RPWL: Interview mit Yogi Lang & Kalle Wallner

02.08.2012 | 07:44

Niemand hat die Absicht ein Konzeptalbum zu erschaffen!

Die deutschen Artrocker RPWL haben auf einer ausgiebigen Tour ihr aktuelles Werk "Beyond Man And Time" präsentiert. Wir trafen uns mit Sänger Yogi Lang und Gitarrist Kalle Wallner vor dem Konzert in Oberhausen auf einen Plausch. Es gibt schließlich viel zu erfahren über Philosophie in der Musik, Festival-Auftritte mit Nischenmusik und die vermeintliche Quintessenz ihres aktuellen Albums.

 

Ihr seid jetzt eine gute Woche auf Tour, seid ihr zufrieden mit dem Tour-Start?

Yogi: Wir sind total zufrieden! Die Aufgabe ist ja immer eine Show zu machen, die in jedem Venue gut funktioniert. Das haben wir ganz gut geschafft und der Zuspruch ist auch ganz gut, das hat bis jetzt richtig Spaß gemacht.

 

Plant ihr auch eine Live-DVD von der Tour?

Yogi: Ja, allerdings keine richtige Live-DVD sondern eine Verfilmung des Albums. Wir sind schon in Kontakt mit einem Regisseur, der das ganze inszenieren würde. Das wäre noch eine große Aufgabe für uns für den Herbst. Mal schauen was dabei rumkommt.

RPWL Cover

"Beyond Man And Time" ist keine leichte Kost, und ein Konzeptalbum zu präsentieren ist immer eine ziemliche Herausforderung. Zu Hause setzt man sich in aller Ruhe hin und hört das fertige Produkt, aber auf der Tour spielt ihr es komplett live. Was ist die größere Herausforderung, was ist schwieriger um die Botschaft des Albums rüber zu bringen? Und was ist euch vielleicht lieber?

Kalle: Ich würde sagen es gehört beides zusammen. Das fängt an mit den ersten Ideen, dann geht's ans Songs schreiben oder in dem Fall daran, das ganze Konzept zu schreiben. Dann produzierst du es und dann kommt der Tonträger, und dann kommt als letzter Schritt oder als Highlight das Live-Konzert. Es gehört alles irgendwie zusammen, wir trennen da nicht. Klar sitzt man im Studio und hat Ideen, wie man das live auch machen könnte und was man wie umsetzen könnte, wie man es entwickeln könnte. Es gehört unbedingt zusammen.

Yogi: Beim Album hat man als zusätzliches Medium die Grafik, aber dann ist es aus, mehr hast du ja nicht. Und live hast du natürlich schon die Möglichkeit mit Visuals etwas zu machen. Wir haben sehr viel gefilmt vor dieser Tour, unter anderem hatten wir zwei Tänzer, wirst du ja nachher sehen, wie wir das in die Show eingebaut haben. Im Prinzip ist beides toll, die ganze Band hat sich schließlich formiert, weil es live Spaß macht. Da war von Alben noch gar nicht die Rede. Natürlich kommen wir auch aus dem Studio-Alltag, das macht uns auch Spaß, es ist beides gleichwertig.

 

Wo wir gerade bei dem Album sind. Du sagtest gerade, es gibt noch die Grafik dazu, aber die gedruckten Texte sind ja auch ein sehr wichtiger Bestandteil. Wie steht ihr denn zur digitalen Verbreitung? Eure Alben gibt es auch bei iTunes und Co. Ist das ein notwendiges Übel, um auch Leute zu erreichen, die nur auf diesem Weg Musik konsumieren?

Kalle:  Es geht ein bisschen der Aspekt des Gesamtwerkes verloren. Wir machen ein Album ja auch für uns, und ich selbst mag immer den physischen Tonträger und das Booklet dazu haben. Ich denke, da geht's immer noch vielen Leuten gleich, speziell, wenn es nicht nur ums schnelle Konsumieren von Musik geht, sondern wenn sich jemand Zeit dafür nimmt, eine Stunde oder länger ein Album durchzuhören. Mir selbst fehlt dann dieses Blättern im Booklet. Aber natürlich ist es für uns auch wichtig, dass man in den ganzen digitalen Medien auch vertreten ist, das ist klar. Ich glaube das merkt man auch an unseren Verkaufszahlen, dass der physische Tonträger noch immer am Wichtigsten ist.

 

Ihr seid mit "Beyond Man And Time" auf Platz 68 der Deutschen Charts eingestiegen. Wie wichtig ist für euch "kommerzieller Erfolg"?

Yogi: Kommerzieller Erfolg ist immer relativ. Aber wenn wir es nur für uns gemacht hätten, würden wir jetzt in irgendeinem Keller sitzen und für uns spielen. Wir wollen unsere Musik präsentieren, da gehören also Konzerte und Album-Verkäufe dazu.

RPWL Studio

Kalle, du sagtest gerade, die ersten Ideen für neue Songs kommen schon auf der Tour. Wie war das beim aktuellen Album, gab es von Anfang an die Idee eines Konzeptalbums oder hat es sich so ergeben?

Kalle: Es kam so nacheinander. Yogi hatte angefangen sich für ein paar Themen zu interessieren, hat ein paar Texte geschrieben und hatte schon ein paar musikalische Themen. Allerdings keine fertigen Demos sondern alles ganz einfach: kleine Melodien oder Akkorde, eine Stimmung oder ein Riff. Und wir haben dann relativ früh angefangen, die Ideen zusammen weiterzuspinnen. Es hat also nicht jeder vier halbfertige Songs gemacht, sondern wir haben eigentlich mit ganz einfachen Motiven angefangen. Dass es schließlich zum Konzeptalbum wurde, hat sich dann ergeben.

Yogi: Es war ja keine Absicht von uns, ein Konzeptalbum zu machen. Wenn es natürlich ein Klischee in dieser Musikrichtung gibt, dann sicherlich das des Konzeptalbums. Uns war immer - auch bei den Alben davor - sehr wichtig, dass es ein Thema gibt, das durch das Album führt. Und so war es bei dem Album ursprünglich auch gedacht. In Amerika wurde ich von einem Fan auf unsere Texte angesprochen, dass er unsere Texte schon schätzt, aber dass bei aller Liebe zur Sozialkritik keine Lösung vorhanden ist. Und das hat mich angestachelt und ich habe mir gedacht, da muss man jetzt ein bisschen tiefer rühren und dann schauen wir mal, wo solche Lösungsansätze für gesellschaftliche Probleme sein können. Und so ist es eigentlich zu diesem Text gekommen. Ab da wird's natürlich etwas komplexer - es hat natürlich immer noch mit uns als Menschen zu tun. Aber es rührt etwas tiefer. Und über dieses Nachdenken über Lösungsansätze kam dann dieses Thema. Irgendwann hat dann diese Thematik ganz übernommen und hat uns dann im Prinzip dazu geführt, dass es ein Konzeptalbum wird. Das war für uns eine ganz interessante Sache. Die Musik hat dann oft Filmmusik-Ansätze gehabt, wenn du versuchst, die Figuren zu beschreiben etc. Aber es war nie unsere Absicht, irgendwie ein Konzeptalbum zu machen, sondern das Thema war irgendwann so übermächtig, dass wir gesagt haben, dann machen wir das.

 

Wenn ich das richtig verstanden habe, dann wollt ihr dem Hörer nicht zwangsläufig "die Quintessenz" des Albums anbieten, sondern ihn wirklich auffordern, sich damit auseinanderzusetzen und nicht einfach nur zu konsumieren.

Yogi: Ja genau, da sind Lösungsansätze drin, vom Denkerischen her. Also keine Moralanweisungen, sondern Möglichkeiten, sich selber zu finden. Ich glaube, darum geht's auch in dieser ganzen individuellen Modernität. Also, dass man da auch mal provokant hinterfragen kann und nicht einfach alle Dinge so hinnimmt, dabei geht es im Prinzip durch alle Schichten unserer Realität. Man sollte genauso wenig wie man Politikern etwas glauben sollte, jemandem anders etwas sofort glauben, sondern alles sofort hinterfragen und für sich erstmal werten. Wir nehmen viel zu viele Dinge einfach ungefragt hin und vergessen dabei, dass eine Freiheit im Denken ja auch eine erarbeitete Freiheit ist. So dass man Dinge hinterfragen kann, sich das auch traut. Ich glaube, es geht dabei nicht um eine Komplexität oder eine Nicht-Begreifbarkeit. Um das alles geht es in unserem Album. Deswegen wird's auch keine Quintessenz geben, weil die Quintessenz das eigentliche Hinterfragen ist. Es finden sich ebenfalls viele provokante Thesen darin, das ist so gewollt.

 

Das klingt so als ob ihr euch persönlich sehr viel mit solchen philosophischen Aspekten auseinandersetzt. Gibt es eine Distanz zu dem künstlerischen Schöpfen oder ist es auch sehr persönlich für euch? Verarbeitet ihr viele persönliche Erlebnisse oder ist das ganz bewusst Ausdruck einer künstlerischen Identität?

Yogi: Die künstlerische Identität ist schon geprägt von einer gewissen Theorie, aber grundsätzlich gibt es ja immer den Musiker und den Menschen, den Schreiber und den Menschen, den Schriftsteller und den Menschen.  So ist es bei uns auch. Diesen Unterschied gibt es vermutlich bei allen. Logisch.

 

Kommen wir noch einmal auf die Entstehung des Albums zurück. Wie funktioniert bei RPWL die Beteiligung am Songwriting?

Kalle: Also das Kreative kommt schon von uns beiden, das was man unterm klassischen Songwriting versteht. Aber ohne Band geht's natürlich gar nicht, die einzelnen Musiker sind einfach extrem wichtig. Ab einem gewissen Punkt geht's dann auch darum, die Sachen gemeinsam auszuführen und so aufzubereiten, dass man sie überhaupt aufnehmen kann.

Yogi: Es sind verschiedene Stufen, die man als Band hat. Ab einem gewissen Stadium versuchst du das als Band zu spielen und schaust, wie das funktioniert. Dann ändern sich natürlich wieder Dinge und so weiter.

RPWL Band

Ich habe euch letztes Jahr auf dem "Night of the Prog"-Festival kennengelernt. Spielt ihr in naher Zukunft wieder große Festivals, wo ihr viele Menschen mit eurer Musik erreichen könnt, die euch normalerweise vielleicht nicht kennenlernen würden?

Kalle: Bei Festivals ist es immer so, dass wir mit unserer Musik eine gewisse Nische bedienen. Und deshalb ist es auf größeren Festivals für uns immer etwas schwierig. Sowas wie das "Night of the Prog" kannst du auch nicht jedes Jahr spielen. Letztes Jahr lief die Festivalsaison für uns sehr gut, da haben wir in Italien und in Süddeutschland mehrere Festivals gespielt. Wir freuen uns auf Festivals, zwängen uns aber nicht auf Teufel komm raus irgendwo rein. Das "Night of the Prog" war ziemlich gut, viele haben die Band gekannt, wussten aber nicht so recht, ob das live in irgendeiner Art und weise funktionieren kann.

Yogi: Es ist immer schön auf Festivals zu spielen, aber der Fokus liegt natürlich auf unserer Tour. Letztes Jahr war das ein schöner Abschluss, um das alte Material zu spielen und dann das Buch zuzumachen. Und da ist natürlich so ein großer Event echt eine tolle Geschichte.

 

Vielen Dank Euch beiden für das Interview und viel Erfolg auf der Tour!

Yogi & Kalle: Danke auch!

Redakteur:
Nils Macher

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