 13.00 Uhr hat sich erst eine kleine Handvoll in den ersten Reihen eingefunden. Die vier Polen lassen sich davon nicht irritieren und knüppeln ordentlich drauf los. Bewaffnet mit Patronengürteln, Ketten und Teufelsgitarren, im Hintergrund weht das "Hatefest"-Banner – schließlich ist der Auftritt in Geiselwind Teil der Tour mit KATAKLYSM, TRIPTYKON und MARDUK. Rot angestrahlter Nebel weht über die Bühne, und vor allem durch Fronter Necrosodom, der in bester Helmuth-Manier mit einem Stiefel auf dem Monitor post, erinnert das Ganze ziemlich an BELPHEGOR. Die quirligen Finger der Saitenfraktion lassen auf Gefrickel schließen, nur hört man durch die wummernden Boxen davon recht wenig. Wenigstens ist das Strobolicht an den beiden Säulen am Bühnenrand, das Tags zuvor noch die ersten Reihen geblendet hat, endlich Richtung Band ausgerichtet. Die Schwarzheimer prügeln sich durch Songs wie 'Infested With Sin' oder 'The Abjection', nach einer halben Stunde ist die erste satanische Messe des Tages dann aber auch schon wieder vorbei.

Nach Schwarzmetall wird's thrashig: Nicht nur, weil WARBRINGER drauflosrocken. Der Sänger lässt im ärmellosen OVERKILL-Shirt, Blue Jeans und weißen Turnschuhen schwer einen Hauch von Achtziger-Feeling aufkommen. Immer wieder feuert er breit grinsend die nach wie vor licht besiedelten ersten Reihen an und benutzt sein Mikrofon als imaginäres Maschinengewehr. Auch seine Gitarrenkollegen scheinen sichtlich Spaß zu haben. "Let's see some fucking headbanging and violence!" wird ins Mikro gebrüllt. Na, dann Prost!

Dann wird es Zeit, dem Ziegengott zu huldigen. MILKING THE GOATMACHINE, die lustigen Jungs mit den Ziegenmasken, blasen mal wieder zu Entertainment pur. Wobei vor allem ihr Maskottchen unentwegt am ackern ist. Mal werden Bälle, aufblasbare Baseballschläger und T-Shirts in die plötzlich doch etwas zahlreichere Menge geschmissen, mal rennt der Gute als Werwolf oder Clown verkleidet durchs Publikum. Zur Irritation des nicht eingeweihten Securities am Eingang des Bühnengrabens, der sich ein wenig wundert, was da denn grad an ihm vorbei geschossen kam. So langsam füllt sich die Halle, auch wenn es längst nicht so voll werden soll wie am Abend zuvor. Die Herren Goatleeb, Goatfreed und co. wollen derweil "mal ein bisschen Action" in den ersten Reihen sehen, ehe sie augenzwinkernde Grindcore-Walzen à la 'Ding Dong' oder 'Bingo Bongo' raushauen. Lobpreiset den Ziegengott!

Und war dem Ziegengott noch ein Augenzwinkern zu entlocken, wird’s jetzt richtig finster: Eine Viertelstunde lang werden zu einem düsteren Intro Pentagramm-Banner rot angestrahlt, dann kommt Schlagzeuger Broddesson als erstes auf die Bühne, um die Finger zum Satansgruß zu recken. Kaum haben auch die drei übrigen Schweden-Pandas das Feld betreten, rasen sie auch schon im Maschinengewehr-Tempo zu Stroboflackern los. Eigentlich scheint noch ein wenig zu viel Sonnenlicht durch die Deckenfenster der Halle, doch das kann den vier Satansjüngern nichts anhaben. Auch wenn es abgedroschen klingt: MARDUK machen keine Gefangenen und hauen Material wie 'Nowhere No-one Nothing' oder das neue 'Warschau 2 – Headhunter Halfmoon' raus. Im Publikum werden kleine Schwedenfähnchen geschwungen, insgesamt ist die Stimmung aber eher lau – vielleicht auch Ehrfurchtsstarre vor diesem Panzergewitter. Sirenen kündigen 'Baptism By Fire' an – dafür fehlt heute doch tatsächlich 'Panzer Division Marduk'! Wo gibt’s denn sowas? Ausharren, ob das alles niederwalzende Geschoss doch noch kommt – aber da verschwindet Bandkopf Morgan auch schon im Backstage-Bereich. Schade. Trotzdem wie immer eine Macht!

Lange Zeit wurde ein Special Guest angekündigt, der in der Running Order auch recht weit oben firmierte. Plötzlich wurden EQUILIBRIUM aus dem Hut gezaubert, im Ablaufplan aber eine ganze Ecke nach vorne geschoben. Könnte man sich auch etwas veräppelt vorkommen. Aber immerhin spielen die großen MARDUK noch vor den fünf Bayern, was das ganze doch noch etwas ausgleicht. Zudem ist es für die Pagan-Metaller ein Heimspiel, das ihnen augenscheinlich Spaß macht, so breit grinsend, wie sie die Bühne betreten. "Seid ihr gut drauf?" fragt Sänger Robert ins Rund, und schießlich haben EQUILIBRIUM nicht nur musikalisch was zu bieten, sondern auch optisch: Während die Mädels in der ersten Reihe den Fronthünen laut kreischend anhimmeln, werfen die Herren der Schöpfung einen Blick auf die süße Bassistin Sandra. Die ersten Crowdsurfer kommen Richtung Bühnengraben geschwommen, und Robert weiß, die Stimmung weiter anzuheizen: Sei's, dass er Geiselwind als seine "Familie" bezeichnet, zur ersten Wall Of Death des Tages auffordert oder das Publikum mitsingen lässt. Musikalisch gibt’s 'Unbesiegt' oder natürlich den Stimmungsklassiker 'Met'. Mag sein, dass dem ein oder anderen die Pagan-Welle langsam zu viel wird. Aber Spaß macht's zwischendurch doch immer wieder.

Die Standard-Arbeitsklamotten von CALIBAN bestehen schon seit geraumer Zeit aus schwarzen Hemden mit aufgesticktem Vornamen. Die standardmäßige Show dazu aus einem Sänger namens Andreas, der aus seinen wortwörtlichen Fehltritten wie beim Summer Breeze vergangenen Sommer einfach nicht lernen will und auch nach angeknacksten Knöcheln waghalsig umherspringt. Wie wild würgt er sein Mikrofon und fordert schon zum zweiten Song den ersten Circle Pit. Noch kommen der Aufforderung recht wenige nach, doch spätestens beim dritten Anlauf ist Stimmung in der Bude. Die Boxen wummern mächtig – und entpuppen sich angesichts krakeliger Notizen doch eher ungeeignet als Schreibunterlage. Während dem Schreiber dieser Zeilen vor den Boxen die Eier vibrieren, brüllt Andy lautstark "bewegt eure Ärsche!" Auch dumme Kommentare aus dem Publikum ("du hast Wichsflecken auf der Hose") weiß er routiniert zu kontern ("ich hab den ganzen Tag auf dich gewartet"). Dann versucht es auch die Ruhrpottgang mit einer Wall Of Death, der sich immerhin zwei Dutzend Fans anschließen. Derweil guckt ein Mädel in vorderster Reihe eher genervt, bekommt sie doch ständig von ihrem impulsiv jede Zeile mitgrölenden Emo-Freund einen Ellbogen in die Seite gerammt. "Prost, ihr Säcke", grunzt Andy noch. Pros,t du Sack! Nur das relativ einfallslos RAMMSTEIN-Cover 'Sonne' hätten sich der Metalcore-Fünfer als Rausschmeißer sparen können. Trotzdem nett.

Dann versuchen mal wieder ein paar Kollegen, einen von Doom Metal zu überzeugen. Um eins vorweg zunehmen: Es soll auch an diesem Abend nicht gelingen. Was mitnichten an TRIPTYKON liegt: Die CELTIC FROST-Nachfolger liefern eine solide Show, der wie immer mit schwarzer Augentünche versehene Thomas Gabriel Fischer liefert sich Duelle mit seinem zweiten Gitarristen, und die Bassistin hackt auf ihr Axt ein, als wolle sie eine Motorsäge anschmeißen. Während das Bühnenlicht stets einfarbig strahlt – mal ganz in Rot, mal Hellblau – werden die Songs auch schneller oder rock'n'rolliger. "Guten Abend und frohe Weihnachten", richtet sich Mr. Fischer erstmals ans Publikum. Doomig geht’s weiter – aber es ist und bleibt einfach Geschmackssache.

Und endlich wird’s richtig mörderisch mit Hyperblast made in Quebec: Maurizio Iacono spuckt eine Wasserfontäne über sich in die Luft und kniet nieder, als KATAKLYSM mit 'Let Them Burn' in einem Mördersound losknüppeln. Teufelshörner recken sich den vier Kanadiern entgegen, die als Dankeschön Wasserflaschen in die Menge werfen und gleich 'Manipulator Of Souls' hinterher schieben. Verdammt früh für den Bandklassiker, der die Stimmung aber natürlich weiter anheizt. "Don't just stand there", ruft Sänger Maurizio, "I need you to move!" Die Anhängerschaft kommt der Aufforderung zu 'Embassador Of Pain' gerne nach, ehe der obligatorische "Security Stress Test" ansteht: Zu 'As I Slither' sollen so viele Crowdsurfer wie möglich auf die Bühne zu schwimmen und die gesammelte Ordnerschaft ordentlich ins Schwitzen bringen. Das klappt so gut, dass selbst die Roadies zur Hilfe eilen, während der Eingang zum Bühnengraben und Backstagebereich gänzlich unbewacht bleiben muss – zum Glück unbemerkt und ohne weitere Folgen. Beim restlichen Gig zucken dann immer mindestens vier Securities gleichzeitig nervös, wenn auch nur ein einzelnen Crowdsurfer angepaddelt kommt. "Fuck the governments and religions, are you with us?" wird Maurizio vor 'Illuminati' auch mal ansatzweise politisch. Leider fehlt mancher Ohrwurm wie 'In Shadows & Dust', das ultimative 'Like Angels Weeping' und selbst 'To Reign Again' – dafür gibt's das seltene und ebenso eingängige 'Where The Enemy Sleeps' von der "Shadows & Dust"-Langrille. Mit 'Crippled And Broken' verabschiedet sich das Todesblei-Quartett unter Applaus von der Bühne – Danke Jungs, großes Kino!

Dann machen Hinweise die Runde, bei ARCH ENEMY nicht mit Blitz zu knipsen. Für Fotografen Standard auf Festivals, aber man solle doch bitte darauf achten, dass sich auch das Publikum dran hält. Ja, ne, is' klar! Kriegsszenen laufen auf der Leinwand ab, wilde Gitarrenduelle folgen, während Angela Gosso in einer mit unzähligen Nieten bespickten Lederjacke die Bühne entert. Schon Wahnsinn, wie weit die Frontröhre beim Grunzen ihren Mund aufreißen kann. Die ersten Reihen gehen mit, obwohl der Sound anfangs noch etwas leise ist. "Ihr seid so still", bemerkt Angela schnell, "mobilisiert noch mal alle Reserven, lasst Beine und Nasen brechen, Blut muss fließen, dann wird das noch ein richtiges Metalkonzert!" Ja, genau. 'Bloodstained Cross' wird der Kirche nebenan gewidmet, und nach anderthalb Stunden melo-brutaler Volldröhnung heißt nochmal mitgrölen zu 'We Will Rise' und 'Nemesis'. Hin und wieder ein leichter Anflug von Größenwahn, aber trotzdem gut.

Um Punkt halb 1 läuten MORBID ANGEL mit einem düsteren Intro zum großen Finale und zünden sogleich die Doppelgranate 'Immortal Rites' und 'Fall From Grace'. Frontman David Vincent stolziert heute auf seinen Cowboystiefeln mit der zur Gitarre passenden schwarz-roten Hose über die Bühne, während Gitarrenkollege Azagthoth sein Pedal mit weißen Turnschuhen bearbeitet. "You have been through a lot today", begrüßt Evil D die verbliebene Menge, unter die sich auch die MARDUK-Kollegen um Morgan weitgehend unerkannt gemischt haben. "So let's keep it to a minimum of great metal." Das ist natürlich relativ untertrieben, denn besonders Schlagzeuger Tim Yeung bearbeitet seine Schießbude dermaßen heftig, dass das ganze Podest ins Wanken gerät. Der passende Abschluss zum Hartwurst-Tag. Nun aber ab ins Hotel, nochmal die Minibar gecheckt, Feierabendbier, eine Mütze Schlaf nachgeholt und Sonntagmorgen auf den letzten Drücker über die Reste vom Frühstücksbuffet hergemacht!

Redakteur:
Carsten Praeg

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