STRATOVARIUS: Interview mit Timo Kotipelto

06.09.2015 | 15:26

"Wir hatten einfach nicht genug gute Songs..." Seit die skandinavische Metal-Allianz vor zwei Jahren mit "Nemesis" Kritiker und alte wie neue Fans gleichermaßen begeistert hat, müssen die Power-Metal-Veteranen niemandem mehr etwas beweisen. Und je länger die chaotischen Nullerjahre der Band zurückliegen, desto befreiter spielt der Fünfer von Album zu Album auf. In Kürze steht "Eternal", die mittlerweile 15. Studioveröffentlichung von STRATOVARIUS in den Regalen, und Sänger Timo Kotipelto erzählte uns im Vorfeld von der Schwierigkeit, weiterhin qualitativ hochwertiges Material zu liefern, und vom Sieben-Buchstaben-Albumtitelfluch seiner Truppe.

Trotz massig Arbeit im Vorfeld der Veröffentlichung ist Timos Stimmung gelöst: "Mir geht es wunderbar, danke der Nachfrage! Gerade sind wir mit dem Dreh zu unserem neuen Musikvideo fertig geworden, und davor waren Jens (Johansson, Keyboards – TK) und ich in Frankreich, Spanien, Deutschland und Finnland unterwegs, das neue Album zu promoten." Mittlerweile das Standardprogramm von STRATOVARIUS vor einem BandfotoCD-Release. Als ich Timo vor etwas über zwei Jahren das letzte Mal traf, war sich die Band allerdings keinesfalls sicher, dass "Nemesis" überhaupt erfolgreich sein würde: "Ich war damals positiv überrascht von den Reaktionen! "Nemesis" bekam großartige Rezensionen und die Fans haben das Album sehr genossen. Ich hatte den Eindruck, dass wir mit "Nemesis" das Vertrauen vieler alter Fans zurückgewonnen haben – und sicherlich neue Fans dazu gewonnen haben. Wir waren mit dem Album eine ganze Weile auf Tour und hatten fantastische Gigs."

Danach war eine Weile nichts zu hören von STRATOVARIUS. Ebenso wenig wurde relative lange vom Entstehungsprozess des "Nemesis"-Nachfolgers bekannt... "Der Grund dafür ist ganz einfach: Wir wollten schon vor über einem Jahr mit den Aufnahmen von "Eternal" beginnen, aber wir hatten einfach nicht genug gute Songs. Wir brauchten mehr Zeit zum Komponieren. Mancher in der Band musste sich um die Familie kümmern, einige hatten andere Projekte... Aber vor allem brauchten wir neue Inspiration. Da uns zunächst die Songs fehlten, spielten wir einige "Visions"-Jubiläumsgigs in Finnland, die von den Fans sehr positiv aufgenommen wurden. Wahrscheinlich gaben uns diese Auftritte den nötigen Schub, um weiter zu komponieren."


Zu wenig gute Songs? Schwer vorstellbar, nach dem energieintensiven Kreativfeuerwerk "Nemesis". Wie unterscheidet sich "Eternal", das mit der enorm kraftvollen Single 'My Eternal Dream' beginnt, also von seinem direkten Vorgänger? "Unser Schlagzeuger Rolf Pilve kam mit "Nemesis" zu unserer Band, und er lieferte einen fantastischen Job dafür ab. Nach zahlreichen Gigs mit ihm kann ich mit Gewissheit sagen, dass er einer der besten Schlagzeuger ist, mit denen ich jemals zusammengearbeitet habe. Jetzt sind wir zudem mit seinem Stil und seinen Fähigkeiten als Schlagzeuger voll vertraut. Wir stehen als Band auch alle wirklich eng zusammen, wenn wir auftreten. Und die Band hat frische Energie und ist hochmotiviert! Einige Songs auf "Eternal" bringen den Ruhm des STRATOVARIUS Power Metals der späten 90er zurück, aber eben mit einem modernen Anstrich. Andere stehen mehr für moderne 2015er-STRATOVARIUS. Wir haben fünf Leute die komponieren (alle in der Band außer Rolf, und ich komponiere meist mit Jani Liimatainen zusammen), womit wir eine große Songauswahl haben aus der wir schöpfen können. Wobei ich sagen muss: Als ich mit den Gesangsaufnahmen für das neue Album begann, fragte ich mich, ob das Album gut genug sei. Doch nachdem wir fertig waren, war ich wirklich glücklich mit dem Ergebnis. Ich gewann Eindruck, "Eternal" könnte eines unserer besten Alben sein. Ja, das klingt nach Klischee, aber für mich fühlt es sich so an."

Diese "Halle der Götter" auf dem Albumcover, sowie die Fortsetzung einer gewissen Tradition, Titel über Ewigkeit, Unendlichkeit etc. zu wählen, lässt auf eine bestimmte Grundthematik schließen... "Das Artwork wurde bereits vor über einem Jahr fertig gestellt! Normalerweise kümmern wir uns um das Cover erst am Ende, doch dieses Mal dachten wir uns, es könnte ein guter Ausgangspunkt sein, damit anzufangen. Wir wussten, was wir auf dem Cover haben wollten, allerdings war unser Arbeitstitel noch ein anderer. Das Artwork ist von Gyula Havancsak, der auch die Cover von "Polaris", "Elysium" und "Nemesis" gestaltet hat. Er weiß einfach, welche Art von Titelbildern zu unserer Musik passt, und wir wissen dass wir uns 100%ig darauf verlassen können, dass er etwas großartiges schafft! Den Titel "Eternal" haben wir relativ spät gewählt. Es war glaube ich Lauris (Porra, Bass – TK) Idee. Ich weiß nicht wieso, doch es scheint, wir haben einen Fluch mit Sieben-Buchstaben-Albumtiteln, verdammt! *lacht* Die Band wird sicherlich nicht "ewiglich" bestehen, ich bezweifle auch dass ich in 100 Jahren noch hier sein werde - hoffentlich wird aber unsere Musik die Band überleben."

Was hat es denn nun mit Jani Liimatainen auf sich, der früher bei SONATA ARCTICA war, mit dem Timo bei CAIN'S OFFERING musiziert und der STRATOVARIUS nun schon eine Weile lang begleitet? In den Schreibeprozess für "Nemesis" war er hörbar integriert. Ist er so etwas wie das sechste Bandmitglied im Hintergrund? "Genau. Jani und ich haben drei Songs für das neue Album geschrieben, und ich habe die Texte für acht Songs geschrieben. So gesehen ist er vielleicht unser Geheimagent, unser sechstes Mitglied, haha. Obwohl er nicht zum Lineup gehört. Ich habe in den vergangenen sechs Jahren viel mit ihm gearbeitet. Er ist ein sehr talentierter Komponist, und ebenso ein großartiger Gitarrist und Background-Sänger."

Nach den zahlreichen Lineup-Wechseln der Vergangenheit scheint allmählich wieder so etwas wie Kontinuität im Hause STRATOVARIUS eingekehrt sein. Soll es nun in dieser Form eine Weile weitergehen? Sind die Veteranen Timo und Jens nicht allmählich müde? "Es fühlt sich so an, als hätten wir momentan das beste STRATOVARIUS-Lineup überhaupt. Sehr talentierte Musiker mit der richtigen Einstellung. Sehr wichtig dabei ist, dass wir hervorragend zusammen auskommen und viel Spaß auf Tour haben. Genau genommen habe ich zur Zeit mehr Spaß als in all den Jahren zuvor!" Auch zum einen oder anderen Ex-Mitglied besteht weiterhin Kontakt: "Mit Jörg (Michael, Ex-Schlagzeuger – TK) stehe ich in engem Kontakt, da er in unserer Booking-Agentur und unserem Management arbeitet. Jari (Kainulainen, Ex-Bassist – TK) zu treffen macht auch jedesmal wieder Spaß. Mit den anderen ehemaligen Mitgliedern stehe ich nicht wirklich in Verbindung."

Ende der 90er war STRATOVARIUS ein beinahe weltweites Phänomen in der Metalszene, mit Liveauftritten auf mehreren Kontinenten. Nach den Krisenjahren kann die Band an diesen Erfolg mittlereile wieder anknüpfen: "Wir wollen wieder überall dort auf Tour gehen, wo wir schon unterwegs waren. Tatsächlich sieht die Zukunft momentan rosig aus für STRATOVARIUS. Die Europatour beginnt am 16.September in Finnland, und dann sind wir bis Mitte März unterwegs. Danach wird es sehr wahrscheinlich Gigs in Südamerika und Asien geben." Welche Grenzen will die Band sprengen, wohin will sie noch gelangen? Wie wär's mit Afrika? "Ich weiß nicht ob Metal in Afrika populär genug ist. In Australien haben wir schon gespielt – eine Show mit Pinguinen in der Antarktis wäre natürlich noch cool, haha!"

Timo ist nun seit über 20 Jahren dieser Band, deren Anfänge wiederum nunmehr 30 Jahre zurück liegen. STRATOVARIUS hat die Krisenjahre zurückgelassen und ist stärker denn je – Veteranen der Szene, ein echtes Phänomen. Über die Entwicklung der Rock- und Metal-Szene, insbesondere jener des Power Metals, ist Timo durchaus überrascht: "Als ich 1994 zu der Band stieß, war Power Metal so untrendy wie es nur ging. Grunge war mächtig angesagt. Aber heutzutage ist Grunge beinahe verschwunden, und Power Metal ist immer noch hier. Da gab es nie eine Vermischung, und das ist wohl auch gut so. Ich habe sogar den Eindruck, dass Power Metal allmählich zurückkommt. Okay, vielleicht ist es nur UNSER Power Metal. Es stimmt, dass außer HELLOWEEN und uns von den Pionieren kaum jemand übrig ist. Aber Musikgenres bewegen sich in Kreisen. Vielleicht bringt "Eternal" den Power Metal für immer zurück, haha! Immerhin ist das Album ein frischer Mix aus altem und neuem Power Metal. Aber ich überlasse es den Fans, darüber zu urteilen."

Haben die fünf Musiker eigentlich außerhalb von STRATOVARIUS noch andere Tätigkeiten oder Beschäftigungen? "Sicherlich. Matias (Kupiainen, Gitarre – TK) ist Tontechniker, Rolf hat mehrere Nebenprojekte, Lauri komponiert für Filme und hat ebenfalls Nebenprojekte, Jens macht akustisches Jazz-Zeug mit seinem Bruder Anders Johansson und ich spiele Duo-Shows mit Jani.  Jens, Jani und ich haben außerdem CAIN'S OFFERING als Nebenprojekt. Aber STRATOVARIUS hat absolute Priorität!" Und was war musikalisch gesehen das Schrägste, bei dem Timo je mitgewirkt hat? Schon mal Death-Metal-Vocals versucht? "Ich wurde einmal angefragt, für einen Disneyfilm namens "Brother Bear" zu singen. Das war herausfordernd, aber sehr unterhaltsam. Ich bezweifle dass ich Death Metal wirklich gut könnte..."

Da mir allmählich die Fragen ausgehen, bitte ich Timo noch ein abschließendes Statement für alle STRATOVARIUS-Fans in Deutschland abzugeben:

"Dieses Mal werden wir mehr Gigs in Deutschland spielen als in vielen Jahren zuvor. Unsere deutschen Fans sind großartig, und wir wollen euch auf diese Weise zeigen, dass ihr uns sehr wichtig seid! Hoffentlich gefällt euch "Eternal", und hoffentlich kommt ihr zahlreich, um uns live zu sehen! Wir werden euch 'ne tolle Show bieten – let's have a Power Metal Party together! Dankeschön!!


Die "Eternal-Tour" führt die Band an folgende Orte im deutschsprachigen Raum:

11.10 Berlin – C-Club (GER)

13.10 Vienna – Szene (AT)

16.10 Geiselwind – Musichall (GER)

17.10 Lindau – Vaudeville (GER)

20.10 Munich – Backstage (GER)

30.10 Pratteln – Z-7 (CH)

06.11 Cologne – Essigfabrik (GER)

07.11 Bochum – Matrix (GER)

09.11 Frankfurt – Batschkapp (GER)

10.11 Stuttgart – LKA (GER)

11.11 Hamburg – Gruenspan (GER)

12.11 Karlsruhe – Substage (GER)

13.11 Kufstein – Kulturfabrik (AT)

 

 

Redakteur:
Timon Krause

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