Amorphis - München

08.11.2009 | 20:29

06.11.2009, Backstage, Werk

Schöner kann der Herbst nicht werden: AMORPHIS präsentieren ihr neues Album mit einer göttlichen Performance!

"Dunkelheit. Nebel über der Stadt. Ich mache mich auf den Weg..." Mein Einstieg bei POWERMETAL.de vor zwei Jahren war eine wunderbare Erfahrung: An einem geheimnisvollen Herbsttag habe ich mich voller Euphorie und Neugierde in meinen ersten Konzertbericht für unser Magazin gestürzt. Noch heute denke ich mit einem wohligen Schauer an dieses tolle Konzert von AMORPHIS. Eine Offenbarung, ja, das war es. AMORPHIS wurden an diesem Herbsttag schlagartig eine meiner meistgehörten und meistgeliebten Bands. Zwei Jahre später - wir schreiben das Jahr 2009 - präsentieren die Finnen nun erneut sich selbst und ihr geniales Album "Skyforger" in München. Doch bevor das Highlight des Abends kommt, gilt es wie schon damals eine interessante und eine mehr oder minder unnötige Band abzuwarten.

Beginnen wir mit der unnötigen Vorband des Abends: AMORAL. Okay, was fängt man mit einer Band an, deren Sänger wie eine Mischung aus Tarja Turunen und Bill Kaulitz von TOKIO HOTEL aussieht? Äusserlichkeiten zählen nicht? Okay, was macht man mit einer ehemaligen Thrash-/Death-Metal-Band, die sich den finnischen "Idols"-Gewinner als Sänger geholt hat, der nicht nur wie eine Mischung aus Kermit, der Frosch und einer zwölfjährigen Trällerelse klingt, sondern den Sound der Band von obig beschriebener Räudigkeit in Richtung chartverträglicher Pop-Metal-Hymnen verschoben hat? Genau, da stehen und staunend zusehen, wie eine solide Instrumentalfraktion durch den Weichspüler getrieben wird. Was ich mich während des Auftritts der Band frage, ist, wie schlecht die anderen Kandidaten der Castingshow gewesen sein müssen, wenn so ein gesanglicher Griff ins Klo Sieger wird. Erwartungsgemäß kommen dann auch die Songs besser an, die aus der thrashigen Vergangenheit der Band stammen. 'Hang Me High' versöhnt sogar direkt, da das Zäpfchens des Sängers mal kurz Trällerurlaub macht und der junge Mann zeigt, dass er auch fetziger reinhauen kann. Gut so! Das möchten die Fans hören. Denn Bewegung im Publikum erzeugen eindeutig die eins-zwei-drei-aufs-Maul-Songs. 'Released' vom aktuellen Album "Show Your Colors" weiß zu Beginn mit einem netten Gitarren-Lick zu gefallen, verliert aber massiv mit dem Start des melodischen Gesang-Parts. Tja, Schwamm drüber, denn der Abend beginnt erst noch.

Und das massiv: Kaum sind die Finnen von BEFORE THE DAWN auf der Bühne, tut sich was im Publikum – interessant, dass sich das von Nadine Ahlig beschriebene Phänomen in Berlin auch in München bewahrheitet -und das knapp einen Monat später. Das zeigt vielleicht, dass AMORAL keine wirklich gute Wahl für den Opener eines derartig starken Zweigestirns war. Der melancholische Metal des Quintetts ist allerdings nicht einfach. Wenn man sich Songs wie 'Dying Sun' vom aktuellen Album "Soundscape Of Silence" öffnet, wird man von den getragenen Hymnen schnell eingefangen. Ein wahrer Hingucker ist natürlich der mächtige Mikrofonhalter. Dieser wird von einer strahlenden Sonne gekrönt, dem Logo von BEFORE THE DAWN. 'Exile' lädt zu ausgiebigem träumen ein. Besondere Momente des Konzerts erlebt das mittlerweile gut gefüllte Backstage, wenn lediglich Gitarre und klarer Gesang die Songs tragen. Unterlegt mit einem lockeren Schlagzeug, wirkt die Atmosphäre fast schon intim. Und das ist bei einer Halle mit einem Fassungsvermögen von knapp 2500 Menschen doch recht erstaunlich. Wenn sich die Wogen auftürmen, die Sänger zwischen harschen Metal-Vocals und schönen Melodielinien abwechseln, stürmen Wellen der Begeissterung durchs Publikum. Ja, die Mission ist erfüllt: BEFORE THE DAWN bereiten München auf das Highlight des Abends perfekt vor und können dabei durchaus individuell-markante Highlights landen.

Um kurz nach zehn ist es dann soweit: Die ersten Töne von 'Silver Bride' klingen durch die Boxen und das Münchner Publikum lässt zusammen mit den auf die Bühne stürmenden AMORPHIS keinen Stein auf dem anderen. Oh mein Gott, was für ein unfassbarer Sturm, der da auf der Bühne erzeugt wird. Ganz im Gegensatz zum Publikum auf dem diesjährigen Summer Breeze ist heute Eher Genuss als wildes Gepoge angesagt – und das ist großartig! So kann jeder, ganz wie er mag, zu 'Sampo' tanzen, bangen, träumen und sich in den wunderbaren Hymnen made in Finland vergessen.

Mit dem ultra-starken Album "Skyforger” im Gepäck, stürzen AMORPHIS das Backstage in einen heißen Herbst. Doch nicht allein das neue Album kann mitreißen, im Prinzip wird jeder Song aus dem vielfältigen Schaffen von AMORPHIS mitgesungen und mitgegrölt. Ja, die Band ist zurück an der Spitze des Metals. Nicht zuletzt der Vergleich der Publikumszahlen zeigt, dass sich etwas getan hat: Während 2007 knapp 350 Menschen den Weg zum Auftritt der Finnen gefunden haben, sind es 2009 mit Sicherheit dreimal so viele. Das Backstage brodelt dementsprechend und zeigt der Band, WIE willkommen sie im Süden der Republik ist.

AMORPHIS danken es durch einen intensiven Gig. Mit Spiel, Tanz und Tollerei wird ein atemberaubendes Potpourri angekündigt, das nicht nur einige AMORPHIS-Songs verbindet, sondern auch die ein oder andere finnische Weise implementiert. Den Herren um Tomi Joutsen ist die Länge der Tour absolut nicht anzumerken: Man gibt alles – und noch mehr als das. Im Freudentaumel erleben wir die Vorstellung der neuen Songs von "Skyforger”. 'From The Heaven Of My Heart' wird dabei zur Mitsinghymne - ich glaube, dass dabei so ziemlich jeder in der Halle seine Stimme erhebt. Während des Zugabenblocks wacht das Münchner Publikum noch einmal aus der Trance auf und engagiert sich in einem kleinen Moshpit. Der Höhepunkt dieses Herbstes geht so viel zu schnell vorbei, dass mit den letzten Tönen von 'My Kantele' auch Wemut aufkommt. Doch was solls: Spätestens in zwei Jahren wird es sicher das nächste Album der Finnen und damit auch eine neue Tour geben. Ganz bestimmt. Und so bleibt das Fazit von 2007: "Dann werden wir in die kühle Münchner Nacht entlassen und können immer noch kaum glauben, was wir da eben erlebt haben. AMORPHIS waren einfach unglaublich.”

Setlist AMORPHIS: Silver Bride, Sampo, Towards And Against, Castaway, The Smoke, Majestic Beast, Alone, Silent Waters, Potpourri (Medley), From The Heaven Of My Heart, Sky Is Mine, Black Winter Day. Zugaben: Sign, House Of Sleep, My Kantele


Redakteur:
Julian Rohrer

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