TAROT: Interview mit Marco Hietala

20.07.2006 | 17:25

Marco Hietala dürfte den meisten als der Bassist und Gelegenheitssänger von NIGHTWISH bekannt sein. Dass er allerdings auch bereits seit den 80ern in der Hard-Rock-Combo TAROT spielt, wissen in Deutschland nicht ganz so viele, in Finnland jedoch hat die Band bereits Kultstatus. Auch dort zupft er die Saiten und fungiert nicht nur als Sänger, sondern auch als Songwriter. Im Sommer hat Marco Gelegenheit, ein paar Festival-Gigs mit den TAROT-Mannen, zu denen auch sein älterer Bruder Zac gehört, zu spielen. Die restliche Zeit verbringt er mit NIGHTWISH-Proben und den Aufnahmen des neuen Demos. Seine rare Freizeit, teilt der 40jährige mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen, Zwillinge um genau zu sein. Ein vielbeschäftigter Mann also, aber trotzdem fand er Zeit, mir ein paar Fragen zu beantworten.

Ricarda:
Auch wenn das jetzt vielleicht peinlich klingt, muss ich's trotzdem sagen: Deine Kinder sind echt total süß. Sie sind wahrscheinlich aber auch mehr als eine Hand voll an Arbeit.

Marco:
(lacht) Ja, allerdings. Aber danke. Es ist ziemlich witzig finde ich, sie sehen aus wie richtige Metaller!

Ricarda:
Viele Leute in Deutschland wissen überhaupt gar nichts über TAROT. Könntest du daher eine kurze Bandgeschichte geben?

Marco:
Das Ganze fing an, als wir Kinder waren. Mein Bruder fing an, Gitarre zu spielen, als er etwa 15 war. Mein Vater hatte ein paar Akkustik-Gitarren, also fingen wir damit an. Ich folgte meinem Bruder, und dann gab es ein paar Schulbands. Mein Bruder war der Meinung, dass die Jungs mit denen er spielte nicht so gut waren, also drängelte er sich in unsere Kinder-Band, weil wir viel besser spielten (lacht). Er ist dreieinhalb Jahre älter als ich. Naja, und so spielten wir halt gemeinsam. Es war ja auch nur ein kleines Dorf, da gab es nicht so viele Musiker.

Ricarda:
Bist du nicht aus Kuopio?

Marco:
Aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Kuopio. Etwa 60 km entfernt, es heißt Tervo. Heutzutage leben dort vielleicht 1500 Leute, als wir dort lebten waren es 2000, vielleicht sogar 2500, also kannst du dir vorstellen, dass es nicht so viele Musiker dort gab. Also glaube ich, musste es einfach passieren, dass wir zusammen spielten. Danach gab es dann verschiedene Line-ups, verschiedene Zweitgitarristen und so weiter, bis wir dann 1994 den Drummer bekamen, den wir noch heute haben. Dann waren es quasi ich, Zac und unser Drummer Pecu. Etwa zwei Jahre später bekamen wir unseren ersten Plattenvertrag.

Ricarda:
Und warum hast du angefangen ausgerechnet Bass zu spielen?

Marco:
Wieder einmal ist der Grund, dass es nicht genügend Musiker gab. Wir brauchten einen Bassisten, und ich sang damals auch schon. Ich dachte, dass Bass vielleicht ein wenig einfacher wäre als Gitarre, wenn man nebenbei noch singen muss. Das ist natürlich Blödsinn, jedes Instrument ist schwer zu spielen, wenn man dabei noch singt. Und dann war da natürlich noch mein Bruder. Wie du ja schon weißt, ist er dreieinhalb Jahre älter, und er sagte einfach zu mir: "Da ich der Solo-Gitarrist werde, musst du der Bassist sein!" (lacht) Aber ich bin nicht neidisch auf ihn. Gitarristen sind seit den 80ern neurotisch und verrückt. Eine wirklich gestresste Rasse von Musikern, also bin ich sehr glücklich mit dem Bass.

Ricarda:
Du spielst nicht nur in TAROT, sondern auch in NIGHTWISH. Davor hast du in SINERGY gespielt. Wie war der Übergang von SINERGY zu NIGHTWISH für dich?

Marco:
Es war nicht einfach, aber es ist passiert. Ich habe mit SINERGY ein paar Alben aufgenommen, und dann sind wir mit NIGHTWISH getourt. Also haben wir uns dort kennen gelernt, und haben uns alle sofort super verstanden. Und am Ende der Tour habe ich auch den Gesangsteil von Tuomas bei dem Song 'Beauty And The Beast' übernommen. Und als er dann wusste, dass er entweder die Band auflösen würde oder mit einem anderen Bassisten weitermachen würde, wusste er auch, dass wir eine gute Chemie haben und viele der gleichen Sachen mögen, wie Filme, Bücher und so weiter. Und so riefen sie mich an, ich bin zu ein paar Treffen hin zum Reden und zum Proben, und schlussendlich bin ich geblieben.

Ricarda:
Wie managst du es in zwei Bands zu sein und nebenbei noch Familie zu haben?

Marco:
Nun, was sehr dabei hilft, ist, dass wir das gleiche Management und die gleiche Booking Agency haben. Als ich bei SINERGY war, war das nicht so, und viele Sachen haben sich überschnitten, und es hat einfach nicht funktioniert. Und nun weiß ich zum Bespiel, dass - obwohl NIGHTWISH gerade in der Übungsphase sind - ich Zeit habe, am Wochenende auf ein paar Festivals zu spielen oder im Winter ein wenig mit TAROT zu touren. Und dann nächstes Jahr, wenn NIGHTWISH wieder richtig anfängt, muss ich TAROT halt wieder ein wenig auf Eis legen.

Ricarda:
Und das funktioniert gut? Die Jungs von TAROT sind dann nicht sauer?

Marco:
Es funktioniert gut genug. Ich hätte manchmal gerne etwas mehr Freizeit für mich, aber naja. Es ist wohl mein Schicksal (lacht).

Ricarda:
TAROT haben vor kurzer Zeit eine neue Single mit dem Titel 'You' veröffentlicht, die dann sofort die Nummer 1 der finnischen Charts war. Herzlichen Glückwunsch!

Marco:
Danke. Ja, etwas komisch, aber es ist passiert. Hier in Finnland gehört die Band so ziemlich zum alten Eisen, uns gibt es schon so lange, und daher haben wir damit nun auch nicht gerechnet, weil wir eh immer etwas marginal waren. Außerdem machen wir mehr "Heavy Metal für Jungs", also war es wirklich eine Überraschung.

Ricarda:
Wird auch ein Album folgen?

Marco:
Ja, es ist gerade in Arbeit. Wir haben das meiste Material fertig, ein Text braucht noch etwas Arbeit, und da gibt es ein paar Kleinigkeiten bei einigen Liedern, aber im Prinzip ist alles fertig. Wir müssen nur noch anfangen, es aufzunehmen... vielleicht nächsten Monat oder so.

Ricarda:
Werdet ihr es in Helsinki oder Kuopio aufnehmen?

Marco:
Wahrscheinlich in Kuopio, weil Janne, unser Keyboard-Spieler, ein kleines Studio hat. Nebenan gibt es auch ein größeres Studio, dort haben wir bei unserem letzten Album "Suffer Our Pleasures" das Schlagzeug aufgenommen. Für den Rest sind wir dann in das kleinere Studio gegangen. So werden wir es dieses Mal auch wieder machen, denke ich.

Ricarda:
Wie entwickelt sich die Musik? Ist es ein Gruppenprozess oder mehr die Verantwortung einer einzelnen Person?

Marco:
In dieser Band ist es mehr ein Gruppenprozess. Ich schreibe die Texte und erarbeite das meiste für den Gesangsteil, also habe ich eine Vision was Vocal Lines und so weiter angeht, aber die anderen Jungs, besonders Janne und mein Bruder, schreiben auch viel Musik. Also sind es eher wir drei, die die Songs schreiben. Ich kann sagen, dass ein wenig von mir in allen unseren Songs steckt, aber es gibt Stücke, in denen stammen sehr viele Riffs von Zac oder sehr viele Keyboard-Ideen von Janne. Die Situation ist also ziemlich demokratisch.

Ricarda:
Woher beziehst du meistens deine Inspiration? Schreibst du nur über persönliche Dinge oder auch über Politik? Oder vielleicht auch Bücher oder Filme?

Marco:
Was auch immer mich beschäftigt. Was das Gehirn mit Nahrung versorgt, fliesst auch in die Musik ein. Es gibt sowieso keine wirklichen Meinungen hinsichtlich Politik, finde ich. Aber ich kann sagen, dass die Welt ein ziemlich abgefuckter Platz ist, so war es schon, und so wird es immer bleiben. Wir haben diese endlose Menge an Junk-Mails und all diese Energie wird in total sinnloses Zeug gesteckt.

Ricarda:
Hast du dir jemals überlegt, Texte in Finnisch zu schreiben?

Marco:
Ja, da gibt es ein paar, die ich geschrieben habe, aber die liegen in meiner Schreibtischschublade.

Ricarda:
Die sind also geheim?

Marco:
Nein, nicht wirklich geheim, aber ich hatte bisher einfach noch keine Verwendung für sie.

Ricarda:
Vielleicht noch ein weiteres Side-Projekt? Dann hättest du noch weniger Zeit...

Marco:
(lacht) Ja, genau. Vielleicht ein Solo-Projekt oder so.

Ricarda:
Was denkst du über LORDIs Sieg beim Eurovision Song Contest?

Marco:
Der Richtige hat gewonnen. Als ein Musikstück in der Hard-Rock- und Heavy-Metal-Szene ist es ein OK-Lied, es hat einen guten Chorus und so, aber es ist nicht außergewöhnlich. Aber wenn man es mit dem anderen Kram beim Eurovision vergleicht, mit diesem 2-Penny-Techno und den Frauen, bei denen die Röcke zu kurz waren, dass man die Unterwäsche sah... wenn man dann so ein Lied und solche Typen dahinstellt, natürlich sticht es heraus. Es sticht heraus wie ein Stock aus einem Haufen Scheiße.

Ricarda:
Ja, auf alle Fälle. Ich fand den Presse-Rummel dermaßen lächerlich. Ich meine, hätte ich Kinder, was würde ich eher wollen, dass sie sehen? Ein paar lustige Monster oder halbe Nutten? Keiner beschwert sich über die halb-nackten Hupfdohlen, aber sobald ein paar Jungs ein paar witzige Latex-Masken aufziehen, wird es ein Riesenskandal.

Marco:
Ja, genau. Nun ja, meine Kinder sind natürlich total "Yeah, LORDI!" (macht Teufelszeichen) Sie sagen immer: "Der ist nicht wirklich böse, er hat nur eine Maske auf." (lacht)

Ricarda:
Wie niedlich! Wie alt sind sie denn jetzt?

Marco:
Viereinhalb.

Ricarda:
Du hast bereits erwähnt, dass du jetzt auch mit NIGHTWISH im Trainingscamp bist. Ihr stellt auch Videos von eurer Zeit dort in einen Online-Blog, wer hatte die Idee?

Marco:
Ich glaube, es war Jukkas Idee. Irgendwer hatte es ihm vorgeschlagen und er kam zu uns und meinte: "Wie wär's, wenn wir eine Kamera-Telefon-Kombination hätten und einige Sachen ins Netz schicken könnten?" Und wir sagten: "Klar, warum nicht..."

Ricarda:
Ist es wirklich mit einem Handy aufgenommen? Die Qualität ist ziemlich gut.

Marco:
Es ist mehr eine Art Videokamera mit einer Telefonverbindung. So kannst du die Videos schnurlos ins Netz zu dem Blog schicken. Die moderne Technologie hat wieder neuen Boden erobert. (lacht)

Ricarda:
Wie läuft es so im Trainingscamp? Ich glaube, es sind schon ziemlich viele Lieder geprobt...

Marco:
Ja, sehr viele Songs sind fertig. Im Moment so etwa zwölf. Wir haben also ausgefüllte Tage...

Ricarda:
Aber es scheint so, als hättet ihr auch ziemlich viel Spaß.

Marco:
Ja, natürlich. Wenn man sechs Stunden in einem Proberaum ist, reicht es irgendwann auch.

Ricarda:
Um nochmal auf TAROT zurückzukommen: Plant ihr auch außerhalb von Finnland zu touren?

Marco:
Bis jetzt habe ich noch keine Ahnung. Wir haben einige Pläne, aber die sind noch nicht sicher, weil wir erst das Album fertig machen müssen. Was ich jetzt weiß, ist, dass das Album in Finnland im Herbst, also irgendwann vor Weihnachten rauskommt, in Mitteleuropa inklusive Deutschland und aber erst nach Weihnachten. Das verschiebt mögliche Konzerte sowieso eher in Richtung Frühling.

Ricarda:
Wart ihr mit TAROT schon einmal im Ausland?

Marco:
Nein, nicht wirklich. Wir hatten nur ein paar kleinere Sachen in Russland und Schweden, also in unseren Nachbarländern. Aber bisher waren wir nicht in Deutschland, in Mitteleuropa oder sonstwo. Aber vielleicht versuchen wir es mal.

Ricarda:
Ja, das solltet ihr tun! Aber du hast ja auch so schon genug World-Tour-Erfahrungen mit NIGHTWISH.

Marco:
Ja, schon. Aber es wäre natürlich auch schön, es dem Rest der Jungs zu zeigen.

Ricarda:
Ja, das stimmt. Gut, das wäre dann alles. Vielen Dank für deine Zeit.

Marco:
Ich danke dir.

Redakteur:
Ricarda Schwoebel

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