TWILIGHTNING: Interview mit Tommi Sartanen

31.05.2007 | 14:11

Die Zahl der wirklich originellen und eigenständigen Melodic-Metal-Bands ist und bleibt überschaubar. Mit ihrem dritten Longplayer "Swinelords" haben die Finnen TWILIGHTNING wieder einmal bewiesen, dass sie definitiv zu dieser illustren Schar zählen. Seine raffinierten Songwriting-Ideen verpackt das Quintett um das Gitarrendoppel Tommi Sartanen, alias Thief, und Ville Wallenius in eine Mischung aus klassischem skandinavischen Metal und kraftvollem Heavy Rock amerikanischer Prägung. Ironisch-bissige Texte verleihen diesem brodelnden Cocktail zusätzliche Würze.

Mit dieser Beschreibung kann offenbar auch Thief ganz gut leben. "Wir sind als Band im Laufe der letzten Jahre ganz schön gereift. Wenn man uns stilistisch unbedingt irgendwo einordnen will, passen wir heutzutage wohl am besten in die Schnittmenge von Hard Rock und Progressive Metal. Unsere Wurzeln sehe ich aber im Melodic Metal, nur mit den dummen, langweiligen Klischees dieses Genres haben wir nichts am Hut." Dem kann man nur uneingeschränkt zustimmen. Die Songs von TWILIGHTNING stecken voller unterschiedlicher Einflüsse und geschickt eingebauter, durchaus auch humorvoller musikalischer Zitate. So hat mich der Titelsong 'Swinelords' irgendwie an SKID ROW zu "Slave To The Grind"-Zeiten erinnert, während 'With The Flow' auf augenzwinkernde Weise mit dem Vermächtnis von Diamond Dave zu spielen scheint. Letzteres jedoch weisst Thief geradezu empört von sich: "SKID ROW sind sicher eine unserer Lieblingsbands und ihre alten Platten haben uns schon beeinflusst im Laufe der Jahre. Aber wo du Parallelen zu David Lee Roth heraus hören willst, kann ich mir nun gar nicht vorstellen! Wer interessiert sich überhaupt noch für den Typen?" Oh, da gibt es sicher noch einige. Man muss allerdings schon einen sehr breiten musikalischen Horizont haben, um melodischen Heavy Metal mit fast schon sleazy Klängen und verzwickten, progressiven Rhythmen und Songstrukturen zu kombinieren. Da kann ich es mir nicht verkneifen, mal wieder die Frage nach den persönlichen Vorlieben von Thief und seinen Kollegen aus der journalistischen Mottenkiste zu holen. "Das mit dem breiten Horizont, das klingt definitiv nach mir, hahaha! Ich mag Psychedelic und Trance genau so wie Hardcore-Death-Metal, wenn die Band, die das Zeug spielt, gut und originell ist. Ich kann mir sogar durchaus mal eine Rap-Platte geben."

Vergleicht man "Swinelords" mit den ersten beiden Alben der Jungs, "Delirium Veil" (2003) und "Plague-house Puppet Show" (2004), kommt man zu der Erkenntnis, dass TWILIGHTNING auf ihrem neuen Werk noch fetter und kraftvoller rocken. Ein Blick aufs Line-Up verrät dann auch, dass der Truppe ihr Keyboarder Mikko abhanden gekommen ist. Das liegt es natürlich auf der Hand, einen Zusammenhang herzustellen. "Ja, er hat uns einfach sitzen lassen, der verdammte Hurensohn! Er hatte anscheinend auf einmal etwas Besseres zu tun. Wir hatten eigentlich gar nicht vor, die Keyboards aus unserem Sound zu streichen, aber was sollten wir machen, treib mal so schnell einen gescheiten Keyboarder auf, der auch noch menschlich zu uns passt. Somit haben wir einfach aus der Not eine Tugend gemacht. Ich mag diesen etwas raueren, ursprünglicheren Klang sehr, wir grooven jetzt auch viel mehr." Schließlich funktionieren TWILGHTINING auch als Quintett hervorragend, an der Arbeitsweise hat sich nichts Grundlegendes geändert. "Ville Wallenius und ich komponieren die Songs, die anderen helfen bei den Arrangements und dem Feinschliff. Das klappt super so, wir sind ein gutes Team." Wichtig für das erfrischende, freche Erscheinungsbild der Band ist sicher auch, dass sie sich mit ihren Texten meilenweit entfernt bewegt vom üblichen Power-Metal-Einerlei. Da gibt es sowohl mit breitem Grinsen rübergebrachten Schwanzrock-Macho-Kram über "Pimps & Bitches" als auch sehr persönliche und ernsthaftere, durchaus kritische Töne, in denen die Arroganz und Selbstherrlichkeit geldgeiler, materialistischer Menschen ins Visier genommen wird. Thief hat aber wenig Lust, sich über die lyrischen Ergüsse näher auszulassen. "Es ist doch langweilig, wenn ich hier anfange, die Texte auseinander zu nehmen. Jeder soll seine eigenen Schlussfolgerungen ziehen. Ich mag mich bei manchen Texten auch gar nicht so genau festlegen, was sie nun bedeuten oder welche Botschaft darin steckt, wenn denn überhaupt eine drin steckt. Ist doch viel spannender, wenn die Interpretation offen bleibt."

In dieselbe Kerbe wie einige Texte haut das Cover-Motiv, die Karikatur eines reichen Typen nicht einem aufgefächerten Bündel Scheinen in der Hand und einem Schweinskopf. Na, wenn das nicht beißende Sozialkritik ist! "Nein, das siehst du ganz falsch, die Botschaft des Covers ist: Gebt uns all euer Geld! Oder vielleicht eben doch nicht, wer weiß das schon, hahaha. Der Entwurf jedenfalls kam von Ville." Dass TWILIGHTNING ihr ambivalentes Images pflegen und gerne mal damit spielen, zeigen auch die extrem beknackten Promo-Fotos auf der Website der Band, auf denen die Herren mit einen mädchenhaft-albernen Sommerhut und einem Teddybären posieren. "Ach, der Hut und der Teddy lagen zufällig im Foto-Studio rum, als wir zum Shooting dort waren. Irgendeiner hatte die Teile auf einmal in der Hand und da konnten wir natürlich nicht anders und mussten damit herumposen und Unfug damit treiben. So sind wir nun mal, kleine Kinder, die ständig irgendwelchen Unsinn anstellen, hahaha."

In Anbetracht der Qualität von "Swinelords" sollten TWILGHTINING eigentlich in eine rosige Zukunft blicken. Da ist es schon etwas verwunderlich, dass die Truppe immer noch ausschließlich bei einer ziemlich stark auf Finnland konzentrierten, in ihren internationalen Möglichkeiten doch eingeschränkten Company wie Spinefarm unter Vertrag steht, wo sich zudem eh alles nur um NIGHTWISH drehen dürfte. Denn was eine Band in dieser Phase der Karriere braucht, ist ein kräftiger Schub in Sachen Promotion und ein paar vernünftige Support-Touren. Da könnte natürlich ein etwas bekannter Global Player als Partner viel besser helfen; mangelndes Interesse auf Seiten der Firmen dürfte das Problem eigentlich nicht sein. Doch was nicht ist, kann ja noch werden, so Thief: "Klar hast du irgendwo recht. Aber wir haben damals für drei Alben bei Spinefarm unterschrieben und den Vertrag wollten wir erfüllen, was wir jetzt mit "Swinelords" auch getan haben. Nun ziehen wir natürlich alle Möglichkeiten in Betracht, aber es ist ja nun auch nicht so, dass wir uns die Wände mit Millionen-Angeboten tapezieren könnten, wenn du verstehst, was ich meine. Wir schauen mal, vielleicht ergibt sich ja bald etwas interessantes Neues für uns."

Trotzdem ist es jammerschade, dass es bisher keine konkreten Pläne für eine Europa-Tour gibt, lediglich ein paar Gigs in Finnland haben TWILGHTINING bisher auf dem Programm stehen. Dabei müsste man gerade jetzt touren, touren und noch mal touren, denn mit so einer exzellenten, scheuklappenfreien Platte wie "Swinelords" könnte man sicherlich viele Fans hinzu gewinnen. Es hilft also nichts, liebe Freunde, ihr müsst einfach alle "Swinelords" kaufen und damit für die entsprechende Nachfrage sorgen. Dann wird schon jemand diese großartige Band auf Tour schicken. Mal sehen, vielleicht ergibt sich ja noch was, ihr wisst ja: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Redakteur:
Martin van der Laan

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