MAGNUM: Diskografie-Check Teil 3 | Platz 7 - 1

13.04.2024 | 20:35

Nun geht es endlich ans Eingemachte im Falle der MAGNUM-Diskografie, denn im dritten Teil unseres Rankings beantworten wir die brennenden Fragen: Welches Album ist das beste der Bandgeschichte? Macht ein Klassiker das Rennen oder gewinnt ein Album aus der Phase nach der Reunion? Und welches Album aus dem neuen Jahrtausend ist insgesamt das beste Spätwerk der illustren Karriere? Die Antworten auf diese Fragen findet ihr in den folgenden Zeilen:

7. Kingdom Of Madness

Wenn man die beiden Begriffe "1978" und "Großbritannien" zusammen erwähnt, denkt man unweigerlich an die New Wave of British Heavy Metal, aber MAGNUM darf nicht in diese Reihe eingeordnet werden, denn die Wurzeln der Band liegen weiter zurück. 'In The Beginning', um den Opener von "Kingdom Of Madness" zu bemühen, war Anfang der siebziger Jahre, als die Band noch FRED'S BOX hieß, aber nach dem Abgang des namensgebenden Fred einen neuen Bandnamen benötigte: MAGNUM wurde geboren[1].

1972 stieß Tony Clarkin hinzu, bald auch Bob Catley, den Tony bereits aus seiner Schulzeit kannte[1] und der mit seiner Band PARADOX immerhin schon eine Single veröffentlicht hatte[2]. MAGNUM spielte damals als feste Band in dem Pub "Rum Runner" hauptsächlich Coverversionen, die sie auf ihre Art interpretierte, aber bald auch ein paar eigene Kompositionen[1]. Die erste offizielle Veröffentlichung der Band ist eine Single mit dem Lied 'Sweets For My Sweet' aus dem Jahr 1975, dessen Originalaufnahme von den SEARCHERS stammt. Immerhin auf CBS Records wurde die Single auch in der Türkei, Jugoslawien und Südafrika veröffentlicht[3] und gibt einen schönen Einblick, wie Coversongs klingen, wenn sie durch den MAGNUM-Wolf gedreht wurden. Auf der Rückseite ist mit 'Movin' On' ein Song aus der Feder von Tony Clarkin zu hören.

Im Jahr 1975 halfen Tony Clarkin und der damalige MAGNUM-Bassist Dave Morgen dabei, ein Tonstudio zu bauen[1][4]. Als Bezahlung erhielten sie Studiozeit und nahmen ein Demo auf, das ihnen sogleich einen Vertrag über fünf Alben mit Don Ardens Jet Records einbrachte. Enthusiastisch machte sich die Band ans Werk und nahm ihr Debüt in den De Lane Lea Studios in London auf und das Plattenlabel veröffentlichte die Scheibe erst zwei Jahre später. Als es dann endlich soweit sein sollte, hatte die Band natürlich schon neue Lieder geschrieben, die man in nur 36 Stunden einspielte und damit vier andere Stücke, die auf dem Demo gewesen waren, ersetzte[1][4].

"Kingdom Of Madness" erschien mit einer surrealen Coverzeichnung, die eine mittelalterliche Halle zeigt, in der ein König den Banketttisch umwirft und einigen, eher an Dali erinnernden, Dingen um dieses Zentrum herum. Für Nachauflagen wurde es jedoch bald durch das schwarze Bild mit dem Auge ersetzt, das heute nahezu jede Ausgabe ziert. Übrigens kann man das Original-Artwork sowie alle erwähnten ersetzten Demo-Stücke auf der 2005er Ausgabe des Albums sehen und hören.

Zwei Jahre sind eine lange Zeit und besonders für eine Prog-Rock-Band wie MAGNUM, denn mittlerweile waren Punk und New Wave die angesagten Rockstile. Glücklicherweise hatte die Band nicht untätig herumgesessen, sondern fleißig Konzerte gespielt, darunter als Support auf der 1977er Tour von JUDAS PRIEST[1]. Das zahlte sich aus, denn "Kingdom Of Madness erreichte Platz 58 der UK-Albumcharts[5]. Aus dieser Zeit gibt es ein Live-Album mit dem Namen "Days Of Wonder", das 1976 aufgenommen wurde und die Band in einem sehr frühen, rohen Stadium zeigt.

Das Debütalbum beginnt passend mit dem Stück 'In The Beginning', einem der zuletzt aufgenommenen Lieder. MAGNUM war anfangs eine Prog-Band mit Science-Fiction-Themen und Moorcock-Bezügen, thematisch eher im Kielwasser einer Band wie BLUE ÖYSTER CULT. Dazu passen auch die Keyboards, die zwar heute etwas antiquiert klingen, aber dennoch ihren Charme haben. Wenn der Opener ein Highlight des Album ist, so ist das folgende 'Baby Rock Me' eher das Gegenteil mit seinen Disco-Einflüssen, aber das ruhige 'Universe' zeigt danach sogar eine dritte Facette der Band, in der sie eher in Gefilden von Alan Parson segelt und BEATLES-Chöre integriert.

Jetzt sind die Extreme ausgelotet und mit dem Titelsong folgt das absolute Highlight der Scheibe, das die Band wirklich immer spielen musste, bis Tony Clarkin das Lied nicht mehr hören mochte[4]. Die meiste Zeit wusste man, wann ein MAGNUM-Gig zu Ende sein würde, nämlich nach 'Kingdom Of Madness'. Nach 'All That Is Real', einem anfangs eher schwachen Stück, das klingt, als wäre es die Blaupause für "The Eleventh Hour" einige Jahre später gewesen, folgt ein Triplett an großartigen Songs, die leider heute kaum noch gespielt werden: das progressive 'The Bringer' mit seinem ungewöhnlichen Break zu einem seichten Refrain, das rasante Sci-Fi-Epos 'Invasion' und 'Lord Of Chaos, in dem der Frontbarde Catley beinahe erzählerisch agiert. Wenn 'All Come Together' mit seinen etwas aufdringlichen Keyboards das Album beendet, bleibt kein Zweifel, dass wir es mit einem echten Kracher zu tun haben, der natürlich seine Entstehungszeit nicht ablegen kann.

Aber Platz sieben bei uns zeigt, dass "Kingdom Of Madness" auch den vielzitierten "Test Of Time" bestanden hat. Dabei setzt Jakob das Werk auf Platz sechs, während Jonathan von dem alten Sound wohl nicht ganz so begeistert ist oder durch das furchtbare 'Baby Rock Me' verschreckt wurde und nur einen zwölften Platz spendiert. Trotzdem, zwölf von 22 ist immer noch eine bemerkenswerte Platzierung.

Die Qualität überzeugte damals auch den einflussreichen Journalisten Geoff Barton von Magazin "Sounds", was laut Tony Clarkin einen großen Unterschied für MAGNUM machte[4], als die Band damals gerade als Vorgruppe für WHITESNAKE unterwegs war und vor DEEP PURPLE-Fans in ausverkauften Häusern spielte[1]. Zwei Singles, 'Kingdom Of Madness' und 'Invasion' konnten zwar nicht in die Charts steigen, aber immerhin spielte man in Deutschland im "Musikladen" das Stück 'Baby Rock Me'. Bob Catley wurde übrigens damals angeboten, Ronnie James Dio bei RAINBOW zu ersetzen, dieser lehnte jedoch ab. Ich finde, das war eine gute Entscheidung.

[1] Vielhaber, Martin (2022): Magnum Biography; https://magnum-biography.jimdofree.com/ abgerufen am 15.2.2024

[2] Discogs.com; https://www.discogs.com/release/1087910 ... dbye-Mary abgerufen am 15.2.2024

[3] 45cat; https://www.45cat.com/artist/magnum abgerufen am 15.2.2024

[4] Ling, Dave (2005): Magnum; Liner notes im Booklet des Re-Releases von "Kingdom of Madness", Castle Music 2005

[5] https://www.officialcharts.com/artist/18326/magnum/ abgerufen am 15.2.2024

[Frank Jaeger]

6. On The 13th Day

Kenner der Band werden wissen, dass jetzt, wo "On The Thirteenth Day" hier auftaucht, nur noch ein einziges Album fehlt, das nach 1988 erschienen ist. So ist "On The Thirteenth Day" also das zweitbeste Album der Band nach den Klassikern. 35 Jahre nach "Kingdom Of Madness", über 40 Jahre, nachdem die Band MAGNUM genannt wurde. Und auch als sechstes Album nach der Reunion Anfang der 2000er Jahre, als MAGNUM kreativ wie auch von der Menge des Outputs in einen echten Jungbrunnen gefallen war, wofür zwölf Alben in 23 Jahren zwischen 2002 und 2024 ein Zeugnis sind.

Das Album wurde von Tony Clarkin produziert und in den M2-Studios in Coven, Staffordshire, aufgenommen. Tony Clarkin, der einzige Komponist in der Band, hatte 16 Monate an den Stücken gearbeitet, die dann innerhalb von zweieinhalb Monaten eingespielt wurden. Dabei berichtet Toni, wie die Band mittlerweile arbeitet, dass nämlich alle Bandmitglieder mitarbeiten können, er aber die grundlegenden Lieder mitbringt, was auch für die Texte gilt[2]. Erstaunlich, aber tatsächlich scheint Bob Catley überhaupt keine Ambitionen zu spüren, selbst Lieder zu schreiben oder doch zumindest Texte[3]. So ist und bleibt MAGNUM die Band von Toni Clarkin, auch auf dem mittlerweile 17. Studioalbum.

Das Album beginnt mit dem längsten Song, dem Siebenminüter 'All The Dreamers', den die Band bereits vor Veröffentlichung des Albums auf dem Rock Hard Festival 2012 als Opener ihres Sets gespielt hatte[1][4]. Man kann sich des Gefühls nicht erwehren, einen großen Song zu hören, der locker in der Reihe der Achtziger-Großtaten steht, was sich ein Dutzend Jahre später bewahrheitet hat, zumal er inhaltlich ein wenig an 'Sacred Hour" erinnert.

Danach kommt eine ganze Reihe fetziger Rocksongs, die "On The Thirteenth Day" von den Alben zuvor etwas absetzen, sodass auch Bob Catley findet, dass das Album rockiger ist als die Werke zuvor[3]. Die Reihe beginnt mit dem genialen 'Blood Red Laughter' und dem von bombastischen Keyboards getragenen 'Didn't Like You Anyway'. Der Titelsong ist eine kleine Geistergeschichte, 'So Let It Rain' ist die Singleauskopplung und durchaus kommerziell, jedoch keine Ballade. Das Lied wurde auch als physische Single gepresst, man konnte sie jedoch nur erhalten, wenn man das Album bei EMP vor Erscheinen vorbestellt hatte. Neben der Albumversion enthält die Single auch eine gekürzte Radioversion und das Lied 'Wild Angels' als Liveaufnahme aus Aschaffenburg. Die Single ist ein gesuchtes Sammlerstück.

Der härteste Song des Album ist 'Dance Of The Black Tattoo', Bob Catley nannte ihn ihren "Beinahe Heavy-Metal-Song"[3], was zu dem militärischen Thema passt, in dem es um den Tod auf dem Schlachtfeld geht. Trotzdem schafft Clarkin es auch hier, unglaubliche Melodien einzubauen, wie überhaupt das ganze Album ein echtes Statement im melodischen Hardrock ist, das kaum jemand so überzeugend abliefern kann. Das etwas unscheinbare 'Shadow Town', das von den Auswirkungen der Wirtschaftskrise handelt und ein paar Durchgänge benötigt, um zu zünden, mündet dann in die einzige echte Ballade auf "On The Thirteenth Day". 'Putting Things In Place' handelt vom Verlust und den Schwierigkeiten, selbigen zu verarbeiten.

'Broken Promised' und 'See How They Fall' sind dagegen wieder Rocker mit großem Refrain, die man kaum wieder aus den Gehörgängen bekommt. Zum Abschluss gibt es mit 'From Within' einen weiteren nachdenklichen Song mit einem Chor voller Sehnsucht und Melancholie, so wie das ganze Album für MAGNUM-Verhältnisse ungewöhnlich düster ausgefallen ist, aber auch herausragend kompakt und ohne jegliche Schwachstelle. Dieser letzte Song wurde mit einem Chor von 70 Personen aufgenommen, was ihm eine beachtliche Tiefe verleiht[4].

Der Albumtitel sollte ursprünglich "Twelfth Day" lauten, das klang Clarkin aber nicht mysteriös genug. Künstler Rodney Matthews ist wieder für das Cover verantwortlich und entwickelte es nach Clarkins Ideen[2]. In einer limitierten Ausgabe gibt es übrigens noch eine zusätzliche EP mit einigen Live-, Akustik- oder Demoversionen, darunter 'Those Were The Days' aus der Zeit um "Wings Of Heaven".

Das Album wurde kommerziell recht gut angenommen, auch wenn Chartpositionen nicht mehr die gleiche Bedeutung haben wie früher, aber 28, 29, 43 und 57 in den deutschen, schwedischen, britischen und schweizer Albumcharts[5] sind dennoch ein Erfolg, genauso wie die zahlreichen ausverkauften Hallen auf der folgenden Tour[4]. Das fanden auch Tobi, Walter und ich und wählten das Album auf Platz 6, Jonathan und Jakob nur auf Platz 10, aber wir sind uns alle einig, dass "On The Thirteenth Day" ein echtes Must-Have ist!

[1] Büttner, Colin (2013): Magnum Tony Clarkin im Interview; https://www.metal.de/interviews/magnum- ... iew-52546 abgerufen am 18.2.2024

[2] Reid, Steven (2012); On The Thirteenth Day: An Interview With Tony Clarkin of Magnum; https://www.seaoftranquility.org/article.php?sid=2316

[3] Podgrajšek. Rod (2012): Interview with Bob Catley of Magnum; https://www.therocktologist.com/intervi ... gnum.html abgerufen am 18.2.2024

[4] Vielhaber, Martin (2022): 26. On the 13th Day – in the 35th year!; https://magnum-biography.jimdofree.com/ ... 5th-year/ abgerufen am 18.2.2024

[5] The Hunter, Angela (2013): ; https://metal-temple.com/interview/bob-catley-magnum abgerufen am 18.2.2024

[Frank Jaeger]

5. The Eleventh Hour

Das vierte Studioalbum der Briten erschien im Mai 1983. Für mich ist es aber kein Frühlingsalbum, sondern ein musikalischer Sprung ins Mittelalter. Ich meine damit nicht, dass es mies produziert wäre, ganz im Gegenteil. Die Band, die von sich selbst sagt, dass sie damals eher introvertiert unterwegs war[1], orientiert sich vom Klangbild klar an den Folk-Rock-Helden der Siebziger (FAIRPORT CONVENTION, STEELEYE SPAN), aber auch an JETHRO TULL (in der Wald- und Wiesen-Phase) oder den GENESIS-Alben vor dem Split mit Hackett. Viele Songs atmen dieses Gefühl mythisch-britischer Entrücktheit, und es ist dieser Eskapismus, der MAGNUM, musikalisch unstrittig eher dem AOR nahestehend, doch so in die Nähe des Heavy Metals setzt. Klar finden sich hier auch schon leichte QUEEN-Einflüsse (das wunderschöne 'Young And Precious Souls' sei genannt), aber insgesamt ist der Bombast mancher späterer Veröffentlichungen der achtziger Jahre hier noch nicht absehbar.

Das Cover-Artwork von Rodney Matthews stellt seine zweite Zusammenarbeit mit MAGNUM nach "Chase The Dragon" dar. Wie kein zweiter verstand er es, die Musik der Briten optisch auf ein Gemälde zu bannen, das sich dann wiederum super als Schallplattencover verwenden ließ. Die Idee des Artworks stammte freilich von Clarkin.

Bei den Songs ist, neben 'Young And Precious Souls', mit 'Hit And Run' ein weiterer Früh-AOR-Klassiker der Band hervorzuheben, der aufzeigte, was später noch kommen sollte, und auch auf den nächsten Alben gut gepasst hätte. 'Vicious Companions' dagegen ist archaischer Folk Rock, wie er uns von "Selling England By The Pound" (GENESIS) bekannt ist. 'The Prize' gehört in eine ähnliche Kategorie.

Nur Platz 12 bei Tobias und 10 bei Frank, bei mir und Jakob sogar Platz 3, dazwischen Rang 7 bei Walter, landet die Scheibe bei uns ingesamt auf einem starken fünften Platz. Für mich ist das Album wichtig, da es mein Erstkontakt mit der Band auf Albenlänge war. In einem kleinen Bamberger Second-Hand-Laden fand ich sie für fünf Euro und nahm sie mit - und verliebte mich in den Sound. Platz 38 in den britischen Charts war natürlich damals nicht schlecht, aber schon ein leichter Abstieg.

[1] Metalcovenant (2014), Bob Catley / Al Barrow im Interview; https://www.metalcovenant.com/pages/interviews/interview_magnum.htm, abgerufen am 12.03.2024

[Jonathan Walzer]

4. Sacred Blood "Divine" Lies

Bevor wir nun endgültig in die Achtziger und damit die Klassiker-Regionen abtauchen, hält "Sacred Blood "Divine" Lies" noch einmal die Fahne für die letzte MAGNUM-Dekade hoch und beweist eindrucksvoll, dass die Briten wohl eine der verlässlichsten Bands im Hard-Rock-Sektor waren.

Keine Nennung außerhalb der Top 5 und gleich ein vierter Platz (Frank) und meine Einordnung auf dem Stockerl mit einer Bronzemedaille zeigen eindrucksvoll, das auch unsere Redakteure geschlossen begeistert sind von dem, was Songwriter Tony Clarkin sich im Jahr 2016 aus dem Ärmel gezaubert hat. Dabei habe ich nicht einmal das Gefühl, dass aus den zehn Tracks einzelne Höhepunkte besonders herausstechen.

Stattdessen ist das gesamte Niveau der Kompositionen so hoch, weshalb sich nahezu jede Nummer als Hit oder Glanzlicht herausgreifen ließe. Klar, auch hier bestätigen Ausnahmen die Regel, denn der eröffnende Titeltrack ist mit seinen sechs Minuten und 40 Sekunden einer der großartigsten Longtracks, den die Briten jemals auf Tonband gebannt haben. Angefangen beim spröden und unheimlich eingängigen Hauptriff über die grandiosen Hooklines stimmt hier einfach alles.

Doch auch abseits davon geht jeder Song des Silberlings als Volltreffer durch. 'Crazy Old Mothers' etwa ist ein herrlich beschwingter Rocker mit augenzwinkerndem Text, während 'Don't Cry Baby' mit seiner eher reduzierten Instrumentierung eine herrlich flotte Powerballade geworden ist, die einem zahlreiche Widerhaken ins Gehirn pflanzt. 'Princess In Rags (The Cult)' bedient mit seinem flotten Riff und dezentem Oldschool-MAGNUM-Sound die Fans der ersten Stunde, während 'Your Dreams Won't Die' eine melancholische Nummer ist, bei der einem die grandiose Gesangsleistung von Bob Catley die Gänsehaut auf den Nacken treibt. Schlussendlich demonstrieren 'Afraid Of The Night' und 'Gypsy Queen' wie gut den Briten auf diesem Spätwerk die Gratwanderung zwischen poppiger Eingängigkeit, klassischen Rock-Riffs und den typisch prägnanten Keyboards gelungen ist, sodass wohl Fans sämtlicher Phasen der Bandgeschichte abgeholt werden dürften.

Welchen Track ich persönlich als Liebling herausgreifen würde, hängt entsprechend abgesehen vom Titeltrack von der Tagesfrom ab, was alleine schon ein Indikator für die überragende Klasse dieser Platte sein sollte. Das gewohnt schöne und detailverliebte Artwork von Rodney Matthews rundet schließlich einen Silberling ab, der vollkommen verdient auf dem vierten Platz unseres Diskografie-Checks thront und nicht nur in jede MAGNUM-Sammlung gehört, sondern gleichzeitig auch für Fans von klassischem Hard Rock und AOR (zumindest wenn man ihn mit dominant rockiger Kante mag) einen absoluten Pflichkauf darstellt.

[Tobias Dahs]

3. Chase The Dragon

Album Nummer drei auf Platz Nummer drei, wie passend. Gehen wir also zurück ins Jahr 1982, das letzte Studioalbum "II" war kommerziell wenig erfolgreich gewesen, aber die Livequalitäten der Band sollten den Unterschied machen. Mit dem Live-Album "Marauder" und der dazugehörigen Single, die es auch als Doppel-7" gab und die in die Singlecharts stieg[1], konnte MAGNUM nicht nur sich selbst zufriedenstellen, sondern auch ihr Label, denn Toni Clarkin erinnert sich, dass die Plattenfirma sonst wohl die Hoffnungen in die Band verloren hätte[2].

Doch so ging es auf das "Reading Rock"-Festival zusammen mit SLADE, WHITESNAKE, DEF LEPPARD, GIRL, TYGERS OF PAN TANG und BUDGIE und danach wieder auf Tour, zuerst als Headliner mit TYGERS OF PAN TANG und ALCATRAZ und später als Support für die TYGERS OF PAN TANG, was zu diesem Zeitpunkt das einzige Angebot war. Die Band war sich nicht zu schade, mit den TYGERS die Reihenfolge zu tauschen[1]. Und noch etwas passierte: Keyboarder Richard Bailey verließ die Band und wurde ersetzt durch Mark Stanway von RAINMAKER.

Doch irgendwann war die Zeit gekommen, an das dritte Album zu denken. Don Arden schlug als Produzenten Jeff Glixman vor, der mit HEART und KANSAS gearbeitet hatte, was für Clarkin ein absoluter Glücksfall war[3]. Diesmal nutzte die Band das Town House Studio in London, in dem sie nur dreizehn Tage für die Aufnahmen benötigte, da sie unter Zeitdruck stand[3]. Daraufhin nahm Glixman die Aufnahmen für den Mix mit nach Atlanta und dann... passierte mal wieder gar nichts. Wie schon mit dem Debütalbum sollten zwei Jahre vergehen, bis das Album erscheinen sollte[2], sodass die Stücke den Fans bereits vor dem Erscheinen bestens bekannt waren, denn MAGNUM ging weiterhin unermüdlich auf die Bühne, unter anderem als Vorband von KROKUS[3].

Dabei ist "Chase The Dragon" zweifellos ein brillantes Album, wie man an der Bronzemedaille in unserem Diskographie-Check sehen kann, nur für Tobi rangiert das Album mit Platz acht im gehobenen Mittelfeld, dafür gibt es von Walter einen dritten Rang und gleich zweimal Silber von Jakob und Frank.

Also schauen wir doch einmal rein in das Album, das gleich mit einem epischen Albumhighlight namens 'Soldier Of The Line' beginnt. Das intensive Stück klingt anfangs gar nicht so passend als Opener, wo man doch eigentlich einen knackigen, energetischen Song erwarten würde. Aber MAGNUM war offensichtlich die Stärke dieses Stückes bewusst und diesmal nahm man auch Bezug zu aktuellen Themen, eine weitere Abkehr von früheren Praktiken. Auch in den späteren Jahren war dieses Lied häufig in den Setlisten zu finden, und konnte immer mit der lyrischen Symbolik eines "murderous playground" und dem bösartigen Bildnis in "no movement in the field, the crows will be fed" überzeugen.

Weiter geht es mit 'On The Edge Of The World', das kurz auch als Namensgeber für das Album gehandelt worden ist[2]. Ein schönes Lied, das ein wenig im Schatten der großen Hits steht, aber den Übergang von "II" zu "Chase The Dragon" gut aufzeigt. Dann kommen allerdings mit dem wiederum epischen 'The Spirit' und dem noch epischeren 'Sacred Hour' zwei der unsterblichen Bandhymnen, bei denen Musik und Text einfach brillant zueinander passen.

Auf der Vinyl-Rückseite darf der eher basische Rocker 'Walking The Straight Line' loslegen, der die hardrockige Seite der Band zeigt und im Albumkontext heraussticht. Tatsächlich wirkt er dadurch auch als der schwächste Song des Albums, ohne aber wirklich ein Schwachpunkt zu sein. Dagegen kann 'We All Play The Game' wieder alle MAGNUM-Stärken vereinen und klingt sogar schon etwas nach dem 1985er Output der Briten, ein Hinweis auf die Großtat, die bald folgen sollte.

'The Teacher' zeigt ebenfalls die rockige Seite der Band, aber mit großartig integrierten Keyboardteilen. Ganz offensichtlich hat MAGNUM mit Mark Stanway einen Tastenmann gefunden, der viel besser zu Tony Clarkin und dessen Kompositionen passt. Die umwerfende Ballade 'The Lights Burned Out' beweist auch erstmals, dass man auch in dieser Kategorie zu den Großen aufgeschlossen hat.

Und noch etwas war besser an "Chase The Dragon" gegenüber allen bisherigen Veröffentlichungen: Es hatte endlich mal ein wirklich tolles Cover! Rodney Matthews würde im Folgenden für viele MAGNUM-Cover verantwortlich zeichnen und dafür sorgen, das viele Scheiben der Briten eigentlich als Vinyl ins heimische Regal gehören.

"Chase The Dragon" stieg bis auf Platz 17 der britischen Album-Charts[4] und stellte alle bisherigen Erfolge der Band in den Schatten. Es gibt aus den Sessions sogar noch eine Single-B-Seite namens 'Long Days, Black Nights', ein Ohrwurm, der sich auch auf dem Album gut gemacht hätte.

Im Anschluss an die Veröffentlichung ging MAGNUM erstmals auf Tournee in den USA als Support für OZZY OSBOURNE, auf der die Show in Nashville aufgenommen wurde und 1990 unter dem Titel "Invasion" in die Läden gestellt wurde[3].

[1] Vielhaber, Martin (2022): 3. Marauders - But Only On Stage; https://magnum-biography.jimdofree.com/ abgerufen am 15.2.2024

[2] Ling, Dave (2005): Magnum; Liner notes im Booklet des Re-Releases von "Soldier Of The Line", Castle Music 2005

[3] Vielhaber, Martin (2022): 4. Chasing The Dragon; https://magnum-biography.jimdofree.com/ abgerufen am 15.2.2024

[4] https://www.officialcharts.com/artist/18326/magnum/ abgerufen am 15.2.2024

[Frank Jaeger]

2. Wings Of Heaven

Auf dem Rang mit der silbernen Medaille kann es eigentlich nur eine Nennung geben, denn abseits des Klassikers, der die Pole Position erobert hat, gibt es wohl kein kompletteres und packenderes MAGNUM-Album als "Wings Of Heaven" aus dem Jahr 1988.

Das sieht auch die Redaktion nahezu geschlossen so, weshalb nur Frank mit einem 3. Rang und Jakob mit einem mir persönlich unerklärlichen achten Platz nicht mit dem Endergebnis unserer Auswertung übereinstimmen. Einzig im doch sehr in den Achtzigern verwurzelten Sound des Silberlings könnte ich einen Ansatz für eine Nennung außerhalb der Top 3 ausmachen, denn aus heutiger Sicht können die etwas dünnen Gitarren und die sehr präsenten Keyboards die Dekade der Entstehung dieses Silberlings nicht verleugnen.

Doch was vielleicht klanglich aus heutiger Sicht altbacken klingt und möglicherweise als Kritikpunkt herhalten könnte, wird vom absolut genialen Songwriting dieser Platte restlos aus der Welt geschoben. Wie überragend das Songmaterial ist, zeigt dabei schon direkt der Opener 'Days Of No Trust', der einem praktisch mit jeder Gesangslinie einen neuen Ohrwurm spendiert und obendrein auch noch ein paar grandios eingängige Gitarren- und Keyboard-Parts im Gepäck hat. 'Wild Swan' hat dagegen an zweiter Stelle der Trackliste schon fast einen Prog-Rock-Vibe, der mich ein wenig an GENESIS erinnert, gleichzeitig aber trotzdem immer sicher im MAGNUM-Hafen einläuft, wenn es um den Gesamtsound geht.

Nach diesem etwas sperrigeren Ausflug starten die Briten einen Breitwand-Angriff mit drei Radio-Hymnen ('Start Talking Love', 'One Step Away', 'It Must Have Been Love'), die wohl jedem Hit der Achtziger Konkurrenz machen könnten, bevor das Gitarren-Keyboard-Riff und eine grandiose Hookline von Bob Catley 'Different Worlds' zu meinem zweiten persönlichen Liebling auf "Wings Of Heaven" machen. 'Pray For The Day' ist dagegen eher ein ungewöhnlicher Track, der aber gekonnt mit Dynamikwechseln spielt und von einer sehr inspirierten Leistung Catleys garniert wird.

Den ganz großen Kracher hat sich Komponist Clarkin aber für den Schluss aufgehoben, wo der Maestro gleich zwei Songideen zum epischen 'Don't Wake The Lion (Too Old To Die Young)' verschmolzen hat. Aus den verschiendenen Emotionen, Motiven und Ideen, die dieser Track in sich vereint, hätten andere Bands ganze Platten gemacht, doch MAGNUM kombiniert sie alle zu einer spannenden musikalischen Achterbahnfahrt, bei der uns eigentlich nur Bob mit seiner Stimme einen Fixpunkt liefert, während die Instrumentalfraktion uns durch die verschiedensten Stimmungen und musikalischen Motive führt. Trotz der Abwechslung geht dabei nie der rote Faden verloren, weshalb die Nummer für mich neben 'Shine On You Crazy Diamond' von PINK FLOYD ganz klar zu den besten Longtracks der Musikgeschichte gehört.

Argumente für einen Kauf von "Wings Of Heaven" gibt es reichlich, nur das Coverartwork, das doch als etwas uninspiriertes Schwarz-Weiß-Porträt der Band daherkommt, gehört nicht dazu. Da hatten die Briten in ihrer illustren Karriere deutlich schönere Motive im Angebot. Aber am Ende zählt ja der musikalische Output und in diesem Punkt zieht der Silberling nur marginal den Kürzeren gegenüber unserem nun folgenden Sieger.

[Tobias Dahs]

1. On A Storyteller's Night

Das Magnum Opus von, äh, MAGNUM, ist, natürlich, "On A Storyteller's Night". Jeder unserer beteiligten Redakteure setzte es auf Platz 1. Das ist ein genauso wenig offenes Rennen gewesen wie im MANILLA ROAD-Diskografie-Check, den damals "Crystal Logic" ähnlich einseitig gewann. Das fünfte Studioalbum der Band sollte eigentlich jeder Fan von klassischer Rockmusik kennen. Für mich steht es in einer Reihe mit Alben wie "Aqualung", "Back In Black", "In Rock" oder "Slippery When Wet". Also in einer vernünftigen Classic-Rock-Hall-of-Fame. In unserer Redaktion gibt es keine zwei Meinungen: Besser war MAGNUM vor 1985 nie - und danach auch nicht mehr.

Doch was sind die Gründe, die das im Mai 1985 veröffentlichte Album so deutlich über die Rest-Diskografie emporheben? Einerseits gibt es natürlich einen optischen Grund. Seien wir mal ehrlich: Es ist wohl das beste kitschige Fantasy-Cover aller Zeiten. Da können sich Musiker bei YES, BLIND GUARDIAN und manchen anderen Truppen jetzt sicher beschweren, aber die Kaminfeuer-Romantik, die man sofort beim Hören dieser Scheibe immer im Auge hat, die hat Rodney Matthews so perfekt dargestellt, dass das Hörverhalten dadurch unweigerlich beeinflusst ist. Wie bitter muss es für die Menschen sein, die Alben heute seelenlos über Streaming-Dienste hören, ohne ein schönes Artwork in der Hand zu halten! Aber ich schweife ab.

Die Produktion bringt die verschiedenen Einflüsse der Band perfekt zusammen. Irgendwo zwischen AOR, QUEEN, folkigem Siebziger Rock und Hard Rock landet "On A Storyteller's Night". Kit Wolveen verpasste der Band in Birmingham den Sound, für den sie fortan stehen sollte. Die frühen Gehversuche sind abgeschlossen, hier hat eine Band das Laufen gelernt. Mit Jim Simpson saß ein neuer Drummer hinter dem Schlagzeug, aber eine massive Änderung kann ich dadurch nicht hören. Insgesamt ist das Material aber schon knackiger und rockiger als auf dem Vorgänger, ohne den geliebten Eskapismus der Rollenspiel-Atmosphäre über Bord zu werfen.

Die Songs bieten Material, das andere Bands gerne als "Greatest Hits" veröffentlichen würden. Da ist natürlich der epische Titelsong, 'Les Morts Dansant' als emotionales Highlight, 'How Far Jerusalem', das auch gut auf die ersten beiden AVANTASIA-Alben gepasst hätte, 'Steal Your Heart' als britische AOR-Hymne... und damit sind wir noch nicht durch. 'All Englands Eyes' zum Beispiel ist ein großartiger Ohrwurm. 'The Last Dance' schließt das Album majestätisch ab. Mein Favorit ist aber sicher ungewöhnlich: 'Just Like An Arrow' ist für mich einer der besten AOR-Songs aller Zeiten und würde jeder großen US-Band wie FOREIGNER, JOURNEY oder TOTO ebenfalls gut zu Gesicht stehen.

Ein Meisterwerk, ein Meilenstein. Und tatsächlich gab es eine goldene Schallplatte im UK, trotz einem 24. Platz (nur!) in den Albencharts.

[Jonathan Walzer]

Und damit sind wir am Ende unserer Reise durch den MAGNUM-Kosmos angekommen. Wie üblich findet ihr unten nun auch noch die Rankings der einzelnen Redakteure:

Frank Jäger:

1. On A Storyteller's Night
2. Chase The Dragon
3. Wings Of Heaven
4. Sacred Blood "Divine" Lies
5. Escape From The Shadow Garden
6. On The 13th Day
7. Princess Alice And The Broken Arrow
8. The Visitation
9. Kingdom Of Madness
10. The Eleventh Hour
11. Vigilante
12. The Serpent Rings
13. Into The Valley Of The Moonking
14. Lost On The Road To Eternity
15. Magnum II
16. Here Comes The Rain
17. Sleepwalking
18. Goodnight L.A.
19. The Monster Roars
20. Brand New Morning
21. Breath Of Life
22. Rock Art
Tobias Dahs:

1. On A Storyteller's Night
2. Wings of Heaven
3. Sacred Blood "Divine" Lies
4. Lost On The Road To Eternity
5. Escape From The Shadow Garden
6. On The 13th Day
7. Kingdom Of Madness
8. Chase The Dragon
9. The Serpent Rings
10. Princess Alice And The Broken Arrow
11. The Visitation
12. The Eleventh Hour
13. Vigilante
14. Here Comes The Rain
15. Into The Valley Of The Moonking
16. Magnum II
17. The Monster Roars
18. Sleepwalking
19. Goodnight L.A.
20. Brand New Morning
21. Rock Art
22. Breath Of Life
Walter Scheurer:

1. On A Storyteller's Night
2. Wings Of Heaven
3. Chase The Dragon
4. Vigilante
5. Sacred Blood "Divine" Lies
6. On The 13th Day
7. The Eleventh Hour
8. Lost On The Road To Eternity
9. Kingdom Of Madness
10. The Serpent Rings
11. Escape From The Shadow Garden
12. Into The Valley Of The Moonking
13. The Visitation
14. Princess Alice And The Broken Arrow
15. Here Comes The Rain
16. Magnum II
17. Breath Of Life
18. Brand New Morning
19. Goodnight L.A.
20. The Monster Roars
21. Rock Art
22. Sleepwalking
Jonathan Walzer:

1. On A Storyteller's Night
2. Wings Of Heaven
3. The Eleventh Hour
4. Vigilante
5. Sacred Blood "Divine" Lies
6. Chase The Dragon
7. Brand New Morning
8. Lost On The Road To Eternity
9. Princess Alice And The Broken Arrow
10. On The 13th Day
11. Here Comes The Rain
12. Kingdom Of Madness
13. Into The Valley Of The Moonking
14. Breath Of Life
15. The Visitation
16. Sleepwalking
17. The Serpent Rings
18. Escape From The Shadow Garden
19. Goodnight L.A.
20. The Monster Roars
21. Magnum II
22. Rock Art
Jakob Schnapp:

01. On A Storyteller's Night
02. Chase The Dragon
03. The Eleventh Hour
04. Breath Of Life
05. Sacred Blood "Divine" Lies
06. Kingdom Of Madness
07. Brand New Morning
08. Wings Of Heaven
09. Princess Alice And The Broken Arrow
10. On The 13th Day
11. Magnum II
12. Lost On The Road To Eternity
13. Into The Valley Of The Moonking
14. Escape From The Shadow Garden
15. Vigilante
16. The Visitation
17. Here Comes The Rain
18. The Serpent Rings
19. The Monster Roars
20. Sleepwalking
21. Goodnight L.A.
22. Rock Art

 

Hier geht's zu Teil 1 und Teil 2 des MAGNUM-Diskografie-Checks.

Redakteur:
Tobias Dahs

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