MANES: Wir blicken auf "Ihjelbrent Skatt"

01.03.2023 | 23:24

Das erste Mal wurde ich 2018 auf MANES aufmerksam, als die Norweger mit "Slow Motion Death Sequence" ihr bis dato letztes Studioalbum veröffentlichten. Und mit Sicherheit war ich nicht der einzige, der vom unorthodoxen Mix aus Pop, Post Metal, Trip Hop, Jazz, Avantgarde und Prog Rock in den Bann gezogen wurde. Nein, zugänglich war die Musik wahrlich nicht, aber in höchstem Maße faszinierend, zog sie meine gesamte Aufmerksamkeit auf sich. Und so setzten sich die Norweger sogar soweit durch, dass ich mich in der Diskografie rückwärts durcharbeitete, bis ich bei dem fabelhaften "Vilosophe" angekommen bin; ein Album, dem ich auch heute noch sehr gerne Gehör schenke. Und noch ein paar Schritte weiter in der Vergangenheit begegnet uns MANES in den ersten Gehversuchen als astreine Black-Metal-Band, an der die zweite Welle Mitte der 1990er Jahre definitiv nicht vorbeigeschrammt ist. Und so haben es sich die Kollegen von Darkness Shall Rise Productions zur Aufgabe gemacht, die schroffe, schwarzmetallische Frühphase dieser bedeutsamen Band näher zu durchleuchten oder besser: ein genaueres Licht auf MANES zu werfen.

Und wie es in Form des Boxsets "Ihjelbrent Skatt" passiert, ist einmal mehr aller Ehren wert. Streng limitiert auf 500 handnummerierte Exemplare beherbergt die Box den kompletten 90er Jahre Black Metal dieser Trondheimer auf vier stilvollen und vor Nostalgie nur so strotzenden Kassetten. Ohja, der Tape-Wahnsinn ist wieder ausgebrochen und in Form der Darkness Shall Rise Productions-Wiederveröffentlichung erhält die Band auch jene Würdigung, die sie verdient.

Doch bevor wir in die Tapes in dieser schweren, luxuriösen und mattschwarzen Box mit silbernem Heißfolienprägedruck hineinhören und uns in der Nostalgie suhlen, betrachten wir einmal die vielen Besonderheiten, die "Ihjelbrent Skatt" inklusive dieses atemberaubenden und stimmungsvollen Artworks zu bieten hat:

Ein Blick auf und in das beigefügte Hardcover-Buch verrät, dass es diese Veröffentlichung mit der Authentizität genau nimmt. Auf 84 Seiten werden wir in die Anfangstage dieser Band entführt, die zu Beginn ihrer musikalischen Karriere noch aus zwei Mitgliedern bestand. Zum einen sorgte Sargatanas, derzeit bei MANII aktiv, für den Black-Metal-typischen Kreischgesang, zum anderen - und er ist auch heute noch als Multi-Instrumentalist bei MANES zugange - sorgte Tor-Helge "Cern" Skei für die musikalische Untermalung. Zu allerlei Zeitungsberichten und Bildern, die die beiden Musiker stilecht mit Corpsepaint zeigen, kommen ein sehr lesenswertes Interview mit Cern, das speziell für diese Veröffentlichung getätigt wurde, handschriftliche Notizen, verschiedene Versionen für das Bandlogo und allerlei Raritäten, die für das gewisse Extra sorgen, um vollends in diese spannende Ära, in die Frühphase einer auch 25 Jahre später noch immer spannenden Band einzutauchen. Hier lohnt es sich mit diesem schmucken Büchlein in den Sessel zu werfen und die Tapes für die musikalische Untermalung sorgen zu lassen.

Bevor es dazu kommt, dürfen ein geformter Rücken-, sowie ein Logo-Aufnäher auf die Black-Metal-Kutte und zwei doppelseitige Poster an die Wand gebracht werden. Während auf der einen Seite uns die beiden Protagonisten mit blutüberströmtem Corpsepaint entgegenblicken, halten es auf der anderen Seite das Artwork dieser illustren Vollbedienungsbox sowie das Cover des ersten "Maanens Natt"-Demos von 1993 etwas weniger blutrünstig. Zu besagtem Demo komme ich zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal. Last, but not least, sei noch das Echtheitszertifikat in herrlichem Schwarz erwähnt, welches die beiden MANES-Musiker der 1990er Jahre unterschrieben haben. Ja, ihr habt richtig gelesen, Tor-Helge Skei und Havard Jenssen kamen wieder zusammen, um sich für "Ihjelbrent Skatt" die Ehre zu geben. Man möchte dieses Zertifikat nur zu gerne einrahmen und neben die beiden Poster hängen.

Kommen wir nun endlich zur Musik? Nicht ganz, denn fällt unser Blick unter die insgesamt vier Tapes, so streckt sich ebenfalls in einer Kassettenhülle eine robuste und sehr edle Logo-Metallnadel entgegen, die nur darauf wartet, wie auch die Patches eure Kutte zu schmücken. Ihr habt also noch etwas zu tun.

Und während ihr das Nähzeug aus dem Schrank holt oder die MANES-Vergangenheit mit Blicken in das illustre Hardcover-Buch erneut aufleben lasst, dreht auch schon das erste Tape, das bereits angesprochene "Maanens Natt"-Demo seine Runden. Vom experimentierfreudigen Ambient Art Rock späterer Tage war Skei noch sehr weit entfernt. Gemeinsam mit Sargatanas hat sich Cern komplett dem harschen, pechschwarzen Black Metal, wie ihn die 1990er Jahre nicht unbarmherziger hätten ausspucken können, verschrieben. Artwork und Logo läuten die Nacht des Mondes immens stimmungsvoll ein, in insgesamt 17 Minuten entfacht das Duo Infernale ein düsteres Flammeninferno. Anstatt das Hauptaugenmerk auf rasende Höllentöne zu legen, sind es vor allem die lava-artigen, zähflüssigen und hochatmosphärischen Black-Metal-Töne der alten Schule, die gepaart mit stimmungsvollen Keyboard-Arrangements die wohl größere Wirkung entfalten. Die bitterkalten Melodien, die fast schon an Doom erinnernden Facetten gehen durch Mark und Bein und über allem thront Sargatanas' charakteristischer Kreischgesang. Von den ersten 'De Mørke Makters Dyp'-Tönen bis zum finalen 'En Hymne Til Ondskapens Fyrste' blickt der Fürst der Finsternis persönlich in die dichten Wälder Trondheims, um dieser ersten musikalischen Duftmarke MANES' das gewisse Extra zu verleihen. Ein großartiges, herrlich unperfektes Stück Black Metal.

Das nächste Schmuckstück dieser Box wurde ursprünglich im April des Folgejahres veröffentlicht und hört auf den Titel "Ned I Stillheten". Musikalisch hauen uns die beiden MANES-Musiker diesmal in knapp 24 Minuten den Old School Black Metal um die Ohren und still wird es entgegen des Titels hier definitiv nicht, denn vor allem abwechslungsreich ist das zweite Demo ausgefallen: Mal flüstert Sargatanas, mal heult er, mal keift er wie auf dem vorangegangenen Demo, nur um anschließend diesen atmosphärisch sehr ausbalancierten Gitarren den nötigen Freiraum zu lassen. Definitiv ist MANES als musikalisches Duo nochmals zusammengewachsen und die klanglich-kalten Schauer, die die Wälder Norwegens im Winter mit sich bringen, sorgen für das gewisse Extra. Hier fügen sich die einzelnen Mosaikteilchen perfekt zusammen, wenn besagte Kälte auf die Hitze der Unterwelt trifft. Persönlich präferiere ich von allen MANES-Demos jene "Ned I Stillheten"-Ausgabe, da sie mich über die gesamte Spielzeit in Trance versetzt, komplett in den dämonischen Bann zieht. Herrlich.

Das dritte Demo dieses Box-Sets stammt ursprünglich aus dem Februar 1995 und lässt auch optisch die Trondheim'schen Wälder sprechen. Zwischen zwei stimmungsgewaltigen Instrumentalsongs haut mich vor allem die Wucht von "Til Kongens Grav De Døde Vandrer" um: Während sich die Klangqualität noch eine Spur weit verbessert hat und der Sound nicht mehr allzu unausgegoren und matschig ausfällt, ist es vor allem das Zusammenspiel aus dem facettenreichen Gesang und den vor Finsternis und Frost nur so strotzenden Gitarren. Leider kommt das dritte Demo MANES' nicht ganz an die vorherigen Taten heran und trotzdem ist jede einzelne dieser 23 Minuten Gold wert: Nachdem 'Min Trone Står Til Evig Tid' über allem thront, warten kurze Zeit später die beiden Musiker in den Hallen der Hölle, um anschließend die Toten zum Grab des Königs zu begleiten. Ausgefeilte Arrangements und Spannungen in Hülle und Fülle lassen erkennen, zu welchen Taten MANES vier Jahre später imstande war.

Und genau hierzu komme ich jetzt, meinem persönlichen Herzstück der gesamten Box: dem ersten full-length-Album MANES' "Under Ein Blodraud Maane". Unter einem blutroten Mond erscheint dieses teuflische Inferno im April 1999 mit einem nochmals verbesserten Klang. Zwar sind alle hier aufgeführten Songs schon in leicht veränderter Form auf den drei Demos zuvor präsent gewesen, doch in Kombination ergibt das Song-Sextett eine verflucht gute Mischung, eine dynamische und pechschwarze Symbiose aus klirrend kalten Black-Metal-Klängen, atmosphärischen Keyboard-Momenten, abwechslungsreichem Gesang, Gekeife und Gegurgele sowie dieser herrlich hypnotischen Wirkung, für die ich MANES auch heutzutage noch so sehr mag. Vor allem im direkten Vergleich haben sich Cern und Sargatanas nochmals an die Songs gesetzt, ihre Quintessenz ausreifen lassen, Strukturen dezent aber geschmackvoll verbessert, um ihnen so eine noch geheimnisvollere Aura zu verleihen. Auch wenn ich persönlich nicht sonderlich vom Artwork angetan bin, so hat es "Under Ein Blodraud Maane" faustdick hinter den Ohren und verpasst den 1990er Jahren nochmals einen gewaltigen Abklang. Auch knapp 24 Jahre später bockt das Ding noch wie Bolle.

Und wieder einmal hat sich die Schatzsuche seitens Darkness Shall Rise Productions vollends gelohnt, hat das Label doch mit der Frühphase MANES' eine Besonderheit aus der Versenkung gehievt, die ich wohl ohne die "Ihjelbrent Skatt"-Box nicht noch besser kennengelernt hätte. Auch wenn sich jene von der jetzigen Phase dieser Band durchaus unterscheidet, muss man als Anhänger auch späterer Töne oftmals schmunzeln, erkennen wir doch die einen oder anderen Parallelen. Und nochmals zur Box: Speziell dieses Graben nach absoluten Szene-Diamanten ist es, was ich an solchen Arbeiten genieße. Das und vor allem die zahlreichen Gimmicks, die für eine zusätzliche Authentizität sorgen sowie die immens hohe Qualität des Buches, der Tapes, der Poster oder der Hardcover-Box per se. Ich bin wieder einmal restlos begeistert und freue mich bereits auf die nächsten Streiche aus dem Hause Darkness Shall Rise Productions, die sicherlich nicht allzu lange auf sich warten lassen.

Hier kommt ihr auf die Seite von Darkness Shall Rise Productions.

Redakteur:
Marcel Rapp

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