VISION BLEAK, THE: Interview mit Schwadorf

24.08.2005 | 00:06

Mein Review hat es ja ausgiebig ausgewalzt! "Carpathia", die neue THE VISION BLEAK, hat mir auf Anhieb die Socken bis nach Norwegen geföhnt. Schwadorf und Konstanz sind ja bereits alte Hasen im Musikgeschäft und wissen daher sehr genau, auf was es nun wirklich ankommt. Dass sie aber ein einerseits wunderschönes und melodieschwangeres, anderseits tiefdüsteres und unheilvolles Werk der Extraklasse erschaffen würden, das seinen Vorgänger in allen Bereichen in den Sack steckt, hatte ich nicht erwartet. "The Deathship Has A New Captain" war nämlich auch schon eine verdammt starke Scheiblette, die zurecht allerorts abgefeiert wurde. Nun erheben sich also die Karpaten und Schwadorf ergreift das Wort...

Alex:
Servus Jungs, alles klar in den Karpaten?

Schwadorf:
Alles klar, hier in "Carpathia"!

Alex:
Ihr habt, wie ich finde, schon mit eurem Erstling "The Deathship Has A New Captain" einen ziemlich hohen Standard gesetzt, der auch fast allerorts gut ankam. Auch wenn einige Leute enttäuscht darüber waren, dass ihr nicht mehr Musik wie bei EMPYRIUM spielt, war die Resonanz letzten Endes doch in Ordnung, oder?

Schwadorf:
Die Resonanzen auf "The Deathship..." waren herausragend positiv. Ich denke unsere Originalität, die uns aus der breiten Masse der "Clon-Bands" herausragen lässt, trug hierzu ihren Teil bei, wie natürlich das starke Songmaterial.

Alex:
Kommen wir zur neuen Scheibe. "Carpathia" hat abermals einen sehr energetischen und unglaublich druckvollen Sound. Wie viel Zeit habt ihr im Studio in die Scheibe investiert?

Schwadorf:
Danke für die Blumen. Wir produzieren uns ja selbst in unserem eigenen Studio - http://www.studioe.de - und haben uns auch diesmal recht viel Zeit für die Aufnahmen genommen. Ich glaube, alles in allem waren wir um die acht Wochen mit Aufnahme, Mix und Mastering beschäftigt.

Alex:
Auffallend sind auf jeden Fall die aufgestockten Orchesterpassagen. Habt ihr einige Leute hinzu genommen? Zumindest kann man teilweise Kongas und Glockenspiele etc. heraushören.

Schwadorf:
Die Percussion haben wir zum Großteil selbst eingespielt. Wir hatten diesmal jedoch eine größere Streichersektion und erstmals echte Blechbläser am Start. Ingesamt hatten wir, wenn ich mich recht erinnere, vierzehn klassische Musiker bei den Aufnahmen dabei.

Alex:
Wie seit ihr an die neue Scheibe herangegangen? Hattet ihr euch ein Konzept zurechtgelegt oder habt ihr irgendwann einfach die Instrumente umgeschnallt und losgerockt?

Schwadorf:
Wir wollten von Anfang an eine komplette, sich über das ganze Album ausdehnende Geschichte erzählen. Das lyrische Konzept stand grob in meinen Kopf schon eine ganze Weile. Musikalisch lief alles ziemlich von selbst, nachdem wir mit dem Titelsong und 'Secrecies In Darkness' die ersten beiden Nummern für das Album komponiert hatten. Diese beiden Songs gaben sozusagen die grobe, musikalische Marschrichtung vor. Heavier, düsterer, mehr Metal und weniger Rock.
Meiner Meinung nach kann man Songs eh nicht am Reißbrett entwerfen. Entweder der Funke der Inspiration ist da und Riffs, Ideen etc. sprudeln förmlich aus einem heraus, oder eben nicht. Kreativität kann man nicht erzwingen.

Alex:
"Carpathia" ist ja eine Konzeptscheibe geworden. Erläutere doch mal kurz die Geschichte.

Schwadorf:
Grob umrissen geht es in "Carparthia" um einen Mann in seinen besten Jahren, der den Familiensitz seiner Vorfahren in dem ihm fremden und fernen "Carpathia" erbt. Auf seiner Reise dorthin gibt es bereits erste Vorzeichen des sich zusammenbrauenden Unheils, doch er ignoriert sie und tut alle Warnungen als Märchen ab. Geplagt von Alpträumen und Visionen spitzt sich die Lage im alten Familiensitz immer dramatischer zu. Er sucht Rat bei einem Priester und erfährt von ihm die Geschichte seiner Familie und dem Fluch der auf seinem Blut lastet. Letztendlich nach langem Hadern und einem inneren Kampf gibt er sich dem hin, was das Schicksal ihm auferlegt hat...

Alex:
Was ist zuerst da, die Musik oder die lyrischen Facetten? Ich habe den Eindruck, dass ihr die Musik sehr dominant an die Texte anpasst, bzw. sie nach ihnen ausrichtet. Zumindest fangt ihr die lyrische Aussage in den musikalischen Stimmungen sehr treffend ein, so z.B. bei 'The Curse Of Arabia' oder dem begnadeten Horrorflair im 'Carpathia'-Refrain.

Schwadorf:
Beides entwickelte sich parallel und symbiotisch. Die Ideen für die Texte waren schon lange in meinem Kopf und die Musik richtete sich danach. Andersherum kamen plötzlich die orientalischen Einflüsse, nach denen sich die Texte wieder richteten. Die Musik hat also die Texte inspiriert, aber auch die Texte die Musik.

Alex:
Die Aufmachung der neuen Scheibe ist einmal mehr sehr geschmackvoll geworden. Habt ihr wiederum mit Lukasz Jaszak gearbeitet? Wie seit ihr an ihn gekommen?

Schwadorf:
Die Aufmachung ist in der Tat wieder sehr zu unserer Zufriedenheit ausgefallen. Verantwortlich dafür war wieder Lukasz, den ich noch aus alten EMPYRIUM-Undergroundtagen kenne (ca. 1995). Er hatte damals ein Fanzine, das auch schon mit einem hervorragenden Layout glänzte.

Alex:
Wie kann ich mir euren Arbeitsalltag vorstellen. Acht Stunden Musik und danach vier Stunden Horrorfilme sehen?

Schwadorf:
Naja, das trifft den Nagel fast schon auf den Kopf. Wenn wir an einer Platte arbeiten, treffen wir uns täglich für ca. sechs bis acht Stunden im Studio und am Abend trinkt man dann oft zusammen, schaut Filme und diskutiert über die Songs und deren Arrangements, Texte etc.. Ich persönlich lasse mich bei den Texten auch sehr von Literatur beeinflussen. Lovecraft, Poe und Byron sind da meine Favoriten...

Alex:
Man könnte sich fragen, ob THE VISION BLEAK nicht irgendwann die Ideen ausgehen würden, was klassischen oder auch modernen Horror- und Grusellyrik angeht. Habt ihr da irgendwelche Bedenken oder könnt ihr noch die nächsten zehn Scheiben abdecken?

Schwadorf:
Nein, nicht wirklich. Nach einer Platte fühlt man sich zwar meistens erst mal leer und ausgebrannt. Nach ein paar Monaten kommen aber dann schon neue Ideen und Inspirationen und es geht wieder von vorne los. Das Horrorthema gibt auch wirklich sehr viel her. Es gibt viel verschiedene Facetten des Horrors und wir haben mit den ersten beiden Alben noch lange nicht unser Pulver verschossen!

Alex:
Ihr seit jetzt in einer Phase, in der ihr die Band als festen Bestandteil der deutschen Metalszene etablieren wollt. Wie wollt ihr das in der nächsten Zeit anstellen?

Schwadorf:
Ich denke, die Qualität von "Carpathia" wird das für uns managen. Wir unterstützen diese natürlich noch mit vielen Livegigs und Festivalauftritten. Wir kommen beispielsweise gerade vom Summer Breeze, wo wir einen wirklichen tollen Auftritt hatten.

Alex:
Die visuelle Seite eurer Musik ist ja nicht ganz unwichtig. Auf welche Schmankerl können wir uns auf der nächsten Tour einstellen?

Schwadorf:
Natürlich eine stimmungsvolle, atmosphärische Metalshow. Wir hoffen, wir können bald unsere Liveperformance visuell ausbauen. Momentan fehlen uns leider noch etwas die Mittel, alle unsere Ideen zu verwirklichen. Trotzdem bekommen wir unglaublich positive Resonanzen auf unsere Live-Shows.

Alex:
Noch mal ein kurzer Exkurs zu "Carpathia". Wo die ersten drei Tracks 'The Drama Of The Wicked', 'Secrencies In Darkness' und 'Carpathia' noch definitiv THE VISION BLEAK sind, habt ihr meiner Meinung nach mit 'Dreams In The Witch-House' und 'Sister Najade' zwei sehr tiefschürfende, fast schon hypnotische Nummern auf Band gedrückt, die sich erst nach mehrmaligem Hören voll erschließen. Ich persönlich mag solche dezenteren, unterschwellig brodelnden Nummern, die von kleinen, aber feinen Details leben. Andere könnten von zu Gothic-like sprechen. Was meint ihr?

Schwadorf:
Also, der einzigste Song auf "Carpathia" der auch nur annähernd in Richtung Gothic geht, ist wohl 'Sister Najade', was fast schon als die Ballade (na ja, nicht wirklich) des Albums durchgeht. Und trotzdem ist der Song noch rauer und energetischer als die Schnulzengrütze so manch anderer Gothic-Bands. 'Dreams...' hat mit Gothic gar nichts zu tun. Ist für mich eher der Heavy-Metal-Song des Albums, speziell der Refrain.

Alex:
Ein ganz großer Hammer eurer Scheibe ist wieder einmal der Rausschmeißer geworden. 'The Charm Is Done' ist an Opulenz an dramatischer Epik kaum mehr zu steigern. Wie schreibt man eine solche Nummer, vor allem auch im Hinblick auf das Zusammenspiel mit den Shadow Philharmonics?

Schwadorf:
'The Charm Is Done' war wie schon 'Deathship Symphony' der letzte Song, den wir für das Album geschrieben haben. In dem Song fassen wir nochmals alle Elemente, die THE VISION BLEAK ausmachen, zusammen. Da das lyrische Konzept sich ja gegen Ende zuspitzt, war es erforderlich, das Drama und die Theatralik der Handlung ebenfalls auf ein Höchstmaß zu steigern. Ist uns ganz gut gelungen, wie ich finde und 'The Charm Is Done' ist auch mein Favorit des Albums.

Alex:
Die Menschen wissen nach "The Deathship Has A New Captain" was sie von THE VISION BLEAK erwarten können. Welche Erwartungen knüpft ihr an "Carpathia"?

Schwadorf:
Wir hoffen natürlich, dass wir durch "Carpathia" den THE VISION BLEAK-Virus noch weiter verbreiten können und die ersten Reaktionen auf das Album stimmen uns wirklich sehr positiv, dass uns das gelingen wird.

Alex:
Seid ihr bislang mit der Arbeit, die Prophecy Productions für euch leistet, zufrieden?

Schwadorf:
Wir sind sehr zufrieden mit Prophecy. Ein Label, das nicht labert und verspricht, sondern handelt!

Alex:
Sind die Tourpläne zu "Carpathia" schon geschmiedet? Wann dürfen wir euch wieder live begrüßen?

Schwadorf:
Wir werden im Herbst/Winter noch einige kleinere und größere Festivals spielen sowie auch einen ganzen Haufen Clubgigs. Im Frühjahr werden wir dann eine Tour angehen Mit wem und wann genau steht allerdings noch in den Sternen. Danach geht es dann an die Arbeit für das nächste Album. Aktuelle Livedates gibt es übrigens immer auf unserer Homepage.

Alex:
Schwadorf, vielen Dank für das Gespräch und die Zeit, die ich dir rauben durfte. Kommt gut von den Karpaten zurück und lasst euch nicht verfluchen. Irgendwelche letzte Worte für unsere Leserschar?

Schwadorf:
Herzlichen Dank an dich. Death, doom and horror forever!

Redakteur:
Alex Straka

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