BIRTH CONTROL - Aachen

04.12.2019 | 20:14

30.11.2019, Musikbunker

Re-BIRTH CONTROL im Öcher Bunker.

Die deutsche Rocklegende BIRTH CONTROL machte während ihrer jüngsten Tournee am 30.11.2019 im Aachener Musikbunker Station. Dass es die Gruppe heute noch gibt, war vor fünf Jahren nicht abzusehen. 2014 starb der Bandkopf Bernd "Nossi" Noske, der einzige Musiker, der bis dahin auf jedem Album von BIRTH CONTROL zu hören war. Doch die Geschichte der Gruppe geht weiter, seitdem zwei Ex-Mitglieder wieder an Bord sind und Nossis Aufgaben übernommen haben, nämlich Peter Föller als Sänger und Manni von Bohr am Schlagzeug. 2016 erschien das aktuelle Studioalbum "Here And Now", das die letzten Aufnahmen mit Nossi enthält und im Mittelpunkt des Konzertes stehen sollte.

Das Vorprogramm im kaum halbvollen Musikbunker bestreitet die Band VIOLETTE SOUNDS, ein Quartett aus dem deutschsprachigen Teil Belgiens. Die Gruppe spielt eine überwiegend instrumentale, sehr retrobewußte Mischung aus Progressive-, Kraut-, Psychedelic- und Hardrock und stellt ihr neues Album "Wild And Blue" vor. Dass das Publikum zwischen den ersten beiden Stücken 'Love Train' und 'Moon' nicht klatscht, liegt daran, dass einigen bei dem jamartigen Sound nicht auffällt, dass soeben ein Lied geendet hat, denn im folgenden ernten die VIOLETTEN SOUNDS durchaus großen Applaus. Leider werden nach der ersten Ansage keine Liedtitel mehr genannt. Bei einer Nummer wird auch gesungen, der Drummer schnappt sich beim ersten, ruhigen Teil des Stücks das Mikro, bevor er für den zweiten, härteren und instrumentalen Part wieder sein Schlagzeug vermöbelt. Beim nächsten Titel spielt der Bassist Geige und bringt eine interessante klassische Note in die Musik. Für ihre in der heutigen Zeit recht ungewöhnliche Musik werden die VIOLETTEN SOUNDS nach etwa 45 Minuten mit anerkennendem Beifall bedacht.

 

Schon kurz darauf befinden sich die Mitglieder von BIRTH CONTROL auf der Bühne, die beim Umbau selbst Hand anlegen. Leider nimmt die Anzahl der Zuschauer bis zum Auftritt der Hauptgruppe nicht mehr stark zu. Nach einiger Zeit geht das Licht aus, und die Band nimmt in einem nahtlosen Übergang vom Soundcheck zum Konzert ein Intro auf, dem zum echten Einstieg der traditionelle Showeröffner 'The Work Is Done' folgt, der leicht umarrangiert wurde und bei dem Peter Föller wie noch einige Male im Laufe des Abends die zweite Gitarre spielt. Im Vergleich zur Vorgruppe ist der Sound lauter, aber keineswegs besser. Auch bei 'Right Place Wrong Time', dem ersten Vertreter der "Here And Now", ändert sich das nicht; die Talk Box von Gitarrist Martin Ettrich geht fast im Klangbrei unter. Doch ab dem anschließenden Dickschiff 'Plastic People' vom gleichnamigen Album ist die Soundqualität deutlich besser, wenn auch nicht optimal. Besonders dieser Long Track macht die Klasse und die stilistische Breite von BIRTH CONTROL deutlich. In einer starken Komposition und einer ambitionierten Struktur ist er ein Beispiel für die eigenständige Kombination aus Prog-, Kraut- und Hardrock, die, wo es passt, auch ein paar Tupfer Jazz oder Funk integriert. Dementsprechend schleppt Peter Föller, ohne eine Miene zu verziehen, immer wieder verschiedene Perkussionsinstrumente ans Mikro.

Seit der Rückkehr der beiden alt-neuen Mitglieder wird auch deren Zeit Mitte bis Ende der 70er bei den Auftritten stärker berücksichtigt, was der Band nur gut tut. Viele ältere Gruppen konzentrieren sich fast nur noch auf ihre vermeintlichen "klassischen" Alben und bewirken dadurch, dass ihre anderen Hervorbringungen aus dem Bewusstsein des Publikums entschwinden. Umso schöner, dass nun 'Titanic' aus Manni von Bohrs Epoche auf dem Programm steht, dass die spielerische Klasse von BIRTH CONTROL beweist, ein wunderbares, ausgiebiges Solo von Martin Ettrich mit nun gut vernehmbarer Talk Box enthält und gegen Ende in 'Back From Hell' übergeht. Nach dem hübschen, neuen Instrumental 'The Witch' sind mit dem älteren 'Trial Trip' und dem jüngeren 'Lost In The Sea' zwei weitere bombastische Werke an der Reihe, die den typischen Bandsound ebenso wie das Können der Musiker demonstrieren. Die Stimmung im Publikum wird immer besser. Zum Finale wird selbstverständlich wieder der Gammastrahl ausgesandt. Über zwanzig Minuten lang zelebriert die Gruppe ihren Referenztitel. Beim perkussiven Teil agiert Keyboarder Sascha Kühn als zweiter Drummer, während die übrigen Bandmitglieder verschiedene Schlaginstrumente spielen. Anschließend sind umjubelte Soli von Bassist Hannes Vesper und Martin Ettrich an der Reihe (mittlerweile ist der Sound richtig gut), bevor die ganze Band wieder abrockt. Die Zuschauer sind aus dem Häuschen.

Kein Wunder also, dass die Band vom begeisterten Publikum gleich wieder auf die Bühne geklatscht wird. Nachdem Musiker und Zuschauer einen lauten Schrei für Nossi gen Himmel gesandt haben, steht als Zugabe der Rausschmeißer der aktuellen Studioscheibe, 'Live In The Here And Now', an. Und diese introvertierte, melancholische Nummer, die schließlich in ein rockiges, furioses Finale mit zwei Gitarren mündet, ist wie geschaffen für eine Zugabe. Bedauern kann man nur die vielen Aachener Rockfans, die sich diesen wunderbaren Konzertabend haben entgehen lassen.

Setliste: Intro; The Work Is Done; Right Place Wrong Time; Plastic People; Titanic (incl. Back From Hell); Wasting My Time; Schlagzeug-Solo; The Witch; Trial Trip; Lost In The Sea; Gamma Ray; Zugabe: Live In The Here And Now

Redakteur:
Stefan Kayser

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