STRATOVARIUS: Interview mit Timo Kotipelto, zweiter Teil

06.03.2013 | 07:07

Im zweiten Teil unseres Gespräches mit Timo Kotipelto erfahren wir mehr über Erwartungshaltungen, das alltägliche Geschäft eines Metalsängers und Timos ungebrochene Motivation sowie seine weiteren musikalischen Pläne.

Da Timo zuvor bereits über Erwartungshaltungen sprach sowie seine Zufriedenheit über STRATOVARIUS' aktuelles Label Ear Music zum Ausdruck brachte, kamen wir nochmals auf den Einfluss der Öffentlichkeit, der Fans sowie der Plattenfirma zu sprechen: "Also, unser Label beeinflusst uns in keiner Weise. Sie sagen uns nicht, wir sollen dies oder jenes abliefern. Nichts. Wir fragten sie natürlich, was ihrer Meinung nach ein guter Song für die erste Single sei, aber auch da richteten sie sich eher nach unseren Vorschlägen. Wir sind wirklich sehr glücklich mit ihnen." Und da gibt es keinerlei Druck? Timo lacht: "Der einzige Druck war als sie uns sagten: "Wir denken ihr solltet unbedingt diese Promotion-Tour machen", und von uns kam mäßig begeistert zurück "Ääh, wirklich, meint ihr?" Aber das ist dann auch alles. Wenn wir Songs schreiben, machen wir uns auch keine Gedanken darüber, was sich gut verkaufen würde. Das ist unmöglich. Ehrlich, wenn ich versuchte, Musik zu machen, von der ich glaube, sie würde sich gut verkaufen, würde ich keinen Power Metal schreiben, vielleicht würde ich irgend einen Techno-Scheiß komponieren, oder etwas in der Art. Wir schreiben genau die Musik, die wir machen wollen. Das neue Album ist gewiss etwas anders ausgefallen als frühere Veröffentlichungen, es ist sicherlich moderner, und ich weiß nicht wie die alten Fans reagieren werden. Es ist eben auch interessant, etwas Neues auszuprobieren und nicht immer nur auf Nummer sicher zu gehen. Das hieße nämlich, "Visions" zu kopieren, aber mal ehrlich, wieso sollten wir das tun? Es war ein tolles Album, klar. Aber ich denke, wir sind immer noch nah genug dran an unseren früheren Sachen.  Die Gitarren sind heavier, der Schlagzeuger ist neu, aber sonst ist und bleibt’s doch STRATOVARIUS, oder?" Volle Zustimmung meinerseits, ganz klar. Modern, aber immer noch episch, hochmelodiös und eingängig; auch den Fans aus den Anfangstagen sollte die Identifikation weiterhin leicht fallen. "Okay, vielen Dank, schön das zu hören. Aber  nochmal bezüglich der Kompromisse: Der große Unterschied zu anderen Bands ist sicherlich auch, dass der Boss unseres Labels ein großer Fan von STRATOVARIUS ist. Er wusste wohl, was er sich da an Bord holt."

Auch Timo selbst hat nach über 25 Jahren im Geschäft noch nichts von seiner Leidenschaft für Musik im Allgemeinen und Metal und STRATOVARIUS im Speziellen verloren – für ihn gibt es auch keine Trennung zwischen Beruf und Hobby: "Ich kann keine klare Grenze zwischen Leidenschaft, Hobby und Beruf ziehen. Ich bin einfach nur sehr glücklich, dass ich in der Lage bin, mit der Musik meinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Singen habe ich mit 16 oder 17 Jahren angefangen, und natürlich habe ich mir damals im Traum nicht vorgestellt, dass ich heute noch hier bin, damit Geld verdiene und davon leben kann. Ich bin sicherlich kein Millionär, aber ich komme gut aus, und das ist schon eine große Sache. Man hat seine Rechnungen zu bezahlen, bezogen auf die Musikindustrie, die Verträge, Gehälter, lauter so Zeugs, aber das ist eben die berufliche Seite, das gehört dazu. Es ist sicher anders, wenn man fünf Millionen Alben verkauft, dann kann man ein paar Manager anheuern, die sich um alles kümmern. Aber es ist auch interessant, wenn man sich selbst mit diesen alltäglichen Dingen beschäftigt. Und für mich ist es immer noch ein großer Traum. Ich liebe es, live zu singen." Heißt das im Umkehrschluss, dass du weniger gern im Studio singst? "Ja, ganz ehrlich, ich bevorzuge es live zu singen. Im Studio muss alles immer zu 100% passen. Das ist die Arbeit – der Liveauftritt ist das Vergnügen."

Timo hat in den vergangenen zehn Jahren bereits drei Soloplatten veröffentlicht. Aktuell gibt es allerdings keine Pläne für ein viertes Album, und der Grund dafür ist simpel: "STRATOVARIUS steht momentan ganz klar im Mittelpunkt. Damals, als ich die drei KOTIPELTO-Alben veröffentlichte, hatte ich keine echte Chance, für STRATOVARIUS zu komponieren, da der damalige Gitarrist (Timo Tolkki - TK) alles alleine geschrieben hat. Jetzt ist die Situation eine andere: Wenn ich ein paar gute Songs habe, lege ich sie der Band vor, und wenn sie ihnen gefallen, wählen wir sie für STRATOVARIUS aus. Ich schließe für die Zukunft nichts aus, aber ich habe momentan auch gar nicht genug Songs, die vom Stil her passen würden; mein Solo-Zeug ist eher klassischer Heavy Metal, verglichen mit STRATOVARIUS, nicht ganz so episch. Dafür habe ich letzten Oktober dieses abgefahrene Akustikalbum mit Jani Liimatainen aufgenommen, es heißt "Blackoustik". Da sind fast ausschließlich Coversongs drauf; wir haben es aufgenommen, da viele Fans uns nach diesen Akustikversionen gefragt haben. Das Teil ist ziemlich cool geworden. Aber wie gesagt, momentan liegt der Fokus auf STRATOVARIUS."

Einen letzten Schwenk nimmt unser langes Gesprächs hin zu den alltäglichen stimmlichen Herausforderungen eines Sängers: "All die Konzerte, das ist in der Tat etwas ermüdend für die Stimme. Aber gerade diese Akustikgigs, zu zweit, sind eigentlich mein bestes Training. Gelegentlich übe ich auch für mich, aber das ist auf Dauer einfach zu langweilig, um ehrlich zu sein. Erst neulich hatte ich drei Gigs mit Jani. Gut, wenn die Tour beginnt, mache ich, was jeder andere auch macht, ich übe die neuen Lieder. Es dauert schon eine Weile, bis man seine Stimme in Form bringt für neue Sachen, und wenn ich Glück habe und nicht krank werde, sollte es passen. In letzter Zeit habe ich auch wieder ein paar Gesangsstunden genommen, nur um mal wieder neue Ideen zu sammeln." Und was unternimmt man als Sänger, wenn man merkt, dass die Stimmbänder im Laufe einer Tour nicht mehr so richtig mitmachen? "Nun, nach einer Weile lässt die Qualität der Stimme einfach nach. So läuft es in der Regel. In erster Linie ist es wichtig, genug zu schlafen, und genug Wasser zu trinken. Problematisch wird es, wenn man den Schlaf nicht nachholen kann. So wie jetzt, ich bin einfach nur verdammt müde, nur fünf Stunden Schlaf letzte Nacht, das reicht mir nicht, und dazu die ganze Reiserei... Also, Schlaf, in erster Linie. Natürlich braucht man auch die richtige Gesangstechnik. Es gibt eben nur wenige Naturtalente... Alle anderen können ohne die entsprechende Technik vielleicht zwei Shows geben, und geraten dann erstaunlich schnell in Schwierigkeiten."

Ohne den Powermetal-Veteranen zu nahe treten zu wollen, interessiert uns natürlich noch, wie lange Timo, Jens & Co. vorhaben, den sich stetig wiederholenden Arbeitsrhythmus einer Band, bestehend aus Albumaufnahme und Welttournee, beizubehalten. "So lange es uns Spaß macht und wir es genießen, und so lange wir Fans da draußen haben, werden wir weitermachen. Mir bereitet es immer noch enorm viel Freude, und so lange meine Stimme dazu in der Lage ist, werde ich singen. Eines meiner größten Vorbilder, Ronnie James Dio, sang bis er 67 war, also..." ... hast du noch etwas Zeit... "... ja, wir werden sehen. Könnte gut sein. Vor allem freuen wir uns jetzt aber darauf, mit dem neuen Album auf Tour zu gehen, wir hoffen den Fans gefällt’s auch. Und ich freue mich, diese Shows in Deutschland für euch zu spielen, ich bin wirklich gerne hier. Kommt zu unseren Konzerten, wir werden alles geben und die Bude rocken."

Dem ist im Grunde genommen nichts hinzuzufügen. POWERMETAL.de wünscht den Melodic Metal-Veteranen natürlich viel Erfolg; auch in unserer Redaktion hat "Nemesis" weitgehend überzeugt, und selbst die skeptischen Fans sollten sich vom hervorragenden dritten Werk der Post-Tolkki-Ära begeisteren lassen können. "Nemesis" erschien am 22.Februar bei Ear Music; auf der hierzulande erhältlichen Special Edition finden sich mit 'Fireborn' und 'Hunter' noch zwei zusätzliche, vollwertige Bonustracks.

Redakteur:
Timon Krause

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