POWERMETAL.de - The Essentials: Platz 40 -31

26.11.2016 | 09:17

Wie versprochen gibt es hier den schnellen Nachschlag in unserer "Essentials"-Reihe. Dieses Mal widmet sich Redaktionslegende Holger Andrae den Plätzen 40 - 31 und reiht dabei natürlich wieder Klassiker an Klassiker. Viel Spaß!

Peter Kubaschk
- Chefredakteur -

Die älteren Ausgaben dieser Reihe findet ihr hier:

100-91

90 - 81

80 - 71

70 - 61

60 - 51

50 - 41

1976 erscheint ein Album, welches bis zum heutigen Tage zu den besten Hard-Rock-Veröffentlichungen aller Zeiten gezählt werden muss und sich bei uns auf Platz 40 wiederfindet. Angefangen beim großartigen Coverartwork von Ken Kelly über die großartigen Texte bis hin zu den sensationellen Kompositionen, ist auf diesem Album alles perfekt. Die Rede ist natürlich von "Rising", den zweiten Album der Band RAINBOW. Nachdem Ritchie Blackmore die auf dem ersten RAINBOW-Alben spielenden Musiker der Bande ELF mit Ausnahme von Sänger Ronnie James Dio vor die Tür setzt, findet sich auf diesem Nachfolge-Werk beinahe eine Art Allstar-Band zusammen, zumindest rückblickend betrachtet. Bassist Jimmy Bain hat vorher in einer Truppe namens Harlott neben den Bass auch noch den Gesang übernommen und war, wie auch Keyboarder Tony Carey damals noch komplett unerfahren. Drummer Cozy Powell hingegen hatte bereits Erfahrungen bei Jeff Beck sammeln können und überzeugte den großspurigen Egozentriker Blackmore bei seinem ersten Vorspielen dadurch, dass er nach 45minütigem Hochgeschwindigkeitstrommeln zu Ritchies' bewusst stoisch und schnell gespielten Riffs plötzlich selbst das Tempo anzog und im Gegensatz zu all' seinen Vorgängern als Sieger aus den Auditions hervor ging. Dass er sich später, wie auch Jimmy Bain, durch sein Spiel in die erste Liga spielen konnte, ist heute bekannt. Unbekannt, wie auch Mister Bain, ist damals auch Keyboarder Tony Carey, welcher nach seiner Entlassung unter anderem als Komponist von Film und Serienmusik bekannt wird und dessen "Wilder Westen Inklusive"-Beitrag 'Room With A View' sich zu einem echten Hit mausert. Aber zurück zum eigentlichen Geschehen: "Rising". Schon das eröffnende 'Tarot Woman' elektrisiert den Zuhörer mit einem herrlichen Tastenintro, welches nach einer Minute von Blackmores' typisch warmen Gitarrenklang überwältigt wird. Diese knackig nach vorne treibende Nummer ist sofort ein Highlight und Ronnie James Dio verzaubert den Hörer unwillkürlich und immer wieder. Das anschließende 'Run With The Wolf' ist dann eine melodische Hardrock-Nummer, die in erster Linie von Dios' wunderbarem Gesang lebt, während die Band bei 'Starstruck' deutlich das Tempo anzieht. Hier darf Cozy mal so richtig in die Vollen hauen, was er natürlich bis zur Schmerzgrenze ausnutzt. Der letzte Song der ersten Seite – 'Do You Close Your Eyes' –wird gern als Schwachstelle auf dem Album bezeichnet, was ich etwas ungerecht finde. Dieser kurze Rocker bietet in weniger als drei Minuten Spielzeit mehr Details und Raffinesse als andere Bands auf einer kompletten Scheibe hinbekommen. Tasten und Saiten duellieren sich und der kleine Mann mit der großen Stimme fesselt uns auch hier an die Boxen. Vielleicht resultiert die relaltiv schlechte Bewertung dieser Nummer auch einfach durch die überwältigende Klasse der restlichen Songs auf "Rising". Und so richtig überwältigend wird es eigentlich erst auf der B-Seite dieses wunderbaren Vinyls. Auch wenn hier nur zwei Stücke zu finden sind, zählen diese knappen 18 Minuten Musik zu Besten, was der Schreiber dieser Zeilen kennt. Das monumentale Epik-Wunder 'Stargazer' ist wohl der beste Rocksong. Die orientalische Melodie, die Dramaturgie im Aufbau, der unfassbar fesselnde Solopart und der im vorderen Hintergrund lautstark durch die Wüste stampfende Cozy machen diese Komposition zu einem Adrenalinkick der Sonderklasse. Obendrein fasziniert Ronnie mit seinen genial vorgetragenen Texten über einen Zauberer, der, um Fliegen zu können, von Sklaven einen Turm errichten lässt. Als wäre die musikalische Umsetzung der Band nicht schon kraftvoll genug, holt man sich hierzu das Münchner Philharmonie Orchester als Unterstützung zu Hilfe und erschafft somit die Blaupause für jede Rockmusik, die "episch" klingen möchte. Die zweite Hälfte dieser Albumseite hört auf den Titel 'A Light In The Black' und knüpft inhaltlich an 'Stargazer' an. Dieses Mal wird die Szenerie allerdings aus Sicht der Sklaven beschrieben. Musikalisch hören wir hier die Verschmelzung von Klassik und Hard Rock in Perfektion. Das Duell zwischen Carey und Blackmore ist bei jedem Anhören ein Ohrenschmaus und ich muss nicht schon wieder erwähnen, wie gut Dio singt, oder? Da nun jeder Leser eine Runde "Rising" hören gehen wird, pausiere ich nun einmal kurz und wüsche Gutes Gehör mit dem Album, welches Peter, Marius, Walter und Holger gewählt haben.


Ganz andere Klänge gibt es auf Platz 39, dem Debütalbum der kanadischen Thrasher von ANNIHILATOR, zu hören. Die Band um Gitarrist Jeff Waters zelebriert auf diesem Silberling anspruchsvollen Thrash mit der nötigen Portion Melodie. Nach einem bombeneinschlagenden Demo mit dem Titel "Phantasmagoria", welches in der Untergrundszene für Furore sorgen konnte, landet die Band, die zuerst kurzzeitig sogar nur aus Jeff allein besteht, einen Deal mit Roadrunner Records und veröffentlicht kurz danach "Alice In Hell". Der Titelsong zählt heute zu den Klassikern des Genres und wird auf jeder Veranstaltung aus Tausend Kehlen mitgesungen. Dabei ist die banale Story um vermeindliche Monster unterm Bett gar nicht so kreativ. Die Umsetzung macht es. Shouter Randy Rampage, den man von der kanadischen Hardcoreband D.O.A. rekrutiert, singt herrlich aggressiv und verleiht den Nummern den nötigen Biss. Der etwas verschachtelte, aber immer extrem scharfkantige Thrash von ANNIHILATOR wird stellenweise als "thinking man thrash" bezeichnet, obwohl die Musik gar nicht so komplex ist, wie es vielleicht jetzt klingt. Es ist vielmehr der sehr hohe Anteil an wahnsinnig eingängigen Melodien, die Jeff Waters in alle seine Kompositionen einfließen lässt, der bei Außenstehenden wohl für Verwunderung sorgt. Wenn man dann noch bedenkt, dass er alle Gitarren- und Bassparts des Albums im Alleingang eingespielt hat, ist das Ergebnis umso erstaunlicher. Nachdem das Album zum bestverkauften Debütalbum des Jahres 1989  für Roadrunner wird, schickt man die Band auf Tour, für welche man mit Gitarrist David Davis und  Bassist Wayne Darley zwei weitere Musiker mit an Bord holt. Hatte ich eingangs den Fast-Titelsong 'Alison Hell' als Wundertüte Deluxe hervor gehoben, so soll hier nicht der Eindruck entstehen, die restlichen Nummern wären zweitklassig. Dem ist nicht so. Die vom Demo bereits bekannte Poe-Verbeugung 'Ligeia' rasiert mit Haifischriffs jeden Meister Propper kahl und das pfeilschnelle 'Human Insecticide' ist eine Highspeed-Bollide der Extraklasse. Außerdem gibt es 'Schizos (Are Never Alone)' eine formidable Instrumentalnummer und 'W.T.Y.D.' heißt in Langform nicht umsonst 'Welcome To Your Death'. Dass es sich bei diesem Album um etwas ganz Besonderes handeln muss, sagt schon die hohe Anzahl der Nennungen aus. Mit Martin van der Laan, Michael, Marius, Chris, Tom und Marcel haben immerhin sechs Kollegen die Kanadier in ihren Listen. Ich denke, dies ist Anreiz genug für alle, sich dieses Album zumindest einmal anzuhören.


Für Platz 38 begeben wir uns in die Halle des Bergkönigs. Dort regiert der Wahnsinn und das hört man der Musik auf dem fünften Album der Florida-Jungs namens SAVATAGE auch an. Nachdem man im Jahr zuvor mit der erschreckend belanglosen "Fight For The Rock"-Scheibe einen vergeblichen Spagat hin zur radiotauglichen Rockmusik hingelegt hat, ist man unter der Obhut von Musical-Fachmann Paul O'Neil im Jahr 1987 in der Lage, den brachialen Power Metal der Frühwerke mit klassischen Melodien zu verfeinern, ohne dabei glatt gebügelt zu klingen. Es ist vielmehr so, dass die hoch melodischen Stücke auf "Hall Of The Mountain King" allein aufgrund des bis heute unerreichen Gitarrensounds von Criss Oliva, extrem hart und wuchtig klingen. Daran hat natürlich auch das enorm druckvolle Schlagzeugspiel von Steve "Killdrums" Wacholz einen nicht unmaßgeblichen Anteil, denn der gute Mann knüppelt in guter Cozy-Powell-Manier alles filigran zu Krupp, was unter seinen meterdicken Sticks gerät. Aber auch Basser Johnny Lee Middleton macht auf dem Album eine sehr gute Figur. Die Hauptakteure sind aber die Gebrüder Oliva, die hier erneut allen zeigen, wie man Power Metal spielt. Schon der alles zerstörende Albumöffner '24 Hours Ago' lässt den zahmen Vorgänger komplett vergessen, denn hier sägt die Klampfe gleich mal alles in Stücke. Dazu schreit sich Bruder Jon die Seele aus dem Leib. Es wird daher dringend empfohlen beim Abspielen dieses Albums, alle Gläser aus dem Raum zu entfernen. Einen kraftvolleren Schrilling gibt es nicht! 'Beyond The Doors Of The Dark' hackt genau da ein, wo der Opener endet und donnert aus den Boxen wie ein Unwetter im sibirischen Winter. Das filigrane Gitarrenspiel von Criss setzt herrliche Kontrapunkte im Rübezahlrhythmus-Getöse und die Gesangsmelodien pellen jeden Ente. Auf einzelne Songs auf diesem grandiosen Album muss ich hier nicht eingehen, denn es dürfte schon Aussage genug sein, wenn eine bockstarke Nummer wie 'Price You Pay' zu den Lowlights eines Albums zu zählen ist, denn auch dieses Stück ist absolut großartig. Auf dieser Scheibe kann man erste Tendenzen in Richtung Verschmelzung mit klassischer Musik erkennen, die auf späteren Werken nicht allein aufgrund der massiven Einmischung von O'Neil ins Songwriting immer prägnanter wurde. Im Jahre 1987 hat man natürlich den Titel von Edvard Grieg entliehen und auch die klassische Einleitung des Titelsongs ist eine Adaption eben jenes Werkes. Ansonsten dominiert hier aber klassischer US Metal der Extraklasse und mit dem (autobiografischen) Drogensong 'White Witch' und dem abschließenden, programmatisch betitelten 'Devastation' hat man noch zwei weitere Mattenschüttler an Bord, die auf keiner Veranstaltung fehlen dürfen. Dies sehen auch Alex, Peter, Michael und Walter so und wählen somit diese wundervolle Scheibe, auf der der erstklassige Ray Gillen im Song 'Strange Wings' im Hintergrund zu hören ist, in diese Liste. Well done!


In gänzlich anderen Sphären bewegen wir uns für Platz 37. Es wird schlüpfrig, denn hier bekommen wir von BON JOVI "Slippery When Wet" serviert. Ein Album, auf welches das damals noch gültige "make it or break it"-Syndrom eines dritten Werkes zutrifft. Nachdem die Band mit ihrem Debütalbum raketenartig gestartet war, stellt der Nachfolger "7800 Fahrenheit" auf Sicht des Labels einen finanziellen Flop dar. Daher wird der Druck auf die Band erhöht, die sich daraufhin Desmond Child als Gastkomponisten zu Hilfe holt. Eine Wahl, die dazu führt, dass man mit 'You Give Love A Bad Name' und 'Livin' On A Prayer'  gleich zwei Nummer-Eins-Songs unter seiner Mitarbeit in den USA verzeichnen kann. Aber auch die Bon Jovi/Sambora-Nummer 'Wanted Dead Or Alive' landet auf einem beachtlichen siebten Platz in den Charts der neuen Welt. Das Album kassiert weltweit Platin und die Band geht kometenhaft durch alle Decken. Vielleicht wäre die Scheibe mit ihrem ursprünglichen Coverartwork, welches lediglich in Asien Verwendung findet, sogar noch mehr abgegangen, denn das Motiv einer attraktiven Dame in einem hautengen, gelben Shirt mit dem amerikanischen "Slippery When Wet"-Verkehrszeichen drauf, ist ohne Zweifel ein besserer Hingucker als das von der vorsichtigen Plattenfirma gewählte Artwork, welches wir alle kennen. Amerika und seine Schlüpfrigkeit. Neben den bekannten Hitsingles, die jede Hausfrau mitsingen kann, stehen auf dem Album mit 'Raise Your Hands' und 'Social Disease' auch etwas härtere Nummern, die Spaß machen. Spaß ist überhaupt die große Überschrift über diesem Silberling, den man jederzeit und überall bedenkenlos auflegen kann. Reaktionen darauf wird es immer geben und das muss man erst einmal hinbekommen. Für Sebastian, Chris, Michael, Tobias und Jule Grund genug "Slippery When Wet" zu nominieren.


Auf Platz 36 bleiben wir in den 80ern, wenden unser Augenmerk allerdings wieder nach Deutschland. Dort veröffentlicht im Jahr 1988 eine Hamburger Band den zweiten Teil ihrer Schlüsselgeschichten. Es soll das letzte Album unter Mitwirkung von Gitarrist Kai Hansen sein, denn dieser gründet etwas später die Band GAMMA RAY. Von denen soll hier aber nicht die Rede sein, denn hier geht es natürlich um HELLOWEEN und deren Album "Keeper Of The Seven Keys II". Für viele zählen diese beiden Alben ja zu den Blaupausen des heute so beliebten "Melodic Speed Metal" und wenn man die Danksagungen in etlichen Booklets aktueller Bands dieser Stilistik betrachtet, ist dies wohl auch so. Schon das nach einem kurzen Intro eröffnende 'Eagle Fly Free' macht allen Zweifler eindrucksvoll klar, dass HELLOWEEN noch mächtig Gas geben kann. Dass man dabei immer extrem melodisch unterwegs ist, wird Freunde dieser Spielart dann additiv erfreuen und da wir schon beim Thema Melodien sind, muss ich hier unweigerlich auf die Singleauskopplung 'Dr. Stein'  zu sprechen kommen. Diese Nummer gilt nicht umsonst als Prototyp des Kinderlied-Goes-Metal-Songs. Neben diesen hypermelodischen Flitzflinknummern haben die Hamburger mit dem 13 Minuten langen Titelsong die Fortsetzung des auf dem ersten Teil stehenden 'Halloween' an Bord. Hier tobt sich das Quintett in gewohnt hochklassiger Art und Weise nach allen Regeln der Kunst aus. Die Komposition ist ein Lehrstück in Sachen progressiv-melodischem Heavy Metal. Aber auch die restlichen Stücke zählen zu den Glanzstunden der hamburgischen Schaffenskunst. Allen voran natürlich die rattenscharfe Single 'I Want Out', die heute wohl jeder Leser Wort für Wort mitsingen kann. Aber auch die kraftvollen 'You Always Walk Alone' und 'March Of Time' sind erstklassige Hardrocker, die man kennen darf. Schaut man auf die Platzierung in den heimischen Hitparaden dann sieht man, dass dies damals sehr viele Hörer so gesehen haben, denn das Album belegt einen sehr beachtlichen fünften Platz, was die Reputation der Band in den späten 80ern sehr gut widerspiegelt. In unserer Redaktion stehen in erster Linie Jule, Marcel, Rüdiger, Tom und Stefan Lang auf das Album, welches in unserer ersten Liste noch auf Platz 6 stand.


Ein Jahr später – also 1989 – erscheint ein Album, welches bis heute von nicht wenigen als Revolution angesehen wird und hier auf Platz 35 landet. Fünf Musikstudenten haben sich eine Weile zuvor unter dem Namen MAJESTY zusammengefunden und ein Demotape aufgenommen, welches im damaligen Underground bombenmäßig einschlagen konnte. Die an RUSH erinnernden Kompositionen lassen alle Freunde progressiver Rockmusik kollektiv an Sauerstoffgeräten saugen und die Presse wirft mit Superlativen im Überfluss um sich. Ein Plattenvertrag ist nur eine Frage der Zeit und so erscheint kurz danach auf Mechanic Records das Debütalbum "When Dream And Day Unite". Die Band nennt sich während der Aufnahmen aufgrund von namensrechtlichen Problemen mit einer gleichnamigen Truppe in DREAM THEATER um, nimmt aber in Gedenken an ihre Anfänge eine instrumentale Nummer namens 'Ytse Jam' auf, welche rückwärts gelesen Majesty heißt. Allein dieser Song verzaubert den Hörer mit so vielen spieltechnischen Finessen, dass man nur ehrfürchtig staunend genießen kann. Aber auch die von Charlie Dominici eingesungenen anderen sieben Songs halten diesen extrem hohen Standard und toppen diesen sogar teilweise noch. Wer sich langsam in die etwas verschachtelten Songs hinein tasten möchte, dem sei das rockende 'Afterlife' mit seinem unwiderstehlichen Drive empfohlen. Diese Nummer wäre in einer gerechten Welt ein Nummer-Eins-Hit. Wer sich gleich in die tiefen Wogen der Progression stürzen will, der kann sich sofort am atemberaubenden 'The Killing Hand' versuchen. Sanft eingeleitet, steigert sich diese Komposition schnell in ungeahnte Höhen und ist ein Lehrstück in Sachen komplexer Songstruktur mit emotionalem Tiefgang. Alle Instrumente sind vollkommen gleichberechtigt, was vor allem Freunden von deutlich hörbarem Leadbass die Freudentränen in die Augen schießen lassen wird. John Myung, der für den Tieftöner zuständig ist, sorgt auf dem gesamten Album für warme, immer nach vorn treibende Rhythmusfiguren. Der andere Überflieger auf diesem nur aus Überfliegern bestehenden Wunderwerkes hört auf den coolen Titel 'The Ones Who Help To Set The Sun' und ist eine Achterbahnfahrt der Extraklasse. Hier fasziniert Gitarrist John Petrucci mal mit heftigen Riffs, mal mit gefühlvollem Melodiespiel. Die abgehackte Rhythmik verleiht dieser Nummer eine angenehme Härte und die immer wieder aus dem Ruder laufenden Basslinien treiben wohl nicht nur mich an den Rand des Wahnsinns. Schrieb ich eben _der_ andere Überflieger? Ich Dummerchen, hätte da doch beinahe das von weichen Keyboardteppichen unterlegte 'Only Matter Of Time' unterschlagen. Tastenjongleur Kevin Moore strickt aus dieser eigentlich recht zackigen Nummer mit seinem Instrument eine progressive AOR-Hymne, die man wunderbar mitsingen kann. Die Kollegen Kubaschk, Becker, Jäger und Andrae werden sicherlich auch die restlichen Stücke rückwärts aufsagen können, denn sie haben dieses prachtvolle Album, welches beim letzten Mal sogar noch auf Platz 11 stand, erneut in unsere Aufzählung gebracht. So gefühlvoll geht Prog.


Beinahe auf der gleichen Platzierung wie beim letzten Mal steht "Vulgar Display Of Power" der texanischen Shooting Stars PANTERA. Dieses Mal reicht es für Platz 34. Yvonne, Marcel, Thunderlaan, Tobias und Chris haben sich dieses Mal für diesen Hassbratzen ausgesprochen und sorgen dafür, dass nach verspielter Schöngeistigkeit nun der Baseballschläger auf die Moppe fliegt. Musikalisch bildlich gesprochen. Der furztrockene Klang der Scheibe ist wegweisend für alle ähnlich gelagerten Scheiben und die Band landet mit 'Walk' und 'Mouth For War' und deren Videoclips internationale Beachtung. Daraus resultiert unter anderem eine Tour mit den damals extrem angesagten SKID ROW vor durchschnittlich 10000 Zuschauern pro Abend. Musikalisch bietet die Truppe, die in den 80ern noch mit US Metal begeistern konnte, wie schon auf dem Vorgänger, brutalen, sehr auf Groove getrimmten Thrash, bei dem vor allem Gitarrist Dimebag Darrell immer wieder sehr positiv auffallen kann. Bis auf das wieselflinke 'Fucking Hostile' dominiert hier eher tief schlürfende Rhythmik, die einer Büffelstampede in einem ausgetrockneten Delta gleicht. Man wird beim Anhören quasi an die Wand gedrückt und der mächtig aggressive Gesang von Phil Anselmo addiert eine Portion Gewaltbereitschaft zu dieser musikalischen Unwettereinheit. Dass der gute Mann auch sanfte Klänge anschlagen kann, stellt er im lustig betitelten 'This Love' eindrucksvoll unter Beweis. Die Band wird zum Aushängeschild für den Metal der 90er und wird noch heute von etlichen Bands als riesengroßer Einfluss genannt. Nicht selten kommt es sogar zu der Aussage, dass es ohne PANTERA keinen Metalcore gegeben hätte. Fakt ist, dass die Band sich schnell einen Namen als alles wegblasende Livemacht auf die Brust schreiben kann. Ein weiterer Fakt ist, dass man für dieses Album mit Doppelplatin ausgezeichnet wurde, was gerade in Anbetracht des erheblichen Härtegrades sehr erstaunlich ist. Man mag von der Band und ihrer Musik halten, was man will: Sie hat viele Türen geöffnet und steht somit völlig berechtigt in unserer Aufzählung.


Ein weiteres Album, welches bereits beim letzten Mal am Start war, kommt aus Krefeld. "Imaginations From The Other Side" belegte damals noch einen tollen 19. Platz und landet heuer dank Stefan Lang, Tobias, Simon, Tom, Chris und Marcel auf Position 33. Es ist das letzte Album von BLIND GUARDIAN, auf dem Hansi Kürsch neben dem Gesang auch noch für den Bass zuständig ist, da auf den nachfolgenden Scheiben der ehemalige SIEGES-EVEN-Tieftöner Oliver Holzwarth diesen Part übernimmt und Hansi sich ausschließlich auf den Gesang konzentriert. Auch musikalisch ist dieses Album eine Art Wendepunkt in der Karriere der Band, ist dies doch das letzte Album, auf welchem sie noch recht harten Speed Metal abliefert und weniger Augenmerk auf Bombast, Chöre und Verspieltheit legt. Natürlich gibt es auch auf "Imaginations From The Other Side" diese Elemente, aber im Jahr 1995 dominiert noch die Gitarrenfraktion. So säbeln uns Marcus Siepen und Andre Olbrich in 'Another Holy War' derbe Kerben in die Hörmuscheln und auch das hymnenhafte 'I'm Alive' geht zackig nach vorne los. 'Born In A Mourning Hall' begeistert dann mit rasant-brachialer Riffabfahrt und einem Hansi mit Würfelhusten. So aggressiv ist die Band selten. Da steht der Chor im Refrain dann als Kontrastpunkt wunderbar dagegen. Völlig anders tönt dann die Ballade 'A Past And Future Secret' mit ihrer mittelalterlich wirkenden Instrumentierung. Eine Nummer, bei der Hansi alles zeigen kann. Neben diesen oldschooligen Titeln finden wir aber auch auf diesem Album mit dem langen Titelsong und 'The Script For My Requiem' Stücke, die verschachtelter angelegt sind. Hier geben sich Bombast und Speed die Klinke in die Hand, wobei gerade bei dem zweiten Song die Klampfe schon merklich die Hose anhat. Die von Flemming Rasmussen (METALLICA) produzierte Scheibe, die sich thematisch mit der Artus-Sage befasst, ist bis heute eine der beliebtesten Alben der Band und viele der Songs stehen bis heute im Liverepertoire der Krefelder. Wer also noch immer nicht weiß, wo die ganzen Melodic/Symphonic-Speed/Power-Metal- Bands ihre Inspiration her haben, der muss hier eine Geschichtsstunde anhören gehen. Jetzt.

Nun wenden wir unser Augenmerk auf eine Band, die heutzutage extrem polarisiert, zum Veröffentlichungszeitpunktes des hier gewählten Albums aber noch relativ wie außerhalb der Kritik steht. Die "Kings Of Metal" veröffentlichen 1988 ihr sechstes Album, welches in Deutschland schnurstracks auf Platz 37 der Verkaufshitparaden klettert, bei uns auf Platz 32 einsteigt und welches etliche Bandklassiker beinhaltet. Es ist das letzte Album von MANOWAR, auf welchem Gitarrist Ross "The Boss" Friedman spielt. Das Herzstück des Albums ist das über sieben Minuten lange 'Blood Of The Kings', welches das Album beschließt und in welchem die Band in gewohnt heroischem Stil ihre Verbundenheit mit ihren Fans zelebriert. Wie in all' ihren harten Nummern gibt es auch hier den permanent nach vorne pumpenden Bass von Joey De Maio als treibende Kraft zu hören. Aber natürlich ragt vor allem Sänger Eric Adams mit seinem glockenklaren Gesang heraus und macht diese Hymnen zu eben solchen. Wer es gern weniger heftig mag, sollte unbedingt das pathetische 'Heart Of Steel' zu diesem Zweck anhören. Hier kommt seine Stimme so richtig zur Geltung. Diese Nummer hat die Band als Danksagung an ihre deutschen Fans sogar additiv mit deutschem Text aufgenommen, was die Verbundenheit von MANOWAR zu Deutschland sehr deutlich unterstreicht. Weitere Highlights auf dem Album sind der rasante Opener 'Wheels Of Fire', sowie der stampfende Titelsong. Aufgrund des frauenverachtenden Textes zum Bonustitel 'Pleasure Slave' erntet die Band mächtigen Ärger , was sie aber nicht davon abhält die nachfolgende Tour sogar unter eben jenes Motto zu stellen. Die Kollegen Zunderlaan, Stehle, Krause, Staubach und Becker hören "Kings Of Metal" heuer immer noch so gern, dass sie es in diese Liste wählen.  Eventuell versucht sich der eine oder andere ja auch beim Luftbassen zur instrumentalen Klassik-Adaption 'Sting Of The Bumblebee' und verknotet sich hierbei die Finger. Ihr seht, die Gründe für eine Wahl dieses Albums sind vielfältig.


Für Platz 31 reisen wir zurück ins Jahr 1976. Der Ort des Geschehens ist Birmingham. Es entsteht das zweite Album von JUDAS PRIEST mit dem wundervollen Namen "Sad Wings Of Destiny".  Ein Album, welches viele heute für die beste Scheibe der Band halten. Darüber mag man geteilter Ansicht sein, Fakt ist aber, dass die Priester auf dieser Scheibe im Verhältnis zum Debütalbum einige Schüppen mehr Metal aufgelegt haben und dass auf diesem Album einige unsterbliche Klassiker stehen, die bis heute im Liverepertoire der Band zu finden sind. So ist gleich das eröffnende 'Victim Of Changes' ein Signature-Song für die Band. Dieses sieben Minuten lange Epos zeigt die Priester von ihrer allerbesten Seite: Schneidende Riffs wechseln sich mit beschwörend ruhigen Passagen ab, Rob Halford singt mal aggressiv und schrill, mal sanft und einschmeichelnd. Die titelgebenden "changes" werden also auch musikalisch bestmöglich umgesetzt, was diese Nummer zu einem Stammgast in den Setlisten der verräterischen Glaubensmänner macht. Wie auch die zweite, fast als Quickie geltende Nummer, in der man sich textlich mit dem guten Jack aus London beschäftigt. 'The Ripper' ist einer dieser Blaupausensongs, die man jemandem vorspielen kann, der wissen möchte, wie denn dieser Heavy Metal funktioniert. Das gefühlvolle Doppelpaket 'Dreamer Deceiver'/''Deceiver' ist ein exzellentes Beispiel für die Fusion von psychedelischer Rockmusik der Jahre zuvor und progressivem, für die damalige Zeit, sehr hartem Rock.  Wendet man das Vinyl, bekommt man zuerst ein kurzes Instrumental geboten ('Prelude') bevor der extrem heftige 'Tyrant' aus den Boxen knallt. Die geschickt eingesetzten Gesangsechos werden damals eine kleine Produktionssensation gewesen sein, wie überhaupt das harsche Klangbild durch extreme Transparenz und wunderbare Stereoeffekte überzeugen kann. Die Herren Downing und Tipton beweisen schon in diesem frühen Stadium der Band, dass sie heute nicht ohne Grund zu den wegweisenden Gitarrenduos der Bewegung zu zählen sind. Auch 'Genocide' kommt mit gnadenloser Härte um die Ecke und verrät im akustischen Mittelteil schon den Titel des nächsten Albums.
Den kröhnenden Abschluss bildet die vom Piano unterlegte Ballade 'Epitaph', die direkt in den verschachtelt-epische Vierminuten Longtrack 'Island Of Domination' übergeht. Hier bekommen wir erneut die progressive Schlagseite der Band zu hören und verdrücken eine Träne im Bewusstsein, dass Drummer Alan Moore danach nicht mehr mit am Start war. Das aus heutiger Sicht nicht nachvollziehbare schlechte kommerzielle Abschneiden des Albums führt dazu, dass man sich nach "Sad Wings Of Destiny" vom Label trennt, um später bei Columbia einen neuen Hafen zu finden. Rüdiger, Frank, Marius, Simon und Holger finden dieses, 40 Jahre alte Album immer noch so toll, dass sie es in unsere Auflistung bringen.

Demnächst in diesem Kino gibt es die nächsten 10 Plätze, bei denen wir etliche bereits gennannte Bands nochmals wiederfinden werden, aber auch Erstnennungen, nationale Helden, etwas sehr Modernes und diverse Klassiker. Lasst Euch überraschen oder rätselt mit unseren Forenbewohnern gemeinsam, welche Scheiben sich in den hohen Regionen noch tummeln werden.

Redakteur:
Holger Andrae

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