VON HERTZEN BROTHERS: Interview mit Mikko von Hertzen

25.03.2022 | 15:50

Wenn ein neues Album der VON HERTZEN BROTHERS ansteht, darf ein Gespräch mit Sänger und Gitarrist Mikko von Hertzen natürlich nicht fehlen, denn Mikko ist ein äußerst sympathischer Typ, mit dem ich mich stundenlang über Musik unterhalten kann.

"Red Alert In The Blue Forest" heißt das mittlerweile achte Studioalbum der Brüder. Der Einfluss, den CoVid-19 dabei nahm, hat ganz verschiedene Formen, wie Mikko (Mitte, Bild unten) erzählt: "Ja, ich denke schon, dass das Album von Corona beeinflusst wurde und das auf mehreren Ebenen. Wir hatten bereits mit dem Songwriting angefangen, dann aber eine Pause gemacht, um die KINGSTON WALL-Tribut-Tour zu spielen." KINGSTON WALL war die Band des heutigen VHB-Schlagwerkers Sami Kuoppamäki und sehr gute Freunde der Brüder. Die Tour war zu Ehren von Sänger Petri Wallis 50. Geburtstag, der sich leider 1995 das Leben nahm. "Ich wollte dann etwas Zeit in Indien verbringen, als Corona die Welt still legte und so war ich schließlich gleich sechs Monate in Indien. In der Zeit haben Kie, Jonne und ich dann jeder für sich Songs geschrieben. Das ist also schon einmal eine zeitliche Komponente. Mehr Einfluss hatte aber wohl, dass wir alle dem urbanen Leben entflohen sind, denn deine Umgebung beeinflusst wie du Songs schreibst. Kie hat sich beispielsweise seine Gitarre und sein Kanu geschnappt und hat dann mitten im Wald auf einem See Songs geschrieben. Da entstehen natürlich ganz andere Songs, als wenn du in der Hektik der Großstadt bist. Und ich finde, dass man dem Album diese Nähe zur Natur auch anhört. In manchen Nummern werden richtig Landschaften geschaffen, was wir so vorher in dieser Form noch nicht hatten."

von hertzen brothers

Das ist absolut der Fall und dürfte mit ein Grund dafür sein, dass "Red Alert In The Blue Forest" nicht so offensichtlich eingängig ist wie "War Is Over" und "New Day Rising". "Ja, das ist sicher richtig. Wir hatten ja gerade erst zwei ziemlich eingängige Alben gemacht und haben bei dem neuen Material dann festgestellt, dass wir etwas subtiler sein wollten. Wir leben in einer merkwürdigen Zeit, wo immer nur der Lauteste gehört zu werden scheint, wo Menschen nicht mehr zuhören und jeder nur dem anderen ins Wort fällt. Das wollten wir alles nicht, so sind wir auch nicht. Wir wollten einen Schritt zurückgehen, alles etwas beruhigen und nach Lösungen suchen. Das war so der Vibe für das Album und das spiegelt sich natürlich wider. Du hast schon Recht, dass es etwas schwieriger ist, in das Album hineinzukommen, aber wenn es dann einmal so weit ist, dann sieht man auch die Schönheit und die Details und wir hoffen natürlich, dass unsere Fans das auch so sehen."

Ein Song, der diese Schönheit wunderbar transportiert, ist die erste Single 'All Of A Sudden, You're Gone', die eher simpel balladesk beginnt und dann mit einem wunderbar traurig-harmonischem Part schließt und so eine ungewöhnliche Wahl für eine Single ist. "Ja, früher hätten wir vielleicht nicht den Mut gehabt, den Song vorab zu veröffentlichen, aber wir sind sehr stolz auf den Song und hatten eine gute Idee für das Video, also haben wir es einfach gemacht. Und ich muss sagen, dass ich seit 'Let They Will Be Done' [auf "Approach" von 2006 - PK] nicht mehr so viele Nachrichten von Menschen auf meinem Telefon hatte, die mir mitteilen, wie sehr sie der Song berührt und Freunde, die mir sagen, dass sie Tränen in den Augen haben, wenn sie den Song hören. Es zeigt auch, dass es eben doch noch genügend Menschen gibt, die ausreichend Geduld mitbringen, um einen siebenminütigen Song zu hören und zu schätzen, obwohl wir es unseren Fans nicht immer leicht machen."

von hertzen brothers red alert in the blue forest cover

Dazu zählt auch die C-Seite dieses Vinyl-Doppels, die mit 'Pirates Of The Raseborgian', 'Anil' und 'Elbowed' gleich drei schrägere Nummern beinhaltet. "Ja, die Seite ist ein bisschen goofy. Ich meine, wir nehmen unsere Musik und unsere Kunst schon sehr ernst, aber wir haben auch immer mal wieder Songs auf den Alben, wo wir einfach Spaß haben, so wie 'Dreams' auf "New Day Rising" oder 'Gloria' auf "Nine Lives". In dieser Tradition ist 'Pirates Of The Raseborgian' anzusiedeln und dabei vielleicht noch eine Spur positiver und schräger. 'Anil' hingegen ist mit seinem beinahe afrikanisch klingenden Vibe auch total untypisch für uns. Das ist auch ein Beispiel dafür, dass wir uns nicht in den Rahmen, den Rock und Prog vorgeben, einsperren lassen. Wir machen einfach, worauf wir Lust haben und am Ende zählt, dass es für uns drei perfekt ist."

Ein Beispiel für einen Song, der es dem Fan nicht leicht macht, ist 'Peace Patrol'. Während die ersten vier Minuten ein geradliniger, catchy Rocker sind, die auch als Single funktionieren würden, folgt danach eine längere Jam-Session inklusive Bläsern. "Ja, so einen Jam hatten wir noch nicht und als wir Fünf im Studio damit angefangen haben, war das auch eher aus einer Laune heraus, aber es hat so viel Spaß gemacht und hat so gut gepasst, dass wir den Song so gelassen haben", erzählt Mikko. Die Single-Idee ist damit aber nicht gestorben. "Wir diskutieren gerade, ob wir einen Edit als Single machen, aber wir sind da eigentlich keine großen Freunde von, denn man nimmt immer etwas vom Song weg. Vielleicht machen wir auch einfach die ganzen zehn Minuten."

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In punkto Tour sind bisher nur Gigs in Finnland geplant, was natürlich auch an der unübersichtlichen Lage mit CoVid-19 liegt. "Ja, die Gigs hier haben wir noch vor Weihnachten bekanntgegeben, damit Fans gegebenenfalls die Option haben, Tickets zu verschenken. Wir sind auch optimistisch, dass das im April ohne Restriktionen über die Bühne gehen kann. Die Regierung setzt sich in den nächsten Tagen zusammen, um zu besprechen, wie weit man die Restriktionen aufheben kann. Für den Rest von Europa haben die Booker uns noch geraten es auf 2023 zu schieben, einfach weil es überall unterschiedliche Regeln gibt. UK wird aber gehen und da werden wir sicher auch etwas machen." Ob es Gigs in Deutschland geben wird, ist noch unklar. Also: Hört mehr Brüdermusik!

Pictures (c) by Rami Mursula, used with kind permission

Redakteur:
Peter Kubaschk

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