Perlen der Redaktion: Thomas Beckers Highlights 2018

07.01.2019 | 22:00

2018 aus Sicht des "Frauenbeauftragten" des Magazins.

2018 - für den einen ein Jahr voller Highlights, für den anderen hat es eher maue Kost abgeworfen und der Dritte spricht von viel Durchschnitt auf dem Veröffentlichungsmarkt. An dieser Stelle wollen wir unserem Redaktionspoll vorgreifen und lassen unsere Kolleginnen und Kollegen zu Wort kommen. Welche Scheiben haben es in die Top-20 geschafft und warum? Viel Spaß beim Lesen!

Leider konnte ich dem Soundcheck-Team seit 2017 nur noch sporadisch beiwohnen. Dies hat meine Musikwahl natürlich auch dahingehend verändert, dass ich zum einen vermehrt alte Sachen ausgegraben habe, zum anderen aber noch dezidierter versuchte habe, Schätze aus unserem Scheibenverteiler auszuheben. Mein Fokus liegt hier wie schon seit vielen Jahren auf Bands, bei denen Frauen singen. Warum, ist schwer zu beschreiben, aber Musik mit weiblichem Gesang berührt mich oft mehr.

Thomas Becker Jan 2019 Poll

Nun, die derzeit zumindest in Deutschland erfolgreichste Metal-Dame ist Jennifer Haben, und "Heart Of The Hurricane", das dritte Album ihrer Band BEYOND THE BLACK, hat bei mir wieder wie eine Granate eingeschlagen. Als Gesprächspartnerin erwies sie sich auch einmal mehr als super sympathisch, musikbesessen und mit ihrem Baby BEYOND THE BLACK sehr zielorientiert. Dem Underground-Metaller ist ihre Nähe zur Mainstream-Musikindustrie zwar suspekt, ich bin jedoch der letzte, der es Jenny übel nehmen würde, alle Hebel in Bewegung zu setzen, ihre Band bekannt zu machen. Die Musik ist mal wieder Bombe und teilt sich den Goldplatz dann auch mit AUDREY HORNEs "Blackout". Auch dieses Album der norwegischen Sunnyboys ist ein großes Feuerwerk an Hits, Melodien, ein Manifest der Spiel- und Lebensfreude. Eine ziemlich gegenteilige Stimmung verbreitet die britische Progressive-Doom-Metal-Band KING GOAT. Für mich ist schwer zu verstehen, dass in Metaller-Kreisen kaum jemand über diese Band redet, hat sie doch mit Trim einen der tollsten und variabelsten Metal-Sänger an Bord und die Musik irgendwo zwischen NEVERMORE, PRIMORDIAL, Doom und dem Anspruch moderner Progmetal-Bands ist zumindest in meinem Ohr das Beste, was der Metal derzeit bietet. Gebt dem Ziegenkönig ein Reich!

Doch zurück zu den Frauenbands. Da gab es wie jedes Jahr einiges Neues zu entdecken. Zum Beispiel die vier Schwedinnen von MAIDAVALE, deren zweites Album "Madness Is Too Pure" mich total verrückt gemacht hat. Verrückt nach dem Repeat-Knopf nämlich. Diese Mischung aus Psych, Rock und Pop ist nahezu perfekt. Dann waren da die bärenstarken BLACK MIRRORS um Marcela de la Troia, die vor allem live eine Wucht sind. Im Vorprogramm von NIGHT FLIGHT ORCHESTRA waren die Belgier ebenbürtig und den VINTAGE CARAVAN haben sie - bei allem Respekt - an die Wand gespielt. Auch auf Konserve ist der Mix aus Blues, Stoner, Garage und vor allem energischem Rock sehr überzeugend. Auf derselben Linie ist die Nachfolgeband von CRUCIFIED BARBARA namens THE HEARD. Etwas düsterer, mystischer und verwunschener als die Barbara geht man auf dem Debüt-Album "The Island" zu Werke. Die latenten 70s-Okkult-Rock-Einflüsse sind genau mein Ding, und Peppers Vocals gehen massiv unter die Haut. Noch tiefer unter der Oberfläche schürfen die Italiener MESSA, deren spröder Okkult-Doom auf "Feast For Water" alle ansprechen dürfte, die die ersten JEX THOTH-EPs verehren. Und irgendwo zwischen THE HEARD und MESSA liegt die wundervolle Band JUNIPER GRAVE aus Schottland. "Of Hellions & Harridans" erschien erst im Dezember, und dieses wohlig-warme Feuerwerk an Melodien mit der märchenhaften Stimme von Sängerin Jenni wächst und wächst. Ein bisschen aus dem Rahmen fällt das Debüt der Pop-Rocker BLACK HONEY rund um die extrovertierte Frontdame Izzy B Phillips. Hier trifft jugendliche Unbekümmertheit auf eine erstaunliche kompositorische Klasse und macht mit der Zeit süchtig. Dasselbe gilt für das dritte Epos von Heidi Parviainens DARK SARAH mit dem schönen Namen "The Golden Moth", welches ein ansonsten eher enttäuschendes Symphonic-Metal-Jahr versüßt. Schönen weiblichen Gesang und raumgreifende Musik gibt es auch von VANISHING KIDS, dem Hauptprojekt des aktuellen JEX THOTH-Gitarristen Jason Hartman. Erwähnung soll hier vor allem das Artwork finden, das für mich optisch das Schönste in diesem Jahr ist.

Vanishing Kids Cover

Richtig wütend war dieses Jahr mein liebster deutschsprachiger Rocker THOMAS GODOJ. Ich bin selten Fan von politischen Botschaften, aber irgendwann muss man auch mal aufstehen und Farbe bekennen. "Braun steht für Angst und Leid, braun ist der Tod" singt er in 'Keine Option', dem Opener von "13 Pfeile", dem bislang härtesten Werk von Thomas. Es gibt einmal mehr einiges zu entdecken auf diesem Album, sowohl musikalisch als auch textlich. Ich kann es nur immer wieder wiederholen: Hört mehr THOMAS GODOJ und geht zu seinen Konzerten.

Was ist mit Progressivem und Experimentellem? Ich stelle fest, ich werde mit der Zeit wohl zu alt für das Gedudel, vor allem Modernes und Djentiges oder klassischer Prog-Rock und -Metal funktionieren nur noch selten. Einen Faible für Schräges und Avantgardistisches habe ich aber noch, und eine Fundgrube für Schrägohren sind viele Künstler, die über Creative Eclipse PR bei uns reinkommen. Avantgarde wie SVIN, PHAL:ANGST oder PARDANS darf sich gerne mal drehen, überfordert mich mitunter aber auch. Mit Nachhaltigkeit hängen geblieben sind aus diesem Bereich deshalb nur SPEAKER BITE ME, eine tolle, dänische Band mit sehr eigenem Ansatz, und die durchgeknallten Kroaten von THEM MOOSE RUSH. Und nicht zu vergessen eine Perle aus dem deutschen Underground namens KISSING CLOUDS. Alle drei machen Musik, die beißt.

Nicht ganz so beißend, aber von höchstem musikalischen Anspruch war Tor-Helge Skeis Experimental/Avantgarde-Projekt MANES. Und wenn man schon bei Studiotüftlern ist, darf man IHSAHN und Tamas Katais THY CATAFALQUE nicht vergessen. Musik von diesen dreien gefällt mir eigentlich immer, so auch die 2018er-Alben "Amr" und "Geometria". Dasselbe gilt für die Chinesen WANG WEN. Wegen ihren traumhaft schönen, elegischen Instrumental-Hymnen mit viel asiatischem Flair ist WANG WEN mittlerweile wohl meine liebste Post-Rock-Band. Etwas ganz Besonderes sind auch immer wieder die britischen Geschichtenerzähler von A FOREST OF STARS.

Ach ja, und was ist mit traditionellem Heavy Metal? Hier bin ich scheibentechnisch wie so oft ziemlich blank, doch aus einem nicht zu erklärenden Grunde ist mir SEVEN SISTERS hängen geblieben. Den Vorgänger von "The Cauldron And The Cross" habe ich im Soundcheck zwar mal böse abgewatscht, aber besagtes Album macht einfach tierisch Spaß.

Spaß macht mir metallische Musik vor allem live, und hier war das nach wie vor recht familiäre Rock Hard Festival mal wieder meine erste Wahl. Gerade die Dinos wie DIAMOND HEAD, SAXON, ARMORED SAINT oder ULI JOHN ROTH haben hier vollauf überzeugt. Mein absolutes Konzerthighlight - sogar in doppelter Hinsicht -  war aber IRON MAIDEN, und zwar einmal beim Rockavaria, und einmal in Kroatien. Zwei Konzerte, die trotz identischer Shows unterschiedlicher nicht hätten sein können. Lässige Sommerfestival-Atmosphäre bei bestem Sound in München, ein total ausflippendes Publikum bei Gluthitze in einer engen Halle in Zagreb. Beide Mal aber mit IRON MAIDEN in Höchstform, beide Male genial!

Auch die besten Clubgigs spielten für mich (alte) Metal-Helden. Im Münchner Backstage gaben sich ANNIHILATOR (einer der legendären Rehearsal-Gigs), ARMORED SAINT, NIGHT DEMON und THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA die Klinke in die Hand, allesamt mit furiosen Shows. Unvergesslich bleibt auch der AUDREY HORNE-Gig mit DEAD CITY RUINS zu Beginn des Jahres! Zudem bin ich nach wie vor der Meinung, dass man die französischen Art/Progger LAZULI mindestens einmal im Leben gesehen haben muss, und THE INTERSPHERE zum Ende des Jahres war auch eine beeindruckende Erfahrung.   

Und natürlich gab es auch 2018 wieder viel viel mehr Musik als man hören kann. Nicht jedes Konzert, das reizvoll klang, konnte besucht werden, und die Liste der Alben, die ich noch hören muss, ist schier endlos. Selbst Alben von Lieblingsbands wie RIVERSIDE oder MADDER MORTEM fehlen noch. Deshalb ist die unten stehende Liste nicht viel mehr als eine Momentaufnahme. Viel Spaß beim Entdecken wünsche ich Euch, und dabei auch ein schönes Musikjahr 2019!

Top 20:


Die besten Alben des Jahres:

Band Album
1. AUDREY HORNE Blackout
2. BEYOND THE BLACK Heart Of The Hurricane
3. MAIDAVALE Madness Is Too Pure
4. KING GOAT Debt Of Aeons
5. THOMAS GODOJ 13 Pfeile
6. THE HEARD The Island
7. BLACK MIRRORS Look Into The Black Mirror
8. JUNIPER GRAVE Of Hellions & Harridans
9. MESSA Feast For Water
10. MANES Slow Motion Death Sequence
11. WANG WEN Invisible City
12. A FOREST OF STARS Grave Mounds And Grave Mistakes
13. KISSING CLOUDS You!
14. BLACK HONEY Black Honey
15. SEVEN SISTERS The Cauldron And The Cross
16. THEM MOOSE RUSH Don't Pick Your Noise
17. DARK SARAH The Golden Moth
18. SPEAKER BITE ME Future Plans
19. THY CATAFALQUE Geometria
20. IHSAHN Amr

Redakteur:
Thomas Becker

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