NOCTE OBDUCTA: Interview mit Marcel

11.12.2008 | 17:59

Das als Abschlusswerk NOCTE OBDUCTAs angekündigte "Sequenzen einer Wanderung" ist auf dem Markt, und scheinbar wurmen Mastermind Marcel immer noch die ewigen Nörgler - auch nachdem die Band offziell auf Eis gelegt wurde.

Carsten:
Zwei Jahre ist es her, seit ihr offiziell euren Abschied verkündet habt. Nun kommt mit etwas Verzögerung das Abschiedsalbum - was hat euch aufgehalten?

Marcel:
Ich denke, das ist kein Thema für ein Interview, ich kann das nur immer wieder sagen. Das Album wurde ohne unser Zutun bzw. sogar entgegen unseren Bemühungen auf Eis gelegt, und es stand nicht in unserer Macht, daran etwas zu ändern.

Carsten:
War es eigentlich mit zwei Jahren Abstand die richtige Entscheidung, die Band aufzulösen?

Marcel:
Definitiv! Wenn ich mir die Reaktion einiger Leute auf das Album durchlese, dann weiß ich, dass es einfach nur richtig war, aus diesem beschissenen, konservativen Metal-Umfeld wegzukommen. Nicht falsch verstehen, ich schätze den Metal sehr, aber ich hasse diese Metaller. Es gibt kaum einen "Fankreis", der so engstirnig, so beschränkt und so erzkonservativ ist. Menschen, die Musik nach Szenemerkmalen bewerten, sind Banausen und geistige Krüppel, tut mir Leid. Wenn jemand sagt: "sehr enttäuschend, damit kann ich ungefähr gar nichts anfangen", dann ist das wunderbar. Musik ist Geschmackssache, und mit diesem Album wird man sehr, sehr vielen Leuten massiv vor den Kopf stoßen. Wenn aber jemand sagt: "das Album ist scheiße, inhaltslos und nichtssagend", dann ist man erbärmlich dumm. Und da erbärmlich dumme Menschen sich meist dadurch auszeichnen, dass sie ihre Dummheit kundtun müssen, bestätigt uns das in unserer Entscheidung, diesem zähen Sumpf den Rücken zu kehren. Ich will mit dem, was ich tue, nicht schwerpunktmäßig in Kreisen kursieren, in denen man sich mit Hetzparolen und dergleichen aufhält. In Kreisen, in denen man anderen sein eigenes, schmales Weltbild überstülpt und sie danach bewertet.
Weißt du, ich habe mich früher immer geärgert, wenn Leute gesagt haben: "Ach so, Metal ... hmnaja, Metaller sind mir irgendwie zu engstirnig, hängengeblieben und so." Natürlich ist so ein pauschalisierendes Urteil Unsinn, denn es trifft ja nur auf einen Teil der Leute zu. Aber wenn ich mir das so ansehe und dieser Anteil halt leider im Metal so hoch ist wie kaum woanders, dann kann ich nur sagen ... naja, warum über so eine Äußerung ärgern, wenn sie irgendwie allzu oft zutrifft? Warum sonst gibt es so viel Gegenwind, Angriffe und Pöbeleien, sobald man ein wenig anders ist, und wieso sonst wird so etwas massiver, wenn man noch weniger Grenzen beachtet? Traurig, aber wahr. Ich finde zwar absolut nicht, dass durch die Umbenennung in DINNER AUF URANOS auch automatisch ein harter, musikalischer Cut gemacht wurde, aber eine gewisse Symbolik hatte die Umbenennung in Verbindung mit einer Pause schon. Wir mussten einfach mal durchatmen und das Gefühl haben, niemandem etwas schuldig zu sein.
Ich würde, wenn ich enorm viel Zeit und Geld hätte, durchaus auch die alten Lieder gerne weiterhin live spielen, aber der musikalische Fokus hat sich mit den Jahren nun einmal entwickelt, und wir mussten raus aus dem Kerker. Und wenn man sich entschließt, Trademarks wie Black-Metal-Vocals und Blasts wegzulassen und außerdem auf der Bühne absolut die alten Platten zu vernachlässigen, dann sollte man sich vielleicht auch nicht weiterhin NOCTE OBDUCTA nennen, auch wenn diese Option anfangs tatsächlich im Gespräch war.

Carsten:
Passenderweise beginnt "Sequenzen einer Wanderung" mit dem Wort "Ende". Es folgen zwei Songs, die sich jeweils über mehr als 20 Minuten strecken. Wolltet ihr euch zum Schluss in experimenteller Hinsicht noch einmal richtig austoben?

Marcel:
Austoben ja, zum Schluss nein. Denn die Auflösung oder "Pause mit Namenswechsel", wie wir es eigentlich nennen, da es der Wahrheit gerechter wird, war ja zu der Zeit, in der das Album geplant wurde, noch gar kein Thema. Warum wir uns ausgerechnet zu diesem Album entschieden haben und nicht das Material zweier weiterer Alben verwendet haben, ist wieder eine andere Geschichte. Aber es stimmt schon, dass wir mit "Sequenzen" ein Album machen wollten, dass sich stilistisch auch ohne Grenzen entfalten durfte. Ein solcher Rahmen hat mich schon seit Ewigkeiten fasziniert, aber ich dachte mir immer, wir haben so viel "klassisches" Songmaterial, warum dann ein Album machen, dass sich quasi selber mit gestaltet. Unter den gegeben Umständen schien es uns dann aber ratsam, und gleichsam wie eine große Chance, so etwas dann endlich einmal zu machen.
Letztlich war es in seiner Spontaneität, seiner Bedeutung und seinem Ausscheren aus der Diskographie so etwas wie die "Schwarzmetall", auch wenn der Fan das sicherlich komplett anders sehen wird. Das Folgealbum wäre sicherlich wieder Song-orientierter geworden, wenn man dieses Wort im Zusammenhang mit NOCTE OBDUCTA überhaupt benutzen kann. Es hätte zwar ebenfalls weit mehr Grenzen gesprengt als das doch eindeutig metallische "Nektar 2", aber es wären doch vielleicht ein paar mehr Metal-Bezüge vorhanden gewesen und sicher auch mehr Vocals, teilweise auch die "traditionellen" Vocals im Stile der älteren Alben. Das Wort "Ende" haben wir aber tatsächlich erst zu einem Zeitpunkt an den Anfang das Albums gesetzt, als das "Ende" auch wirklich beschlossen war. Das hat dem Album dann natürlich eine andere Färbung gegeben, als ursprünglich geplant.

Carsten:
Der Metal-Anteil wurde vergleichsweise reduziert, stattdessen machen sich sphärische Soundcollagen breit. Sollte das auch ein erhobener Mittelfinger an jene selbst ernannten Szene-Wächter sein, denen eure experimentelle Seite immer ein Dorn im Auge war?

Marcel:
Nein, wir würden nichts aufnehmen, nur um jemandem den Mittelfinger zu zeigen. Wenn der Mittelfinger für uns musikalisch bzw. allgemein künstlerisch interessant oder wichtig ist, dann immer gerne, aber der künstlerische Aspekt der Sache ist das, was uns am Herzen liegt. Dieses Szene-Wächter-Gewürm würde sich das Album doch sowieso nicht anhören. Bzw. schätze ich das Volk so ein, dass sie es sich natürlich schon anhören mit dem fest anvisierten Ziel, es zu hassen. Aber das ist kein Problem, ich bin eine herzensgute Seele und befriedige gerne die niederen Bedürfnisse der Herden. Uns war natürlich klar, dass das Album polarisieren würde. Die teilweise unglaublich aggressive Ablehnung ist für uns ein Zeichen, dass wir in unserer allgemeinen Einschätzung der so genannten Szene richtig gelegen haben. Es ist wirklich ein Stück Musik geworden, kein Stück Metal oder Pop oder sonst was.

Carsten:
Wenn ihr euch dazu entschlossen habt, die Anzahl der Songs auf zwei zu reduzieren - wozu dann doch noch einmal die Aufteilung der Songs in Unterkapitel im Booklet?

Marcel:
Da kann ich jetzt echt nur die Gegenfrage stellen: Warum nicht? Hm, es hat sich für mich assoziativ so ergeben, die einzelnen Passagen haben ja alle irgendeine Bedeutung und erzählen etwas. Man hätte da noch viel stärker ins Detail gehen oder aber zu jedem Teil eine lange Geschichte erzählen können, aber das hätte dann doch den Rahmen gesprengt und das Booklet sehr unansehnlich gemacht.

Carsten:
Inwieweit geben die Titel dieser Unterkapitel ebenso wie die wenigen Songtexte Erfahrungen mit der Band, aber auch Persönliches wieder?

Marcel:
Die Erfahrungen der Band sind ja letztlich persönliche Erfahrungen. Und da ich das Album geschrieben habe, sind es natürlich vor allem meine persönlichen Erfahrungen. Du hast mit dieser spezielleren Frage allerdings recht, wenn du auf die oft gestellte Frage anspielst, ob es sich bei dem Album nicht ein gutes Stück weit um einen Spiegel der Bandgeschichte handelt. Das ist nämlich nur dann der Fall, wenn man das ganze wirklich als Zeitfenster sieht. Es ging nie um eine reine Retrospektive. Das Ganze ist für uns auch ein Ausblick in die Zukunft, und zwar in eine mögliche Zukunft oder auf einige Aspekte der Zukunft. Definitiv handelt es sich mitnichten um einen konkreten Ausblick oder eine Marschrichtung. Das wird zwar oft angenommen, weil es auf der Hand zu liegen scheint, ist aber Blödsinn.

Carsten:
Einen großen Teil des neuen Materials machen Sprechpassagen aus, bei denen ihr Bekannte gebeten habt, über Begriffe wie Abschied, Neubeginn oder eben Wanderung zu philosophieren. Wie kam es zu dieser Idee?

Marcel:
Die Soundscapes sollten zwar in erster Linie den Charakter eines Kopfkino-Soundtracks verstärken, aber ich kam dann auf die Idee, sie eben doch auch mit Inhalt zu füllen auf eine Art und Weise, wie sie eigentlich für das ganze Album geplant gewesen wäre. PINK FLOYD haben das früher mal für die "Dark Side Of The Moon" gemacht, wir haben die Idee einfach geklaut. Eigentlich hätten nicht nur mehr Vocals auf das Album gesollt, es hätten halt auch ein paar mehr Sprechpassagen in die Lieder eingebaut werden sollen. Ebenso wollten wir mit noch ein paar Gitarren und percussiven Elementen die Soundscapes aufpolieren. Das alles hat Dank der katastrophalen Voraussetzungen nicht funktioniert. Im Falle der Vocals ist das für den ein oder anderen tragisch, ich finde aber, es hat dem Ergebnis sogar gut getan. Im Falle der Gitarren und Sprechpassagen wäre eine Ecke mehr Zeit wünschenswert gewesen und hätte das Album vielleicht noch runder gemacht.

Carsten:
Du giltst ja als Hauptkopf der Band. Wie war die Arbeitsgewichtung bei einem Album verteilt, dessen Fertigstellung sich über zwei Jahre gezogen hat?

Marcel:
Nun ja, ich habe das Material geschrieben oder aber geschriebenes Material ausgewählt, dann habe ich den Kram durcharrangiert und konzipiert. Und aus diesem Gerüst haben wir dann zusammen das geformt, was man jetzt hören kann. während allerdings bisher fast jede Note und jedes Instrument auf meinem Mist gewachsen war (und ich sage "fast"), war diesmal der Entfaltungsspielraum der Band größer als auf den acht Veröffentlichungen (inkl. Demo) zuvor. Als klar war, die Vocals müssten gekürzt werden, haben Flange und ich uns getrennt voneinander hingesetzt und ein paar weitere Ideen "zu Papier" gebracht und den Kram an dem Abend vor den gerade mal zwei Studiotagen, die uns für die Fertigstellung blieben, irgendwie zusammengetragen. Im Studio ist dann natürlich auch noch so manches spontan entstanden, wir mussten das Zeug nach der langen Zeit ja erst einmal wieder in ordentlichem Rahmen hören. Aber wie gesagt hätte mehr Zeit insbesondere am Ende sehr gut getan. Andererseits können wir stolz darauf sein, ein solches Album in doch sehr kurzer Zeit aufgenommen zu haben. Was die Verzögerungen noch einmal grotesker erscheinen lässt.

Carsten:
Du selbst würdest NOCTE OBDUCTA ja eher weniger unter dem Begriff "Avantgarde" einordnen. Wie würdest du dann das Material auf "Sequenzen einer Wanderung" beschreiben?

Marcel:
Ha, gute Frage. Es ist wohl Rockmusik im weitesten Sinne ... mit Soundtrackcharakter, gelegentlichen Bezügen zum Prog/Artrock und extremem Metal. Und es hat insofern etwas von den frühen MIKE OLDFIELD, als es eben auch vorwiegend ohne Vocals auskommt, in zwei Teile unterteilt ist, gewisse musikalische Themen aber immer wieder auftauchen. Das Leitmotiv z.B. erscheint ja an viereinhalb Stellen. Da es derartige Musik in etwas anderer Form also schon einmal gab, ist es nicht wirklich Avantgarde. Möglicherweise wäre dieses Album aber als Avantgarde zu bezeichnen, weil die Einbindung von sehr rohem Black Metal ganz am Ende und primitivem früh-Neunziger-Doom kurz davor in diesem Kontext sehr, sehr ungewöhnlich ist. Allerdings wurde der Begriff Avantgarde ja schon bei den "Nektar"-Alben gebraucht, und da hatte er nach meinem Dafürhalten nichts verloren. Allenfalls im Hinblick auf die Tatsache, dass wir in einer der konservativsten musikalischen Umgebungen der Welt Wände eingerissen haben.

Carsten:
Eine persönliche Frage zwischendurch: Studierst du eigentlich noch? Und inwiefern hat deine Studienwahl vielleicht auch dein lyrisches Schaffen beeinflusst oder umgekehrt?

Marcel:
Den Magister in Vor- und Frühgeschichte habe ich schon eine ganze Weile, seit kurzem sitze ich auch tatsächlich an meiner Doktorarbeit. Aber neben all den anderen Dingen, die noch anfallen, kann man wohl nur bedingt von einem Studium sprechen. Einflüsse gab es da eher wenig, sieht man mal von 'Nebel über den Urnenfeldern' und einem niemals umgesetzten weiteren Lied ab.

Carsten:
Ihr habt euer Abschiedsalbum dem 2006 erschossenen "Problembär" JJ1 und dem im gleichen Zeitraum verstorbenen Ex-PINK-FLOYD-Kopf Syd Barrett gewidmet. Sind beide von größerer Bedeutung für dich?

Marcel:
Nicht wirklich. Oder sagen wir: Insbesondere Syd Barrett natürlich schon, allerdings ist es nicht eine herausragende Stellung in meinem Inspriations- und Bedeutungskosmos, der ihm zu dieser Widmung verhilft. Denn wenn dem so wäre, dann würden da ein paar mehr Leute stehen. Es sind in beiden Fällen die Bezüge zum Album. An dem Tag, an dem wir mit den externen Aufnahmen zu dem Album begannen, wurde Problembär JJ1 erschossen, rund eine Woche später, als wir mit den Gitarren begonnen bzw. in einer Backnanger Garage unsere Stunden absaßen, verstarb Syd Barrett. Als ich das erfuhr, fühlte ich mich sofort an einen Tag im Frühling 2006 erinnert, als wir gerade dabei waren, die Soundscapes aufzunehmen. Gegen Ende der zweiten Soundscape entstand durch das willkürliche Übereinanderlegen von Hintergrundspuren als Untermalung für die schon bestehenden Keyboardspuren eine Stelle, die im Zusammenspiel aller Spuren zumindest mich sofort an eine Stelle vom Album "Wish You Were Here" erinnerte, das sich ja inhaltlich, wie die meisten wohl wissen, stark auf den zu diesem Zeitpunkt völlig abgehalfterten ehemaligen Kreativkopf Syd Barrett bezieht. Als der Mann dann während unserer Aufnahmen auch noch starb, dachte ich, ihm gehört zumindest ein Teil des Albums. An dem Tag, an dem wir dann das Booklet für die Standard-CD-Version des Albums beendeten, starb dann übrigens auch noch Rick Wright ... man kann nur hoffen, dass das nicht so weitergeht. Sonst kennt man uns irgendwann als "The Band, that killed Pink Floyd". Hm, nette Idee eigentlich...

Carsten:
Nun steht ja bereits die eher psychedelisch rockige NOCTE-Nachfolgeband DINNER AUF URANOS in den Startlöchern. Kannst du dich in ihr mehr verwirklichen als zuletzt mit NOCTE OBDUCTA?

Marcel:
Auf jeden Fall. Der Neuanfang ermöglicht einfach, von vorne herein Einschränkungen zu vermeiden. Natürlich gibt es immer irgendwelche Grenzen, aber die sind nicht so eng gefasst wie bei NOCTE. Letztlich ist DINNER ja quasi NOCTE. Wir bedienen uns zu einem nicht unwesentlichen Teil auch aus dem Fundus, der schon zu NOCTE-Zeiten immer mehr anwuchs, auch wenn wir natürlich wesentlich offener an den Kram herangehen und vor allem auch auf neueres Material setzen. Die Möglichkeiten im Bereich der Vocals sind heute größer, und der wesentlich organischere und dynamischere Gesamtsound macht die Interpretationen in unseren Ohren deutlich vielschichtiger und außerdem weniger steril. Nach Flanges Ausstieg Ende 2006 haben wir außerdem die Keyboards drastisch reduziert, was den Gitarren wieder viel mehr Platz schafft bzw. von den Gitarren bei einer solchen Musik auch mehr verlangt. Das bedeutet konkret, dass möglicherweise Live-Versionen von Album-Versionen abweichen werden, da wir trotz einer Konzentration auf vier Instrumente und zwei Stimmen im Proberaum die Keys im Laufe der Produktion voll nutzen wollen, und zwar wesentlich vielseitiger als bei NOCTE vor den "Sequenzen".
Wie viel dann davon letztlich auch auf der Bühne landet, wird vorab nicht geplant, die für Gigs in Frage kommenden Songs werden erst einmal so arrangiert, dass sie ohne die Elektronik auskommen, danach schaut man, wo man sie dennoch benutzt. Das ist eine kleine Herausforderung, ermöglicht uns aber völlig freies Arbeiten.
Das Ganze ist außerdem irgendwo in dem weiten Welt Rock unterwegs - Post Rock, Psychedelic, Ambient, Doom, Art, Stoner. Es ist ein Gebräu, bei dem sicherlich keiner sagen wird "das ist doch gar kein Rock mehr", so wie die Leute heute sagen "das ist doch gar kein Metal mehr". Es ist nämlich scheißegal, was es ist, da wo wir sind. Wir hoffen, dass die Fertigstellung und Veröffentlichung des in mancherlei Hinsicht sehr unorthodoxen Debüts "50 Sommer - 50 Winter" so verläuft, wie wir uns das vorstellen und dann das ebenfalls in den Startlöchern stehende Material für Album Nummer zwei umgesetzt werden kann.

Carsten:
Wie man hört, scheint bei euch in Sachen NOCTE OBDUCTA aber doch noch was in Planung zu sein. Kann man schon Näheres sagen und war das nun also doch noch nicht das Ende?

Marcel:
Erst einmal: Solange es DINNER AUF URANOS gibt, ist auch NOCTE OBDUCTA nicht zu Ende. Es handelt sich ja hierbei irgendwie um eine Band, nicht um zwei. Alle Welt erzählt, NOCTE OBDUCTA hätten sich aufgelöst, resultierend in DINNER AUF URANOS, AGRYPNIE und MELKOR. Das ist völliger Quatsch, denn sowohl AGRYPNIE als auch MELKOR [die Bands von Sänger Torsten und Ex-Basser Patrick - Anm. d. Verf.] sind zwei künstlerisch völlig unabhängige Projekte, die auch schon parallel zu NOCTE existiert haben, derweil DINNER AUF URANOS die konsequente Weiterführung der Band darstellt. Unter anderem Namen, da wohl der Wegfall von BM-Voclas und Blasts viele alte Fans überfordert hätte, denn ein Gutteil der Menschen achtet noch immer auf "Szenemerkmale" und nicht auf künstlerische Handschrift. Und letztere ist selbstverständlich unverändert.
Zu den näheren Fakten in Verbindung mit dem alten Namen: Wir hatten schon kurz nach "Schwarzmetall" die Idee, etwas ähnliches eines Tages zu wiederholen. Konkreter wurde der Gedanke kurz vor Silvester 2005, als ein Album im Gespräch war, das den "Sequenzen" hinsichtlich seiner Form sehr geähnelt hätte, in seinen Mitteln allerdings im beklemmenden, schwarzmetallischen Bereich gelegen hätte. Jetzt, wo die sogenannte Auflösung zweieinhalb bis drei Jahre zurückliegt, werden wir die Sache tatsächlich angehen. Das Ganze ist aber keine Reunion, denn Gigs sind ebenso wenig geplant wie komplette Bandproben und dergleichen. Das Ganze wird als kleiner, schwarzer Bruder von DINNER nebenher laufen und in den Katakomben eingesperrt bleiben.
Wir wollen, dass wir für dieses Album Mitglieder fast aller Besetzungsphasen auf einem Album versammeln, jeder soll einen kleinen Teil beitragen, und seien es auch nur ein paar gebrüllte Zeilen. Ich habe vor zwei Wochen mit den ersten Aufnahmen begonnen, bei denen es sich allerdings nur um Testläufe handelt. Neben dem Schreiben von neuem Material heißt es jetzt vor allem, dass Tonnen von altem Material gesichtet werden müssen, außerdem habe ich Teile des Equipments, das wir auf "Taverne", "Schwarzmetall" und "Galgendämmerung" benutzt haben, wieder ausgegraben. Natürlich wollen wir aber "Schwarzmetall" nicht einfach kopieren, so etwas wäre völlig reizlos, und außerdem spielt ja jeder Bösewicht, der ein Instrument halten kann, diese Musik ... und diejenigen, die kein Instrument halten können, erst recht. Wenn alles gut geht, darf man sich auf etwas gefasst machen, dass gemessen an unserer Diskographie am ehesten mit "Schwarzmetall" zu vergleichen ist, allerdings langsamer und bedrückender und versehen mit ein paar Soundmerkmalen, für die man uns in gewissen Kreisen vielleicht wieder wird aufknüpfen wollen, denn nichts macht dem Fußvolk mehr Spaß als seine Zeit an Dinge zu verschwenden, die es nicht mag.
Wir werden aber wie gesagt nicht mehr als klassische Band in Erscheinung treten, es gibt für uns als Bestandteil dieser Art von Szene keinen Platz mehr, wir werden uns dem nicht mehr aussetzen. Das, was uns zu dieser Art von Musik bewogen hat, ist tot oder so derart mutiert, dass wir damit nichts mehr zu tun haben wollen außer in rein künstlerischer Hinsicht. Das werdet ihr auf dem nächsten Album hören, und es wird nicht besonders fröhlich klingen.

Carsten:
Dein Interesse am Black Metal ist also nicht völlig erloschen?

Marcel:
Nein, sonst würde ich ja kaum ein solches Album machen. Ich kaufe mir lediglich seit sagen wir acht, neun Jahren keine BM-Scheiben mehr und will auch meine aktive Zeit als Musiker nicht mehr auf diesen winzigen Ausschnitt beschränken. Und eigentlich sind schon seit Mitte der Neunziger wirklich große Scheiben auf diesem Gebiet allzu selten geworden. Wozu soll ich mir dann noch neuen Kram anhören, wenn mir von tausend Alben am Schluss eines einigermaßen gefällt, und das auch nicht so gut wie das alte Zeug? Ich habe genug Platten zu Hause, den neuen Scheiß brauch ich nicht. Natürlich höre ich auch privat nur noch sehr wenig Metal, aber das ist ebenfalls schon viele Jahre der Fall, das wurde noch vor Erscheinen der "Schwarzmetall" deutlich weniger. Aber nur weil man etwas nicht mehr oft hört, heißt es ja nicht, dass man es automatisch auch mit weniger Leidenschaft hört. Wenn, dann richtig, sag ich mal. Ich habe einfach keinerlei Interesse mehr an der ganzen Kacke, die um die Musik und die direkten, für mich wichtigen Inhalte passiert. Das bedeutet aber nicht, dass das Interesse an dieser Musik und ihrer Magie verloren gegangen ist. NOCTE OBDUCTA wird nun also lediglich als Projekt weiterleben, und solch ein untotes Dasein passt ja auch sehr gut ... und anders als der Rest wird es dennoch klingen. Denn sonst wäre es selbst unter den genannten Bedingungen nichts weiter als Zeitverschwendung.

Redakteur:
Carsten Praeg

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