WITCHERY: Interview mit Sharlee D´Angelo

01.01.1970 | 01:00

Pünktlich zum "Trashback 2001" melden sich auch die Ikeaverwüster von WITCHERY wieder. "Symphony For The Devil" ist zweifelsohne ein bärenstarkes Album geworden, zu dem mir Bassist und Hansdampf in allen Gassen Sharlee D´Angelo in seiner gewohnt lustigen Art bereitwillig Auskunft gab:

Rouven:
Sharlee, wie hat die Presse euer neues Album bisher denn aufgenommen?

Sharlee:
Sehr gut soweit! Ich habe eine Menge an positiven Reaktionen auf "Symphony For The Devil" bekommen - wobei es natürlich auch sein könnte, dass die Leute lügen, haha! Ziemlich oft hiess es allerdings: "Irgendwie hab ich was schnelleres erwartet...", was mich auch ein bisschen ärgert. Jetzt liefert man das abwechslungsreichste Album der Bandgeschichte ab, und schon haben einige wieder was zu meckern. Aber wir als Band sind mit der Scheibe echt zufrieden, von daher ist das nicht so tragisch.

Rouven:
Eine Frage, die sich bei einer Band wie WITCHERY immer stellt: Seht ihr, die fast alle nebenher noch Projekte am Laufen haben, WITCHERY als richtige Band an und nehmt die Sache auch dementsprechend ernst? Gerade du hast mit MERCYFUL FATE und ARCH ENEMY noch zwei Bands "nebenher", die eigentlich noch grösser als WITCHERY sind.

Sharlee:
WITCHERY sind für jedes Bandmitglied eine richtige und ernstzunehmende Band! Wir konzentrieren uns alle voll und ganz auf diese Band, wenn wir Songs schreiben oder einfach nur im Proberaum jammen. Wenn wir zusammen sind gibt es einfach nichts ausser WITCHERY, da ist jedes andere Projekt, jede andere Band uninteressant. Diese Arbeitsweise brauchst du allerdings auch, denn sonst bist du nicht effizient, und ich denke schon, dass wir das sind!

Rouven:
Effizient thrashig auf jeden Fall. Wobei "Symphony For The Devil", wie bereits von dir erwähnt, das mit Abstand vielfältigste Werk der Band ist und durch sein Abwechslungsreichtum zu begeistern weiss. Hattet ihr einfach keinen Bock drauf, ein weiteres, only-fast-forward-Teil aufzunehmen?

Sharlee:
So siehts aus. Sowas macht vielleicht ein-, zweimal Spass. Danach wirds zum Einen langweilig und zum Anderen haben wir allesamt so viele verschiedene musikalische Einflüsse, die man nicht nur mit Thrashgranaten einbringen kann. Und, was eigentlich jeder Musiker will, ist eine Art Weiterentwicklung. Wir sind bereits mit dem zweiten Album ein wenig stehengeblieben - und wer jetzt noch unser Debut oder das zweite Teil besser findet als "Symphony For The Devil", dann kann es sich nur um einen musikalischen Kleingeist handeln, haha!

Rouven:
Du hast gerade die musikalischen Einflüsse von WITCHERY angesprochen - welche Bands wären das denn?

Sharlee:
Eine Menge! Die SCORPIONS zum Beispiel.

Rouven:
Nicht wirklich, oder?

Sharlee:
Doch! Natürlich die alten Sachen. Der Anfang von "Omens" ist fast schon bei ihnen geklaut, mir fällt nur gerade nicht der Song ein...ich glaube, "China White" oder so ähnlich. Ausserdem natürlich die grossen klassischen Heavy Metal-Bands wie JUDAS PRIEST oder ACCEPT, mit deren Musik wir alle aufgewachsen sind. Oder auch BLACK SABBATH. Und eine Menge mehr, mir fällt nur im Moment kein grösserer Name ein. Das alles gut gemischt und auf aggressiven Metal getrimmt ergibt dann WITCHERY.

Rouven:
Haben - rein zufällig - THE HAUNTED oder auch RAISE HELL Einfluss auf die Entstehung von "Symphony For The Devil" gehabt? Erinnert mich teilweise ein bisschen an diese Bands, die Scheibe.

Sharlee:
RAISE HELL? (lacht) Nein, ne Menge anderer Bands vielleicht, aber sicherlich nicht RAISE HELL! Die Frage müsstest du eigentlich andersrum stellen, denn RAISE HELL kupfern viel ab. Also das war eindeutig keine Inspirationsquelle. THE HAUNTED mag ich, aber die haben ihr Debut ja erst rausgebracht, als es WITCHERY schon längst gab...

Rouven:
Nungut - Hätte ja sein können. Wieso sind WITCHERY eigentlich zu Music For Nations gewechselt? Probleme mit dem alten Label?

Sharlee:
Naja, in gewisser Weise schon. Acropolis sind nun mal hauptsächlich auf dem amerikanischen Markt heimisch und haben von daher kaum genügend Überblick über die Szene in Europa, die im Vergleich zu den USA viel grösser ist. Hinzu kamen noch Schwierigkeiten mit dem Beliefern des europäischen Markts, und somit haben wir beschlossen, uns ein europäisches Label zu suchen - eben Music For Nations.

Rouven:
Die sind, bzw. waren bisher aber nicht gerade für gängige Metalrichtungen bekannt - wieso gerade MFN?

Sharlee:
Die Labelpolitik gefällt uns sehr. MFN haben nicht allzu viele Bands in den einzelnen Genres, sondern in jedem nur eine Handvoll, dafür decken sie aber fast das gesamte Metal-Spektrum ab. Somit hat man wirklich gute Chancen auf eine angemessene Promotion und auf Unterstützung.
Um Probleme wie die mit Acropolis und Europa zu vermeiden, haben wir jetzt für jeden Markt eine eigene Plattenfirma bzw. Promotionagentur. In Amerika machen das weiterhin Acropolis, in Japan Toy Factory und hier in Europa eben MFN. Die Welt gehört uns, haha!

Rouven:
Hast du von eurem neuen Label denn schon erfahren, ob und wann ihr auf Tour geht?

Sharlee:
Ja, etwas weiss ich schon. Wir werden voraussichtlich im Januar oder Februar 2002 über Europa herfallen. Geplant ist allerdings keine Headlinertour, dafür sind WITCHERY nicht gross genug...zumindest noch nicht! Wir möchten am liebsten eine relativ bekannte Band begleiten, und es laufen auch bereits die ersten Verhandlungen. Mit wem, das darf ich leider noch nicht sagen.
Eigentlich hatten wir auch vor, mit auf diese grosse US-Tour zu gehen, bei der u.A. NAPALM DEATH und DIMMU BORGIR dabei sind. Naja, waren, denn beide haben die Sache aufgrund der aktuellen Situation gecancelt. Da haben wir dann auch nachgezogen, das ist einfach zu brisant. So weit ich weiss ist sogar die ganze Tour abgesagt worden. Schade, denn das wäre eine grosse Chance für uns gewesen, diese "Traveling Festivals" (ähnlich dem No Mercy hier in Europa - Anm. d. Verf.) kennt man in den USA so gut wie gar nicht. Vielleicht ein andermal...

Rouven:
Was hältst du eigentlich von dem momentan anlaufenden "Thrashback"? DESTRUCTION sind stark wie nie zuvor, KREATOR gehen Back to the Roots und SODOM kündigen das stärkste Album der Bandgeschichte an. Ist das für dich alles ne coole Sache, Kalkül oder interessiert dich das gar nicht?

Sharlee:
Oh doch, das interessiert mich sehr, zumal ich ein grosser Fan von DESTRUCTION und KREATOR bin. Ich glaube, gerade Mille & Co. werden neben dem Lob auch eine Menge Kritik einstecken müssen von Leuten, die meinen, sie würden sich lediglich auf die Achtziger beschränken. Wenn man sich "Violent Revolution" genau anhört, so stellt man fest, dass die Scheibe eine Art Mixtur aus allen bisherigen KREATOR-Platten ist. Genauso sehe ich das bei DESTRUCTION - die klingen alleine schon technisch besser als früher.
Aber ich hätte nie erwartet, dass KREATOR solch ein Album veröffentlichen würden. Vor ca. Zwei Jahren hab ich mich mit Mille unterhalten, da meinte er noch, selbst wenn er wollte, könnte er nicht wieder solche Songs schreiben wie früher - anscheinend klappts doch noch, und wie!

Rouven:
Was mich sehr interessiert - kannst du als Musiker eigentlich von der Musik, die du machst, leben?

Sharlee:
Ja, mittlerweile schon. Ich spiele ja nicht aus Spass an der Freude in drei verschiedenen, relativ grossen Bands, sondern eben weil ich ja auch Geld zum Leben brauche. Man kann davon leben, das auf jeden Fall. Zwar nicht im Reichtum, aber es reicht für ein ordentliches Leben.
Das Problem, das du als Musiker mit einem normalen Job immer haben wirst, ist, dass du eben auch auf Tour gehst - und die dauert nicht immer nur zwei Wochen! So einen flexiblen Job, wie du ihn als professioneller Musiker nebenher bräuchtest, den gibt es einfach nicht. Also bleibt mir nichts anderes übrig, als mir mein Leben mit der Mucke zu finanzieren, haha!
Negative Seiten gibt es selbstverständlich auch - du machst dir ständig Sorgen um die Zukunft, denn momentan läufts gut, aber wie siehts denn morgen aus? Oder im nächsten Jahr? Du weisst nie, was passieren wird und wie sich die Sache, die Band entwickelt.
Wenn es irgendwann mal ganz schlecht aussehen sollte, wäre natürlich Selbstmord noch eine Lösung.

Rouven:
Bitte?

Sharlee:
(lacht) Nee, war nur ein Gag. Aber falls es doch eines Tages passieren sollte...

Rouven:
...remember where you read it first!
Jetzt mal was anderes, nicht direkt WITCHERY betreffend: Wann dürfen wir armen Europäer endlich mit der Veröffentlichung des neuen, längst fertigen (und in Japan auch bereits erhältichen - Anm. d. Verf.) ARCH ENEMY-Album rechnen? Und gehts Angela (Gossow, Vocals) mittlerweile wieder besser?

Sharlee:
In Europa wird das Teil leider erst im Januar erscheinen, sorry! Was Angela betrifft, ihr geht es soweit ganz gut. Ihre Stimmbänder sind wieder in einem guten Zustand und sie braucht nur noch etwas Ruhe. Ausserdem wird sie wohl in Zukunft ein wenig Gesangsunterricht nehmen, auf Anraten des Arztes. Glücklicherweise hat man diese Bläschen recht früh festgestellt, denn sonst könnte sie möglicherweise jetzt gar nicht mehr singen!
Nebenbei noch was kurioses zum neuen ARCH ENEMY-Album: In Kanada sind wir in den Import-Charts auf einem erstaunlichen dritten Platz damit! Die Lösung des erfreulichen Rätsels: Im Internet gibt es wohl einen CD-Shop, der sich auf Asien-Importe spezialisiert hat. Und da haben massig Kanadier bestellt...coole Sache auf jeden Fall, das stimmt zuversichtlich für Europa.

Rouven:
Stichpunkt Internet: Was hältst du von der ganzen Sache samt (Ex-)Napster und Co.?

Sharlee:
Das Netz ist schon eine klasse Sache. Nirgends bekommst du deine Informationen schneller, und nirgends kannst du Neuigkeiten schneller verbreiten. Und das fast auf der ganzen Welt. Ich glaube, in der Zukunft, vielleicht in zehn, zwanzig Jahren, wird fast alles über eine internetähnliche Technologie laufen.
Was die mp3-Tauschbörsen angeht, so ist das für den Underground natürlich eine löbliche Sache, für viele grössere oder aufstrebende Acts kann es aber auch ärgerlich sein, wenn deine Alben umsonst im Internet zum Download rumgeistern. An was viele allerdings bei der ganzen Rummotzerei nicht denken, ist, dass ganz viele Metalfans richtige Freaks sind. Die wollen nicht nur einfach die Musik auf einer gebrannten CD haben oder ein paar Dateien auf ihrem Rechner, nein, die wollen diese Musik besitzen, sie ihr Eigentum nennen, und das als Original-CD. Meiner Meinung nach gibt es in keinem anderen Musikbereich so einen Sammelwahn wie beim Metal. Schau dir doch einfach mal die ganzen Special Editions, Digipacks oder sonstiges an, von den restlichen Fanartikeln mal abgesehen. Von daher finde ich die Aufregung etwas übertrieben, denn den Metal wird das nicht massgeblich betreffen.

Rouven:
So, abschliessend würde mich noch deine aktuelle Playlist interessieren!

Sharlee:
Argh, ich wusste dass das kommen würde...moment, ich gehe mal schnell zum CD-Player und schau einfach, welche CDs direkt daneben liegen. Das ist dann meine Playlist, ok? (lacht)
Also, da haben wir:
1. Entombed - Morning Star
2. Kreator - Violent Revolution
3. Destruction - The Antichrist
4. Opeth - Blackwater Park
5. Cradle Of Filth - Bitter Suites To Succubi

Redakteur:
Rouven Dorn

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