LACUNA COIL: Interview mit Andrea Ferro

12.02.2012 | 14:25

Mit "Dark Adrenaline" konnten die Italiener LACUNA COIL die Enttäuschung "Shallow Life" halbwegs vergessen machen. Wir sprachen mit Sänger Andrea Ferro.


Mein Geständnis, dass "Shallow Life" eher enttäuschend war, kann Andrea sogar nachvollziehen. "Nun, "Shallow Life" war unser fünftes Album und wir wollten natürlich auch Neues ausprobieren. Und manches davon kam gut an, wie der Song 'Spellbound', der in den USA sehr gut ankam, im Radio rauf- und runterlief und uns viele neue Märkte geöffnet hat. Von anderen Dingen wussten wir schnell, dass wir sie nicht noch einmal machen mussten. Von daher war für uns auch schnell klar, dass das neue Album wieder härter und düsterer werden sollte, es sollte eher ein Mix aus Alben wie "Unleashed Memories" und "Komalies" werden mit ein paar neuen Ideen und Einflüssen. Das hatten wir uns schon vorgenommen, bevor wir angefangen hatten, die Songs zu schreiben." Dass ein solches Vorhaben im Widerspruch zu einer spontanen, fließenden Art des Songwriting steht, sieht Andrea nur teilweise so: "Den Einwand kann ich durchaus verstehen, aber man muss schon sagen, dass die äußeren Umstände entsprechend waren. Wir sind durch einige schwere Zeiten gegangen, die die Stimmung natürlich sehr beeinflusst haben. Das ist auch etwas, was der Albumtitel ausdrücken soll, dass solch düsteren Zeiten eine Menge - auch positive - Energie hervorbringen können."

Der gestiegene Härtegrad sorgt auch dafür, dass Andrea wieder einen höheren Gesangsanteil bekommt: "Ja, das ist so und gefällt mir natürlich auch. Der düstere Ton des Albums hat das auch einfach verlangt. Und auch die Art wie Cristina und ich singen, hat sich stellenweise verändert. Ich denke, wir sind da einfach variabler geworden." Zielsicher zeigt man sich einmal mehr bei der Auswahl der Coverversion. Dass man den R.E.M.-Smasher 'Losing My Religion' zu Beginn nicht wiedererkennt, ist durchaus ein Kompliment. "Ja, ich liebe diesen Song. Wir haben das Original schon immer gemocht und haben dann schon früh entschieden, dass wir es diesmal ausprobieren würden, eine eigene Version daraus zu machen. Und ich finde, dass uns das gut gelungen ist und 'Losing My Religion' jetzt wie ein LACUNA COIL-Track klingt." Dem kann man nicht widersprechen. Dass R.E.M. sich kürzlich aufgelöst haben, ist in dem Zusammenhang nur ein netter Bonuseffekt. "Hahaha, ja, das war für uns eine sehr überraschende News. Als die Band dies bekannt gab, hatten wir den Song bereits aufgenommen und es wird sich zeigen, ob das für uns jetzt ein Vorteil ist. Aber generell mögen wir es einfach, solch bekannte Songs wie eben 'Losing My Religion' oder vorher ja schon 'Enjoy The Silence' (im Original von DEPECHE MODE - PK) in unser eigenes Gewand zu packen. Man kann die Songs gut live spielen, gerade, wenn das Publikum nicht so vertraut ist mit der Band, bei Festivals beispielsweise."


Ein Song wie 'Enjoy The Silence' war auch ein Marktöffner in den Staaten, wo es deutlich besser läuft für die Band als hier in Deutschland. Warum das so ist, stellt auch die Italiener vor ein Rätsel: "Ja, Deutschland unser ewiges Rätsel. Mit "Unleashed Memories" ging es eigentlich gut los und Deutschland war mit unser größter Markt. Aber während wir woanders, vor allem in den USA und in Großbritannien, stellenweise deutlich gewachsen sind, stagnieren wir hier in Deutschland seit zehn Jahren ziemlich. Wir wissen ehrlich gesagt nicht, woran es liegt." Die zurückgefahrenen Liveaktivitäten hier in Deutschland kann sich Andrea nicht als Grund vorstellen: "Es ist ja nicht so, dass wir gar nicht in Deutschland spielen. Zum letzten Album waren wir auf Europatournee und haben da auch fünf, sechs Gigs in Deutschland und zudem auf dem Wacken gespielt. Den Rest der Zeit waren wir eben eher in Nord- und Südamerika unterwegs, außerdem waren wir Ostasien, in Australien und haben das erste Mal in Indien gespielt. Wir gehen halt dahin, wo auch die Resonanzen entsprechend sind, von daher ist die kleinere Anzahl an Gigs nicht der Grund, sondern eher das Ergebnis davon, dass wir in Deutschland nicht wachsen."

Der Festivalgig in Indien hat bei Andrea einen sehr bleibenden Eindruck hinterlassen: "Ja, das war wirklich fantastisch. Das war so eine Art "Oktoberfest" wie in München, präsentiert von einem Bier-Hersteller. Und die Musik war bunt gemischt, da hat nacheinander Metal, ein DJ und Rap gespielt, da gab es keine Grenzen. Es waren sicher 10.000 Leute da und es war alles sehr gut organisiert. Das hat mich echt beeindruckt. Nur die Fahrten im Auto waren wirklich abenteuerlich. Ich meine, in Italien ist es wild, aber das hat alles übertroffen. Drei Mann ohne Helme auf einem Motorrad, Autos, die so alt und rostig waren, dass man glaubte, sie fallen jeden Meter auseinander und am Straßenrand, Menschen, die auf dem Boden schlafen mit einem Affen im Arm. Und alles war so bunt und friedvoll. Das war schon ein unvergessliches Erlebnis.", schwärmt Andrea.


Eine Tour in Deutschland bzw. Europa ist aber natürlich dennoch geplant. "Ja, klar. Aber erst geht es durch Nord- und Südamerika, im Sommer sind dann Festivals dran und im Oktober/November geht dann die Europatournee los, die uns natürlich auch durch Deutschland führt."

Den Rücktritt Berlusconis als Ministerpräsident Italiens sieht Andrea aus einem ganz eigenen Grund positiv: "Ich bin großer Fan des AC Milan und bin daher froh, dass er sich auf seinen Posten da etwas mehr konzentrieren kann und keine Politik mehr macht. Ob sich dadurch wirklich etwas in Italien ändert, wird man sehen. Ich glaube eigentlich nicht, dass ein Mensch so viel verändern kann. Nicht einmal Barack Obama konnte das, wie wir in den vergangenen Jahren gesehen haben. Von daher bin ich gespannt, wie es mit Italien weitergeht. Bisher höre ich viel in den Nachrichten von der Wirtschaftskrise, aber im Alltag spüre ich davon nicht wirklich viel."

Redakteur:
Peter Kubaschk

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