POWERWOLF: Interview mit Falk Maria

30.06.2022 | 22:52

Alle Jahre wieder kommt der Kraftwolf umher und beschenkt uns mit einer Veröffentlichung im besonderen Maße. Doch diesmal ist es kein normales Studioalbum, sondern eine monumentale Messe im cineastischen Sinne. POWERWOLF im Theater? Das klappt? Und wie! Ende 2021 spielte die Band ein aufwändiges Livestream-Konzert für ihre Fans. In monatelanger Detailarbeit wurde für das Event eine Geschichte ausgearbeitet, die in mehreren Kapiteln anhand der Musik und aufwändig inszenierter Filmszenen erzählt wird. Wir fühlten unserem lieben Falk Maria auf den Wolfszahn.

Hallo Falk Maria, alle Jahre wieder sprechen wir über eine neue, sehr hochwertige POWERWOLF-Veröffentlichung. Wie geht es dir? Wie verliefen die letzten Monate bei dir persönlich?
Du, der Mensch ist ein Stück weit auch Gewohnheitstier, sodass er sich mit so manchen Gegebenheiten auch abfinden muss. Zeitgleich war, so komisch das klingen mag, unser Terminkalender immer voll und das hat bei POWERWOLF die letzten Jahre auch nicht aufgehört. Ich bin sehr froh, dass sowohl die Sache mit dem Musiktheater geklappt hat als es auch nun wieder auf die Bühnen dieser Welt geht, dass wir den Menschen auch wieder persönlich begegnen können. Ich bin ohnehin der Meinung, dass Musikkultur und Interaktionen mit dem Gegenüber gemeinsam essentiell sind, um als Mensch zu existieren. Insofern geht es mir gut, wir haben einen tollen Release am Start, der Festivalsommer kommt, eigentlich ist es genau so, wie man es sich als Musiker wünscht.

Diesmal steht kein neues Album an, sondern ein Live-Album der besonderen Art: "Monumental Mass – A Cinematic Metal Event". Ende 2021 schlug die Stunde eures Livestream-Konzertes der besonderen Art. Inwieweit unterscheiden sich die Vorbereitungen eines solchen Streaming-Events von denen eines regulären Konzert-Mitschnitts?
Enorm. Wir betonen immer, dass es kein Konzert im klassischen Sinne war, sondern eher einer Theateraufführung gleichkommt. Zu den verschiedenen Songs haben wir auch verschiedene Szenen und wie im Theater wurde auch das Set-Up umgebaut. Und all diese Dinge könntest du nur unter schweren Bedingungen in einem traditionellen Konzert einbauen. Du musst das sowohl vor als auch hinter der Kamera ganz anders planen, da die klassische Interaktion auch nicht stattfindet, die normalerweise bei jeder POWERWOLF-Show mit dabei ist. So ist es mehr eine Inszenierung der Welt von POWERWOLF, die über unsere üblichen Musikvideos deutlich hinausgeht. Klar, wenn wir auf einem Schloss oder in einer Kirche drehen, haben wir keine Möglichkeit, eine Feuerorgel unterzubringen, hehe. Das heißt jedoch nicht, dass wir einige "Monumental Mass"-Elemente nicht künftig in unseren Shows auch einbauen könnten. Generell war es eine sehr spannende Reise auch für uns selbst, weil wir regelrecht erschlagen wurden ob der Kulisse und Dimensionen dieses Events. Natürlich fehlte hierbei das Publikum, ich bin jedoch gleichzeitig so intensiv in die POWERWOLF-Welt eingesunken, wie bei "Stranger Things", nur nicht ganz so böse, haha.

Ein schöner Vergleich. Die Idee zu "Monumental Mass" stammte von Matthew?
Ja genau. Im vergangenen Sommer, als ich etwas naiv in den Vorbereitungen zu etwaigen Tourneen war, kam er mit der Idee der Theateraufführung auf uns zu. Das wollte er nicht aus den Augen verlieren und aufgrund der Situation war es ein guter Zeitpunkt, das Projekt zu fixieren. Das waren sehr intensive Planungen, aber wir wollten unseren Fans auch etwas Besonderes zurückgeben. Von Sicherheitsaspekten bis hin zu kreativen Parts gab es sehr viel zu berücksichtigen, bei dem Matthew auch federführend war. Auch bei der Idee der einzelnen Kapitel – Verführung – Sünde – Buße – Vergebung – wollte er die POWERWOLF-Songs diesen Punkten unterordnen, eine Art Konzept erstellen. Und je mehr wir uns als Band damit beschäftigten, desto mehr kristallisierte sich auch die Geschichte der "Monumental Mass" heraus. Wir hatten mit Jörg Michael auch einen Produzenten, der uns bei dem "Mehr ist mehr"-Gedanken unterstützte. Hinter jedem Musiker sollte auch ein entsprechender Hintergrund sein, die Feuerorgel, die Flammen, es wurde immer mehr und mehr, um letztendlich auch in diese Welt eintauchen zu können. Als Schlagzeuger von ehemals MEKONG DELTA und STRATOVARIUS war ihm auch das Einfangen der Drums bei der Produktion sehr wichtig. Uns war allerdings auch wichtig, dass wir in diesen Settings live spielen. Natürlich mixt du das Ganze noch am Ende, aber mehr als ein, zwei Möglichkeiten hast du nicht. Wenn bei 'Venom Of Venus' die Engelsflügel verbrannt sind, gibt es in der Regel keinen zweiten Take.

Bist du persönlich an Tagen wie jenen, wo etwas mitgeschnitten wird, nervöser als vor normalen POWERWOLF-Events?
Das hält sich in der Waage. Ich mache mir im Vorfeld viele Gedanken, was die Band tut und wie der Gig werden könnte, habe Angst, dass etwas nicht klappt, der Bus liegen bleibt, oder oder oder, haha. Aber während der Show bin ich extrem fokussiert und merke erst im Nachgang, was alles hätte schief gehen können. Beispielsweise habe ich mir in einer Szene den Arm etwas verbrannt, aber auf was lässt man sich ob der Kunst nicht ein. Im Nachgang hätte von der Thermik und der Hitze einiges schief gehen können. Aber das habe ich zum Glück ausschalten können und bei einer Tour ist das recht ähnlich. Du kommst nach anstrengenden, aber schönen Gigs wieder nach Hause, bist noch voller Adrenalin, aber fühlst dich gleichzeitig ausgequetscht wie eine Zitrone, haha. Das ist der Tribut dafür, dass sämtliche Energie in die Live-Shows und diesen Fokus fließt. Und diese Angst, was alles schief gehen könnte, lähmt dich als Musiker und Künstler natürlich auch. Einerseits bin ich sehr dankbar, dieses Privileg zu haben, diesen Beruf ausführen zu dürfen, andererseits habe ich auch die Aufgabe, und das habe ich auch beim Stream gemerkt, die Menschen zu unterhalten und ihnen etwas Schönes zu schenken, was sie sich noch zehn, zwanzig Mal anschauen können. Das gibt solch ein gutes Gefühl, wenn die Menschen durch deine Musik abschalten und dem Alltag entfliehen können. Bei Wellness denkt man an Massagen etc., doch Kunst, Kultur und Musik kann genau das gleiche Wohlbefinden schaffen. Wir geben uns vollends der Musik hin, sodass sich unsere Fans auch komplett uns hingeben können.

Und das unterscheidet Musik auch vom reinen Konsumieren bspw. einer Netflix-Serie, die man mehr denn je eher nebenbei laufen lässt. Das ist der schöne Aspekt am Heavy Metal, man hört ihn viel bewusster und, wie im Falle unseres Streams, nimmt ihn auch mit wesentlich mehr Aufmerksamkeit wahr. Man hört die Musik, verbindet textlich etwas damit, versucht sich damit auseinanderzusetzen und diese aktive Auseinandersetzung unterscheidet sich vom schlichten Berieseln lassen, ein Trend der letzten Jahre, den ich persönlich sehr bedauerlich finde. Ich werde immer gefragt, ob Streams die Zukunft wären, dabei sind sie nur ein kleiner Teil dessen, was künftig noch kommen wird, da Musik immer noch eine Aktivität fordert. Man fragt sich, wo es gedreht wurde, wie viel Aufwand dahintersteckte, setzt sich mit den Texten und Songs auseinander. Da steckt wesentlich mehr dahinter als man glauben mag.

Eines von vielen Highlights der Show ist deine bombastische Pyro-Orgel, die bei Songs wie 'Fire And Forgive' und 'Amen & Attack' bei jedem Tastenanschlag Feuer speit. Gab es vor Ort Spezialisten, die sich damit auskannten und auch eine Feuerwehr im Hintergrund, die im Ernstfalle zustelle gewesen wäre?
Klar. Da begleitet uns die Firma MTS. Ich hatte irgendwann die Idee der Feuerorgel und konnte mir das mit den Jungs auch erarbeiten. Durch die Rohre und Thermik war das Prozedere nicht ungefährlich und da musst du Experten vor Ort haben, die sich damit auskennen. Aber die Hitze, die ausgeströmt wurde, hat sich oben an der Decke versammelt, was dann einigen, leider vielen Designer-Lampen das Leben gekostet hat. Insofern war es nicht die direkte Flamme, sondern eher der Stau der Hitze, hehe. Und auch da waren wir froh, mit einer Produktionsfirma vor Ort gewesen zu sein, die noch ein paar Lampen in petto hatte. In dem toughen Drehplan war das nicht vorgesehen. Und in meinen Szenen – ich wollte mit brennenden Armen spielen – wurde mir Paste auf die Arme geschmiert, doch aufgrund der Schminke hat das nicht sonderlich gut gehalten. Doch ich wollte auf die Zähne beißen und im Endeffekt habe ich kleine, keine dramatischen Brandwunden davongetragen und die Szene sah scheiße aus, haha. Das ist natürlich sehr ärgerlich. Man hat mich im Vorfeld gewarnt, aber ich wollte es unbedingt ausprobieren. Ich wusste, was ich tue.

Gute Besserung, das ist nicht ohne. Du hast vorhin von den einzelnen Kapiteln gesprochen, in die der Fan mit einer anderen Geschichte gesogen wird. Inwieweit bauen Temptation, Sin, Confession und Forgiveness aufeinander auf?
Wir wollten auch Songs nehmen, die zu den einzelnen Kapiteln passen. Für mich ist 'Venom Of Venus' beispielsweise der perfekte Song, wenn es um Verführung geht. Aber Songs wie 'Army Of The Night' oder 'Beast Of Gévaudan' sind Songs, die einfach drin sein müssen, und in erster Linie war es auch für uns spannend, Songs vom neuen Album "Call Of The Wild" auch erstmals performen zu können. So ist es am Ende eher eine Mischung aus Evergreens und Songs, die zu den einzelnen Kapiteln passen, geworden und daran haben wir uns entlang gehangelt. Wir hatten insgesamt 18 Songs mit 18 Kulissen, das war schon enorm, aber für uns stand die Zahl von vorneherein fest.

Ein richtiges Brett. Kämpfe mit Geistlichen über Geschichten von Nonnen und Mönchen bis hin zu brennenden Engeln. Bei 'Cardinal Sin' stößt Attila einen selbstherrlichen Kardinal zurück ins Feuer, während bei der Ballade 'Where The Wild Wolves Have Gone' Schnee auf die von Feuer beherrschte Szenerie herabfällt. Wen genau konntet ihr für die schauspielerischen Akte gewinnen?
Wir hatten hierfür ein gutes Casting, zwar kein klassisches Vorsprechen, aber standen hierbei auch im regen Austausch mit Jörg Michael, dass wir geschaut haben, wer mit wem gut zusammenpasst. Bei Tanzszenen wie in 'Demons Are A Girl's Best Friend' musste es letztendlich auch harmonieren. Und so haben wir uns dem Thema angenähert und haben mit einer Agentur zusammengearbeitet, die wusste, was in diesem Fall zu tun ist. Wie schon vorhin gesagt, kannst du den Song nicht 100x spielen, sondern er sollte im besten Fall beim ersten, zweiten Mal sitzen.

Eine Band wie POWERWOLF lebt von den Zuschauern und der Live-Atmosphäre. Fehlte dir persönlich nicht die Interaktion mit euren Fans? Sich gegenseitig die Spielbälle zuzuwerfen, auch auf die Zuschauer reagieren zu können?
Es wäre fatal zu sagen, dass es uns nicht gefehlt, da es Situationen sind, die wir sehr lieben. Gemeinsam mit dem Publikum feiern, das liegt uns. Zeitgleich war es allerdings auch ein anderer Ansatz. Im Stream haben wir uns als Band dann die Interaktionen hin- und hergeworfen, da sind einige recht spontane Dinge wie beispielsweise 'Resurrection By Erection' entstanden. Zumal es schon schwierig ist, glaubhaft rüberzubringen, mit einem imaginären Publikum zu interagieren. Attila besucht mich an der Feuerorgel, ich agiere mit den Gitarristen, so sind wir auf uns alleine gestellt. Aber wenn wir wieder vor Publikum spielen können, dann sind wir auch wieder mehr auf die Zuschauer fokussiert.

So wie beispielsweise auf dem Wacken Open Air. Auf dem Mediabook wird als besonderer Bonus eure legendäre Headliner-Show von 2019 unter dem Namen "Hallowed Be The Holy Ground" in voller Länge zu sehen sein. Welche Erinnerungen persönlich hast du an den damaligen W:O:A:-Auftritt?
Ganz viele, hehe. Natürlich ist es schon eine Weile her, aber für uns war das eine durch und durch besondere Show. Wir hatten bei dem damals aktuellen Album "The Sacrament Of Sin" den Eindruck, als wenn es von unseren Fans schon sehr geliebt wurde. Und dann hast du auf diesem gigantischen Festival einen fantastischen Slot, zu einer tollen Uhrzeit, als die Sonne auch noch unterging. Wir haben alle eine gewisse Magie gefühlt, das war irre. Generell hast du an Tagen wie diesen eine positive Nervosität, eine gewisse Vorfreude und Auftritte auf dem Wacken Open Air fühlen sich einfach anders an als andere, ein ganz besonderes Momentum. Als dann der erste Glockenschlag kam und die Flammen emporgingen, bekam ich einen totalen Adrenalinschub, ich hätte auf der Bühne Purzelbäume machen können, haha.

Unverwundbar?
Ja richtig, ein fantastischer Begriff, ich habe mich pudelwohl gefühlt mit der Gewissheit, dass heute alles nur gut laufen kann. Normalerweise tue ich mich schwer damit, eine beste Show zu nennen, doch der Wacken-Auftritt 2019 gehört definitiv dazu. Das ist eine tolle Erinnerung, die wir unseren Fans auch gerne mit auf den Weg geben. 

Insofern ist "Monumental Mass – A Cinematic Metal Event" eine vollkommen runde Sache, die beide Seiten von POWERWOLF, wie ich finde, sehr gut in Szene setzt. Falk Maria, vielen Dank für Rede und Antwort über die kommende, monumentale POWERWOLF-Messe.
Gerne, es war wie immer sehr nett, hehe.

Redakteur:
Marcel Rapp

Login

Neu registrieren