Bands Battle - Stavenhagen

09.06.2005 | 18:11

02.06.2005, Tankhaus

SONNABEND

Nach dem nächtlichen Gewitter pustet der Wind am Sonntag um die Zelte, als pünktlich um 10 Uhr OVERDRIVE SENSATION ihren Blues-(Schweine-)Rock auf dem Parkplatz vorm Tankhaus unter wechselnd bewölktem Himmel zum Besten geben. Die Untermalung zu Rührei und Kaffee wird mit dem Rücken zur Landstraße dargeboten und begleitet noch ein gutes Stück des Wegs zum Waldbad mit Rutsche und warmer Dusche, das zu Fuß in einer knappen halben Stunde zu erreichen ist. Dies weicht um Einiges von der auf der Festival-Homepage angegebenen, einzukalkulierenden Zeit ab.

Mit Abstecher zum Edeka reicht es trotzdem, um ab 13 Uhr drinnen die Rostocker AUFFE OMME zu begutachten. Die müde bangende Brüllwurst Enno hat ihr SIX FEET UNDER-T-Shirt offenbar mit Bedacht gewählt, denn seine Stimme erreicht durchaus Chris Barnes‘sche Gefilde. Nach einem Song in Grind-Kürze, der sich anfühlt wie der Bandname klingt, wird der 'Knüppel aus dem Sack' geholt: Auf schön fidelnden Gitarren-Einstieg folgt rhythmischer Groove und Leadgitarrist André grunzt mit. "Jetzt kommt mal'n Lied, das sogar 'ne Aussage hat: 'Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom'", das für AUFFE OMME-Verhältnisse nach lahmem Midtempo-Bombast klingt. 'Ich glaub, es hackt' meint Enno dazu. Der eigentliche Bandleader ist ohnehin Leadgitarrist André, der Zwischenansagen macht und mit dem Publikum interagiert. (Gretha Breuer)

Nach den Rostocker Jungspunden sind gestandene Männer aus dem Erzgebirge an der Reihe: Aber auch BLOODSTAINED COFFINs Sänger Ronny Nestler trägt sein EMINENZ-T-Shirt offenbar nicht zufällig, ähnelt sein Gesang doch dem des Annaberg-Buchholzer Underground-Urgesteins mit finsteren Growls und kurzen spitzen Schreien. Die ersten Stücke beginnen schleppend mit schweren Gitarren. 'Cursed To Exist' huldigt anfangs dem Bass, darauf übernehmen wieder die Sechs-Saiter das Regiment. 'Eternity' geht deutlich schneller zur Sache, dennoch klingt der Gitarrensound während der schleppenden Passagen heftiger. Nach 'Vengeance' fackeln BLOODSTAINED COFFIN nicht lange und greifen nach zögerlichen Zugaberufen noch einmal zu den Instrumenten, um vor dem folgenden Kulturschock 'After The Light' darzubieten.
(Thomas Fritzsch / Gretha Breuer)

IRON HORSES? Heavy Metal aus Kröpelin bei Rostock? Nie gehört! Aber nicht nur ich scheine Zweifel zu haben, denn die Halle ist ziemlich leer, als IRON HORSES loslegen. Doch was ist das? Wirklich abwechslungsreicher Heavy Metal von den fünf sehr agilen Norddeutschen. Der Basser sieht aus wie der eineiige Zwilling von Shane Embury und der Sänger rennt ständig bangend und posend auf der Bühne hin und her. Nach den ersten drei Titeln füllt sich die Halle dann plötzlich. Das Publikum ist sichtlich begeistert und auch Johan von CENTINEX klatscht anerkennend Beifall. Von IRON HORSES wird man sicherlich noch viel hören. Sie sind ein echter Livehammer.

Jetzt sollt also ein Phantom spielen. BLUTSTURZ sind sehr kurzfristig für GERNOTSHAGEN eingesprungen und auf der Running Order steht bei der Musikrichtung nur ein Fragezeichen. Wer ist also BLUTSTURZ? Das fragen sich sehr viele und die Halle ist das erste Mal an diesem Tag von Anfang an gut gefüllt. Der Sänger kommt auf allen Vieren und mit Warpaint auf die Bühne gekrochen. Black Metal mit Death Metal-Einschlag, deutsche und englische Texte, von dem äußerst charismatischen Sänger abwechselnd gekeift und gegrunzt, werden hier kraftvoll in Szene gesetzt. BLUTSTURZ kommen sehr gut an und setzen ihrem Gig mit dem letzten Song die Krone auf: Das russische Volkslied 'Katjuscha' in schwarzem Gewand. Tolle Idee und gut umgesetzt.
(Martin "Walzenstein" Baltrusch)

"Melodic Metal" steht auf den bandeigenen Jacken von THE MYSTERY aus der Nähe Düsseldorfs. Das einzige weibliche Bandmitglied beim Bands Battle, deren Sängerin Denise, trägt einen kurzen Lederrock über der Hose zu einer bauchfreien, engen Lederjacke mit Stehkragen und Nieten, was kurz zu "Ficken"-Rufen aus dem spärlich gefüllten Auditorium führt. Davon abgesehen, hat sie eine richtig gute Rockröhre. Sogar Vergleiche mit Doro werden laut. Der kalkuliert wirkende, klassische Heavy Metal wird ohne Mängel vorgeführt und scheint den Gitarristen Alex mit Sonnenbrille zum Posen zu animieren. Denise kann ihre klare, tiefe Singstimme auch kraftvoll variieren. Mit pseudo-kecken, rhetorischen Fragen wie "Sind wir nicht alle ein bisschen schizo?" vor 'Schizophrenia' macht sie sich aber nicht beliebter und mit genretypischem Gitarrengefidel verabschieden sich THE MYSTERY unter Zugabe-Rufen.

Das Etikett "Thrash/Death Metal", welches die Running Order den Finnen PROFANE OMEN verleiht, will nicht recht kleben bleiben: Zu variabel sind die Möglichkeiten der Mittzwanziger, von denen sie weidlich Gebrauch machen. Allein der Gesang wechselt wie selbstverständlich zwischen bösen Growls einerseits und akkuratem Klargesang in melodischen Parts andererseits, optisch unterlegt vom kraftvoll wilden Bangen des Sängers Jules. Und rockröhren kann er auch. Dennoch überwiegen die Growls, vor allem in trashigen Passagen mit Fidelgitarren. Schön, nach dem halbgaren Zeug der vorigen drei Bands endlich wieder etwas Handfestes! PROFANE OMEN scheinen sich zudem wohl zu fühlen: "No hangovers, just great people!" Auch vor angenehm sparsam eingesetzten Emocore-Elementen schrecken die Fünf nicht zurück und die heterogene Songstruktur lässt die Blastparts noch reizvoller erscheinen. 'Adrenaline' von der aktuellen der zahlreichen Eigenproduktionen glänzt mit Breaks, die das Bangen erschweren, sowie flirrender Melodie. Mit 'Die Hard Crew (D.H.C.)' gibt es einen "song for buttheads", bevor Jules den "special guest D.C. Crow" für einen "fuckin' eighties song" ankündigt, wobei dieser True metaligen, hohen Klargesang einbringt. Man munkelt, es sei ein W.A.S.P.-Cover.
(Gretha Breuer)

Die Demokratie ist in Tschechien angekommen, trotzdem müssen alle ADULTERY-Mitglieder mit freiem Oberkörper auf die Bühne – auch der beleibte Gitarrist. Schnellen, atmosphärischen Black Metal ohne Facepainting, aber mit zwei Fackeln neben den Monitorboxen garniert, tragen die Fünf vor. Melodischer Black Metal mit tschechischem Sprechgesang und gesampelten Chören vom DAT wechselt zu einer getragenen Melodie auf schnellem Rhythmus. Diese Weisen stammen von der aktuellen Platte, dem Mittelalter-Konzeptalbum "Slovanská Krev", bei denen der Rhythmusgitarrist die 'clean vocals' übernimmt. Nach der Adaption eines tschechischen Volkslied, bei dem beide Gitarristen den Sänger unterstützen, geben ADULTERY offenbar sehr gern und unter Anfangsjubel eine Zugabe in Form eines Masters Hammer-Covers.
(Thomas Fritzsch / Gretha Breuer)

BATTLESWORD entern die Bühne mit einem neuen Sänger, VENOM-Shirt, Fliegerbrille und überschäumendes Bier tragend. Bei 'Time To Rise' nimmt er zwar die Brille ab, stolpert aber dennoch übers Bein vom Leadgitarristen. Insgesamt sind die AMON AMARTH‘schen Battle Metal-Wurzeln erkennbar, BATTLESWORD haben aber einen Zacken zugelegt. 'Baptized In Fire' klingt gar eine Spur nach Metalcore mit Ausnahme des getragenen Refrains. '13th Black Crusade', der erste Song, der mit dem neuem Sänger zusammen geschrieben wurde, kommt aber in guter BATTLESWORD-Tradition mit hymnischem Gitarrenflirren und aggressivem Rhythmus im Midtempo. Neu dabei: Teile mit Klargesang. Genrespezifische Selbstironie oder simples Posertum: Der Sänger animiert das Publikum zu "Slayer"-Rufen. 'Warriors Of Heaven' kann den AMON AMARTH -Einschlag nicht verhehlen.
Obwohl BATTLESWORD optisch wie eine Schülerband wirken, gelingt ihnen erneut ein tighter Einstieg ins monstrumentale Gitarrengefidel; sie wirken aber müder. Haben sie alles gegeben? Trotz hymnischem Einklang von Gitarre, Drums und Gesang transportieren sie Death Metal-Aggression. Vor 'This Silent Night' bringt der Sänger seine Freude über das Publikum zum Ausdruck: "Vielen, vielen Dank!"
(Gretha Breuer)

Nun ist die Band an der Reihe, die die Meinungen des anwesenden Publikums extrem spaltet. GRABNEBELFÜRSTEN sind on stage und brettern mit rasend schnellem Black Metal los. Der ungewöhnliche Gesangsstil lässt so Manchen die Augen verdrehen. Die Halle bleibt trotzdem gut gefüllt und der symphatische Sänger zeigt, dass man auch ohne Warpaint Black Metal zelebrieren kann. Er steht vor seinem Mikro, zittert und verkrampft sein Gesicht und seine Hände dermaßen, dass es wirklich krank rüberkommt. Passend zu den Texten. Die geforderte Zugabe durften die GRABNEBELFÜRSTEN aufgrund Zeitmangels nicht mehr spielen, aber mit Leckerbissen wie 'Apathie', 'Briefe An Die Toten' und 'Grabgewalt' haben sie an diesem Abend viele Schwarzmetaller glücklich gemacht.

Anschließend wurden DEATH REALITY als Deutschlands Death Metal-Hoffung Nummer Eins angekündigt. Die Jungs aus Sachsen sind richtig motiviert und animieren ihr Publikum zum Bangen. Der technisch versierte Death Metal im US-Stil kommt richtig gut bei Fans und anwesenden Bands an: RAISE HELL waren sichtlich angetan von DEATH REALITY. Auch wenn ich kein Prophet bin; aber DEATH REALITY werden mal ganz Große.
(Martin "Walzenstein" Baltrusch)

Nach einem atmosphärischem Intro, das entfernt an "Conan, der Barbar" erinnert, laden die Ruhrpott Death-Thrasher LAID IN ASHES zur "Freakshow 666". Besonders Sänger Fabian Wallensang steht dabei mit wilden Posen im Vordergrund und gelegentlich im Nebel. Die energiegeladenen Death-Thrash-Knaller der letzten CD lassen nicht lange auf die gebührenden Fan-Reaktionen warten und mit dem Bassisten von BATTLESWORD betätigt sich der erste Crowdsurfer des Abends in sportlicher Körperertüchtigung. Neben purer Aggression kommt auch die Melodie nicht zu kurz und rundet den positiven Gesamteindruck ab. Zufriedener Applaus verabschiedet nach gut 30 Minuten die LAID IN ASHES-Freaks gebührend von der Bühne.

Zerrissene Jeans und Lederjacke – mit RAISE HELL wird der Thrash Metal gefeiert, einfach und konsequent. Dazu rennt ein überaus agiler Sänger Jimmy Fjällendal von einer Seite der Bühne zur anderen, bis ihn der Schweiß zum Ablegen der Lederhaut nötigt. Musik von RAISE HELL zwingt aber auch zur unkontrollierten Bewegung. Sei es bei älteren Liedern wie 'Back Attack' und 'Devilyn' vom 2000er "Not Dead Yet"-Album oder dem Titelsong der kürzlich bei Black Lodge Records erschienenen 7" "To The Gallows" – ein Nackenbrecher jagt den nächsten. Zwischen die Thrash-Infernos wird immer wieder ein großartiger Melodiebogen der Gitarrenfraktion eingeflochten.
Mit der Ankündigung den Fans als nächstes auch mal "Fast Thrash Metal" vor den Latz zu ballern, wird das 'Deathrace' gestartet und ein Short-Time-Moshpit bringt kurzzeitige Eskalation vor der Bühne. Die Stimme des neuen Sängers präsentiert sich äußerst abwechslungsreich und erinnert stellenweise an Blitz von OVERKILL. Mit einem "You were fucking awesome!" verabschieden sich die sympathischen Schweden zwar ohne Zugabe, hinterlassen aber das gute Gefühl einer trainierten Nackenmuskulatur.
(Thomas Fritzsch)

Ebenfalls aus Schweden sind die wahren Schmutzmoritze angereist: Allesamt blut- und dreckbeschmiert lassen sich vor der Geisterstunde – evil guckend – THYRFING feiern. Zum ersten Mal ist es beim Bands Battle nicht ganz einfach, durch die Banger vor die Bühne zu gelangen. Selbst "Guten Abend, Stavenhagen" wird bejubelt, dabei klingen die Dreckigen schneller, aber weniger pointiert als auf CD. Vor allem zu den Songs von "Vannsinnesvisor" wie etwa 'The Voyager' zeigen die ersten sechs Reihen Begeisterung. Die "Wahnsinnsweisen" wirken vor allem durch Sänger Thomas Väänänen genau so, wie sie heißen. Dann wird es nur scheinbar besinnlich: "This song is dedicated to Quorthon. Almost one year ago, a great inspiration left this life." Gitarrist Patrik Lindgren guckt nichtsdestotrotz betont böse.
"Hast du ein Problem mit uns?" fragt Väänänen angepisst auf irgendwelches Geblubber aus dem Publikum. Hier wird spätestens klar, wo der Arroganz-Unterschied zum Underground liegt. Aber 'Kaos Återkomst' mit seinen live prägnanten Leads und Keyboardeinsätzen löst Ansätze von Raserei im Publikum aus. Zum Schluss spuckt Väänänen überraschend Kunst- oder Schweineblut ins Publikum, nachdem er einen großen Schluck aus einer Köstritzer-Flasche genommen hat. Die Flecken im Notizheft haben jedenfalls nach dem Trocknen ihre Farbe ins Dunkle verändert. Eine THYRFING-Zugabe gibt es nicht. (Gretha Breuer)

MATHYR haben nun einen wirklich schweren Stand, denn sie müssen nach den eigentlichen Headlinern ran. Dazu kommt die Uhrzeit, denn die Running Order hat sich deutlich nach hinten verschoben. Dies merkt man leider, denn das Gros des Publikums hat nach THYRFING die Halle verlassen und ward nie wieder gesehen. Das hält aber MATHYR nicht davon ab, alles zu geben und den verbliebenen Fans ihren eindrucksvollen Black Death Metal zu präsentieren. Und das haben sie absolut gut gemacht. Der Sänger schaut während des ganzen Gigs dermaßen grimmig und zeigt ansonsten keinerlei Mimik. Man kann den Thüringern richtig anmerken, dass sie ihren Metal leben. Von Anfang bis zum Ende wird gegrunzt, gekeift, gebangt und die Fans mit Gesten zum Mitmachen animiert. Mit MATHYR haben Animate-Records einen wirklich guten Fang gemacht.

Nachdem mich die Jungs von BLOODSTAINED COFFIN in der Umbaupause mit Lauterbacher dem Alkohol gefügig gemacht haben, kommen nun die von mir mit Spannung erwarteten MOR DAGOR an die Reihe. Ohne Bass, aber mit den wohl längsten Haaren an diesem Tag, gehen sie gleich in die Vollen. Geknüppel á la Belphegor par excellence. Das Stageacting der beiden Gitarristen und Sänger ist schon recht eindrucksvoll, schon allein deshalb, weil es wahrhaftige Hünen sind. Eine halbe Stunde gibt es also die volle Dröhnung und MOR DAGOR kommen mit ihren Blastbeats super bei den Fans an. Was aber auch an dem perfekten Sound liegt, der übrigens bei allen Bands stimmt.
(Martin "Walzenstein" Baltrusch)

Opener auf dem Doom Shall Rise-Festival – letzte Position beim Bands Battle: GORILLA MONSOON lieben offenbar die Extreme. Die Zeiger des Zeiteisens stehen auf 2 Uhr oder eher später. Doch rund 20 Leute harren vor der Bühne aus, um dem Antilopenschädel am Mikroständer zu huldigen. Warum muss die letzte Band immer Doom spielen? Das ist einer ganz wenigen Schwachpunkte des diesjährigen Bands Battle. Immerhin klingen GORILLA MONSOON rockiger als WORLD BELOW am Vortag, reißen um diese Zeit aber auch nicht mehr vom Hocker – Doom meets Rock’n‘Roll. Vergleiche zu Crowbar sind nicht von der Hand zu weisen, aber die Alkoholvernichtungsparty im Backstage-Zelt ist definitiv verlockender.
(Thomas Fritzsch /Gretha Breuer)

Am Sonntag spricht ein müder, aber höchst zufrieden grinsender Interregnum-Jub von gut 500 Gästen, Tageskarten inklusive. Dass die Underground-Bands kein Geld erhalten, stößt zwar einigen Kritikern des Bands Battle sauer auf, aber hier greift simple Mathematik: Wie sollten 28 Bands bei Drei-Tages-Kartenpreisen von 20 Euro bezahlt werden? Und sowohl für Fans als auch für Bands bietet sich in Stavenhagen die Gelegenheit, in familiärer Atmosphäre neue Eindrücke zu sammeln und Entwicklungen zu beobachten.
Wem das nicht genügt, kann sich von Mücken stechen lassen.
(Gretha Breuer)

Redakteur:
Gretha Breuer

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