Bang Your Head!!! 2007 - Balingen

05.07.2007 | 00:48

22.06.2007, Messe Balingen

Morgens, halb 10 in Deutschland. Die ersten POWERMETAL.de-Vertreter sammeln sich - mit Kaffee und ohne Knoppers - an unserem geliebten Stand, der uns gestern bereits Schutz vor Regen und Sonne gewährt hat und sowieso einen angenehmen Rückzugsort für die wohlverdiente Pause zwischen den Bands darstellt. Doch manchmal muss man dort auch mal Georgs Stereoanlage ganz laut aufdrehen, um den unerträglichen Krach von der Bühne zu übertönen. ARCHER können das - dreißig Minuten vor dem offiziellen Programmbeginn - noch nicht sein, aber viel älter sehen die vier Jungs auch nicht aus, die den Kater von gestern mit leicht punkigem Sound und gar fürchterlichem Gesang zu vertreiben versuchen. Ein kritischer Blick ins Programmheft liefert des Rätsels Lösung: AGE OF EVIL, die blutjungen Typen, die bereits die donnerstägliche Warm-Up-Show eröffnen durften, haben die Ehre, das Festivalgelände mal kurz von der Hauptbühne aus zu betrachten. Doch das Ganze klingt dermaßen dilettantisch, dass ihnen noch nicht einmal der "die sind alle noch unter 18"-Bonus zugute kommt. Nett gemeint, aber gebraucht hätte das in dem Moment niemand. Dann doch lieber ein Knoppers ...
[Elke Huber]

ARCHER
Dass beim Bang Your Head!!! auch gerne mal ein Newcomer den Reigen eröffnen darf, ist ja nichts Neues und hat sich Gott sei Dank bewährt. So darf auch dieses Jahr eine junge Truppe aus den Staaten den Samstag morgen einläuten. Die Jungs kommen aus Santa Cruz in Kalifornistan und spielen einen Sound, der mich ein Stück weit an eine rock 'n' rollige Variante von METALLICA erinnert. Gerade Frontmann und Gitarrist Dylan kommt wie eine Mischung aus Zakk Wylde und James Hetfield rüber, der Rhythmussektion mit Basser Isaiah und Trommler Tyler merkt man an, wie viel Hummeln sie im Hintern und wie viel Freude alle Beteiligten an dem Opening-Slot haben.

Da wird auch gerne verziehen, wenn Isaiah vor lauter Euphorie mal über die Monitor-Box stolpert, das müde Publikum wird trotzdem ruck zuck wach und feiert mit den Frühzwanzigern den Europa-Auftakt. Die Mucke ist - wie gesagt - rockig und doch metallisch, hart aber nicht zu sehr auf aggressiv oder gar modern getrimmt. Songs wie 'Last Of His Kind' oder 'Hell Hath No Furies' zitieren mal METALLICA, mal THIN LIZZY, mal BLACK LABEL SOCIETY und wirken dabei gleichzeitig frisch und zeitgemäß, aber doch klassisch und der hart rockenden Tradition verbunden. Wer Lunte gerochen hat, der kann mal auf der MySpace-Seite der Band vorbei surfen.
[Rüdiger Stehle]

MYSTIC PROPHECY
Noch immer mit zu wenig Schlaf von der letzten Nacht gesegnet, tapse ich mit meiner Kollegin Elke Richtung Bühne, um mir MYSTIC PROPHECY morgens um 10.50 Uhr immer noch ohne Knoppers livehaftig zu geben.

Und was soll ich schreiben: Der Stampf-Metal mit sehr starker SINNER-Kerbe ist die ideale musikalische Dosis, um wach zu werden. Das Quintett ist für die frühe Zeit sehr bewegungsfreudig, wenn nicht sogar enthusiastisch unterwegs. Zwar ist der Power Metal eher simpel gestrickt, kann jedoch mit eingängigen Refrains und guten Soli glänzen. Sänger R.D. Liapakis ist auch sehr journalistenfreundlich, was die deutlichen Songansagen unter Beweis stellen. Noch ist es ein bissi frostig vor der Bühne, aber ab 'Sign Of The Cross' schält sich die Sonne aus ihrer Wolkendecke, um den abgehenden Metalheads ein bisschen Wärme zu schenken. Zwar sind nur die vorderen Reihen aktiv, aber rundherum kann man den einen oder anderen Mitwipper ausmachen.

Dass bei den Songs auch klassischer Kanadastahl der Sorte ANNIHILATOR Pate gestanden hat, merkt man 'Nightmares Of Demons' sehr deutlich an. Die eine oder andere Ähnlichkeit mit 'Set The World On Fire' vom gleichnamigen Album, allein vom Rhythmus her, ist nicht von der Hand zu weisen. Auf der anderen Seite ist da 'Savage Souls' zu nennen, das verdammt stark an 'Blood Red Skies' vom JUDAS PRIEST-Klassiker "Ram It Down" angelehnt ist. 'Dark Forces' hingegen vom kommenden Album "Satanic Curses" kann vom Riffing her eine ordentliche SLAYER-Schlagseite vorweisen.

Was jedoch bei all der Erbsenzählerei zählt, ist der Spaß an der Sache. Und den haben die Protagonisten vor und auf der Bühne. Nach knapp vierzig Minuten ist der Spaß dann auch schon vorbei - und ich bin wach. Da hätte ich mir auch den Morgenkaffee sparen können, wenn ich gewusst hätte, dass mich MYSTIC PROPHECY auch so wach machen.
[Tolga Karabagli]

Unvollständige Setlist:
Master Of Sins
Evil Empires
In The Darkness
Sign Of The Cross
Nightmares Of Demon
Savage Souls
Dark Forces
Burning Bridges

POWERMAD
Meine Fresse! Was habe ich mich auf diesen Gig gefreut. Fast schon penetrant habe ich alle möglichen und unmöglichen Leute mit POWERMAD und ihrer Herrlichkeit genervt und hätte am liebsten alle einzeln vor die Bühne gezerrt. Das habe ich nicht ganz hinbekommen, und so verirren sich nur ein paar Kenner und wenige Interessierte vor der Bühne als es endlich so weit ist. Der Boden ist fast schon wieder trocken genug, um auf den Knien der Band zu huldigen, die mit 'Nice Dreams' einen der besten, wenn nicht sogar den besten Metalsong der 80er Jahre komponiert hat.

Was dann folgt, ist Ernüchterung und Enttäuschung. Denn schon beim Opener 'Terminator' ist der Sound undifferenziert und wird vom starken Wind ziemlich verweht. Doch damit nicht genug. Die Vocals von Sänger Joey DuBay sind erst zu leise, wirken dann aber vor allem unsicher. Während die eher aggressiven Parts bei 'Absolute Power' oder 'Slaughterhouse' durchaus in Ordnung sind, singt Joey DuBay alle schwierigen Melodien aus 'Plastic Town' oder dem göttlichen 'Nice Dreams' einfach nicht. Das geht ja gar nicht. Zudem ist die Bühnenpräsenz eher mau und der Sound wird leider auch nicht besser. Und so gibt es bei POWERMAD keinen Triumphzug, wie ihn tags zuvor LETHAL angetreten haben, sondern in erster Linie enttäuschte Gesichter zu sehen. Ganz klar, mir wäre lieber, dass ich weiter mit der Illusion eines perfekten, aber eben nicht existenten Gigs gelebt hätte, als nun mit POWERMAD diesen schwachen Auftritt zu verbinden. Leider der Flop des Festivals.
[Peter Kubaschk]

MERCENARY
Jaaa! Jaaaaaa! Jaaaaaaaaa! Das ist er, das ist er, der geilste Auftritt an diesem Wochenende, der Bang Your Head!!!-Moment, auf den ich jedes Jahr erneut freudig warte. Der Moment, in dem du nur noch mit einem mehr oder minder blöden, freudigen Grinsen vor der Bühne stehen kannst und nicht weißt, ob du jetzt hüpfen, bangen oder einfach den Blick auf die Bühne genießen sollst. Urheber des Bang Your Head!!!-Moments 2007 sind die Dänen von MERCENARY, die zusammen mit einigen anderen, etwas heftigeren Truppen das diesjährige Billing auflockern.
War eigentlich klar, dass das hier ein kleiner bis mittelgroßer Triumphzug für das Sextett werden würde, zwar ist die Mucke teilweise deutlich härter als es in Balingen zum guten Standard-Ton gehört, aber dafür gibt es glockenklaren, dreistimmigen Gesang, eine Band, bei der selbst die Beschreibung "endlos engagiert" noch heillos untertrieben ist und zu guter Letzt Songs, die teilweise aus einem einzigen, wunderschönen und niemals enden wollenden Refrain zu bestehen scheinen.

Fronter Mikkel scheint in der Form seines Lebens zu sein, überrascht und schmeichelt nicht nur mit putzigen Ansagen auf Deutsch ("Sie sind alle sehr schön hier!" - Danke!), sondern beeindruckt vor allem mit einer Gesangsleistung, die mir direkt die Latschen auszieht. Hallo? Der Mann trifft ja je-den einzelnen Ton so was von perfekt, dass ich zunächst an Playback oder ähnliches denke. Aber: MERCENARY sind wirklich so unglaublich, so überirdisch gut. Dass Mikkel und sein Bruder Morten an den Tasten ein tolles Gesangsduo sind, ist ja nichts Neues. Aber mittlerweile ist aus dem genialen Duo ein noch tolleres Trio geworden, denn auch "Neu"-Basser Rene scheint heute den Tag seines Lebens auf der Bühne zu verbringen und liefert die Backing-Shouts mit einer Vehemenz ab, dass es mir das füllige Haupthaar stramm nach hinten bläst. Meine Fresse, manchmal befürchte ich, dass der Gute gleich platzt, bei aller Inbrunst, mit der er ins Mikro röhrt. Und das, nachdem sich der Chaot auf dem Festivalgelände erst noch Schuhe kaufen musste, weil er seine vergessen hatte - sollte man vielleicht mal öfters probieren.

Lustig übrigens, dass Rene und Drummer Mike (müßig zu erähnen, dass auch er in der Form seines lebens Stöckchen schwingt und Felle gerbt) dieses Mal ihre Kopfsocken abgelegt haben, bei Mike wachsen sogar die Haare. Da kommen wenigstens keine Yo-Bro-Assoziationen mehr auf. Musik gibt's im Übrigen auch auf die begeisterten Lauscher, und spätestens als zum Abschluss (nur 40 Minuten Spielzeit, Frechheit!) mit '11 Dreams' einer der absoluten Übersongs erklingt, raste ich völlig aus. Besonders deshalb, weil die andere Über-Mid-Tempo-Hymne, 'My World Is Ending', gleich als zweiter Song die Gehörgänge erfreut. Wenn MERCENARY alleine schon mit diesen beiden Songs nicht die Welt in Balingen im Sturm erobert haben, dann ist wohl niemandem mehr zu helfen. Sogar noch vor den unmenschlich guten DARK TRANQUILLITY für mich der Gig des Festivals!
[Rouven Dorn]

Nachdem ich die letzten beiden Alben "11 Dreams" und "The Hours That Remain" förmlich in jede meiner Hirnwindungen aufgesaugt habe, konnte ich's nicht abwarten, die Jungs livehaftig zu erleben. Letztes Jahr auf dem Rock-Hard-Festival war ich noch nicht mit dem Material der sympathischen Dänen vertraut, aber dieses Jahr ist alles anders. Und so hauen die Jungs Hit um Hit raus, während ich vor lauter Singerei und Bangerei gar nicht dazu komme, gebannten Blickes auf die Bühne zu starren. Aber trotz der ganzen "Ablenkungen" entgeht es mir nicht, dass Mikkel sehr gut bei Stimme ist. Zwar hat er nicht das Entertainerformat eines Danny Bowes von THUNDER, doch er trifft jeden (hohen) Ton. Und das ist schon eine Kunst für sich, denn trotz der anspruchsvollen Gesangspassagen ist er sehr agil und weiß durch seine sympathische Art das Publikum mitzureißen. Zwar muss er sich in meiner persönlichen Sängerliste mit dem zweiten Platz begnügen, was aber trotz solcher in Fleisch geschaffenen kleinen Sangesgottheiten wie Dio und Sammet trotzdem nicht von schlechten Eltern ist.

Ferner entlockt Martin seiner Axt geniale und gefühlvolle Soli, die in der selben Qualität aus den Boxen wummern wie auf CD. Der Junge streichelt seine Siebensaitige so filigran und so voller Inbrunst, dass er sich in der Champions League der ganz großen Gitarristen ohne Probleme einreihen kann. Bleibt noch "Neuzugang" Rene am Bass zu nennen, der den Verlust von Ex-Bassist und Sänger Kral nicht nur aufgrund seiner Körpermasse wett macht, sondern auch Gesangstechnisch zur sympathischen Truppe passt wie die berühmt-berüchtigte Faust aufs Auge. Mal schauen, wie in dem Zusammenhang das nächste Album ausfällt, das schon lange überfällig ist.

Viel zu schnell ist nicht nur für mich der Gig vorbei. Mit 'Loneliness' hat sich einer der Übersongs der Combo leider nicht in die Setlist verirrt, aber auch so bleibt mir der Auftritt noch lange in sehr lebhafter Erinnerung. Ganz großes Audiokino!
[Tolga Karabagli]

Setlist:
Soul Decision
My World Is Ending
World Hate Center
Redesign Me
My Secret Window
11 Dreams

AMORPHIS
In der letzten Festival-Saison waren AMORPHIS für mich die Wiederentdeckung schlechthin. Neuzugang Tomi Joutsen hatte auf "Eclipse" nicht nur die lange Zeit vermissten Growls wieder eingeführt, sondern erwies sich auch auf der Bühne - zumindest im direkten Vergleich zu seinem Vorgänger Pasi Koskinen - als echter Entertainer. Dieser Überraschungseffekt ist ein Jahr später und kurz vor der Veröffentlichung des neuen Albums (würde es davon eine Kostprobe geben?) naturgemäß verpufft, aber meine Erwartungshaltung betreffend des heutigen Gigs verdammt hoch, zumal sich die Suomis Anno 2006 von Gig zu Gig noch zu steigern schienen. Doch leider braucht der sympathische Fronter mit den arschlangen Dreads geschlagene drei Songs, um stimmlich einigermaßen in Schwung zu kommen. Der Gesang im Opener 'Leaves Scar' klingt gepresst, fast schon neben der Spur, und auch der anfangs völlig basslose Sound muss erheblich nachjustiert werden.

Zum Glück geht letzteres bereits beim nachfolgenden 'Against Widows' in Ordnung, und auch Tomi lässt so langsam erahnen, was in ihm steckt. Doch gerade nach den dynamischen Charmebolzen von MERCENARY kommen AMORPHIS eher introvertiert, fast schüchtern rüber. Das Gesicht von Gitarrenkünstler Esa Holopainen kann man die meiste Zeit nur erahnen, wird es doch permanent von seiner vom Winde verwehten blonden Haarpracht verdeckt. Lediglich Keyboarder Santeri Kallio lässt mit einem hübschen Dauer-Lächeln so etwas wie Spielfreude erkennen. Der Rest zockt seine Parts zwar äußerst souverän, nutzt die große Bühne aber für meinen Geschmack viel zu wenig aus, um das Konzert optisch zu veredeln. So bleibt der Großteil der "Öffentlichkeits-Arbeit" an Joutsen hängen, der über sein inzwischen gut bekanntes stylisches Nostalgie-Mikro mit eher spärlichen sowie obendrein ein wenig hölzern und einstudiert wirkenden Ansagen mehr schlecht als recht den Kontakt zum Publikum herstellt.

Doch auch die Setliste halte ich gerade für das Bang Your Head!!!-Publikum für sehr gewagt. Um die eingangs gestellte Frage zu beantworten: Nein, vom kommenden Album "Silent Waters" bekommen wir leider nichts zu hören. Stattdessen graben die Finnen ganz tief in der Mottenkiste und schütteln sich mit 'Sign From The North Side' sogar ein Stück vom noch eher deathmetallischen Debüt aus den Handgelenken. Auch der "Tales From The Thousand Lakes"-Vertreter 'Magic And Mayhem' zählt für mich nicht unbedingt zu den Sternstunden ihres Schaffens. 'Against Widows' und natürlich das immer wieder großartige 'My Kantele' unterstreichen jedoch die Klasse von "Elegy", und auch 'Alone' - einzige Kostprobe aus der mittleren, eher psychedelisch geprägten AMORPHIS-Phase - verliert in Joutsens Interpretation nicht an Reiz. Trotzdem können die Finnen die im letzten Jahr selbst nach ganz oben gelegte Messlatte heute nicht erreichen und liefern bis zum finalen 'House Of Sleep' einen zwar soliden, aber nicht unbedingt begeisternden Auftritt ab.
[Elke Huber]

Setlist:
Leaves Scar
Against Widows
Into Hiding
Alone
Sign From The North Side
The Smoke
My Kantele
Magic And Mayhem
House Of Sleep

FINNTROLL
Ursprünglich war das, was die verrückten Finnen da praktizieren, ziemlich einzigartig. Und obwohl mittlerweile Kollegen wie KORPIKLAANI, TURISAS oder ENSIFERUM in eine ähnliche musikalische Richtung gehen, sind die Trolle immernoch ziemlich sehenswert. Das sieht auch ein Großteil der Zuschauer so, und die Stimmung vor der Bühne ist hervorragend. Dazu trägt der gute Sound und die bunt gemischte Setlist bei, bei der alle bisher veröffentlichten Studioalben Berücksichtigung finden.

Die Band trägt überwiegend schwarze Röcke, die aber Gottseidank lang genug sind, dass nur die Fotografen im Bühnengraben die Frage nach dem Darunter beantworten können. Sänger Mathias "Vreth" Lillmåns liefert eine ordentliche Leistung ab, kann sich aber in Sachen Ausstrahlung nicht mit seinen Vorgängern Jan "Katla" Jämsen und Tapio Wilska messen. Besonders beim genialen 'Trollhammaren' ist das dem Publikum aber denkbar egal, denn hier wird aus voller Kehle mitgebrüllt, getanzt und gejubelt. Auf Dauer wäre mir die Musik von FINNTROLL zwar ein wenig zu anstrengend und zu gleichförmig, über die Auftrittszeit von rund fünfzig Minuten hinweg kam jedoch definitiv keine Langeweile auf.
[Florian Schörg - metal.de]

BRAINSTORM
BRAINSTORM sind live eine absolute Macht. Und auf diesem Sektor schon locker an Größen wie BLIND GUARDIAN, GAMMA RAY & Co. vorbeigezogen. Wie von mir vor sechs Jahren schon prophezeit, sprechen sich solche Livequalitäten herum und sorgen für einen besseren Platz auf dem Billing. Und den haben sich BRAINSTORM auch längst verdient. Andy B. Franck hat die beeindruckend große Meute von der ersten Sekunde an mit seiner sympathischen Art und seinem agilen Auftreten fest im Griff, grinst über beide Backen und singt dabei Smasher wie 'Hollow Hideaway', 'Blind Suffering' oder 'Inside The Monster' mit beeindruckender Power.

Ja, so muss Power Metal klingen! Der Spaß darf dabei aber auch nicht zu kurz kommen. So kommt Andy vor 'Blind Suffering' mit einem Mini-Motorrad auf die Bühne gerollt und macht einen auf MANOWAR oder sagt einfach mal "Bitte", weil er dafür kritisiert wurde, dass er sich zu oft beim Publikum bedankt. Was im Übrigen meiner Meinung nach die dümmste Kritik ist, die ich je gehört habe. Ja, Andy ist sehr überschwänglich und euphorisch, wirkt dabei aber immer ehrlich und authentisch. Und außerdem haben die Fans jedes einzelne "Danke" ja auch verdient. Wer sonst sorgt denn für den Erfolg der Band? Das wissen auch BRAINSTORM und liefern bis zum abschließenden Höhepunkt 'All Those Words' einen schlicht perfekten Gig ab, den die Fans auch gebührend abfeiern. Die "Oh-Oh-Oh"-Chöre von 'All Those Words' erklingen auch noch, als BRAINSTORM längst die Bühne verlassen haben. Da darf man sich auf die in Kürze erscheinende Live-DVD sehr freuen. Gewinner!
[Peter Kubaschk]

NAZARETH
Dass beim Bang Your Head!!! Rockurgesteine ihren zweiten Frühling feiern können, haben FOREIGNER letztes Jahr sehr eindrucksvoll unter Beweis gestellt (Und nicht nur die - diese Tradition ist doch mit das tollste hier in Balingen! - RD). Diese Bürde wird dieses Jahr NAZARETH zuteil, die immerhin 37 (!) Jahre Rockerfahrung vorweisen können. Nach den eher krachigen Combos ist es eine willkommene Abwechslung für die geschundenen Ohren.

Ein ewig langes schottisches Dudelsackintro eröffnet den einstündigen Rockreigen. Und als ob Petrus dem Quartett einen Gefallen tun möchte, kämpft sich die Sonne durch die Wolken und lässt die Betriebstemperatur vor und auf der Bühne um ein paar Grad steigen. Gitarrist Jimmy Murrison kommt stilecht mit einem SLAYER-Shirt auf die Bühne, lässt aber einmal mehr den Fiedelgott in sich raus. Während Sänger Dan McCafferty optisch sehr deutlich in die Jahre gekommen ist und sich nicht dafür zu schade ist, darüber Scherze zu reißen ("I feel like I'm 150 years old."), ist Bassist Pete Agnew mit seinem überdimensionalen Paul-McCartney-Gedächtnisbass der Gute-Laune-Garant in der Truppe. Zusammen mit seinem Sohn Lee Agnew an den Drums bildet das Duo ein ideales Groovefundament, auf dem sich Dan und vor allem Jimmy ordentlich austoben können.

Vor allem ist Dan trotz seines biblischen Alters noch sehr gut bei Stimme. Allen voran bei den Klassikern 'Razamanaz', 'This Flight Tonight' und 'Hair Of The Dog' kommt das professionelle Krächzen sehr gut zur Geltung. In dem Zusammenhang kann ich verstehen, warum GUNS'N'ROSES 'Hair Of The Dog' auf ihrem "Spaghetti Incident"-Album gecovert haben. Das minimale Stageacting macht die Truppe mit ihren guten Songs und der guten Laune wett, die auch auf das Publikum abfärbt, allerdings nur bei den bekannten Klassikern. Warum Dan allerdings bei 'Hair Of The Dog' einen Dudelsack rausholt, um seinem Mikro ohrensichtlich mit einer Voicebox komische Töne zu entlocken, bleibt nicht nur mir ein Rätsel. Ansonsten gewährt Dan Jimmy an der Axt viel Spielraum, die er zum Teil selbstverliebt auch ausnutzt.

Bleibt ein gutes Konzert, bei dem sogar mit 'Love Hurts' und 'Dream On' die zwei Überballaden der Combo in die kuschelbedürftige Menge rausgehauen werden. Nun heißt es auf W.A.S.P. warten, auf die ich mich persönlich sehr freue.
[Tolga Karabagli]

W.A.S.P.
'Blind In Balingen'? Eher pissed off! Die Bedingungen für das Konzert sind nicht die idealsten. Da wäre zum einen zu nennen, dass Blackie Lawless' komplette Bühnenklamotten geklaut wurden. Und als ob das nicht genug ist, darf Mr. Lawless seinen berühmt-berüchtigten Mikroständer nicht auf der Bühne drapieren.

Schon der Beginn des Konzerts steht unter keinem guten Stern. Mit zwölfminütiger Verspätung ertönt als Intro 'The End' von den DOORS aus den Boxen. Und was ist? Die Boxen geben zwischendurch ihren Geist auf, wodurch das Intro abgehackt aus denselbigen dröhnt. Egal. Wir sind ja Profis und lassen uns von solchen Nebensächlichkeiten nicht ablenken. Auf einmal geht alles ganz schnell, und die Band ist urplötzlich auf der Bühne, um gleich mit dem ersten Song loszulegen. Blackie erscheint mit einem W.A.S.P.-Shirt, schwarzen Leggings und Lederstiefeln, die weit über die Knie herausragen. Dabei versprüht er eine Null-Bock-Attitüde, wie ich sie selten von einem Frontmann gesehen habe. Die Band, bestehend aus Doug Blair (lg.), Mike Duda (b.) und Mike Dupke (dr.), ist hingegen bestens drauf. Das bringt jedoch die ersten drei Songs lang nicht viel, da die Drums erst danach auch auf der linken Box zu hören sind. Egal, die Truppe ist sehr bewegungsfreudig und reißt die Klassiker 'L.O.V.E. Machine', 'The Idol', 'Chainsaw Charlie (Murders In The New Morgue)' und 'Blind In Texas' professionell runter. Die Kommunikation mit dem Publikum ist hingegen schon eher auf dem Gefrierpunkt angesiedelt. Blackie sagt lediglich die Songtitel an und übt sich ansonsten in selbstherrlichen Rock-'n'-Roll-Posen.

Bleibt festzuhalten, dass W.A.S.P. für mich die Enttäuschung des Festivals sind. Erschwerend kommt hinzu, dass die Truppe keinen einzigen Song des genialen "The Headless Children"-Albums zockt und darüber hinaus pünktlich von der Bühne abhaut. Ein oder zwei Songs mehr hätten Blackie wahrlich nicht weh getan, aber so bleibt ein mehr als fader Beigeschmack übrig.
[Tolga Karabagli]

Kann man alles so sehen. Und die Verspätung und der zu Beginn fürchterliche Sound sind auch nicht weg zu diskutieren. Doch ich für meinen Teil interessiere mich nur ganz wenig für die Hampeleien des Gesetzlosen am Mikro, sondern singe lieber die zahlreichen Klassiker mit. Und davon gibt es glücklicherweise reichlich. Allein, dass 'The Idol' rausgehauen wird, ist schon ganz großes Kino. Und das aus Tausend Kehlen gesungene 'I Wanna Be Somebody' sorgt ebenfalls für Nackenschmerzen. Zudem ist Blackie stimmlich voll auf der Höhe, so dass mich W.A.S.P. mit leichten Abstrichen überzeugen können.
[Peter Kubaschk]

HAMMERFALL
Es gab eine Zeit, da fand ich HAMMERFALL klasse. Die Schweden waren ein Garant für zwar reichlich unspontane, aber deswegen nicht minder unterhaltsame Bühnenshows und hatten stets einen Sack voll zwar nicht unbedingt besonders origineller, aber auf ihre eher simpel gestrickte Weise mitreißende Songs im Gepäck, die für sehr viel Spaß sorgten. Dazu kam ein Haufen völlig stereotyper Kerle, die sich dort oben zum Affen machten. Oberaffe Magnus Rosén hat jedoch kürzlich den Bass in die Hände seines Vorgängers Fredrik Larsson zurückgereicht, der zwar um einiges attraktiver, aber eben leider auch weniger lustig ist. Bleibt also nur der immer noch klapperdürre Oskar als bevorzugtes Lästerobjekt, dessen heute zur Schau getragener üppiger Metallhüftgürtel jedes Supermodel unvorteilhaft dick erscheinen lassen würde.

An Bewegung mangelt es zwar wahrlich nicht auf der Bühne, allerdings verheddern sich die Schweden, deren nicht zu verkennender Verdienst die Wiederbelebung des traditionellen Heavy Metals zu einer Zeit war, als damit eigentlich kein Blumentopf zu gewinnen war, inzwischen allzu sehr in ihrem selbst gestrickten engen Maschennetz. Die neuen Songs haben bei Weitem nicht die Klasse von früher, und die Ansagen zu den älteren Werken hat man alle schon hundert Mal wortwörtlich so gehört. Hinzu kommt eine gewisse Arroganz, die ihren Höhepunkt erreicht, als Fronter Joacim Cans die unvermeidliche Bandhymne den Fans des wahren Heavy Metals widmet. "This song is not called EDGUY. This song is not called DIO. It's called HAMMERFALL." Ungeachtet der Tatsache, dass Erstere die Schweden nur wenig später locker an die Wand spielen, haben die selbsternannten Vertreter des wahren Heavy Metals sich spätestens jetzt sämtliche Sympathiepunkte verspielt, denn Cans & Co. werden niemals die Klasse eines Ronnie James Dio erreichen. Eine völlig überflüssige Ansage im Rahmen eines emotionslosen Auftritts inklusive künstlich inszenierter Zugabe vor 'Natural High' (da hatte wohl jemand ein Problem damit, nicht die Headliner-Postion inne zu haben, wa?). Selbst die Bühnenkulisse - eine Garnison von Bassdrums (Zehn! Z-e-h-n Bassdrums! Gehts noch? - RD) mit den Buchstaben des Bandnamens - ist vergleichsweise enttäuschend.
[Elke Huber]

Setlist:
Threshold
Templars Of Steel
Riders Of The Storm
Renegade
Blood Bound
Reign Of The Hammer
Glory To The Brave
The Fire Burns Forever
Let The Hammer Fall
Crimson Thunder
Hammerfall
Natural High
Hearts On Fire

EDGUY
Viele haben (mich selbst eingeschlossen) im Vorfeld Zweifel gehegt, ob EDGUY ein würdiger Headliner für das Bang Your Head!!! darstellen. Und um schon mal vorzugreifen: Ja, ja und nochmals ja! Während bei HEAVEN AND HELL am Abend vorher jegliche Magie gefehlt hat, merkt man der Truppe aus Hessen an, dass sie Bock auf Rock hat. Selbst das verbale Dissen von HAMMERFALLs Joacim Cans kann diesem 50.000-Watt-Scheinwerfer namens Tobias Sammet keinen Wind aus den Segeln nehmen. Eher im Gegenteil: Wie Kermit auf Ecstasy stolziert Tobias auf der Bühne, um eine One-Man-Show sondersgleichen abzuziehen. Zwar sieht Tobi mit seinen kurzen Haaren "scheiße aus!" (O-Ton Elke Huber), und die Zebrajacke hätte auch nicht unbedingt sein müssen, aber derartige Geschmacksverirrungen gehören zu einem EDGUY-Konzert wie die "Freibier!"-Rufe zu einem TANKARD-Gig.

Allen Unkenrufen zum Trotz werden die Jungs am letzten Festivaltag, wo gemeinhin die meisten Festivalbesucher nach zwei Tagen Dauerparty aus dem letzten Loch pfeifen, ordentlich abgefeiert. Und da so ein Headlinergig nicht alle Tage auf dem Plan der Fuldaer Spaßcombo steht, werden acht Jahre alte Songs aus der Wundertüte gezaubert. In dem Fall handelt es sich um 'Wake Up The King' vom 99er "Theatre Of Salvation"-Album. Wobei sich der Spaß in dem Zusammenhang auch auf die Performance bezieht, denn die Jungs machen und haben Spaß. Das merkt man ihnen zu jeder Sekunde an. Ganz davon abgesehen muss man Tobi einfach lieb haben. Bei der einen Ansage behauptet er nämlich, dass "wir die Typen sind, die keinen abkriegen". Nachdem ihm sein Fauxpas bewusst wird, versucht er dies zu dementieren, indem er behauptet, dass keiner in der Band schwul sei. Dafür wird er von seiner Band beim darauffolgenden 'Superheroes' netterweise getröstet.

Erwähnenswert ist auch das Schlagzeugsolo, bei dem der 'Imperial March' von "Star Wars" eingebaut wird. Danach verteilt die Band Riesenluftballons im Publikum, deren Halbwertzeit genauso lang ist wie ein vergessenes Bier am Bierstand. Ferner beweist Tobi Mut zum Risiko, indem er während 'Scarlet Rose' auf der Bang Your Head!!!-Kralle spaziert, die normalerweise für die Pyroeffekte vorgesehen ist, und naiv das Publikum fragt "Was is'n das hier?". Nach dem "Anti-Schamhaar-Song" (O-Ton Tobi) 'Save Me' stellt er einmal mehr seinen Mut unter Beweis, indem er die VfB-Stuttgart-Fans im Publikum mit "Nanananana!"-Rufen verhöhnt.

Nach den mehr als genialen Zugaben 'Out Of Control', 'Avantasia' (jaaaaa!) und 'King Of Fools' (ein krönender Abschluss) ist pünktlich um 22.55 Uhr Schluss. Kaum ist der letzte Ton verklungen, wird auch schon das obligatorische Feuerwerk in die Luft geschossen, wodurch die Aufmerksamkeit komplett auf den hell erleuchteten Balinger Himmel gelenkt wird.

Bleibt ein geniales Festival und ein mehr als genialer Headlinerauftritt von EDGUY festzuhalten. Tobias hat während des Konzerts zu den anfangs geschilderten "Bedenken" seine Meinung mehr als offensichtlich zum Ausdruck gebracht. Worte sind zwar schön und gut, was aber letzten Endes zählt, sind Taten. Und da haben EDGUY mit einer sehr geilen Performance jegliche Kritik im Keim erstickt. In diesem Sinne alles Gute, und wir sehen uns alle nächstes Jahr wieder, oder?
[Tolga Karabagli]

Setlist:
Mysteria
Sacrifice
Lavatory Love Machine
Tears Of A Mandrake
Wake Up The King
Sleep With The Fire/The Piper Never Dies
Superheroes
Schlagzeugsolo
Scarlet Rose
Save Me
Fallen Angel
---
Avantasia
King Of Fools

Redakteur:
Peter Kubaschk

Login

Neu registrieren