CRADLE OF FILTH, BEHEMOTH und IN SOLITUDE - München

13.02.2014 | 19:38

07.02.2014, Backstage Werk

Metal-Showbusiness: Buntes Package mit optischen Schmankerln.

Das Vorspiel: Schlafen wäre besser gewesen.
Ihr kennt das vielleicht, es gibt einfach Tage, an denen wäre man lieber nicht aufgestanden. Nach einer sehr anstrengenden Dienstreise in die Schweiz hechle ich zurück nach München, um meine tolle Neuentdeckung IN SOLITUDE zu interviewen und live in Aktion zu erleben. Aber es läuft nicht. Zug um ein Augenzwinkern verpasst, zuviel Gepäck, zu spät an der Location, keinen Parkplatz gefunden, Telefonnummer vom Promoter nicht aufgeschrieben, schon früh richtig viel Gewusel an der Location. Ich bin genervt. Das Gespräch findet dennoch statt (demnächst hier bei Powermetal.de), doch der Magen ist leer, ich sterbe vor Durst, aber nur Schweizer Franken im Geldbeutel, die in Bayern keiner will. Alles doof.

Ich bekomme noch ein paar Töne der zweiten Vorband mit. Die erste, SVARTTJERN, spielte während meines Gesprächs. Ich kann hier aber den Namen nicht entziffern, ich muss am Merch nachfragen, was das heißt. Ich fühle mich mit meiner Cordhose und meinen grünen TRAIL OF DEAD-Shirt wie ein Alien unter den ganzen Schwarzen. Und einige sind schon betrunken, haben Bier, Neid. Doch mein Idealismus und meine Liebe zu meinen Bands kennt keine Grenzen, ich positioniere mich in der ersten Reihe, um Fotos von IN SOLITUDE mit meiner Handykamera zu machen, deren Display zerbrochen ist, weil, was ja klar ist, dass Teil mir runtergefallen ist.

Ach so, die Vorband. Sie heisst INQUISITION und spielt Black Metal. Aber was heißt hier Band, es sind nur zwei Personen auf der Bühne, ein Sänger und ein Drummer. Was zwei so Menschen für einen Lärm machen können... Scherz beiseite, was die machen ist ganz gut, der Sänger spricht eher, als dass er singt und zwar durch eine Art elektronisches Effektgerät. Er klingt wie ein Roboter in einem Science-Fiction-Film. Dazu wird geblastet und geriffelt, aber wie es scheint mit Sinn, Verstand und Können.




Holpriger Tourstart für IN SOLITUDE.

Es ist der erste Gig auf der Tour dieses so seltsamen Packages mit IN SOLITUDE, BEHEMOTH und CRADLE OF FILTH. Ein Tag, an dem viel schief gehen kann und nur selten alles an seinem Platz ist. Ich erinnere mich. So ein schönes Erlebnis letztes Jahr, mit "Sister" die tolle Stimmungsmusik von IN SOLITUDE kennen zu lernen. Und die Jungs scheinen nett zu sein. Viel zu nett im Vergleich zu meiner Fantasie zur Musik, die mich, wie ich schon im Review schrieb, Pentagramme im englischen Garten malen wollen lässt.

Sie entern die Bühne, vor der eine Handvoll Menschen steht. Einer in braun-grün. Ganz viele stehen im Sicherheitsabstand. Das Backstage-Werk hat ja diese schönen Stufen, wo man von oben runter sehen kann. Ein kleiner Mensch liebt das Backstage. Man könnte hier auch gut essen, wenn...


Was IN SOLITUDE da macht, lockt nicht so viel mehr Leute nach vorne. Der Sound findet nicht zu sich, die Band konzentriert sich auf Stageacting, weniger aufs Spielen, vielleicht sind diese Burschen auch etwas nervös. Pelle Ahmans Gesang ist entweder zu laut oder zu leise, obwohl er ja eine so tolle Stimme hat. Aber da kann er nichts für. Das Backstage ist bekannt für einen guten Sound, ich bleibe aber vor der Bühne, denn vor dem Mischpult ist nur Matsch. Viel zu viel Hall. 'A Buried Sun', was für ein Song, lässt mal kurz diesen Arschtag vergessen. Hier kenne ich jeden Ton, das Vergessene ergänzt also mein Gehirn. Die Band setzt voll auf "Sister", ein Album, auf das sie sehr stolz ist. Diese Rechnung wird auch aufgehen, da bin ich ganz sicher, wenn die Jungs ihren eigenen Mischer und ihr eigenes Publikum haben. Heute gewinnen sie wohl kaum neue Fans. Am Ende gibt es kurzen Höflichkeitsapplaus, ein Braun-Grüner und ein Schwarzer, der jedes Wort mitsingen konnte, recken sogar Fäuste und jubeln.

Setlist IN SOLTUDE: Death Knows Where, Lavender, Pallid Hands, A Buried Sun, Horses In The Ground, Sister

So, jetzt endlich: Bankomat und essen. Manche Dinge im Leben sind einfach die Geilsten, vor allem wenn sie sehr dringlich werden. Der Backstage-Burger ist die Wucht. Dazu kündigen "BEHEMOTH, BEHEMOTH"-Rufe an, wer jetzt kommt.

Energischer Tourstart für BEHEMOTH.


BEHEMOTH
. Meine Erwartungen sind gering. Ich bin auf nerviges Gebolze vorbereitet. Doch als erstes beeindruckt das Bühnenbild. Hinten links und rechts sind wappenartige Skulpturen von Vögeln aufgebaut, hinter denen die Musiker stehen werden. Aus den Mikroständern schlängeln sich Kobras. Das Backdrop lässt Erwartungen aufkommen. Die Band ist von vorn bis hinten durchgestylt und sieht cool aus. Leder, Nieten, Schminke. Schade, das ich nicht in den Fotograben kann und nur eine bescheidene Kamera habe. Diese Nuclear-Blast-Bands haben optisch immer etwas zu bieten. Musik geht einher mit Show und Bombast. Ich mag das.
Auch die Musik macht zunächst einen coolen Eindruck. Stakkatoriffs und harscher Gesang. Doch dann wird es extrem seltsam, ein zerfahrener Highspeedpart verwirrt und ich bin in der Folge hin- und hergerissen. Die Musik ist gut, ihr fehlt aber ein wenig die Seele. Und die Melodie. Und der Groove. Der Solo-Gitarrist ist laut, aber nix Besonderes. Die Uptempo-Parts sind unsauber und beeindrucken mich nur marginal. Doch solche Tugenden sind hier sowieso nicht gefragt. Das Publikum will Show und dazu headbangen. Show bekommt es, das Licht ist super auf die Beats synchronisiert und die Farbe macht mit dem Bühnenbild richtig was her. So ganz in rot getränkt ist das sehr diabolisch. Die Musiker sind zugleich Schauspieler und haben ihre Choreographien bestens einstudiert. Das Headbangen lässt die Band in der zweiten Hälfte des Gigs immer öfter zu, stampfende, fast sogar melodiöse Parts gewinnen die Oberhand über diese zerfahrenen Bolz-Intermezzi. Die Band konzentriert sich also auf das, was sie kann. Das Publikum macht mit und feiert. Und es ist richtig voll hier geworden. Manchmal entstehen seltsame Pausen, wenn die Band von der Bühne geht und dann Konserventöne kommen. Ich bekomme nicht mit, was sie da tun. Trinken? Umziehen? Haare schön machen? Manchmal bringen sie Gegenstände auf die Bühne. Ein Behemoth pendelt eine Minute lang mit einem Ding rum, das aussieht wie eine Djinni-Flasche an einer Goldkette. Dann stellt er es lieblos in die Ecke. So kommt der Geist aber nicht raus, mein lieber Behemoth.

Ich entscheide mich zwischendurch für Burger Nummero zwei. Da ist ein Zigarettenstummel drin. Wisst ihr, wie eklig das ist, auf einen verfickten Zigarettenstummel zu beißen? Ich bin zu müde mich zu beschweren, spüle den Geschmack mit Bier runter. Hier kann jetzt jeder lesen, dass im Backstage-Burger Zigarettenstummel waren. Wer weiss, was da sonst noch drin ist. Mir ist speiübel. BEHEMOTH spielt aber am Ende noch zwei sehr coole Songs mit viel Wucht und Kraft. Dazu tragen sie gehörnte Masken, was noch böser aussieht. Ja, das macht am Ende richtig was her. Nicht meine Musik, doch ich verstehe,  warum die Leute das so mögen.

Setlist BEHEMOTH: Blow Your Trumpets Gabriel, Ora Pro Nobis Lucifer, Conquer All, Decade of Therion, As Above So Below, Slaves Shall Serve, Driven by the Five-Winged Star, Furor Divinus, Christians to the Lions, Ov Fire and the Void, The Satanist, Alas, Lord Is Upon Me, At the Left Hand ov God, Chant for Eschaton 2000 E.V; Zugabe: O Father! O Satan! O Sun!

CRADLE OF FILTH ist keine Live-Band und wird es nie werden


Ich habe den Filzknödel nicht als sagenumwobene Liveband in Erinnerung, doch das ist eine Weile her und eine zweite, dritte und vierte Chancen gebe ich immer. Schliesslich ist "Midian" eines meiner liebsten Metalalben. Die Band setzt nun eher auf spartanische Bühnenaussattung, dafür gibt es Videoprojektionen. Ich mag ein originelles Bühnenbild lieber. Nicht klein ist mein Erstaunen, dass ich gleich zu Anfang einen "Midian"-Track erkenne. Und das ist nicht einfach. Ist das 'Cthulu Dawn'? CRADLE holpert so zerfahren wie anno dunnemals schon durch den Song. Was auf Platte eine tolles Sammelsurium an witzigen Ideen ist, geht auf Bühne in verhudeltes Chaos über. Danis Gesang funktioniert nicht. Die hohen, spitzen Schreie tun im Ohr weh. Er bringt sie aber immer wieder. Er kann schnell wechseln zwischen Quiek, Schrei und Grunz. Gar nicht so einfach, und ich mag Dani auf Platte, halte ihn für einen richtig guten, kreativen Sänger. Unterstützung bekommt er von der Sängerin Lindsay, doch so richtig helfen kann sie ihm nicht. Die Musik wirkt eher wie schneller, rumpeliger Punk. Bombast, Filigranität und Ästhetik gehen hier und heute verloren. Ich kann nicht sagen, woran das liegt, handelt es sich hierbei doch um gestandene Musiker.

Ich will nach vorne und Fotos machen, doch gerate fast in eine Schlägerei. Dabei will ich nur vorbei. Der Typ fällt dann später durch aggressives Gerempel auf und wird eine Viertelstunde später von der Security nach draußen entsorgt. Dort will ich aber auch hin. Ich möchte CRADLE OF FILTH ja nichts Schlechtes, aber die Engländer sind eben keine Band, die einen solch seltsam schiefen Abend mit einer Knallershow rettet und heimgehen ist in diesem Moment besser. Leider springt nun das Auto nicht mehr an...

Redakteur:
Thomas Becker
1 Mitglied mag diesen Konzertbericht.

Login

Neu registrieren