OCEANSIZE total

21.05.2008 | 11:26

Eine Sightseeing-Tour zusammen mit einer Band, die man zudem auch noch toll findet, bekommt man nicht allzu oft angeboten. Doch dreht es sich hier bei weitem nicht nur um den Bericht einer Bustour. Es gibt logischerweise auch O-Ton, einen Bericht vom Konzert mit COHEED AND CAMBRIA und einen Bericht zur Deluxe-Edition des letzten Albums "Frames". Von wem? Von OCEANSIZE selbstredend.

Im Bus mit OCEANSIZE

Unverhofft kommt oft. Das ist nicht nur ein dummes Sprichwort, sondern manchmal eben auch Tatsache. Und als ich am Freitag, den 11. April gefragt werde, ob ich am nächsten Tag die "Berliner Musiktour" zusammen mit OCEANSIZE machen würde, muss ich nicht lange überlegen. Und so werden flugs Termine umkoordiniert und zugesagt. Treffpunkt ist das Hotel "Adlon" direkt am Brandenburger Tor. Und weil ich natürlich etwas zu früh bin, kann ich mir die Wartezeit mit dem Begutachten von einigen tausend Schornsteinfegern vertreiben, die mehr Geld wollen. Warum auch nicht?!

Als mit zehnminütiger Verspätung OCEANSIZE und Crew zusammen mit ihrem Promoter Peter Klapproth aus dem Adlon herauskommen, bin ich doch etwas erstaunt. Doch schon bald kommen aufklärende Worte, dass dies nicht die Herberge des Trupps ist. Allerdings ist das "Adlon" auch gleich Start der Musiktour. Diese Sightseeing-Tour konzentriert sich dabei auf Sehenswürdigkeiten Berlins, die mit – logisch – Musik zu tun haben. Dabei führt einen die Tour im Bus durch Berlin zu allerlei musikhistorischen Schauplätzen. Aber dazu später mehr. Dass das "Adlon" als Startpunkt dient, hat es neben der zentralen Lage in erster Linie MICHAEL JACKSON zu verdanken, der hier vor einigen Jahren mal ein Baby aus dem Fenster hing, was in nullkommanix um die Welt ging. Erzählt wird uns das von Reiseführer Thilo, immer wieder kommentiert von OCEANSIZE-Sänger Mike Vennart, der durch typischen englischen Humor gefällt.

Der kurze Fußmarsch zum Bus wird in erster Linie dazu genutzt, um Schornsteinfeger anzufassen. Und Schornsteinfegerinnen. Das soll ja Glück bringen. Dabei laufen einige aus der Gruppe auch zum ersten Mal durch das Brandenburger Tor, der Autor eingeschlossen. Und auch hier gibt es Musikhistorisches zu berichten. 1994 wurden hier die ersten europäischen MTV-Awards verliehen und Künstler wie TAKE THAT, TOM JONES, BRYAN ADAMS und die CRASH TEST DUMMIES traten damals auf. Am meisten Eindruck macht aber die Tatsache, dass ACE OF BASE als einzige Band vor dem Brandenburger Tor spielen durften. Eine Information, die Mike später noch nutzen wird.

Einmal im Bus, verlässt man diesen auch erst am Ende der Rundfahrt wieder. Dabei wird man von den Hansestudios über den Technoclub "Tresor" zu der ehemaligen Wohnung von Nina Hagen, dem Universal- und MTV-Gebäude, dem "Knaack", welches immer noch Heimstätte des RAMMSTEIN-Managements ist, dem "SO36", den früheren Wohnungen von Nick Cave, David Bowie und Iggy Pop zum "Columbiaclub" geführt. Während der Tour laufen immer wieder Videos mit Statements von Zeitzeugen und Szenegrößen (allen voran natürlich Nina Hagen und MTV-Moderator Markus Kavka), die Erfahrungen und Erlebnisse mit den besichtigten Stätten zum Besten geben. Auch Reiseführer Thilo gibt immer noch Informationen, gerne auch mal zum Abendprogramm in den jeweiligen Clubs. Die Band hört sich das alles bei einem Bier an, bewundert die Stadt und ist auch durchaus dankbar für nützliche Zusatzinformationen. So gebe ich Hinweise darauf, in welchen Hallen Bands wie MUSE, AMPLIFIER, die STEREOPHONICS oder COHEED & CAMBRIA spielen und gespielt haben. Am meisten Gehör finden jedoch die Anekdoten über in Berlin lebende Künstler. So wächst das Interesse an Nina Hagen rapide, als ich davon erzähle, dass sie mal in einer öffentlich-rechtlichen Talkshow eine Anleitung zur Masturbation gegeben hat. Bassist Steve nennt dies sogar "die wichtigste Information der ganzen Tour". Und auch die Drogeneskapaden von David Bowie und Iggy Pop in ihrer gemeinsamen Wohnung in Berlin-Schöneberg finden uneingeschränktes Gehör.

Als die Tour am "Columbiaclub", dem Standort des Tourbusses, endet, habe ich noch Gelegenheit ein Fazit von der Band einzuholen. Beeindruckt zeigt sich die Band vor allem "von den Vibes, die Berlin versprüht" und "der Möglichkeit, Berlin von einer anderen Seite zu sehen und nicht nur in den Clubs zu sein". Mike ist zudem beeindruckt von "der Geschichte einiger Clubs, in denen wir gespielt haben. Ich hatte keine Ahnung, dass im 'Knaack' das Management von RAMMSTEIN sitzt". Zudem hat es ihnen die Gegend rund um das "SO36" angetan, inklusive der Geschichten um besetzte Häuser.

COHEED & CAMBRIA, OCEANSIZE – Berlin, Columbiaclub, 13.04.2008


Einen Tag später findet der Gig im "Columbiaclub" statt. Und auch diesen lasse ich mir natürlich nicht entgehen. Auffällig ist hier vor allem, dass der Gig vom deutlich größeren "Huxleys" hierher verlegt werden musste. Ein deutliches Zeichen an COHEED & CAMBRIA, dass die kurzen Gigs der Vergangenheit (einmal 55, einmal 65 Minuten als Headliner) nicht einfach vergessen werden. Und ganz ehrlich, so sehr ich die Musik von COHEED & CAMBRIA liebe, wäre ich wohl nicht zu diesem Konzert gegangen, wenn OCEANSIZE nicht die Vorband wären. Dafür war die Enttäuschung zweimal zu groß. Als Mike mir aber am Tag zuvor erzählt, dass COHEED & CAMBRIA jeden Tag knapp 100 Minuten spielen und Background-Sängerinnern haben, wächst die Spannung natürlich schon deutlich. Zumal bei der Tour im Februar auch mein Favorit 'The Crowing' endlich mal zu Live-Ehren kam.

Doch zuallererst sind OCEANSIZE an der Reihe, die leider nicht wie geplant um 21.00 Uhr auf die Bühne gehen, sondern bereits um halb neun die Bretter entern, so dass ich die ersten paar Minuten des Sets verpasse. Der Sound bei 'Catalyst' ist dann aber entgegen der sonstigen Gewohnheit eine ziemliche Katastrophe, da auf der Bühne ein technischer Defekt vorliegt. Als dieses Manko behoben ist, kommt der Sound aber wie immer glasklar aus den Boxen. 'Trail Of Fire' wird von Mike dann auch gleich mal ACE OF BASE gewidmet, weil sie einst vor dem Brandenburger Tor spielen durften, und die 'Hommage' geht an "all die Drogen, die Iggy Pop und David Bowie in Berlin vernichtet haben." Ja, die Musiktour hat eindeutig Eindruck hinterlassen. Als nach knapp 45 Minuten mit 'Ornament/The Last Wrongs' der letzte Song zu Ende geht, haben sicherlich auch OCEANSIZE Eindruck gemacht. Der Applaus lässt da keine anderen Schlüsse zu.

Dass COHEED & CAMBRIA mich danach nicht in völlige Euphorie versetzen können, liegt vor allem an der Band selbst. Der Sound ist mäßig, die Background-Sängerinnen sind auf der kleinen Bühne hinter den Amps versteckt, und man sieht nur ein Paar wackelnder Köpfe und hört ihre Stimmen sehr selten. Die Setlist beschränkt sich einmal mehr doch sehr auf die kurzen, flotten Rocker, während von den progressiven Nummern nur 'In Keeping Secrets Of Silent Earth: 3' und 'Welcome Home' gespielt werden. Überraschend ist lediglich das 'Evil-Medley', in dem neben 'Everything Evil' auch 'The Trooper' von IRON MAIDEN seinen Platz findet. Und 'The Crowing'? Tja, das wird nicht gespielt. Weshalb ich bei der letzten Zugabe 'The Final Cut', das wieder in einer ewig langen Jam-Session endet, regelrecht beleidigt die Halle verlasse. Sauerei auch.

Doch zurück zu OCEANSIZE. Denn ihre Geschichte ist mit diesem Wochenende noch nicht ganz erzählt. In diesen Tagen erschien nämlich die Deluxe-Edition von "Frames", dem Album, welches ich auf dieser Seite bereits in den Himmel hob.


OCEANSIZE – Frames (Deluxe Edition)

Zu den Worten aus meiner Rezension vom letzten Jahr stehe ich immer noch. Nach wie vor rotiert "Frames" regelmäßig in meinem Player und nimmt mich mit auf wunderbare Reisen in den Musikkosmos. Dass dabei Nummern wie 'Trail Of Fire', 'Sleeping Dogs And Dead Lions' oder 'An Old Friend Of The Christie's' noch deutlich an Format gewonnen haben, spricht ja eindeutig für das Album. Die Deluxe-Edition kommt jetzt (genauer ab dem 16.05.2008) in einer schicken Klappbox daher und beinhaltet neben dem regulären Album noch einen Sticker und eine etwa 120-minütige Bonus-DVD. Genau diese DVD ist dann natürlich auch der interessante Teil der Veröffentlichung.

Dabei gehen OCEANSIZE aber einen etwas anderen Weg als die meisten Bands. OCEANSIZE spielen das komplette Album live in einer Halle. Ohne Publikum. Ohne Overdubs. Ohne alles. Pur. Dabei präsentiert sich das Quintett als tighte, vollkommen eingespiele Einheit. Als ob sie nie etwas anderes täte, als die Songs zusammen live in einer Halle zu spielen. Wie Mike nach der Bustour erzählte, stört es ihn, dass viele Livealben den Titel "Live" eigentlich gar nicht verdient haben, weil nach den Aufnahmen noch so viel verändert wird, bis es klingt, wie es klingen soll. Das tut es bei OCEANSIZE eben auch so. Es ist schon faszinierend zu sehen, wie perfekt aufeinander abgestimmt die Band ist. Ein Umstand, den man auch bei Konzerten der Truppe immer wieder spürt, sieht und hört. Der hervorragende Soundmann sei an dieser Stelle noch mal besonders lobend erwähnt.

Dazu gibt es noch "echte" Live-Aufnahmen von 'Commemorative___T-Shirt/Unfamiliar', 'Trail Of Fire' und 'Sleeping Dogs And Dead Lions', die an einem etwas mäßigen Sound kranken, aber dennoch einen guten Eindruck von OCEANSIZE vor Publikum vermitteln. Dazu kommt noch eine ausführliche Dokumentation der Aufnahmen von "Frames" und eine Fotogalerie.
Wer das Album noch nicht in seinem Besitz hat, sollte dies spätestens jetzt nachholen. Hardcore-Fans werden dies sowieso tun, und alle anderen können die normale Version ja bei eBay verkaufen. Viel Spaß dabei!

Redakteur:
Peter Kubaschk

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