Stoner Rock Is Where You Are! Ein Rückblick auf das Stoned From The Underground 2012.

16.01.2013 | 17:24

War das ein Stoned 2012! Es versank in Schlamm und Matsch, doch konnte das den Festivalgenuss nicht beeinträchtigen. An dieser Stelle folgt ein kurzer Rückblick auf einen der, wenn nicht den Höhepunkt der Festivalsaison für die Wüstenrockgemeinde.

Mit Wüste hat das Ganze dieses Mal allerdings wenig gemein. Nachdem Dauerregen den Boden gründlich aufgeweicht hat, muss man sich durch mindestens knöcheltiefen Morast kämpfen, Autos kommen nicht vom Fleck, Hosen und Schuhe sind völlig verklebt. Was für ein Spaß!


Doch mit einer gehörigen Portion Gelassenheit und dank aufmerksamer Veranstalter (u.a. musste man auch noch auf eine Trinkwasserwarnung reagieren, die Erfurt und auch den Alperstedter See betraf) kann man sich voll und ganz dem musikalischen Vergnügen widmen. Trockener Stoner, psychedelische Hippiemucke, rotziger Noiserock und massive Doomwände – in dieser Gemengelage wird man schnell fündig. Zudem gelingt es den Stoned-Machern inzwischen auch die Metal-Fanschar anzusprechen, was bei Verpflichtungen wie CROWBAR und ST. VITUS kein Wunder ist und sich in etlichen NAPALM DEATH- oder SLAYER-Leibchen äußert. Das ist gar nicht untypisch, dass aus einer ausgeprägten Death- oder Thrash-Metal-Leidenschaft im Jugendalter mit der Zeit auch Sympathien für Doom und Stoner erwachsen. Die alten, zerschlissenen Shirts trägt man natürlich nach wie vor mit Stolz.

Dazu kommen Zugpferde wie ORANGE GOBLIN, KADAVAR, RED FANG und WEEDEATER, die die thüringische Schlammlandschaft erbeben lassen und schon ist die Gemeinde glücklich. Außerdem ist es durchaus geschickt Bands heranzuholen, die viele immer schon mal sehen wollten, wie in diesem Jahr TITO & TARANTULA, weil man ja "From Dusk Til Dawn" anbetungswürdig findet. Dabei ist es ja nicht gerade fair, die Truppe auf 'After Dark' zu reduzieren. Ein Publikumsmagnet sind sie so oder so.

Seit zwölf Jahren hat sich das Festival kontinuierlich entwickelt und einen exzellenten Ruf erarbeitet, wobei es inzwischen eine Größe erreicht hat, bei der man es belassen will und sollte. Für zwei Jahre verschlug es das SFTU ins thüringische Mittelgebirge auf den eindrucksvollen Kyffhäuser (2007, 2008), nun ist man seit mittlerweile vier Auflagen wieder in Erfurt gelandet, genauer gesagt am Alperstedter See vor den Toren Erfurts. Das Gelände wird bereits frühzeitig belagert und bereits am Donnerstagabend, der zur Einstimmung fünf Bands vorsieht, scheint die Hütte voll, dabei rollen am Freitag noch etliche Besucher an. Am Ende hat aber jeder sein Plätzchen gefunden, ohne dass man sich auf dem schlammigen Zeltplatz zu sehr auf die Pelle rücken muss. Besagter Donnerstag hat bereits einige Höhepunkte zu bieten. Die tollen FLYING EYES euphorisieren die Massen mit gleichsam druckvollen wie psychedelischen Wunderbarklängen und auch die eine oder andere Bluesnote darf da nicht fehlen. Da lässt man sich nur zu gerne mitreißen und schwebt auf dem von LED ZEPPELIN, DOORS und Konsorten gewebten Teppich hinfort. Immer wieder toll.

Doch auch der Spaßfaktor soll nicht zu kurz kommen und Klamaukiges alias punkiger Noise Rock wie jener von DAMPFMASCHINE (früher GOOD WITCH OF THE SOUTH) begeistert bekanntlich speziell bei Festivals die Massen – "und es geht hauruck, hauruck ... ich hacke alles kurz und klein", jaja, witzig sind die schon. Und dann gibt es noch die besonderen, einzigartigen Combos - wie die CYBORGS. Von den beiden Männern in ihren Schweißermasken würde man nach dem optischen Eindruck wohl am ehesten noch abgedrehten Grindcore erwarten, doch dann erweisen die Zwei sich zum Zelt-Abschluss des ersten Tages als allerfeinste Blueser und daneben erstklassige Entertainer, was an der Stelle und zu dem Zeitpunkt genau den Nerv der Zuschauer zu treffen scheint. Aufgrund des Überraschungsfaktors die Entdeckung des Festivals.
Einen Tag später wird das Ganze auf der Zeltbühne ebenfalls formidabel von den Sympathicussen von BEEHOOVER abgerundet, die schon eine gefühlte Ewigkeit die Bühnen des Landes beackernde Zweimannband, die zum Tagesausklang schweißtreibend und doch filigran rumort und der es spielend gelingt, die euphorische Stimmung noch ein bisschen zu verlängern.

Mit staubtrockenem Rock begeistern können auf diesem Festival viele, ganz vorne dran sind KADAVAR, die mit ihrem energetischen Einfach-Rock und ein bisschen BLACK SABBATH-Lobhudelei die Köpfe tanzen lassen. An die drei Vollblutmusiker, die im 70er Jahre Flair völlig losgelöst herumdröhnen, und natürlich an den roten Ledermantel am Bass, erinnert man sich auch noch Monate später gern zurück. Ähnlich wild und stimmungshebend agieren ROTOR, die sich, obwohl sie sich durch exzessives Touren bereits ihre Meriten mehr als verdient haben, auch noch ein paar Lorbeeren dazu gewinnen können.
Neben dem Stoner spielt Psychedelic Rock eine gewichtige Rolle, u.a. von BABY WOODROSE allerfeinstens zelebriert. Melodisch und authentisch genug, um die Massen zu begeistern, dazu ein wiedererkennbarer Gesang und griffige Hooklines, mehr braucht es da gar nicht.

Positiv in Erinnerung bleiben auch die Spanier ARENNA mit ihrem atmosphärischen Stoner zur Mittagszeit. Während strahlender Sonnenschein die Schlammlandschaften in gleißendes Licht taucht, verschaffen sich ARENNA mit schleppenden Doomparts und eingängigen Klangflächen Gehör. Ein wunderbares zweites, akustisches Frühstück. Die werden schon bald sicher deutlich später und vor mehr Leuten ihre Klangkunst ausbreiten dürfen.

Doch gilt für nahezu alle Mucker, auch die Nichterwähnten, die die Zelt- oder Draußenbühne beackern, dass Enttäuschungen ausbleiben und man größtenteils weit weg von Routine die Musike mit bierseligem Grinsen und/oder Ganzkörpereinsatz verbreitet und begleitet. Klar, Zitate der Größen von früher dürfen ebenso wenig fehlen wie die obligatorische KYUSS-Ehrerbietung (Coverband PYUSS). In dieser Hinsicht ist die Gemeinde einfach traditionell verwurzelt und netterweise werden diese Präferenzen auch von den aufstrebenden Jungbands in authentischer Weise bedient.

Im zwölften Jahr seines Bestehens kann man das Stoned From The Underground als wichtigstes deutsches Festival im Bereich Stoner, Psychedelic, Sludge und Doom verorten. Klar, KYUSS LIVES hat im letzten Jahr viele Neulinge angelockt, aber wenn die bei der Stange bleiben und beim nächsten Mal wieder kommen, müssen die Macher ja irgendwas richtig gemacht haben.
Der Stoned-Ansatz unterscheidet sich etwas vom Roadburn oder auch dem 2012er Desertfest in Berlin, die mit einem spektakulären Billing zu beeindruckenden suchen. Man befindet sich mit dem stets präsenten familiären Flair quasi in der Mitte zwischen South Of Mainstream oder Blue Moon Festival auf der einen Seite, wo noch mehr Wert auf Newcomer-Bands und "Extravagantes" gelegt wird und den nahezu ausschließlich mit großen Namen aufwartenden Festivals, die damit aber auch erfolgreich sind, wie die Zuschauergunst speziell beim ausverkauften Desertfest ja gut belegt. Beim Stoned gibt es eben auch immer zwei, drei heiße neue Eisen, die erst bei diesem Festival in größerem Umfang auf sich aufmerksam machen und vorher nur den Eingefleischten ein Begriff waren (ARENNA, CYBORGS...).
Hinzu kommt, dass man KYUSS LIVES (2011), RED FANG, GRAVEYARD und einige andere ja zum Beispiel auch auf dem Wacken Open Air begutachten kann, da ist die Schnittstelle zum metallisch geprägten Festivalgänger also auch umgekehrt gegeben, nicht nur durch die Lockstoffe CROWBAR und ST. VITUS auf dem vermeintlichen Kifferfestival. Der belebende Austausch kann also auch 2013 weitergehen.

Einen Rückblick auf das komplette psychedelische und stonerrockende Jahr von Redakteur Mathias Freiesleben gibt es hier.

Redakteur:
Stephan Voigtländer

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