RAGE: Interview mit Peavy Wagner

01.01.1970 | 01:00

Spätestens seit den Metal-meets-Classic-Alben "Lingua Mortis", "XIII" und "Ghost" sind die deutschen Power-Metaller RAGE in aller Munde. Inzwischen haben sich RAGE, wohl auch durch die neue Besetzung mit Victor Smolski und Mike Terana, wieder von dieser Richtung abgewandt und sich eher progressiverer Töne bedient. Mit "Unity" gehen RAGE diesen Weg konsequent weiter. Grund genug, Mastermind Peavy Wagner über diese Entwicklungen zu löchern.

Peavy:
Hi Georg, ich hab leider nur 15 Minuten Zeit. Mein Terminplan ist vollgestopft.

Georg:
Da muß ich mich ja beeilen.

Peavy:
[lacht] Tut mir leid.

Georg:
Als ich eure neue Scheibe zum ersten Mal angehört habe, dachte ich mir - gerade beim Opener - "RAGE goes SYMPHONY X" (Räusper - Wer will sich hier mit fremden Loorbeeren schmücken? - Rouven)(Mann, lass mich halt auch mal so tun, als ob ich so Prog-Schrott hören würde. - Georg). Diese progressivere Ausrichtung fiel einem ja auch schon bei "Welcome To The Other Side" auf. Wollt ihr das auch in Zukunft verstärkt einsetzen oder ist das nur eine Phase?

Peavy:
Nun, dass wir jetzt etwas progressiver klingen, liegt daran, dass Victor ein genialer Gitarrist ist. Aber ich denke nicht, dass wir jetzt etwas wie SYMPHONY X machen. Progressive Metal ist das ja noch lange nich.

Georg:
Ich meinte jetzt auch eher das Riffing vom Opener.

Peavy:
Ich habe jetzt ehrlich gesagt die Sachen von SYMPHONY X nicht im Kopf, so dass ich dazu nichts sagen kann. Aber wir wollen schon eine Power-Metal-Band bleiben. Wobei wir sicherlich durch das Niveau der Musiker schon etwas progressiver klingen. Aber Progressive Metal wollen wir ganz bestimmt nicht machen.

Georg:
Das wird für manche Fans ein beruhigendes Statement sein.

Peavy:
Ja, ich denke schon, dass die Fans das bekommen, was sie wollen. Es wird passagenweise progressivere Elemente geben. Auch der Titelsong "Unity" ist eher progressiver Rock. Die Nummer haben wir als Rahmen für die Gitarren- und Schlagzeug-Soli während der Live-Shows gedacht. Die Soli haben bisher das Konzert immer etwas unterbrochen. Und wir wollten das im Rahmen dieses Songs auffangen.

Georg:
Du hast in Sachen Metal meets Classic schon einige herausragende Alben gemacht. Auf "Unity" hast du mit "Dies Irae" eine neue Variante versucht. Wird euch das auch noch in Zukunft begleiten?

Peavy:
Das hat sich eigentlich durch Zufall ergeben. Wir hatten eigentlich nicht vorgehabt, auf "Unity" so etwas einzubinden. Doch dann hat Victor das Thema von diesem Chor gehabt. Das war reiner Zufall. Er war in Weißrussland bei seinen Eltern. Sein Vater ist ja dort ein bekannter Komponist. Und dort war er bei einer Probe des Orchesters. In der Pause hat er den Chor gebeten, das Thema kurz einzusingen und hat es aufgezeichnet. Irgendwie hat uns das ziemlich gefallen und wir haben versucht, um das Thema einen Song aufzubauen. Im Studio haben wir dann sogar diese Demoaufnahme benutzt, weil wir uns schon darauf eingespielt hatten. Charlie Bauernfeind meinte, man bräuchte den auch nicht neu einsingen zu lassen und hat die Aufnahmen etwas nachbearbeitet. Zum Beispiel das Rauschen etwas vermindert. Aber ursprünglich wollten wir das Klassik-Ding nicht nochmal aufwärmen. Und die Nummer sprengt ja auch nicht den Rahmen des Albums.

Georg:
Das klingt fast so, als ob die Klassik-Phase für dich abgeschlossen ist?

Peavy:
Ach, das würd ich jetzt nicht sagen, wir haben das erstmal nach hinten gestellt. Wir haben das jetzt ziemlich lange gemacht und ich weiß auch von Fanreaktionen, dass sie sich gewünscht haben, dass wir wieder mal zur Sache kommen. Es war ja auch nur als Experiment gedacht und nicht als komplette Stilveränderung. Danach haben das ja auch noch einige andere Bands gemacht. Und spätestens nach dem METALLICA-Ding war das Thema eigentlich durch. Eventuell werden wir mal wieder ein Konzert mit dem Material machen. Da ist auch grad was in Moskau im Gespräch. Aber wir wollen jetzt unser Hauptaugenmerk eigentlich nicht mehr darauf richten.

Georg:
Wobei euch das damals schon recht viel Publicity eingebracht hat.

Peavy:
Ja, damals hat das uns schon ziemlich geholfen. Es war ein Kind seiner Zeit. Wir waren ja auch die ersten, die das gemacht haben.

Georg:
Wenn man mal DEEP PURPLE weglässt...

Peavy:
DEEP PURPLE war aber auch keine deutsche Metalszene und das war 1969. Natürlich haben das auch andere Bands - wie die BEATLES in den 60-ern - schon vor uns gemacht. Aber ich denke, in der Power Metal-Szene waren wir schon die ersten, die so etwas gemacht haben. Und dann kamen halt doch sehr viele andere, die es nachgemacht haben. Und von daher find ich das auch nicht so cool, wenn wir das jetzt schon wieder machen würden. Wir wollen ja auch nicht den Eindruck erwecken, dass wir das nur noch machen und nicht mehr losrocken können.

Georg:
Du hast vorhin Charlie Bauernfeind genannt. Wie war es denn bei BLIND GUARDIAN im Studio?

Peavy:
Nun, es ist ein Studio wie alle anderen auch. Das war auch eher Zufall, dass wir das Studio genommen haben. Charlie war halt 14 Monate mit den GUARDIANs dort am arbeiten. Er arbeitet ja nur mit seinem eigenen Equipment und wenn wir woanders hingegangen wären, hätte man das alles abbauen und wieder aufbauen müssen. Eigentlich wollten wir ja in unser Studio, also das von Victor, gehen. Aber das hätte ca. zwei Wochen gedauert, bis alles verkabelt worden wäre. So dass wir uns dann lieber entschlossen haben, in das Studio von BLIND GUARDIAN zu gehen. Da konnten wir halt auch gleich anfangen.

Georg:
Für das Cover habt ihr Joachim Lüdke reanimiert ...

Peavy:
Ja, endlich mal wieder. Wir wollten schon längst wieder mit ihm zusammenarbeiten. Aber unsere alten Plattenfirmen haben das verhindert. Er war ihnen wohl etwas zu teuer. Er ist ja nicht nur ein Covermaler, sondern ein richtiger bildender Künstler, der seine Kunstwerke recht teuer verkauft. Und den bekommst du halt nicht für 2000 Mark. Als wir jetzt zu SPV gewechselt sind, haben wir von vorne herein in den Vertragsverhandlungen darauf hingewirkt, hier ein größeres Budget zu haben. Und so kam es, dass wir endlich wieder mit ihm zusammenarbeiten konnten. Ich mein', er ist ein alter Freund von mir. Der Biomechanoid, der unsere Covers ziert, stammt ja von ihm. Den hat er bei der "Perfect Man" erfunden. Und ich bin froh, dass wir jetzt wieder mit dem Originalkünstler was machen konnten. Er hat ihn jetzt noch etwas modernisiert. Das ist auch keine Photoshop-Kreation, sondern eine richtige Skulptur, die riesengroß ist. Die steht jetzt beim Giger, dem Alienschöpfer, im Haus. Lüdke und Giger kennen sich ja schon länger und tauschen auch ihre Kunstwerke aus.

Georg:
Das heißt er wird euch nicht auf der Tour begleiten?

Peavy:
Nein, das Ding ist ja unbezahlbar für uns. [lacht] Aber das Artwork wird sicherlich in die Bühnenshow mit eingebaut werden.

Georg:
Wo wir schon grad bei der Tour sind. Für eine Band eurer Größe ist es ja nicht ganz normal, noch als Support für eine andere Band unterwegs zu sein. Wie kam es dazu?

Peavy:
Wer hat dir denn das erzählt?

Georg:
Okay, nennen wir es "Co-Headliner". ;-)

Peavy:
Das ist ein großer Unterschied. Dass das immer danach bemessen wird, wer als Erster und wer als Zweiter spielt ...

Georg:
Nun, ich meine, dass Bands ab einer gewissen Größe eher der Meinung sind, dass es für sie besser ist, mit eher kleineren Bands unterwegs zu sein, als jemanden - auch als Co-Headliner - nach ihnen spielen zu lassen.

Peavy:
Nun, ich denke, dass PRIMAL FEAR und wir in der selben Liga spielen. Wir sind beide in dem Geschäft eher mittlere Bands. Und es ist für uns schlauer, die Tour zusammenzulegen, als sich gegenseitig die Fans wegzunehmen. Wir veröffentlichen zum selben Zeitpunkt und wären auch ziemlich zeitgleich auf Tour gegangen. Dann sind wir noch bei der gleichen Agentur, so dass es eigentlich auf der Hand lag, uns zu verbünden. Zusammen ist man halt stärker, als wenn man alleine tourt. Und dann hätten wir vielleicht noch, der eine am Montag und der andere am Dienstag, im selben Laden gespielt. Das hätte keinen Sinn gemacht. So haben wir die Hälfte der Kosten und das Doppelte an Zuschauern. So ist das auch geschäftlich viel sinnvoller. Wir haben jetzt beide die selben Konditionenen, die selbe Spielzeit, die selbe Bühne, die selbe Anlage. PRIMAL FEAR wird halt den Abend beschließen, weil deren letzte Tour geschäftlich erfolgreicher war als unsere. Wobei unsere durch Misorganisation etwas in die Büsche gegangen ist.

Georg:
Letztes Jahr habt ihr auf dem SUMMER BREEZE OPEN AIR gespielt. Ein Festival, das gerade im Kommen ist. Wie war euer Eindruck?

Peavy:
Sehr gut. Das war sehr gut organisiert. Ich denke, dass es dem BANG YOUR HEAD echte Konkurenz machen kann. Es war sowohl von der Atmosphäre als auch von der Organisation eine klasse Sache.

Georg:
Es gab nur einen Wehrmutstropfen. Anscheindend hat euer Mischer zu sehr aufgedreht, so dass am nächsten Tag die Anlage defekt war.

Peavy:
Ehrlich? Das kann man aber unserem Charlie nicht in die Schuhe schieben. So laut waren wir nicht und ich denke, eine PA der Größe müsste das verkraften können. Das kann auch tausend andere Gründe haben. Normal müssten diese Speaker noch viel stärkere Ströme verkraften. Das kann über Nacht etwas feucht geworden sein. Oder es sind zwei Kontakte zusammen gekommen ... die Wunderwelt der tausend Ströme. [lacht]

Georg:
Wird Victor eine Fortsetzung von "The Heretic" machen?

Peavy:
Er wird sicherlich irgendwann noch einmal so etwas machen. Doch das steht noch in den Sternen. Eventuell macht er auch die Filmmusik für einen russischen Film. Vielleicht auch für den nächsten Bully-Film. Aber das ist alles noch in Planung und von daher kann man da noch nicht so viel sagen.

Georg:
Wie stehst du zum Internet?

Peavy:
Internet halte ich für eine sehr wichtige Sache. Das ist die Kommunikationsplattform nicht nur der Zukunft, sondern eigentlich schon der Gegenwart. Über kurz oder lang wird da wohl alles drüber laufen. Eigentlich bin ich eher ein Technikmuffel. Aber selbst ich bin da nicht drum 'rum gekommen.

Georg:
Wie siehst du Online-Magazine?

Peavy:
Das sind die Printmedien, die ROCK HARDs, der Zukunft. Man kann zwar einen Computer nicht mit aufs Klo nehmen ...

Georg:
[lacht] Irgendwie hör' ich den Spruch öfters.

Peavy:
Ich denke, bei den Printmedien wird es dadurch auch noch Einbrüche geben. Online-Magazine sind einfach aktueller.

Georg:
Heute hab ich im Spiegel gelesen, dass es eine Studie gegeben hat, die besagt, daß durch die Tauschbörsen die Verkäufe der großen Stars sinken, dafür aber viel mehr kleinere Bands in die Charts kommen. Weil sich die Leute die Alben erst mal im Netz anhören und wenn dann nur ein guter Song drauf ist, kaufen sie es nicht mehr. Früher haben sie es blind gekauft, weil es ja von einem Star war.

Peavy:
Das ist richtig. Ich denke auch, dass es für die Metal-Acts eher gut ist. Die ganzen One-Hit-Wonder können nach Hause gehen. Ist ja auch klar. Wer will schon für Fast-Food-Zeugs 'ne Menge Geld ausgeben. Ich glaube auch nicht, dass wir persönlich dadurch große Einbrüche haben. Ich hab jetzt selbst auch keinen MP3-Player. Musik hör' ich an sich auch eher zu Hause oder im Auto.

Georg:
So, jetzt hab ich wohl schon überzogen? Dann bitte ich dich um deine letzten Worte.

Peavy:
Ich bedanke mich bei allen treuen Fans für ihren Support. Ohne euch gäbe es uns nicht.

Redakteur:
Georg Weihrauch

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