RPWL: Interview mit Kalle Wallner

21.03.2014 | 21:34

"Wenn man sich selbst kopiert, nennt man das Stilistik!" - RPWL-Gitarrist Kalle Wallner im Gespräch über Gott und die Welt.

Im deutschen Artrock-Zirkus hat das süddeutsche Quintett RPWL seit 15 Jahren einen festen Platz. Anlässlich der Veröffentlichung von "Wanted", dem achten Album der Freisinger, hat sich powermetal.de mit Gitarrist und Produzent Kalle Wallner unterhalten.

Nils: Wir haben uns das letzte Mal unterhalten als ihr die "Beyond Man And Time"-Tour gestartet habt. Das Album war damals das erste auf eurem eigens gegründeten Label Gentle Art of Music, "Wanted" erscheint jetzt natürlich auch dort. Hat sich die Arbeit mit dem eigenen Label bewährt?

Kalle: Die künstlerische Freiheit haben wir immer schon genossen, auch vor dem Wechsel zu unserem eigenen Label. Bei Bands wie RPWL lässt man die Ecken und Kanten eh öfters stehen und lässt sie ein Stück weit machen, was sie wollen. Als unser damaliger Vertrieb SPV pleiteging, war das vielmehr unser Knackpunkt, an dem wir uns neu aufstellen mussten. 2010 kam dann mit dem Best-Of-Album ("Gentle Art of Music" - NM) der Testlauf und seitdem haben wir die Infrastruktur so aufgestellt, dass wir auch andere Bands signen wollen und können. Das ist halt überwiegend Künstler aus dem Großraum Progressive Rock, so würde ich es jetzt mal nennen.

Bewährt hat es sich für uns vor allem dadurch, dass wir den Bereich Management und Booking schon immer im Hause hatten. Letztendlich war es nur noch der letzte Schritt, auch die Label-Arbeit noch selbst zu machen. Ich denke auch, dass es für Bands in unserer Größenordnung eine gute Möglichkeit ist, sich am Leben zu halten. Wir sind ja weiß Gott nicht die Einzigen, die diesen Weg eingeschlagen haben. Auch wenn man manchmal etwas zu oft den Platz vor dem Gitarren-Amp mit dem Schreibtisch tauschen muss, hat es sich für uns auf alle Fälle bewährt.

Mir gefallen vor allem zwei Bands aus eurem Rohster, nämlich SIMEON SOUL CHARGER und FREQUENCY DRIFT. Wie sind denn im Fall von Gentle Art of Music die Bands zum Label gekommen? Handverlesen durch euch, gab es viele Bewerbungen?

Bei Bands wie den genannten macht es natürlich von der Richtung her Sinn. Ich könnte mir beispielsweise keinen Pop-Act bei uns vorstellen. Es muss schon irgendwie aus der Art- bzw. Progressive-Rock-Szene kommen. PANZERBALLETT ist ja auch bei uns beispielsweise. Die Bands, die bei uns unter Vertrag stehen, mögen wir auch. Das ist ein wichtiges Kriterium. Aber wir bekommen natürlich auch viele Bewerbungen, so ist es ja nicht. Aber in erster Linie kümmern wir uns natürlich um RPWL. Bei anderen Bands ist von daher der Blick eher auf der Qualität denn auf Quantität.

Solange ihr nicht irgendwann lieber am Schreibtisch sitzt, anstatt neue RPWL-Songs zu schreiben, ist ja alles gut …

Soweit wird es auch nicht kommen. Wobei wir das mit dem Label schon sehr gerne machen, aber es kann mitunter auch mal sehr stressig werden.

Stressig ist ein gutes Stichwort. Nämlich Tour-Stress. Für das letzte Album wart ihr zwei Mal sehr lange unterwegs, in zwei Wochen geht es auf "Wanted"-Tour.

Ja genau, wir waren schon immer sehr viel unterwegs und haben in den Jahren wirklich viele Kilometer im Bus verbracht. Das ist für eine Band aber auch einwichtiges Fundament, das sich neue Bands heutzutage erst mühsam erarbeiten müssen. Gerade in den letzten Jahren ist in dieser Hinsicht auch noch mal etwas passiert, vor allem wegen der gestiegenen Verkaufszahlen. Wir hatten glaube ich noch nie so viele ausverkaufte Shows wie auf der letzten Tour. Der Ausblick auf dieses Jahr sieht auch schon wieder sehr gut aus!

Neben Deutschland spielt ihr auffällig oft in Polen. Die letzte Live-DVD entstand auch dort. Gibt es da eine besondere Beziehung zu Land oder Leuten?

Wir haben schon 2002 zu unserem zweiten Album ein Angebot bekommen, drei Konzerte in Polen zu spielen. Damals war das noch ein sehr abenteuerliches Unterfangen, mit eigenem Bus und Musikequipment nach Polen zu fahren. Durch die EU hat sich das aber sehr verbessert. Ich würde sagen, dass die Polen noch nicht so "versaut" sind, was den Überfluss an Musik angeht. Das Interesse an Musik wie die RPWLs ist relativ groß und wir haben uns über die Jahre einfach eine treue Fangemeinde erspielt. Von daher macht es uns viel Spaß, nach Polen zu reisen.

Die Szene dort ist noch nicht so übersättigt, kann das sein?

Ja wahrscheinlich. Wir bekommen dort sehr viel Airplay in normalen Radiosendungen. Das passiert in Deutschland nur bei Autorensendungen, wenn einem Redakteur unsere Musik gefällt. In Polen ist scheinbar einfach mehr möglich.

Das finde ich interessant. Ich habe letztes Jahr mit Mariusz von RIVERSIDE über die dortige "Prog-Szene" gesprochen, die de facto gar nicht existiert. Vielleicht ist die Szene hierzulande etwas zu borniert oder eingefahren?

Das würde ich unterschreiben. "Prog" ist ja bei uns manchmal schon ein fast negativ konnotierter Begriff, der nach "retro" oder "angestaubt" klingt. Dabei gibt es viele junge Bands, die ganz modern klingen und ihr Ding machen. Die Wurzeln aus den 70ern gibt es nunmal, aber der Begriff engt manchmal halt zu sehr ein.

Auf jeden Fall! Lass uns doch über euer neues Album "Wanted" sprechen. Ihr habt es euch und dem Hörer (mal wieder) nicht ganz leicht gemacht und eine Platte aufgenommen, die viel Auseinandersetzung erfordert und auch de Anspruch hat, mehr als nur "nette Musik" zu sein. Wo war denn eure Initialzündung, erneut ein Konzeptalbum aufzunehmen?

Es fing auf der Tour zum letzten Album an, wo wir auch oft mit den Leuten über das Album diskutiert haben. Letztlich war es bei "Beyond Man And Time" ja ein sehr abgehobener, philosophischer Ansatz. Ausgangspunkt des neuen Albums war die Frage, wie man dieses Konzept in eine Geschichte in der realen Welt verpackt. "Die Freiheit des Geistes" ist ja schon ein hochtrabender Begriff - im Endeffekt geht es darum, Dinge in der Welt zu hinterfragen und Alternativen aufzuzeigen.

Für "Wanted" ist im Prinzip eine Art Science-Fiction-Roman entstanden, in dem die Band auf eine Substanz gestoßen ist, die Illusionen abbauen kann. Und was passiert? Man verliert seinen Glauben, die Weltreligionen gibt es de facto nicht mehr und es passt vielen Institutionen einfach nicht. Denn die verdienen damit ihr Geld. Wir müssen also in den Untergrund und sind deswegen "wanted". Live werden wir das dementsprechend natürlich auch umsetzen.

Ich fände die Idee wirklich sehr interessant, wie es wäre, wenn man sich komplett resetten könnte, was zum Beispiel Moralvorstellungen oder soziales Denken betrifft. Die Platte klingt deshalb auch etwas rauer als beim letzten Mal, es ist nicht alles so eingeebnet. Alleine vor dem konzeptionellen Hintergrund konnte es kein Album werden, bei dem jede Note poliert ist.

Ein guter Stichpunkt, die Produktion wollte ich auch ansprechen. Ich finde es ist eine schöne Abwechslung zum letzten Album, das ja sehr auf einen Hörfluss getrimmt war.

Wir werden ja auch oft gefragt, ob sich die Zielsetzung verändert, weil man schon so viele Alben gemacht hat. Ob man speziell anders klingen will etc. Solche Gedanken machen wir uns tatsächlich nicht. Wir versuchen lediglich, mit Sounds und Songwriting unsere inhaltlichen Ideen so konsequent wie möglich umzusetzen. Erst einmal muss es für uns stimmig sein, da denkt man auch nicht daran, ob es jemandem anders gefallen würde.

Fällt es euch persönlich mit der Zeit schwerer, euch nicht selbst zu wiederholen aber trotzdem nach RPWL zu klingen?

Ein weiser Mann hat mal gesagt, dass wenn man sich selbst kopiert es sich nicht um Klauen handelt, sondern um Stilistik. Natürlich gibt es bestimmte Elemente oder Eigenarten, die unser Schaffen durchziehen und die man wieder erkennt. Von daher finde ich es gut zu hören, dass sich die neue Platte ein gutes Stück von der davor unterscheidet und wir nicht das gleiche Album noch einmal aufgenommen haben. Außerdem wäre es schlimm, wenn wir uns nicht entwickeln würden und noch genau so klingen würden wie auf dem ersten Album.

Viele Bands aus dem Prog-Umfeld tendieren früher oder später ja zu dieser höher-schneller-weiter Mentalität, die man bei RPWL nur in homöopathischen Dosen zu hören bekommt.

Wobei es ja nicht daran liegt, dass wir nicht könnten. Aber bei RPWL steht immer der Song im Mittelpunkt, nicht das einzelne Instrument. Und ich bin eher jemand, der Emotionen transportieren möchte. Das gelingt manchmal eher mit dem Auslassen von Noten.

Auf der letzten Tour habt ihr das Album komplett durchgespielt und eine sehr durchgeplante Bühnenshow im Gepäck gehabt. Wird das auf der kommenden Tour ähnlich sein?

Ja, das Album wird im Mittelpunkt stehen und wir werden es auch komplett spielen. Somit hat sich auch beinahe die Frage nach älteren Songs erledigt, die man eigentlich wieder spielen könnte. Wir werden außerdem wieder mit vielen Projektionen arbeiten, Schauspieler sind dabei und einige Songs werden bei den Konzerten etwas anders gespielt. Uns geht es ja gerade um die komplette Angelegenheit, die Gesamtheit des Albums. Und darauf freuen wir uns auch ziemlich!

Redakteur:
Nils Macher

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