RUFFIANS: Interview mit Craig Behrhorst

01.01.1970 | 01:00

Die Bay Area hat viele Legenden hervorgebracht, soviel steht schon mal fest. Doch gab es Mitte der 80er auch einige verdammt großartige Bands, die in all den Jahren nie den großen Durchbruch geschafft haben, obwohl sie in Insider-Kreisen stets in höchsten Tönen gelobt wurden. Eine dieser Bands sind sicherlich die RUFFIANS, jene Truppe, in welcher der spätere VICIOUS RUMORS-Sänger Carl Albert jahrelang hinterm Mikro stand und mit dessen Weggang die Band schließlich auch wieder von der Bildfläche verschwand. 15 Jahre nach ihrem letzten Lebenszeichen haben sich die RUFFIANS nun wieder zusammengefunden und auf dem Bang Your Head eine hochgelobte Reunion-Show gespielt. Ob die Geschichte nun einmalig war, ob die RUFFIANS tatsächlich wieder vollständig zurück sind und warum man sich überhaupt auflöste, all das erzählte ein sehr auskunftsfreudiger Craig Behrhorst:


Björn:
Hallo Craig, wie geht es dir?

Craig:
Großartig, Björn, erst mal "Hallo" an alle!

Björn:
Vor wenigen Tagen habt ihr beim "Bang Your Head"-Festival in Balingen gespielt. Welche Eindrücke hast du dort sammeln können?

Craig:
Das "Bang Your Head" war fantastisch. Wir hatten eine unglaublich tolle Zeit und die Reaktionen der Fans waren ebenfalls überwältigend. Es war auf jeden Fall stark, nach all den Jahren endlich mal für die deutschen Fans zu spielen.

Björn:
Ihr habt dort ja sowohl in einem Club als auch auf der Open-Air-Bühne gespielt: Welcher Auftritt hat dir persönlich besser gefallen?

Craig:
Puh, das ist eine schwere Frage. Beide Gigs waren großartig, doch muss ich zugeben, dass dieser Clubgig etwas ganz Besonderes an sich hatte. Es war auf jeden Fall eine ganz spezielle Energie in der Luft in dieser Nacht. Die Halle war ja auch ausverkauft und als wir dann mit `Fight For Your Life´ einstiegen, sang die Menge lauter als Rich. Aber andererseits, was kann schon besser sein als vor Tausenden von fanatischen Metalmaniacs an einem Freitagmorgen zu spielen?

Björn:
Der Name RUFFIANS war ja schon eine ganze Weile aus der Metalszene verschwunden, umso überraschender ist nun euer plötzliches Comeback. An welchem Punkt habt ihr euch entschieden, es noch einmal zu versuchen und diese Festivalshows zu spielen?

Craig:
Nun, in Europa hat es in den letzten Jahren schon ein wachsendes Interesse an den RUFFIANS gegeben, ganz besonders in Deutschland. Das Bang-Your-Head-Team ist letztes Jahr im Oktober an uns herangetreten und hat uns gefragt, ob wir nicht Interesse hätten, uns für das Festival und die Clubshow zu reformieren. Die Band ist zwar in den ganzen Jahren immer in engem Kontakt zueinander geblieben, aber bis zu diesem Tag hatten wir eigentlich nie über eine Reunion gesprochen. Wir wussten aber sofort, dass es eine tolle Zeit werden würde. Unser Sänger Rich lebt mittlerweile in North Carolina, während der Rest der Truppe noch immer in Kalifornien in der `Bay Area´ zu Hause ist. Wir wohnen also fast 3000 Meilen auseinander. Als wir dann aber feststellten, dass wir trotz dieser Distanz zusammenarbeiten könnten, stimmte jeder Einzelne zu.

Björn:
Hat es denn keine Zweifel gegeben, ob dies eine richtige Entscheidung sei?

Craig:
Ehrlich? Von dem Moment an, als jeder sich zu der Reunion bereit erklärte, war ich überzeugt davon, dass wir genauso gut, wenn nicht sogar besser klingen würden wie damals in den 80ern. Wir hatten acht Monate Zeit, um uns auf die Shows vorzubereiten, und wir wussten, dass es eine Menge Arbeit werden würde, zumal einige von uns schon eine ganze Weile nicht mehr regelmäßig geprobt hatten.

Björn:
Ihr seid jetzt verdammt lange von der Bildfläche verschwunden. Wenn ich mich recht entsinne, war es 1989, als die RUFFIANS sich auflösten. Was ist seitdem passiert?

Craig:
Wow... Nun, ich denke, dass eine Menge passiert ist. Nach den RUFFIANS habe ich mit Mike Coons von LAAZ ROCKIT in einer Band namens CONTROL gespielt. Wir spielten dort traditionellen Rock 'n' Roll im Stile von AC/DC. Danach habe ich mit Andy Andersen zusammen TWO BIT THIEF gegründet, was schon mehr in die Punk-Rock-Ecke tendierte. Mit dieser Gruppe machten wir auch einige Alben für We Bite Records und tourten durch Nevada und Kalifornien. Ich habe auch eine Menge Session-Arbeit für ANDYBOY geleistet. Außerdem spielte ich zusammen mit Andy Vain (VAIN) und machte auch mit ihm ein Album und eine Tour.
Momentan habe ich eine Band namens TROUBLE HORSE am laufen, das ist so eine Art Rock-&-Roll-Geschichte. Rich Wilde konzentrierte sich Anfang der 90er auf sein Solomaterial und spielte einige Konzerte in der Bay Area mit KAPTAIN KRUNCH. Luke Bowman hatte eine Band namens TOFU JOHNSON und saß bei fast allen Releases von ANDYBOY hinterm Schlagzeug. Chris Atchison spielte bei BLACK MARIAH und arbeitete ebenfalls als Sessionmusiker. Dan Moura hat nach seinem Engagement bei den RUFFIANS hingegen in keiner anderen Kapelle mehr gespielt. Dann ist da noch unser aktueller Bassist Eric Wrong, der zudem auch noch bei UNJUST aktiv ist.

Björn:
Oh, dass ihr so aktiv gewesen seid, hätte ich jetzt gar nicht gedacht. Aber trotzdem möchte ich noch einmal weiter in die Vergangenheit blicken. Da ist nämlich eine ganz besondere Person, die man im Kontext mit den RUFFIANS nicht vergessen darf, nämlich Carl Albert, euer ehemaliger Sänger. Der entschloss sich ja irgendwann, bei euch auszusteigen und sich stattdessen VILLAIN anzuschließen. War das so etwas wie der Anfang vom Ende, als Carl euch damals verließ?

Craig:
Ja, es war sicherlich das Ende einer bestimmten RUFFIANS-Ära, doch die Band machte trotzdem weiter und betourte die Westküste mit Rich Wilde als Sänger. Wir spielten einige unserer größten Shows mit Rich am Mikro. Es gab natürlich keinen Zweifel, dass Carl Albert ein genialer Sänger und zugleich eine außergewöhnliche Persönlichkeit ist. Wir wussten also auch, dass es extrem schwer sein würde, einen gleichwertigen Ersatz zu finden, aber jeder fand schließlich, dass Rich eine Bereicherung für die Band ist. Wir schrieben einen Haufen neuer Songs mit ihm und er konnte auch dem älteren Material gerecht werden.

Björn:
Carl Albert sang ja später auch noch bei VICIOUS RUMORS. Wenn du jetzt alle drei Bands miteinander vergleichst – VILLAIN, RUFFIANS und VICIOUS RUMORS – wo hat Carl deiner Meinung nach die beste Performance abgeliefert?

Craig:
Natürlich bei den RUFFIANS. Meiner Meinung nach war bei den älteren Aufnahmen noch so eine Klarheit, ein Funkeln und so etwas wie eine Unschuld in seiner Stimme, die man auf späteren Platten nicht mehr hören kann. Aber trotzdem finde ich einiges von dem, was er mit VICIOUS RUMORS gemacht hat, fantastisch!

Björn:
1995 kam Carl dann bei einem Autounfall ums Leben. Was ging damals in dir vor?

Craig:
Nun, es ist schon komisch: Ich hatte Carl eine ganze Weile lang nicht gesehen, bis ich dann zehn Tage vor seinem Tod bei einer Party im VICIOUS RUMORS-Studio war. Wir redeten ziemlich lange miteinander und ich erklärte ihm, dass die RUFFIANS-EP auf CD wiederveröffentlicht worden ist. Außerdem hatte ich einige Kopien dabei, die ich ihm geben wollte. Wir redeten ebenso über die guten alten Zeiten und beschlossen, dass wir uns Zukunft wieder bemühen sollten, uns öfters miteinander zu treffen. Ich weiß jetzt nicht, ob es Schicksal war, aber ich fühle mich sehr gut, dass ich kurz vor seinem Ableben noch einmal eine sehr tolle Zeit mit ihm hatte.

Björn:
Dann möchte ich dir jetzt noch einmal die Chance geben, den Menschen Carl Albert zu beschreiben, ganz genau so, wie er auch wirklich war.

Craig:
Er war sehr spontan und liebte es, jederzeit eine große Party zu machen. Er war so ein Mensch, der, hätte er eine Million im Lotto gewonnen, sein Geld in Nullkommanix verjubelt hätte, weil er dann jedem in der Bar Drinks spendiert hätte.

Björn:
Kommen wir zurück in die Gegenwart. Euer Debüt ist vor einigen Wochen neu aufgelegt worden. Wie ist deine Meinung hierzu?

Craig:
Ich bin davon überzeugt, dass der Termin perfekter gar nicht hätte sein können, eben gerade weil wir diese Shows geplant hatten. Auf der CD ist jetzt die Original-EP aufgestockt mit sechs Livetracks, die wir in The Stone in San Francisco 1985 mitgeschnitten haben. Zusätzlich gibt es eine Sammleredition als Vinyl, auf der neben der EP vier unveröffentlichte Nummern aus dem Jahre 1987 enthalten sind, bei denen Rich Wilde bereits hinterm Mikro stand.

Björn:
Heavy Metal hat ja gerade in den letzten Jahren eine ziemlich moderne Schlagseite bekommen. Wieso glaubst du, dass die Musik der RUFFIANS auch 2004 noch zeitgemäß klingt?

Craig:
Ich glaube einfach, dass dies ein par großartige Songs sind und sie haben all die Jahre lang überlebt. Es klingt natürlich ganz klar nach 80er-Power-Metal, aber wie sagt das Sprichwort so schön: "Das Alte wird wieder neu"!

Björn:
Dem kann ich nur zustimmen. Nun, die RUFFIANS wurden ja vor über 20 Jahren gegründet und waren somit eine der ersten Bands aus der berüchtigten Bay Area. Was war deiner Meinung nach so besonders an dieser Gegend, so dass später fast tagtäglich neue fantastische Bands aus ihr emporstiegen?

Craig:
In der Mitte der 80er war eine spezielle Zeit für Metalmusik in dieser Gegend. Es gab eine Menge guter Bands und sie wurden auch von der breiten Masse wahrgenommen. Und sie bekamen auch Gelegenheit sich live zu präsentieren, da das Angebot an Clubs, in denen Metalbands auftreten konnten, ebenfalls reichhaltig war. Diese Art von Musik blühte damals so richtig auf. Man hatte Bands wie EXODUS, RUFFIANS, LAAZ ROCKIT, TESTAMENT (LEGACY), METALLICA, HEATHEN, usw. Jedes Wochenende spielte eine dieser Gruppen in irgendeinem Club und der Zusammenhalt unter diesen Bands stimmte ebenfalls. Man konnte sicher sein, einen Großteil der Mitglieder dieser Kapellen bei den Shows zu sehen.
Das "Ruthie's Inn" war eine gute Adresse zu dieser Zeit. An jedem Wochenende saßen alle Leute da, betranken sich ordentlich, bewarfen sich gegenseitig mit Eis und rasteten total aus. Wenn einer vollkommen dicht war, warf er sogar mit Aschenbechern. Paul Baloff würde es wahrscheinlich "good friendly violent fun" nennen, haha!

Björn:
Welche Bands waren denn damals deine Favoriten?

Craig:
Ich habe es jedes Mal genossen, EXODUS live zu sehen, vor allem aufgrund der puren Energie und wegen Paul's Einzeilern zwischen den Songs. Für ihn wäre es aus heutiger Sicht bestimmt irgendein dummer Mist, aber es war halt sehr lustig.

Björn:
Wenn die Leute heute über die Bay Area reden, fallen meist nur die Namen der ganzen Thrash-Metal-Bands aus dieser speziellen Zeit. Aber Thrash Metal war doch nicht der einzige Stil der härteren Musik, der damals dort gespielt wurde, wie denkst du also über diese Sichtweise?

Craig:
Weißt du, es ist zwar schon eine lange Zeit her, aber ich weiß genau, dass wir damals einige Bands mehr hatten, die stilistisch mehr mit den RUFFIANS als mit Thrash Metal gemein hatten. NWoBHM-Bands wie IRON MAIDEN, alte JUDAS PRIEST, SAXON und TYGERS OF PAN TANG haben uns seinerzeit beeinflusst; die haben uns dazu gebracht, selber Musik zu schreiben. Aber dieser Stil wurde eben nicht Thrash Metal genannt. Eine große Anzahl der Bands, die damals einen Plattenvertrag bekommen haben, waren Thrash-Bands, also fragten wir uns auch selber, in welche Richtung wir gehen sollten. Aber wir spielten einfach nur die Musik, hinter der wir ehrlich stehen konnten. Vielleicht haben wir deswegen auch Ende der 80er den Anschluss verpasst, als viele dieser Bands von den Labels gesigned wurden.

Björn:
Erinnerst du dich eigentlich noch an eure erste Liveshow?

Craig:
Unsere erste Show war im legendären Punk-Rock-Club "Mabhuay Gardens" in San Francisco. Es war im September 1983, der Sänger war Rob Bonstin und am Bass war Devin Lacey. Beide wurden ja nachher von Carl Albert bzw. Dan Moura abgelöst.

Björn:
Und wann habt ihr zum letzten Mal gemeinsam auf der Bühne gestanden, bevor ihr euch schließlich aufgelöst habt?

Craig:
Unsere letzte Show war in der "Centennial Hall" in Hayward, Kalifornien im Januar 1989.

Björn:
Wie fühlte es sich denn jetzt an, nach so langer Zeit wieder live zu spielen?

Craig:
Es fühlte sich toll an, wieder mit meine alten Freunden Metal zu spielen. Das sind alles Menschen, mit denen ich sehr eng befreundet bin.

Björn:
War dieser besondere Auftritt auf dem "Bang Your Head" nur ein einmaliges Ereignis oder seid ihr noch immer hungrig nach weiteren Liveshows?

Craig:
Yeah, wir würden liebend gerne zurück nach Europa kommen, speziell nach Deutschland. Die Reaktionen waren dermaßen eindrucksvoll, dass wir gerne wieder ein paar Shows bei euch spielen würden. Ich muss noch einmal betonen, dass es keine Fans gibt, die so geil sind wie die deutschen Fans. Sie sind die fanatischsten und die einzigen, die Metal so zu würdigen wissen, wie es sein sollte.

Björn:
Wäre es denn auch im Bereich des Möglichen, dass ihr eine neue Platte einspielt?

Craig:
Puh, es ist zu früh, um hierzu etwas zu sagen!

Björn:
Was sind denn die Pläne hinsichtlich der näheren Zukunft?

Craig:
Wir haben einige Dinge in der Mache, aber ich denke, das sollte ich mir besser für das nächste Interview aufheben.

Björn:
Irgendwelche letzten Worte für eure deutschen Fans?

Craig:
Ihr seid einfach die Größten! Es war der Hammer, live für euch zu spielen und euch nach all diesen Jahren zu treffen. Vielen Dank für eure Unterstützung, wir hoffen, euch schon sehr bald wiederzusehen. Beim nächsten Mal werden wir dann auch `Wasteland´ spielen. Versprochen!

Björn:
Okay, wir lassen uns überraschen!

Redakteur:
Björn Backes

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