2. Musicxtreme-Festival - Hanau

10.04.2008 | 20:41

29.03.2008, Halle 2

Der Besuch des Musicxtreme-Festivals ist für mich immer eine Art Blind Date, weil hier vorwiegend Bands spielen, die ich zuvor noch nicht gesehen habe. Abgesehen von DOWNSCAPE, an deren Teilsieg bei der hessischen WACKEN METAL BATTLE 2007 ich teilhaben konnte, und ILLDISPOSED, die ich in dunkler Vergangenheit auf dem Rock Hard Festival gesehen habe, sind mir die geladenen Künstler nur namentlich bekannt.

Meine Motivation, dieses kleine und noch junge Festival zu besuchen, hat auch damit zu tun, dass ich das unermüdliche Engagement der Macher unbedingt für unterstützenswert halte. Das kleine Team um die treibende Kraft Evelin Adam bringt neben einer gehörigen Portion Idealismus auch viel Zeit und harte Arbeit auf, um den Fans einen krachenden Metalabend zu servieren.

Und der beginnt heute gegen 19.00 Uhr mit der Karlsruher Black-Metal-Combo LYFTHRASYR. Sie hat die undankbare Aufgabe, vor noch relativ spärlichem Publikum zu eröffnen, und tut dies mit einer Reihe von Songs, die melodiöse Elemente mit den üblichen Black-Metal-Versatzstücken vereinen. Durch die Beteiligung des heute gern genutzten Keyboards wird LYFTHRASYRs Musik etwas weicher, ohne sich in übersteigertem Bombast zu verlieren. Das ist durchaus angenehm zu hören, dennoch vermag mich die Darbietung der Karlsruher so richtig nicht zu entflammen. Sänger Aggreash ist allerdings ein überzeugendes Talent hinsichtlich der Bühnenpräsenz zu bestätigen. Er vermag sich aussagekräftig in Szene zu setzen und vermittelt mit seinem stechenden Blick – ich möchte fast meinen, er hat sich eigentümliche Kontaktlinsen eingesetzt – jene finstere Atmosphäre, die LYFTHRASYRs Musik in letzter Konsequenz dann doch nicht ganz erreicht.

Da wir aber noch einen langen Abend vor uns haben, ist dieser sanfte Beginn zur Einstimmung gar nicht verkehrt. Und mit der nächsten Band geht es dann schon erheblich zünftiger zur Sache. Die hessischen DOWNSCAPE stehen auf dem Programm und legen sich von Anfang an mächtig ins Zeug. Dazu trägt ganz erheblich Shouter Kai bei, der sich nach Auffassung eines Fachmanns im Publikum im vergangenen Jahr zu einer richtigen "Bühnenfrontsau" entwickelt hat. Ich wundere mich eher über Kais Energie, mit der er nicht nur fette Death-Metal-Vocals hervorbringt, sondern auch kraftvoll auf der Bühne herumspringt bis hin zu einem Satz ins Publikum, in dessen Mitte sich inzwischen ein fröhlicher Moshpit gebildet hat.

DOWNSCAPE, die bisher eine CD auf den Markt geworfen haben, brettern eine reichliche halbe Stunde über die Bühne hinweg. Ihre Show ist lebendig, dynamisch und professionell. Dass die Jungs vor allem selbst Spaß an dem haben, was sie da machen, ist nicht nur unschwer zu erkennen, sondern ich erfahre es auch in einem sich an die Show anschließenden Interview mit den hessischen Helden.

Das Publikum ist auf jeden Fall im Anschluss an diesen Gig hellwach und darf sich auf die Hamburger NEGATOR freuen, die ich komplett verpasse, weil ich mich im überfüllten Backstagebereich herumdrücke, um DOWNSCAPE einige Statements zur Sache zu entlocken. Im Nebenraum bereiten sich derweil bereits DARK FORTRESS auf ihren Auftritt vor, auf den ich wirklich gespannt bin, nachdem ich unlängst ihr aktuelles Album "Eidolon" zu Rezensionszwecken beleuchtet habe. DARK FORTRESS' heutiger Gig ist Teil ihrer Anfang März begonnenen "Dark Essence Alliance Tour", bei der natürlich erwähntes Album im Mittelpunkt steht. Meine Hoffnungen bezüglich des heutigen Abends enttäuschen die Landshuter Black-Metaller nicht. Ihnen gelingt, was mir bei LYFTHRASYR gefehlt hat. Die Songs sind finster, aber dennoch melodiös ansprechend, und die Performance der Musiker erzeugt jene angespannt-düstere Stimmung, die zu dieser Art des Metal gehört.

DARK FORTRESS gewinnen durch die Politik des "weniger ist mehr". Im Styling bedienen sie sich zwar auch des Corpsepaint, halten sich aber bei ihrer Garderobe mit aufgemotzter Nietenkluft zurück. Sänger Morean, der nach dem Weggang seines Vorgängers Azathoth erst im Entstehungsprozess von "Eidolon" zur Truppe gestoßen ist, verbindet die einzelnen Songs mit sparsamen Ansagen und vermeidet es so, die mystische Stimmung in der Halle zu zerreißen. Das Publikum, inzwischen in wachsender Zahl vorhanden, scheint durchaus gebannt, hält sich aber in punkto Mitmachaktivitäten eher zurück. Auch die Künstler suchen nicht die direkte Kommunikation mit den Fans, dennoch erlebe ich dies nicht als Manko, sondern empfinde die zurückhaltende Art der Band als passend zum Gesamtarrangement. Die komplexen DARK FORTRESS-Kompositionen laden eben nicht zur Feierlaune ein, sondern entlassen den Zuhörer – auch an diesem Abend – beeindruckt in verhaltene Stimmung.

Im Anschluss wird es wieder etwas leichtfüßiger. EQUILIBRIUM stehen auf dem Programm, mit denen ich mich bisher nur wenig befasst habe. Als deutschsprachige Pagan-Metal-Band sind die Münchner mir beschrieben worden, und davon erwarte ich nicht allzu viel. Deutschsprachig sind sie tatsächlich, zumindest zum Teil, aber ich bin überrascht, dass die im Outfit eher an eine Schülerband aus der Alternative-Ecke erinnernde Combo musikalisch ziemlich knüppelhart loslegt. Der schrille Gesang von Helge Stang erinnert mich an CRADLE OF FILTH und geht mir damit gleich ein bisschen auf den Keks. Beeindruckt bin ich hingegen von Sandra Völkl, der kleinen Bassistin EQUILIBRIUMs, die als weibliches Wesen am Saiteninstrument letztlich immer noch eine Ausnahme darstellt. Für die Fans in der Halle 2 ist das aber alles nicht neu. Sie feiern EQUILIBRIUM überraschend fett und prügeln sich lustig im zweiten Moshpit dieses Abends. Offensichtlich wissen hier die meisten ganz genau, was ihnen an EQUILIBRIUM gefällt. Mich hingegen erreichen die zarten Black-Metaller letztlich nicht. Irgendwie fehlt mir hier das i-Tüpfelchen. Den Arrangements fehlen die großen Melodien, für mich zünden die Songs in letzter Konsequenz nicht richtig. Und die Performance mutet für mich ein wenig so an, als stünden hier ein paar Fans selbst auf der Bühne. Das ist zwar ein durchaus sympathischer Gedanke, aber etwas runder hätte ich mir die Show einer Band, die eben keine Schülerband mehr ist, dennoch vorgestellt.

Bei den letzten Songs beginne ich mich zu langweilen und stelle mit einem Blick auf die Uhr fest, dass das Musicxtreme-Festival zeitlich kräftig im Verzug ist. EQUILIBRIUM verlassen erst um zwanzig nach zwölf die Bühne, obwohl zu dieser Zeit ILLDISPOSED schon seit zwanzig Minuten hätten spielen sollen. Man treibt sich also tatsächlich schon seit mehr als fünf Stunden in der Location herum, und dies ist vielleicht auch der Grund dafür, dass ich ganz langsam fürchterlich müde werde. Offensichtlich bin ich auch nicht die Einzige, denn nach einem Höhepunkt irgendwann vor zwei Stunden hat sich die Konzerthalle inzwischen doch wieder beträchtlich geleert. Lediglich ein paar Unentwegte warten noch auf die dänischen Death-Metaller von ILLDISPOSED.

Als ich sie vor einigen Jahren zur Mittagsstunde auf dem Rock Hard Festival gesehen habe, war Sänger Bo Summer bereits betrunken, und so ist es auch heute Abend. Nach einem verwunderlichen DEPECHE MODE-Intro um zehn vor eins morgens taumelt Bo mit schwerer Zunge auf die Bühne und wundert sich darüber, dass die verbliebenen Fans bereits nach dem zweiten Song eine Zugabe verlangen. Ein kleines Witzchen, ts, ts! Ich überzeuge mich davon, dass der ganz offensichtlich in hohem Maße alkoholtolerante Bo Summer noch singen kann, ohne seinen Text zu vergessen – er kann es –, und ziehe dann die Reißleine. Um viertel nach eins bin ich definitiv ermattet und verpasse den Rest des Festivals leider aufgrund leichter Ermüdungserscheinungen ebenso wie im vergangenen Jahr.

Insgesamt bin ich mit dem Festivalverlauf dennoch zufrieden. Mit DOWNSCAPE und DARK FORTRESS habe ich zwei überzeugende Bands genossen, deren weiteres Wirken unbedingt im Auge behalten werden sollte. Dass die übrigen Kandidaten vielleicht nicht meine Favoriten waren, muss keine Rolle spielen, hat sich doch ein Großteil des Publikums augenscheinlich gut amüsiert. Schade ist letztlich, dass das Festival nicht ausverkauft war. Unkonventionelle Veranstaltungen bleiben leider für die Veranstalter ein Risiko, umso mehr ist der Mut zu honorieren, solcherlei Events überhaupt zu wagen. Für das dritte Musicxtreme-Festival wünsche ich mir, dass es ein bisschen eher anfängt, damit auch Seniorinnen wie unsereins bis zum Schluss aushalten.

Redakteur:
Erika Becker

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