WACKEN 2010!!! Im Gespräch mit Thomas Jensen

02.07.2010 | 09:00

Anfang August ertönt das Horn - die Heilige Woche beginnt und wird wieder rund 80.000 Metalheadz in unser aller Lieblingsdorf locken. Wir haben uns Veranstalter Thomas Jensen für Euch geschnappt.

WACKÖÖÖÖÖÖN tönt es durch die Straßen, durch die Keller, durch die Höhlen der Maulwürfe und durch zehntausende Zelte hindurch. Die Zeit ist reif. Das erste August-Wochenende ist traditionell in Metaller-Hand. Die Welt kommt zusammen, um auf den schleswig-holsteinischen Wiesen gemeinsam den Humpen zu heben und sich bei mehr als 80 Bands gehörig den Schädel weg zu feiern. Und damit das auch im Jahre 2010 so erfolgreich weitergeht, ziehen die Verantwortlichen das ganze Jahr über die Fäden im Hintergrund. Einer dieser guten Geister ist Thomas Jensen, der nicht nur hinter der Bühne für Alarm sorgt, sondern auch mit seiner Band SKYLINE am Donnerstag die Hauptbühne eröffnet. Wir haben uns das Wacken-Urgestein für einen netten Schwatz geschnappt.

Enrico:
Hallo Thomas – das Wacken Open Air 2010 rückt immer näher. Wie sieht es im Moment auf dem Acker aus?

Thomas:
Friedlich – denn noch steht gar nichts. In der Regel beginnen wir erst zwei Wochen vor Festivalbeginn mit dem Aufbauen. Anfang Juli kommt eventuell das erste Material, aber das wird für die Außenwelt nicht sichtbar sein.

Enrico:
Welchen Aufgaben geht ihr im Moment nach?

Thomas:
Planen und Koordinieren. Wir sitzen an den Infrastrukturmaßnahmen, vor allem an einem Regenleitungssystem. Vor wenigen Tagen hat die Gemeinde diese Baumaßnahme in einem kleinen feierlichen Akt abgenommen. Wir hoffen, dass es funktionieren wird.

Enrico:
Flattern euch immer noch die Nerven ob auch alles glatt geht oder hat sich über die Jahre ein System entwickelt?

Thomas:
Natürlich haben wir eine gewisse Routine, was die Vorbereitungen anbelangt, aber dennoch gibt es auch immer wieder neue Herausforderungen. So zum Beispiel die angesprochene Infrastrukturmaßnahme, welche wir durch all die Wetter-Erfahrungen der letzten Jahre für nötig halten. Diese enthält  neue Wasserleitungen und Stromleitungen. Das ist alles sehr neu, daher müssen wir sehen, ob diese Geschichte überhaupt funktioniert.

Enrico:
Wir der Fan von solchen Neuerungen etwas mitbekommen?

Thomas:
Wenn alles funktioniert, wird der Fan das nicht sehen. Hoffentlicht nicht (lacht). Solange alles funktioniert, ist das für den Fan Business as usual - er merkt es nur, wenn etwas nicht funktioniert.

Enrico:
Wie letzte Woche beim Sonisphere-Festival in der Schweiz – einmal Regen und der Weltuntergang ist da.

Thomas:
Genau – so sieht es eben dann aus, wenn man sich keine Gedanken macht. Wir haben mittlerweile 21 Jahre Erfahrung und immer den gleichen Standort, eine riesiger Vorteil. Daher haben wir mit Ingenieurbüros, mit dem Land Schleswig-Holstein und unserem Produktionsteam eng zusammengearbeitet. Unser Produktionschef Thomas Hess ist auch schon ewig dabei. 1996 war er noch mit einer Band dabei und zwei Jahre später dann direkt für das Festivals. Es sind unglaublich viele Leute mit dem Festival zusammen gewachsen und verfügen über einen enormen Erfahrungsschatz. Auf diese Erfahrung greifen wir zurück und versuchen, uns auf alle möglichen Situationen einzustellen. Aber bei einem Open Air Festival kann man sich jedoch nie zu 100% auf alles einstellen.

Vier Tage gleicht Wacken einer Großstadt. Wo vorher 2.000 Einwohner friedlich beieinander wohnen und sich höchstens über die Länge der Grashalme streiten, rumpelt es Anfang August gewaltig. Über 80.000 Menschen überfluten das kleine Örtchen. Doch die Wackener haben das Festival längst in ihr Herz geschlossen und profitieren auch selbst von den Menschenmassen. Fast jede Familie nutzt ihren Vorgarten, um daraus ein wenig Profit zu schlagen. Frühstücksstände, Bierstände oder die hausgemachte Marmelade sind nur einige der Köstlichkeiten, die man auf der Hauptverkehrsstraße erwerben kann. Ein Dorf steht Kopf. Doch was macht Thomas Jensen an den närrischen Tagen?

Thomas:
Unsere Aufgabe ist es, das Festival am Laufen zu halten. Das Festival ist wie eine kleine Stadt und da passiert immer mal was. Zum Beispiel, dass eine Schweizer Band ihr Equipment nicht über den Zoll bekommt, oder das was kaputt geht. Meistens sind es Probleme, wie sie auch bei einer Tour anfallen - eben der normale Wahnsinn: Shuttle, Stau oder das Passsystem. Und natürlich die Logistik, also Versorgung und Entsorgung.

Enrico:
Findest du die Zeit, dir auch ein paar Bands anzusehen?

Thomas:
Mittlerweile schon. Das hat sich über die Jahre extrem verbessert. Früher haben wir gar nichts gesehen oder eben nur dann, wenn wir auf der Bühne gearbeitet haben, als Stagemanager zum Beispiel. Aber ein echtes Konzerterlebnis ist das natürlich auch nicht (lacht). In den letzten drei Jahren habe ich mir die Highlights immer angesehen. Ich schaue mir heutzutage auch tagsüber eine oder zwei Bands an und blicke auch bei der Metal Battle in der W.E.T.-Stage mal vorbei. Oft erlebe ich dann auch nur zwei oder drei Songs, aber besser als nichts.

Enrico:
Weil du gerade von der WET-Stage sprichst. Viele Fans bemängeln die geringe Größe. Was wollt ihr dagegen tun?

Thomas:
Die W.E.T.-Stage ist ja in den letzten Jahren immer größer geworden. Da müssen wir in Zukunft sehen, wie wir das handhaben. Dieses Jahr haben wir erstmal die Bodenverhältnisse verbessert. Das war sonst immer ein großes Problem bei heftigen Regenfällen. Wir haben uns auch überlegt, eventuell die Seitenplanen raus zu nehmen. Aber das hängt immer vom Wetter ab.

Enrico:
Wie lange dauert es nach dem Festival, bis es wieder schick auf den Wiesen ausschaut?

Thomas:
Der Grobabbau dauert ungefähr eine Woche. Nach der Woche sieht das schon wieder relativ schick jetzt. Aber dann haben wir noch einen Nachlauf von zwei bis drei Wochen, das hängt immer vom Wetter ab. Wir nehmen uns als Ziel immer vor, dass nach drei Wochen nichts mehr zu sehen ist.


Das Wacken Open Air dreht sich fast nie um Headliner. Der Mix aus großen und kleinen Bands lockte jedes Jahr mehr und mehr Metaller in die Pampa und sorgte dafür, dass das Festival viel größer als die auftretenden Bands wurde. Wacken wurde Kult. 2008 verfolgte man mit der Verpflichtung von IRON MAIDEN für ein erstes großes Ausrufezeichen. Doch bereits im Jahr darauf war der Mega-Überheadliner nicht auszumachen. Man ruderte wieder zurück? Keineswegs – vielleicht sparte man auch nur das hart verdiente Geld und steckte es in das 2010er Line Up.

Denn zur "Night To Remember“ stürmen nicht nur IRON MAIDEN zum zweiten Mal die Wacken-Bühne, sondern mit MÖTLEY CRÜE und ALICE COOPER noch zwei weitere Mega-Acts. Wo soll das hinführen? Worauf freut sich Thomas am meisten?

Thomas:
Klar, am Donnerstag spielen die ganzen Klassiker, aber ich will mir auch unbedingt unsere Israelis von ORPHANED LAND anschauen. Für die organisieren wir ja die Tournee, aber ich habe sie noch nie live sehen können. Sonst muss ich leider auch immer hoffen, dass ein wenig Zeit über ist.

Enrico:
Schaut ihr euch andere Festivals an, um zu schauen, was die Konkurrenz so treibt? Erst letztens hab ich deinen Kollegen Holger beim Rock am Ring getroffen.

Thomas:
Natürlich. Wir sind auch mit Bands viel unterwegs, so zum Beispiel mit SAXON, welche wir betreuen. Da lernt man viel. Wir sind jahrelang aufs Sweden Rock, Graspop oder auch auf kleinere Festivals gegangen, die es mittlerweile schon gar nicht mehr gibt, und schauen uns ihre Umsetzung an. Holger war kurz beim Rock am Ring und ist wohl auch kurz beim Roskilde gewesen, wir sind also permanent am Schauen und Ideen sammeln. Das muss aber nicht unbedingt nur ein Musik-Event sein, sondern kann auch eine Sportveranstaltung sein.

Enrico:
In den letzten Jahren war das Wacken Open Air immer ausverkauft. Da ihr selber das Festival nicht vergrößern wollt, seid ihr dort an die Grenzen gekommen und habt das Optimum erreicht. Was will man dann aber noch verbessern? Wird die Suche nach Optimierung nicht von Jahr zu Jahr schwerer?

Thomas:
Na klar. Wir haben dennoch in den letzten Jahren viele Neue Sachen ausprobiert. Vieles hat funktioniert, vieles nicht. Aber wir hoffen natürlich immer, dass den Leuten unsere Ideen gefallen. Klar wird es schwieriger, aber an dem Punkt, wo es nichts mehr zu verbessern gibt, sind wir noch nicht gekommen. Wir tüfteln immer weiter.

Enrico:
Vor zwei Jahren enterten IRON MAIDEN die Wacken-Bühne – die Sensation. Dieses Jahr wieder IRON MAIDEN – aber mit ALICE COOPER und MÖTLEY CRÜE im Schlepptau. Ist es wichtig, doch vermehrt auf Headliner zu setzen um sich von anderen Festivals abzusetzen?

Thomas:
Das ist sicherlich eine Motivation. Aber da muss vieles zusammenpassen und wenn wir die Möglichkeit haben, dass solche Bands zu diesem Datum Zeit haben und es finanzierbar ist, dann wollen wir das auch realisieren. Wir möchten in jedem Jahr das Bestmögliche anbieten. Unser Konzept war nie vom Headliner bestimmt – aber wenn die Chance besteht, einen richtig großen Headliner zu bekommen, dann wollen wir den Fans diesen auch präsentieren. Das kann im kommenden Jahr schon wieder ganz anders aussehen. Aber ich denke, dass die Fans gerade die Mischung beim Wacken Open Air mögen. Es geht nicht nur um die Headliner – das sieht man auch daran, dass die Headliner am Freitag und Samstag nicht als letztes spielen. Wir wollen den Fans das Beste bieten, was am Metalmarkt verfügbar ist. Für uns selbst ist das natürlich auch toll, immerhin sind wir selber große Fans, speziell auch von MÖTLEY CRÜE. Wir sind damals, da hatte Tommy Lee noch sein rotierendes Schlagzeug, extra aus dem hohen Norden in die Grugahalle nach Essen gefahren. Das wird ein Highlight!

Enrico:
Dass eine Band wie IRON MAIDEN nur zwei Jahre später wiederkommt, zeigt auch, dass es ihnen gefallen hat.

Thomas:
Das glaube ich auch. Wir haben damals im Nachhinein viele positive Resonanzen von der Band erhalten und uns auch später noch einmal getroffen. Ich denke schon, dass das sehr ehrlich rüber kam und es ihnen gefallen hat. Ich hoffe, dass wird dieses Jahr nicht anders sein.

Enrico:
Und es schickt ein Signal an andere Mega-Bands – ich sag nur METALLICA. 2011?

Thomas:
Ein Signal ist es auf jeden Fall. Zu METALLICA sei soviel gesagt: Die Chance besteht natürlich immer, aber das hängt auch immer davon ab, ob sie verfügbar sind.

Enrico:
Ein weiteres Thema bei euch im Forum sind die Wellenbrecher. Kommen sie oder bleiben sie in der Scheune?

Thomas:
Die Jungs von der Security tüfteln noch. Wir stehen dabei im engen Kontakt mit dem Ordnungsamt und das ist auch ein Grund, warum wir uns andere Veranstaltungen anschauen. Noch ist nichts klar, aber wir werden die sicherste Lösung für die Fans finden.

Enrico:
Bei der Running Order gibt es auch immer Gemecker – gibt es die optimale Running Order?

Thomas:
Unmöglich (lacht). Das ist wirklich nicht einfach und man kann es nicht jedem Recht machen. Außerdem reden da noch das Management und die Agenten ein Wörtchen mit. Natürlich spielen auch logistische Faktoren eine Rolle, wann die Leute überhaupt vor Ort sein können und natürlich sind nicht die Egos der Bands und der Managements zu vergessen. Aber das ist auch normal. Die Running Order ist am Ende immer ein Kompromiss, der nie alle zu 100% zufrieden stellen kann. Aber ich glaube, dass es uns in den letzten Jahren ganz gut gelungen ist.

Enrico:
So ein Festival plant man natürlich nicht innerhalb von vier Wochen. Ich kann mir vorstellen, dass bereits heute die Planungen für 2011 laufen.

Thomas:
Auf jeden Fall. Wir planen immer überlappend. Intern wird natürlich schon über 2011 gesprochen. Wenn man permanent unterwegs ist, Konzerte, Festivals, Messen, Branchentreffs besucht, spricht man immer mit Bands oder Agenten und die planen ja auch etwas länger.

Enrico:
Gibt es schon Bands zu verkünden?

Thomas:
Nein – noch sind wir am verhandeln, aber ich werde heute noch nichts Ernstes bekannt geben (lacht).

Und ein letztes Mal ertönt es - WACKÖÖÖÖNNN!!! See You At Wacken – Rain Or Shine!!!

Weitere Infos (u.a. die detaillierte Running Order)  findet ihr auf www.wacken.com .

Redakteur:
Enrico Ahlig
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