LETZTE INSTANZ: Interview mit holly d.

22.04.2007 | 15:04

Mit "Wir sind Gold" ist ein neues Album der LETZTEn INSTANZ erschienen. Was lag näher als erneut holly d. ein paar Details aus dem Bart zu kitzeln.


Holger:
Blicken wir vielleicht zuerst einmal kurz zurück. Wie betrachtet ihr die Entwicklung der INSTANZ nach "Götter"? Was hat sich verändert? Wie lange hat es gedauert bis Holly von den eingefleischten Fans akzeptiert wurde oder dauert es eventuell gar noch an?

Holly D.
Eins nach dem Anderen: Die INSTANZ ist reifer geworden. Das ist wohl der Hauptgedanke.
Als wir uns nach unserer Zwangspause mit "Ins Licht" zurück meldeten, waren die Leute vor allem wohl froh, dass es überhaupt weiter geht. Dem entsprechend ging es recht fix mit der Akzeptanz.

Holger:
Holly musste in sehr große Fußstapfen treten, da Robin vor allem live eine magische Ausstrahlung hatte. Wie groß war/ist der Druck auf Holly? Erinnerungen an die ersten Konzerte?!

Holly D.
Nun, Holly ist eine eigenständige Persönlichkeit, die auf der Bühne ebenso ihren Mann stehen kann. Holly musste sich natürlich reinfinden und mit dem Album "Wir sind Gold" ist er auch angekommen.

Holger:
Gibt es Songs, die ihr nicht mehr bringen werdet, da Holly der textliche Inhalt zu persönlich ist und er ihn nicht authentisch reproduzieren kann, da die ursprüngliche Emotion ja von Robin kam?

Holly D.
Interpretationen haben generell ja nichts mit dem Original zu tun und auch da macht Holly das eigentlich gut.

Holger:
Wenden wir uns dem neuen Album zu: Man konnte lesen, dass ihr viel Material für das neue Album auf Tour (also unter enormem Stress) geschrieben habt. Wie war das Gefühl als die Nummern endlich standen und kam dieses Gefühl bei einigen Kompositionen gar schon während der Tour auf?

Holly D.:
Ideen und halbe Vorproduktionen waren schon im Kasten, als wir auf Tour gingen. Im Tourbus haben wir dann die Lounge zum "rolling studio" umgebaut und einfach dort oben weiter gemacht. Gerade bei 'Wir sind allein' kam schon ein positives Gefühl auf, denn das war das einzige, was wir vom neuen Album schon auf der Herbsttour gespielt hatten.

Holger:
Warum habt ihr euch eigentlich zu dieser Vorgehensweise entschlossen?

Holly D.
Wir hatten doch keine Zeit... :o)

Holger:
Wenn man die Umstände des Entstehungsprozesses betrachtet, hätte man ein weitaus hektischeres Werk erwarten können. Hingegen ist das Album in meinen Ohren das homogenste, das ihr bislang abgeliefert habt. Liegt es eventuell auch daran, dass ihr dieses Mal in der ungewöhnlichen Situation ward, keinen Line-Up-Wechsel verkraften zu müssen?

Holly D.:
Das hat sicherlich sehr viel damit zu tun. Ausschlaggebend war auch noch, dass einige Ideen schon bei der Produktion zu "Ins Licht" standen.

Holger:
Beim ersten Durchlauf des Albums bekommt man den Eindruck, dass es etwa ab 'Worte brennen gut' eine Art stilistischen Bruch geben würde. Eventuell Absicht oder wenigstens nachvollziehbar?

Holly D.:
Nein, das ist nicht wirklich beabsichtigt. Wir haben aber schon versucht, den Spannungsbogen innerhalb des Albums zu halten. Songs wie 'Worte brennen gut' oder 'Sie kommen' müssen doch auch ebenso auf ein Album, wie etwa 'Komm nie zurück' oder 'Monument der Stille'.

Holger:
Da die Band nicht mehr komplett in einer Stadt beheimatet ist, wird wohl auch die grundsätzliche Arbeitsweise verändert sein, oder?

Holly D.:
Wir nutzen das Internet als Arbeitsplattform, da ist eine örtliche Anwesenheit nicht mehr dringend erforderlich! Geprobt wird vor der Tour ca. vier bis sechs Tage, dann geht's los...

Holger:
Während ich bei den ersten Durchläufen des Albums den Eindruck hatte, ihr hättet weniger Streich-Instrumente eingesetzt als sonst, muss ich diese Meinung nach intensivem Genuss revidieren. Kannst du verstehen, warum das Album zuerst diesen Eindruck vermittelt?

Holly D.:
Nein... :o)

Holger:
Ist euch bewusst, dass ihr euch aus der so genannten Gothic-Szene heraus bewegt (wenn ihr da überhaupt hinein gehört habt). Ist das ein bewusster Schritt? Ich hatte eher immer schon den Eindruck, dass ihr mit eurer frischen Musik so recht gar nicht da hinein gehören würdet.

Holly D.:
Wir hatten das Thema, glaube ich schon... Schubladen sind uns egal. Wir machen Musik, die mal dem Einen, mal dem Anderen gefällt, egal, ob nun in Lack und Leder, in Schwarz oder im Hawaii-Hemd...

Holger:
Was würde passieren, wenn man euch fragen würdet, ob ihr einen Song zum Eurovision-Song-Contest beisteuern würdet, wie es IN EXTREMO gemacht haben?

Holly D.:
Wir würden "Ja" sagen und versuchen, erster zu werden, ganz sportlich also...

Holger:
Da mittelalterliche Musik, mit der ihr ja auch kokettiert, in den letzten Jahren radio und chart-tauglich geworden ist, schielt man da schon – wenn auch unbewusst – auf Massenkompatibilität?

Holly D.:
Wie schon gesagt, über Schubladen brauchst du mich nix zu fragen. Ich weiß nicht, was Mittelaltermusik bedeuten soll... Geigen oder Celli sind keine mittelalterlichen Instrumente. Was ist an der LETZTEn INSTANZ "Mittelalter"?

Holger:
Die Musikindustrie jammert über nachlassende Abverkaufszahlen, was allerdings auch zur Folge hat, dass nur noch ein Bruchteil der Stückzahlen, die früher für einen Chartentry notwendig waren, heute dafür notwendig sind. Profitiert man als Band mit einer derart festen Fanbase nicht zwingend davon?

Holly D.:
Nun ja, das werden wir sehen... Nächste Woche Montag kommen die Media-Control-Charts raus und da werden wir sehen, wo wir stehen.

Holger:
Um das jetzt mal weiter zu spinnen: Kann man nicht sagen, dass Nischen-Musik (also Metal, Mittelalter, Gothic, Indie etc.) grundsätzlich von schlechten Absatzzahlen profitiert, da das wirklich interessierte Publikum nicht aufhört, Alben zu kaufen und daher vermeintliche Außenseiter in die Charts schiebt. Vor- oder/und Nachteil?

Holly D.:
Falls das so ist, dann ist das natürlich ein ganz klarer Vorteil.

Holger:
Der Single-Hit 'Wir sind allein' stammt ursprünglich von den INCHTABOKATABLES ('You Chained Me Up'). Was hat euch dazu bewogen, das zu covern? Hofft ihr, dass es den einen oder anderen LI-Fan dazu bewegt, die INCHIS zu entdecken?

Holly D.:
Die INCHIES waren eine coole Band, die viele durch ihre Jugend begleitet hat. Wir wollten diesen Song covern, weil er im Original ein paar schöne Ansätzen hatte. Englisch wollten wir nicht singen, also wurde ein neuer, deutscher Text draufgepackt und der Öffentlichkeit gegeben.

Holger:
Gab es Coverversionen, die dich persönlich derart mitgerissen haben, dass du danach (!) erst das Original gekauft hast? Welche Songs hätten nie gecovert werden dürfen und welche müssen es noch?

Holly D.:
Ehrlich gesagt, ging es nie soweit, dass ich mir eine Platte vom Original kaufte. Aber es gibt schon Cover, die das Original in den Schatten stellen:
JOHNNY CASH – "Personal Jesus" – DEPECHE MODE z.B.

Holger:
Erzähl mal was von der Entstehung des tollen Videoclips.

Holly D.:
Kalt war's und dunkel. Spät in drei Nächten durch Berlin gezottelt und Stellen gefilmt. Wir haben uns von im Schlaf gestörten Vögeln (knapp 200!!!) bescheissen lassen, weil wir an einem Baum standen... Das Drehbuch wurde innerhalb dreier Tage von Blackstage-TV geschrieben und in ebenfalls drei Tagen gedreht und ebenfalls in drei Tagen geschnitten...

Holger:
Was entgegnest du Leuten, die euch zu viel Pathos und Melancholie in den Texten vorwerfen?

Holly D.:
Da haben sie teilweise recht und ich finde es nicht schlimm. Pathos, Melancholie und ähnliches sind Stilmittel. Wer das nicht durchschaut und den Inhalt nicht begreift, der ist halt nur Silber und nicht Gold. Macht ja nix...

Holger:
Wie seid ihr auf die grandiose Idee zu 'Mein Ton' gekommen? Holly klingt da irgendwie nach Blixa Bargeld (man höre "Haus der Lügen")...

Holly D.:
Wie viele Schubladen braucht der Mensch? Wie viele Vergleiche sind notwendig?
"Mein Ton" ist eine Geschichte, die in Hollys Kopf entstand... wahrscheinlich nach ein, zwei Kaltgetränken... ;o)

Holger:
Was möchtest du mal gefragt werden?

Holly D.:
Wie viele Kinder habt ihr insgesamt?

Holger:
Bist du froh, dass dieses Interview ein Ende gefunden hat?

Holly D.:
Ja, ich muss mich jetzt einsingen, die Show geht gleich los... ;o)

Holger:
Herzlichen Dank für deine Zeit und die Musik

Holly D.:
Beides mal: Bitte und Danke ebenfalls für die Fragen und das Gehör.

Redakteur:
Holger Andrae

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