UNSOUL: Interview mit Moritz Bossmann, Konstantin Frick

07.01.2009 | 10:21

Was haben eine CIA-Verschwörung, Röhrenradioromantik, synergetische Effekte, Bausparverträge und Borschtsch miteinander zu tun? Wo hört der Spaß auf, fängt der Ernst an? Findet es im nachfolgenden Gespräch heraus.



Nach langen Jahren im Berliner Untergrund bringen UNSOUL endlich ihr Debütalbum "Magnetic Mountain" unter die scheuklappenfreie Progressive-Death-Metal-Gemeinde. Aus diesem freudigen Anlass standen mir Gitarrist Moritz Bossmann (auf dem Foto rechts) und Keyboarder Konstantin Frick (dritter von links) nicht ganz humorfrei Rede und Antwort.

_Elke:_
Einer etwas älteren Quelle zufolge wurden UNSOUL bereits 1999 gegründet. Ist das korrekt?

_Moritz:_
Dieses Gerücht ist vom CIA in die Welt gesetzt worden. Die Band existiert erst seit 2003 - zumindest ist das die offizielle Version.

_Konstantin:_
(mit drohendem Unterton) Und an der möchten wir mal festhalten, ne?!

_Moritz:_
(nachdrücklich) Richtig, wir möchten an dieser Version festhalten. 2003 war nämlich das Jahr, in dem Konstantin und ich zur Band stießen und wir uns zum ersten Mal in die Richtung bewegten, in die wir uns auch jetzt immer noch entwickeln, das heißt ausgehend vom Death Metal hin zu neuen Ufern.

_Elke:_
Vor 2003 waren UNSOUL also eine reine Death-Metal-Band?

_Moritz:_
Vor 2003 ...

_Konstantin:_
... gibt es nicht (Gelächter).

_Moritz:_
Wir reden über "vor 2003" leider nicht (noch mehr Gelächter). Im Ernst: Eigentlich wurden UNSOUL sogar schon 1995 gegründet.

_Konstantin:_
Das war damals eine Schülerband, die während einer Projektwoche von Stephan (Kohl, Schlagzeug) und Dennis (Schröder, Gesang) in einem Berliner Gymnasium unter dem Namen APOSTASY ins Leben gerufen wurde. Das hat sich dann weiterentwickelt durch verschiedene Besetzungen, bis die beiden irgendwann festgestellt haben, dass APOSTASY ein blöder Name ist, und den viel besseren Namen UNSOUL gewählt haben.

_Moritz:_
UNSOUL mit der Betonung auf der zweiten Silbe.

_Elke:_
Und 2003 stießt ihr beiden dazu?

_Moritz:_
Richtig, und dann änderte sich sozusagen die Struktur der Band. Wir haben angefangen, Songs zu schreiben, die zum Beispiel das Keyboard stärker mit einbezogen haben. Wir fanden es gut, die Sound-Möglichkeiten von Metal so zu nutzen, dass es schön klingt und gleichzeitig aber nicht kitschig. Also Synthesizer ja - Postkartenromantik nein. Soll ich das noch näher ausführen?

_Konstantin:_
Wenn Moritz etwas mit so blumigen Worten umschreibt, erwartet er, dass es so abgedruckt wird.

_Elke:_
Okay, so soll es geschehen. Das erste repräsentative Demo in der jetzigen Besetzung war "Beyond The Concrete", auf dem sich auch das gleichnamige Instrumental befindet, welches sich lange Zeit in eurer Live-Setliste gehalten hat. Würdet ihr mir zustimmen, dass der Sound dieses melodischen, leicht experimentellen Stückes bereits grob in die Richtung dessen ging, was UNSOUL heute ausmacht?

_Moritz:_
Melodisch stimmt, experimentell war das aber nicht.

_Konstantin:_
Wir saßen damals alle beisammen vorm Kaminfeuer, Moritz hatte seine Strandgitarre dabei, Stephan sein kleines Kinderschlagzeug und ich meine kleine Viola, und dann haben wir ausprobiert, was wir so an schönen Sachen produzieren können.

_Moritz:_
"Schön" wohlgemeint, und das ist das, was ich heute als "Kitsch" bezeichnen würde. Nicht schlecht, aber nicht das wo wir hin wollen. Denn dieses Gefühl, diese rockige Schöngeistigkeit, verfolgen wir mit den neuen Stücken nicht mehr unbedingt. Jetzt geht es mehr um Konflikte und Kontraste, während der Song ja eigentlich gerade das nicht haben sollte.

_Elke:_
Wie kam diese Weiterentwicklung über das zweite Demo "Welcome To Annexia" bis hin zum nun vorliegenden offiziellen Debüt "Magnetic Mountain" genau zustande?

_Konstantin:_
Moritz hat die ganze Zeit Heroin genommen, dann seine Frau erschossen, und so ist es schließlich dazu gekommen. Wir haben nie aufgehört Songs zu schreiben bei all dem, was wir erlebt haben (Gelächter).

_Moritz:_
Wir wollten auf jeden Fall nicht an dem Punkt stehen bleiben, an dem wir hauptsächlich Death Metal spielen. Wir dachten, dass es soundmäßig und gefühlsmäßig einfach noch andere Schattierungen und Farben geben sollte, die wir gerne ansprechen möchten mit unseren Songs. Ich hatte zum Beispiel das Gefühl, dass es sehr schön wäre, mal eine Platte zu machen, wo man sich eher an oldschooligen Sachen orientiert. Wobei ich hier nicht oldschool Metal meine, sondern eher an die 50er Jahre denke. Technische Apparaturen und aufwändige Synthesizer, die aber eigentlich noch total primitiv sind, dazu Oszillatoren und irgendwelche anderen großen Geräte, mit denen sich dieses altertümliche Gefühl auch optisch umsetzen lässt. Ein Gefühl, welches sich eher an der Vergangenheit orientiert als an der Zukunft. Das war der Ausgangspunkt für das neue Album.

_Elke:_
Diesen optischen Aspekt habt ihr auch in den altmodisch wirkenden Promo-Fotos umgesetzt.

_Moritz:_
Das ist ein Teil des Konzepts. Wir haben auch das Logo ein wenig geändert, welches sich jetzt an russischem Totalitarismus bzw. alten industriellen Bildern orientiert.

_Konstantin:_
Auch das Design unsere neuen Homepage ist an sagen wir mal Röhrenradioromantik angelehnt.

_Elke:_
Eure Besetzung hat sich im Laufe der Zeit ein wenig geändert. UNSOUL-Bassist Chris Dobbertin ist bereits seit einigen Jahren an Bord, während die Position des Gitarristen kürzlich neu besetzt wurde. Wer ist dieser wild aussehende Bursche namens Walid Farruque?

_Konstantin:_
Walid Farruque ist ein sehr wilder und verrückter Typ und auch ein ziemlicher Freak. Es war ein großer Zufall, dass er zu uns gestoßen ist. Ich hatte ihn vor ca. zwei Jahren irgendwo kennengelernt und wir sahen Ende letzten Jahres ein Konzert seiner damaligen Band. Dort wollte er gerne aufhören und fand uns schon immer toll - zumindest hat er das behauptet. Daraufhin haben wir ihn engagiert, zumal unser letzter Gitarrist Ramin im Herbst ausgestiegen war. Mit Farruque ist es irgendwie lustig, er bringt einen sehr frischen Wind in die Band, zumal wir seitdem nur noch Englisch während der Probe sprechen können.

_Moritz:_
Weil er sich einfach nicht anpassen kann. Ich versuch es ja immer wieder, aber er kann sich nicht anpassen. Farruque kommt aus London, und es gibt eine gewisse britische Attitüde, sich sprachlich nicht zu integrieren, sondern vollkommen imperial zu verhalten.

_Elke:_
Ich glaube, das ist jetzt nicht nur britisch, sondern allgemein in englischsprachigen Ländern anzutreffen, wie ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann.

_Moritz:_
Aber das muss jetzt nicht abgedruckt werden [wird es aber - die Verfasserin], sonst ist das wieder ausländerfeindlich [ist es nicht, sonder leider sehr wahr - die Verfasserin]. Ich find den ja gut, auch wenn er mehr Deutsch reden müsste.

_Elke:_
Moritz lebt inzwischen in Weimar, der Rest der Band in Berlin. Wie funktioniert die Zusammenarbeit seitdem? Probt ihr seltener, aber dafür intensiver?

_Konstantin:_
Der Berliner Teil probt unverändert. Da Stephan nach dem Metronom spielt und wir auch Backing-Tracks für die Gitarre haben, geht das. Die zweite Spur kommt dann aus der Konserve und wir können das Programm durchproben. Das heißt natürlich nicht, dass wir in der Zeit, wo Moritz nicht da ist, neue Songs schreiben, sondern wir festigen das, was wir haben. Wenn er dann da ist, wir die Zeit sehr gut genutzt. Wir haben in den letzten Semesterferien gemerkt, dass in dem Zeitraum ruckartig was passiert.

_Moritz:_
Die Zeit, die wir nicht miteinander haben, muss in der Zeit, die wir haben, ganz intensiv nachgeholt werden.

_Elke:_
Moritz sitzt also die meiste Zeit einsam in seinem Weimarer Kämmerlein und der Rest hat zusammen Spaß in Berlin.

_Moritz:_
Das könnte man so sagen (Gelächter). Ich muss aber natürlich auch in Weimar fleißig üben. Dabei entstehen auch neue Ideen, die wir dann in Berlin gemeinsam zusammenfügen. Aber das Ganze bekommt dadurch schon einen stärkeren Projekt-Charakter.

_Elke:_
Wenn man an "Death Metal made in Berlin" denkt, fallen einem eher gradlinigere Bands ein, denen der Club K17 auch häufig eine Plattform bietet. Ihr fallt stilistisch ziemlich aus dem Rahmen. Seht ihr das als Nachteil oder eher vorteilig?

_Konstantin:_
Das ist gehüpft wie gesprungen. Es ist nachteilig insofern, dass wir im K17 nicht die coolen Moschis sind. Das heißt, wir kriegen auch nicht ganzen Metal-Ollen ab, die da immer so rumspringen. Große Teile von uns sind übrigens auch noch zu haben (Gelächter)!

_Moritz:_
Falls die Metal-Ollen aus dem K17 das irgendwann lesen sollten: Wir sind zwar nicht so cool wie die anderen, aber trotzdem nicht vergeben (Gelächter).
Spaß beiseite: Es ist immer von Vorteil herauszustechen. Bereits bei unseren Demos haben wir das fertige Werk meistens kritisch hinterfragt, aber uns letztendlich gesagt, lieber scheiße, aber eigen, anstatt sich nur an irgendjemand anderem zu orientieren und dabei handwerklich "ganz gut" zu sein. Unserer Meinung nach hat man keine andere Wahl, als einfach der zu sein, der man ist.

_Konstantin:_
Ich würde aber nicht so weit gehen zu behaupten, dass wir uns bewusst das Ziel gesetzt haben, uns von den anderen Bands abheben zu wollen. Unsere Musik entsteht vielmehr aus der Band heraus. Wenn Moritz uns eine Vorlage zu einem neuen Song liefert, würde von uns niemand auf die Idee kommen, künstlich irgendwelche Elemente einzufügen, die nach Standard klingen würden. Wir benutzen natürlich auch Standard-Elemente, wir vermengen die nur anders.

_Moritz:_
Wir wollen nicht auf Biegen und Brechen etwas Neues machen, sondern setzen einfach das um, was aus uns herauskommt, ohne uns dabei an anderen zu orientieren. Es gibt tolle Bands, die z. B. alle klingen wollen wie MACHINE HEAD. Uns würde das nicht glücklich machen.

_Elke:_
Ihr habt trotz oder gerade wegen eures eigenwilligen Stils inzwischen einen Plattenvertrag an Land ziehen können. Bei wie vielen Labels habt ihr euch beworben und was hat die Entscheidung für Setalight Records begünstigt?

_Konstantin:_
Beworben haben wir uns bei einem ganzen Haufen Firmen und dieses Label deshalb bevorzugt, weil wir im persönlichen Kontakt festgestellt haben, dass wir mit dem Label-Chef extrem gut klarkommen. Das ist ein sehr sympathischer Typ, bei dem man den Eindruck hat, dass er wirklich daran interessiert ist, was mit uns zu machen. Er möchte aus seinem kleinen Label nicht unbedingt einen Major machen, aber er möchte das Beste aus der Musik, die er unter Vertrag hat, herausholen und sie bestmöglich an die Leute bringen. Er verwendet gerne diesen wunderschönen, aber auch sehr treffenden Begriff der synergetischen Effekte, wenn Bands sich zusammenschließen, dass sie sich gegenseitig voranbringen können, und er ist der richtige Mann, um das zu koordinieren und die Kontakte herzustellen.

_Moritz:_
Wir haben mit diesem Partner natürlich begrenzte finanzielle Möglichkeiten. Aber er bietet dafür andere Dinge, die uns wichtig sind, nämlich gute Ideen und Ambitionen. Wir können natürlich noch nicht abschätzen, wie sich das langfristig auszahlen wird, aber für die Band fühlte sich diese Entscheidung richtig an. Vielleicht sehen wir das in sechs Monaten anders, aber dafür probiert man ja Dinge aus, um das herauszufinden.

_Elke:_
Im Metal-Genre sind Setalight Records bisher kein wirklicher Begriff. Was ist das für ein Label?

_Moritz:_
Unter Vertrag steht dort die Berliner Stoner-Rock-Band SAMAVAYO, außerdem wurden ein paar Sampler veröffentlicht, auf denen auch Hardcore und Metal anzutreffen waren. Und sie haben eine ziemlich geile kroatische Stoner-Doom-Band namens STONEBRIDE herausgebracht. Es geht dem Label-Chef glaube ich vor allem darum, unterstützenswerte Musik zu releasen, und das ist ein Anspruch, den wir gerne unterstützen. Die Musik steht im Mittelpunkt und nicht das Business. Ganz davon abgesehen wären wir bei einem großen Label wie Nuclear Blast wohl doch eher in der Wühlkiste gelandet. Es ist schön, wenn man klein, aber fein lebt, statt groß, aber falsch.

_Elke:_
Wie fällt das Feedback zu "Magnetic Mountain" bisher aus?

_Moritz:_
Bis jetzt durchgehend gut bis sehr gut. Einer meinte glaube ich, wir klingen wie DILLINGER ESCAPE PLAN, aber von denen habe ich noch nie etwas gehört (lacht). Wir sind positiv überrascht, wie gut die Leute das Album aufnehmen.

_Elke:_
Die zwölf Songs sind über einen Zeitraum von zwei Jahren entstanden. Welche Stücke wurden zuerst komponiert, welche als letztes, und lässt sich dazwischen eine stilistische Veränderung feststellen?

_Moritz:_
Der älteste Track ist 'Rebel Prostitude', welcher sich auch am ehesten am straighten Death Metal orientiert. Die neuen Sachen sind die tanzbaren Songs, 'Dance Your Legs Off' und 'Post'. In diese Richtung wollen wir auch erst mal weitermachen, Death Metal mit vielen tanzbaren Elementen. Tanz ist ein wichtiges Stichwort für uns geworden.

_Konstantin:_
Wir haben unseren Stil in Richtung 70er-Discomusik entwickelt.

_Moritz:_
Man kann das wie ein Transportmittel sehen. Wir haben Songstrukturen, die anspruchsvoll, aber gleichzeitig tanzbar sein sollen. Wir wollen eine feine Struktur haben mit vielen Überlagerungen, also einzelne Layer mit Instrumentenstimmen, die aber insgesamt einen Sound ergeben, der komplett eingängig ist. Das heißt, dass man Komplexität nicht über die grobe Rhythmik erreicht, sondern eher über die feine Struktur. Klingt das jetzt abgehoben? Das soll nicht intellektuell wirken, nicht diesen hochschulmäßigen Aspekt tragen. Es ist Rock 'n' Roll, und das ist auch gut so. Eingängig ist gut, aber es soll auch beim zehnten Mal noch Spaß machen und perfekt klingen.

_Elke:_
Wie komponiert ihr eure Musik?

_Konstantin:_
Moritz kommt üblicherweise mit den ersten Ansätzen, die oft schon sehr komplett sind. Dann setzen wir anderen uns daran und ändern, diskutieren, variieren so lange bis wir alle das Gefühl haben, dass wir den Song gerne spielen.

_Moritz:_
In diesem Zusammenhang gibt es zwei Sätze im O-Ton von Konstantin und Stephan, die ich gerne mal anführen würde. Der erste lautet "Das geht so nicht!" und der zweite "Das mache ich so nicht!" (Gelächter).

_Konstantin:_
Und du kannst dir sicher vorstellen, was daraus für Diskussionsrunden entstehen. Wir treffen uns dann über einen Tee, um das zu regeln, aber es dauert in der Regel nicht allzu lange, bis wir eine gemeinsame Arbeitsbasis gefunden haben, auf der dann jeder für sich noch seine Kleinigkeiten einbauen kann. Ein Song ist ja auch bis zu dem Zeitpunkt, wo er aufgenommen wird, nicht wirklich fertig, und effektiv ist er auch danach nicht fertig, weil man ihn live gerne mal ein wenig anders interpretiert. Vor allem Stephan hat die Angewohnheit, am Schlagzeug ständig irgendwelche Kindereien einzubauen, die uns stellenweise sehr zum Lachen bringen.

_Moritz:_
Wichtig ist, dass die Musik dynamisch bleibt und dass man das nach zehn Jahren live nicht immer noch genau so spielt, sondern dass ein Song wächst. Niemand von uns würde auf die Idee kommen, einen Song so einzufrieren, wie er irgendwann mal komponiert wurde. Wir entwickeln uns ja weiter, und wenn wir heute z. B. 'Beyond The Concrete' spielen würden, würde er wahrscheinlich anders klingen als vor zwei Jahren.

_Elke:_
Stichwort Weiterentwicklung: Ihr arbeitet auf "Magnetic Mountain" auch erstmalig mit diversen Gastsängerinnen und -sängern zusammen. Um wen handelt es sich dabei?

_Moritz:_
Das ist zum einen Maria Schreiber, eine super Sängerin aus Berlin, die sonst in einer Ska-Band aktiv ist. Das andere ist die wundervolle Julia Krekel, die normalerweise in Architekturbüros zu finden ist. Aber neben dem Fakt, dass sie die Pressung unserer Platte ganz stark finanziell bezuschusst hat, wofür sie hochgeachtet und gepriesen wird, hat sie auch ein paar Vocals eingesungen. Beides tolle Personen, mit denen man sehr schön arbeiten konnte, weil sie bei 'Dance Your Legs Off' ganz intuitiv verstanden haben, was wir wollten.

_Konstantin:_
Ferner hat Moritz Icken von der Berliner Hardcore-Band FAREWELL TO WORDS den klaren Gesang zu 'I Loss' beigesteuert.

_Elke:_
Wollt ihr auch in der Zukunft den Gesang, der sich bisher auf die doch eher limitierten Death-Metal-Vocals von Dennis beschränkt hat, abwechslungsreicher gestalten?

_Konstantin:_
Auf jeden Fall, da führt kein Weg daran vorbei.

_Moritz:_
Ob das jetzt mit klarem Gesang funktioniert oder durch Effekte oder Geräusche ist nicht absehbar. Absehbar ist lediglich, dass sich künftig etwas verändern wird.

_Konstantin:_
Weißt du, wir haben da so ein Konzept. Es wird einen langhaarigen Sänger mit Bart geben, der ganz tief und langsam grunzt, und eine kleine, zierliche Sängerin in so einem Ägypten-Outfit, die glockenklaren Engelsgesang beisteuert. Das wäre doch mal was (Gekicher).

_Moritz:_
Und dann dachte ich mir, wir benennen uns um in TRISTANIA. Oder noch besser: WITHIN TEMPTATION wäre doch ein geiler Bandname. Dann spiele ich auch weniger Noten und stattdessen haben wir diesen kitschigen Keyboardsound.

_Elke:_
Und dann schreibt Konstantin die Songs, ihr schmeißt den Sänger raus und benennt euch nochmals um in NIGHTWISH (Gelächter).
Stichwort Metal-Klischees: In einem anderen Interview hat sich Moritz dahingehend geäußert, dass viele Band sich so sehr bemühen, einem gewissen Klischee zu entsprechen, dass sie dabei den Spaßfaktor völlig zu vergessen scheinen. Wie ernst nehmt ihr denn nun die so genannte "Metal-Szene"?

_Moritz:_
Die "Szene" ist mir, was die Musik betrifft, eigentlich relativ egal. Viele Leute kümmern sich viel zu sehr um bestimmte Codes, Kleidung, Musik etc., damit sie einer bestimmten Szene entsprechen. Aber das ist alles nicht zum Guten der Musik. Natürlich haben wir durch unseren Stil "Metal" einen gewissen Wiedererkennungswert. Aber in dem Moment, wo wir das Gefühl haben, etwas anders machen zu müssen, tun wir das auch, ohne uns zu sagen "das steht nicht im großen schlauen Buch des Metals, also machen wir das mal besser nicht".

_Elke:_
Spaß gehört auch immer ein wenig zum Konzept eurer Live-Shows, zumindest vermittelt ihr das Gefühl, dass euch stets ein kleiner Schalk im Nacken sitzt.

_Konstantin:_
(augenzwinkernd) Das ist nur ein Teil einer einstudierten Show. Wir haben bei Konzerten prinzipiell keinen Spaß. Uns geht es eigentlich nur darum, dass wir jetzt Interviews geben können, und die Konzerte gehören leider dazu. Dass wir auf der Bühne auch mal lachen, kommt offensichtlich authentisch rüber, und das ist gut. Aber eigentlich haben wir keinen Spaß daran.

_Elke:_
Dann muss der Gewinn der Berliner Vorrunde des W:O:A Metal Battle im Jahre 2006 ja der reinste Alptraum für gewesen sein. Ihr wart damals die letzte Band des Abends und wurdet als völlige Außenseiter bewertet. Wie wichtig war die Teilnahme für euch?

_Konstantin:_
Es hat sehr gut getan, zu erleben, dass man es zumindest in der Theorie schaffen kann.

_Moritz:_
Ich kann mir zwar nicht vorstellen, was die Juroren damals für Drogen genommen haben, aber es war schön, dass sie uns gewählt haben.

_Elke:_
Auch wenn es im Halbfinale dann nicht zum Sieg gereicht hat, wart ihr live anschließend sehr viel aktiver als zuvor.

_Konstantin:_
(augenzwinkernd) Wir haben das schwere Los auf uns genommen und unsere Livetätigkeit ein wenig verbessert. Letztendlich ist es Stress für uns und wir hassen es total. Aber je häufiger man live spielt, umso weniger schwer fällt es einem, so zu tun, als würde es einem Spaß machen.

_Moritz:_
(noch mehr augenzwinkernd) Übrigens hassen wir Konzerte so sehr, dass wir es toll fänden, wenn wir künftig noch sehr viel mehr Leuten live beweisen könnten, wie scheiße wir das eigentlich finden.

_Elke:_
Was muss euch ein Club bieten, damit ihr dieses Opfer auf euch nehmt?

_Moritz:_
Eigentlich nur die Spritkosten und eine angemessene Spielzeit.

_Konstantin:_
Das ist Moritz' Auffassung. Wichtig ist natürlich auch, dass wir Nutten brauchen (Gelächter).

_Elke:_
Spaß beiseite: In der Tat ist es so, dass eure Musik live bei einigen besser ankommt als auf Platte. Woran liegt das eurer Meinung nach?

_Moritz:_
(wieder ernst) Diese Mucke ist gemacht worden, um live gespielt zu werden, weil dort zum Beispiel das tanzbare Element besser rüberkommt. Unsere Songs scheinen auf Platte ein wenig verkopft zu wirken, während wir live durch den direkten Draht zum Publikum aus uns herausgehen und auch beobachten können, dass die Leute total mitgehen. Während eines Konzerts haben wir einfach nur eine gute Zeit miteinander.

_Elke:_
Für das nächste Jahr sind bereits einige überregionale Konzerte angesetzt. Wie sehen eure weiteren Pläne aus?

_Moritz:_
Ganz wichtig ist es, das Album zu promoten. Jetzt wo dieser Schritt getan ist, dass wir eine abendfüllende Platte gemacht haben, wollen wir nicht absacken, sondern weiter vorangehen. Wir komponieren, suchen nach neuen musikalischen Möglichkeiten und wollen natürlich viel live spielen. Es ist gut, die Platte zu hören, noch besser ist es allerdings, die Musik live auf einem Konzert zu hören.

_Konstantin:_
Und dort die Platte zu kaufen.

_Moritz:_
Und ein T-Shirt, einen Bausparvertrag...

_Konstantin:_
Und was man damit erreicht, ist das, was Moritz bereits umschrieben hat: Man kleidet sich richtig, hört die richtige Musik, hat die richtige Einstellung und bleibt nicht in irgendeinem Underground-Stream stecken, sondern ist sozusagen völlig außerhalb.

_Moritz:_
Ich habe zu diesem Thema auch ein Buch verfasst, das man auch auf den Konzerten kaufen kann. Es heißt "Cool and True in Metal by Moritz Bossmann". Ich habe es als allgemeingültiges Nachschlagewerk des Metal angelegt.

_Elke:_
Zum Abschluss dieses Interviews möchte ich euch gerne noch die berühmte POWERMETAL.de-Pizzafrage stellen: Wenn UNSOUL eine Pizza wären, welcher Belag wäre darauf?

_Moritz:_
(überlegt) ... Borschtsch.

_Konstantin:_
(lacht) Das ist richtig. Nur Borschtsch!

_Moritz:_
Für eine tiefgründige Interpretation dieses Belags ziehst du bitte einen Koch deiner Wahl zu Rate.

Redakteur:
Elke Huber

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